L 3 U 582/69

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 582/69
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 22. April 1969 dahin abgeändert, daß ein Beitragszuschlag für den Unfall des versicherten K. entfällt.

2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die der Klägerin entstandenen außergerichtlichen Verfahrenskosten zu erstatten.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit Bescheid vom 30. November 1967 hat die Beklagte der Klägerin gem. § 725 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für das Jahr 1966 einen Zuschlag aus Beitrag in Höhe von 983,47 DM auferlegt. Dabei legte sie 20 meldepflichtige Arbeitsunfälle mit je 10,– D = 200,– DM sowie einen entschädigten Arbeitsunfall des Versicherten K. (K.) mit 7.024,– DM, zusammen 7.224,– DM, zugrunde. Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei dem Unfall des K. um einen Arbeits- oder einen Wegeunfall handelte.

K. hatte am Samstag, dem 24. Juli 1965, Arbeitsvorbereitungen für eine Reparaturarbeit am nächsten Sonntag getroffen. Nach deren Beendigung verließ er gegen 16,00 Uhr das Werkstattgebäude, in dem er seinen Arbeitsplatz hatte, um sich nach Hause zu begeben. Er überquerte zunächst eine 12 m breite, im Fabrikgelände gelegene Straße, bestieg dann sein dort abgestelltes Motorrad und fuhr diese Straße in Richtung auf seinen Wohnort D. etwa 25 m entlang bis zu einer ebenfalls noch im Fabrikgelände befindlichen Kreuzung mit einer ca. 6 m breiten Straße. Dort wurde er von einem von links kommenden PKW-Fahrer, der im Fabrikgelände wohnte jedoch nicht bei der Klägerin beschäftigt war, angefahren und erheblich verletzt. Die Beklagte ließ von der Klägerin zunächst einen "Wege-Unfall-Fragebogen” ausfüllen und gewährte K. dann mit Bescheid vom 23. Mai 1966 für die Folgen des "Arbeitsunfalls” vom 24. Juli 1965 eine vorläufige Rente, die sie dann mit Bescheid vom 25. April 1967 wegen wesentlicher Besserung entzog.

Nachdem dem Widerspruch der Klägerin gegen den Beitragsbescheid vom 30. November 1967 mit Bescheid vom 28. März 1968 nicht abgeholfen worden war, hat die Klägerin am 17. April 1968 beim Sozialgericht Gießen Klage erhoben, das mit Urteil vom 22. April 1969 für Recht erkannt hat:

1) "Der Beitragsbescheid vom 30. Nov. 1967 für das Jahr 1966 wird – unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 28. März 1968 – dahingehend geändert, daß der unter Position 10 des Beitragsbescheides aufgeführte Beitragszuschlag in Höhe von 983,47 DM entfällt.

2) Die Beklagte hat der Klägerin die bei der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten.”

Zur Begründung wurde ausgeführt, bei dem Unfall des Klägers habe es sich um einen Wegeunfall gehandelt, so daß die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, gem. § 725 Abs. 2 RVO einen Beitragszuschlag zu erheben.

Gegen das ihr am 2. Mai 1969 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. Mai 1969 Berufung eingelegt. Sie führt u.a. aus, sie habe K. entsprechend den Angaben der Klägerin, dieser sei am 24. Juli 1965 "noch auf dem Werksgelände” verunglückt, eine vorläufige Rente wegen eines Arbeitsunfalles schlechthin, also nicht etwa wegen eines Wegeunfalls gewährt und sei zumindest im Verhältnis zu K. hieran gebunden. Nach dem Wortlaut des § 725 Abs. 2 Satz 1 RVO habe die Klägerin, nachdem sie diesen Rentenbescheid nicht verhindert habe, keinerlei Möglichkeit, daran zu ihren Gunsten in ihrem Verhältnis zur Beklagten etwas zu ändern, so daß die Klage bereits aus diesem Grunde hätte abgewiesen werden müssen. Abgesehen davon habe es sich bei dem Unfall auch gar nicht um einen Wege- sondern um einen Arbeitsunfall gehandelt, denn der Heimweg von dem Ort der Tätigkeit im Sinne des § 550 RVO beginne immer erst, wenn das Werksgelände verlassen wurde. Unstreitig habe sich der Unfall des K. aber noch innerhalb des Werksgeländes ereignet. Daß dieser seinen festen Arbeitsplatz in dem Werkstattgebäude der Klägerin gehabt habe, sei bei den räumlich verhältnismäßig kleinen Betriebsverhältnissen gleichgültig.

Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 22. April 1969 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt u.a. aus, bei dem Unfall des K. habe es sich um einen Wegeunfall gehandelt. Ihr Betrieb umfasse ein Gebiet von 55.900 qm; die Unfallstelle liege nahezu am Ausgang des Betriebsgeländes und dazu noch in einem Teil, in dem nicht produziert werde, sondern der teilweise als Lagerplatz diene und zum anderen Teil völlig ungenutzt sei. Überdies habe sich der Unfall an einem Samstag um 16,00 Uhr ereignet, nachdem die Schicht bereits mittags beendet gewesen sei und noch dazu durch das Verschulden eines Nichtwerksangehörigen.

Im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten (2 Bände) mit einer Skizze des Fabrikgeländes der Klägerin sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend die Auffassung vertreten, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, der Klägerin für das Jahr 1966 wegen des Unfalles des K. gem. § 725 Abs. 2 Satz 1 BVG einen Zuschlag zum Beitrag aufzuerlegen.

Nach dieser Bestimmung sind den einzelnen Unternehmern von der Berufsgenossenschaft unter Berücksichtigung der Zahl und Schwere der vorgekommenen Arbeitsunfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen; Wegeunfälle (§ 550) bleiben dabei außer Betracht. Voraussetzung für die Auferlegung eines Zuschlages ist somit dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung zufolge, daß Arbeitsunfälle "vorgekommen” sein müssen. Es genügt also nicht, daß der Versicherungsträger Arbeitsunfälle anerkannt hat. Der Senat hält die Ansicht der Beklagten für unzutreffend, die Klägerin sei – wie jeder Unternehmer – an die erfolgte Anerkennung eines Arbeitsunfalls durch den Versicherungsträger gebunden, weil sie die Gewährung einer Verletztenrente nicht rechtzeitig "verhindert” habe. Bei der Feststellung einer der in den §§ 547 ff. RVO vorgesehenen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die der Berufsgenossenschaften auferlegt worden ist (§ 1568 ff. RVO), trifft den Unternehmer des verunglückten Versicherten lediglich eine Anzeigepflicht (§ 1552 ff. RVO) und eine Nachweispflicht in Bezug auf das Arbeitsentgelt (§ 1581 RVO). Die zu erteilenden Bescheide ergehen lediglich dem Verletzten gegenüber (§ 1583 ff. RVO) und äußern daher Rechtswirkungen auch nur im Verhältnis zwischen ihm und der Berufsgenossenschaft, nicht aber auch gegenüber dem betreffenden Unternehmer, wie die Beklagte meint. In der Praxis werden die Unternehmer auch nur gelegentlich über das Ergebnis des berufsgenossenschaftlichen Feststellungsverfahrens informiert. Auch im vorliegenden Fall hat die Beklagte die dem versicherten K. erteilten Leistungsbescheide nicht der Klägerin zugestellt und ihr insbesondere nicht mitgeteilt, daß sie ihm Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalles unter Ablehnung der Anerkennung eines Wegeunfalles gewährte. Es ist daher nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrund die Klägerin nach Ansicht der Beklagten in der Lage gewesen sein soll, den ersten Rentenbescheid an K. zu verhindern. Die Beklagte behauptet hierzu nur, sie bringt das Vorliegen eines Wegeunfalls zur Differenzierung u.a. im Hinblick auf § 725 Abs. 2 RVO i.V. mit § 27 der Satzung in dem Leistungsbescheid durch einen besonderen Zusatz, z.B. "hat am auf dem Wege zur Arbeitsstelle in dem Unternehmen ”, zum Ausdruck. Dieser Zusatz kann jedoch allenfalls für den innerdienstlichen Gebrauch der Beklagten von Wert sein, denn der betreffende Unternehmer wird im Hinblick auf § 725 Abs. 2 RVO dadurch nur begünstigt und für den Versicherten ist es bedeutungslos, ob er statt wegen eines Arbeits- wegen eines Wegeunfalls entschädigt wird. Die Beklagte müßte schon in allen Fällen, in denen dies zweifelhaft ist und sie keinen Wegeunfall anerkennt, den Unternehmern von ihrer Entscheidung Kenntnis geben, damit sie sogleich eine sozialgerichtliche Entscheidung hierüber herbeiführen können, was hier jedoch nicht geschehen ist. Nach Auffassung des Senats kann daher in Fällen der vorliegenden Art ein Unternehmer erst gegen den Beitragsbescheid mit dem Hinweis vorgehen, bei einem für zuschlagspflichtig erklärten Arbeitsunfall habe es sich tatsächlich um einen Wegeunfall gehandelt. Daß die Klägerin gegen die dem K. erteilten Leistungsbescheide nichts unternommen hat, ist also ohne rechtliche Bedeutung.

Entscheidend ist somit, ob K. einen Wegeunfall im Sinne des § 550 Satz 1 RVO erlitten hat. In diesem Falle wäre die Beklagte nicht berechtigt, der Klägerin gem. § 725 Abs. 2 Satz 1 RVO einen Beitragszuschlag aufzuerlegen und der angefochtene Bescheid müßte insoweit aufgehoben werden.

Nach § 550 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Die Beklagte ist der Ansicht, der "Weg von dem Ort der Tätigkeit” beginne immer erst, wenn der Versicherte das Werksgelände verlassen habe und meint, es habe sich im vorliegenden Fall deshalb um einen Arbeitsunfall gehandelt, weil sich der Unfall mitten im Werksgelände ereignet habe. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 19. Oktober 1966, L-3/U-253/68 (abgedruckt bei Breithaupt Heft 9/1967, Soziale Sicherheit, Heft 6/1967), unter Hinweis auf eine Entscheidung des früheren RVA in EuM Band 16 S. 96 sowie Schaeder/Strich, Die deutsche Unfallversicherung, 1940, S. 626, die Auffassung vertreten, daß der nach § 550 Satz 1 RVO maßgebende Ort "der Tätigkeit” bei räumlich ausgedehnten Betrieben nicht das ganze Betriebsgelände sondern nur derjenige Teil des Betriebes ist, mit dem der betreffende Arbeitnehmer durch die ihm zugewiesene Arbeit in Berührung kommt, und daß bei einem Arbeiter mit festem Arbeitsplatz als Ort der Tätigkeit das Gebäude anzusehen ist, in dem sich sein Arbeitsplatz befindet. Nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ist der Arbeitsunfall nur ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den dort aufgeführten Bestimmungen genannten Tätigkeiten erleidet. Eine versicherte Tätigkeit findet aber nicht mehr statt, wenn der Versicherte nach Arbeitsschluß seine Arbeitsstätte verlassen hat und sich auf dem Heimweg befindet, wobei es ohne Bedeutung ist an welcher Stelle seines Heimweges er verunglückt.

Für den vorliegenden Fall ist hierzu festzustellen, daß K. am Unfalltag bis 16 Uhr an seinem ihm zugewiesenen Arbeitsplatz im Werkstattgebäude der Klägerin gearbeitet hatte. Kurz darauf verließ er dieses Gebäude, um nach Hause zu fahren. Zu diesem Zweck überquerte er zunächst eine an dem Gebäude vorbeiführende 12 m breite Fabrikstraße, stieg dann auf sein dort abgestelltes Motorrad und befuhr diese Straße etwa 25 m weiter in Richtung auf seinen Heimatort bis zu einer rechtwinkligen Kreuzung mit einer 6 m breiten, ebenfalls noch innerhalb des Werksgeländes verlaufenden Straße und stieß dort mit einem von links kommenden Pkw-Fahrer zusammen, der als Nichtbetriebsangehöriger auf dem Werksgelände wohnte.

K. verunglückte also nicht "bei einer versicherten Tätigkeit” im Sinne des § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO und hätte ohne die Existenz des § 550 Satz 1 RVO nicht mehr unter Versicherungsschutz gestanden. Die Beklagte, die offensichtlich der Ansicht ist, daß ein Arbeitnehmer, der auf dem Betriebsgelände verunglückt, den Unfall stets bei einer versicherten Tätigkeit erleidet, übersieht, daß die RVO den Begriff "Betriebs- bzw. Fabrikgelände” nicht kennt und daß dieser auch so unbestimmt ist, daß er kein brauchbares Kriterium für die Unterscheidung zwischen einem Arbeits- und einem Wegeunfall darstellen kann. Der Begriff "Ort der Tätigkeit” im Sinne des § 550 Satz 1 RVO ist gesetzlich nicht näher definiert. Da er seinem Sinn und Zweck nach auch außerhalb von Ortschaften gelegene Betriebe umfaßt, ist er zunächst schon aus diesem Grunde nicht mit dem Begriff der Ortschaft, d.h. Stadt oder Gemeinde, gleichzusetzen. Da ferner kleine und kleinste Unternehmen häufig kein eigenes Betriebsgelände haben, z.B. auch Büros in Miethäusern, ist unter "Ort der Tätigkeit” stets nur der eigentliche Arbeitsplatz zu verstehen. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde dann, wenn ein Arbeitsplatz in einem größeren Fabrikgelände mit mehreren räumlich auseinander liegenden Arbeitsplätzen liegt, nicht mehr der betreffende Arbeitsplatz selbst, sondern das Gesamtgelände des Betriebes der "Ort der Tätigkeit” sein soll. Dieser Begriff kam nur einheitlich für alle Arbeitsplätze definiert werden, wobei zu beachten ist, daß der Gesetzgeber des § 550 Satz 1 RVO nicht vom Ort des "Unternehmens” sondern dem der "Tätigkeit” spricht, obwohl er an anderer Stelle den Begriff des Unternehmens verwendet (z.B. in den §§ 543 Abs. 2, 72; Abs. 1 RVO).

Im übrigen ist die von der Beklagten vertretene Auffassung zur Auslegung des Begriffes "Ort der Tätigkeit” nicht geeignet, für alle vorkommenden Fälle ein brauchbares Unterscheidungsmerkmal abzugeben und zwar insbesondere dann nicht, wenn kein Betriebsgelände mit einem besonderen Eingangstor vorhanden ist, dessen Grenzen also nicht festzulegen sind. So kann es vorkommen, daß alle Betriebsgebäude an einer Seite einer öffentlichen Straße liegen. Es ist auch denkbar, daß durch eine Fabrik eine öffentliche Straße führt oder daß eine Fabrik zwar nur auf einer werkseigenen Straße zu erreichen ist, die Fabrikgebäude aber auf der einen Seite eher beginnen als auf der anderen. In allen diesen Fällen ist es nicht möglich zu bestimmen, wo das Werksgelände beginnt und wann ein Arbeitnehmer es betritt. Der Senat ist der Auffassung, daß dieser den Ort seiner Tätigkeit nicht bereits dann erreicht, wenn er das erste Betriebsgebäude, in dem sich seine Arbeitsstätte nicht befindet, passiert, sondern stets erst dann, wenn er das Gebäude, in dem sich seine Arbeitsstätte befindet, betritt. Ebenso wie die Außentür des Wohnhauses die versicherungsrechtlich maßgebende Grenze zwischen der Privatsphäre des Versicherten und dem unter Versicherungsschutz stehenden Weg zur Arbeitsstätte bildet, beginnt und endet dieser grundsätzlich auch an der Außentür des Gebäudes, in den sich sein Arbeitsplatz befindet. Alle anderen Unterscheidungsmerkmale sind für eine im Hinblick auf die Regelung in § 725 Abs. 2 RVO erforderliche allgemein gültige Abgrenzung der Begriffe Arbeits- und Wegeunfall unbrauchbar. Abzulehnen ist daher auch die vom LSG Niedersachsen in dessen Urteil vom 24. Juni 1969 (L-3/U-16/69) vertretene Ansicht, bei engen räumlichen Verhältnissen könne bereits das Betreten des "Werkshofes und das Abstellen des Fahrrades nicht mehr der Zurücklegung des Weges zum Ort der Tätigkeit zugerechnet werden, sondern müsse als Bestandteil der versicherten Tätigkeit auf der Arbeitsstätte angesehen werden.

Der Senat hält es andererseits auch für geboten, einen Wegeunfall dann nicht mehr anzunehmen, wenn ein Versicherter nach dem Durchschreiten der Außentür des Betriebsgebäudes, in dem sich sein Arbeitsplatz befindet, bis zum Erreichen dieses Platzes verunglückt, denn nach natürlicher Betrachtungsweise stellt das gesamte Gebäude, in dem er arbeitet, den Ort dar, an dem er seine versicherte Tätigkeit verrichtet, ebenso wie der Heimweg bei Miethäusern bereits bei deren Betreten und nicht erst beim Erreichen der eigenen Wohnungstür endet. Im vorliegenden Fall ist K. jedoch in einiger Entfernung von dem Werkstattgebäude, in dem er arbeitete, bei der Heimfahrt verunglückt. In Fällen dieser Art kann es keinem Zweifel unterliegen, daß es sich um einen Wegeunfall handelt.

Kein Argument für die hier vertretene Auffassung stellt die dem § 725 Abs. 2 RVO zugrunde liegende Erwägung dar, daß Wegeunfälle deshalb bei der Zuschlagsberechnung ausscheiden sollen, weil diese in aller Regel nicht im Einflußbereich des Unternehmers liegen und nicht durch die Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften vermieden werden können. Denn der Begriff des Wegeunfalls kann durch die in § 725 Abs. 2 Satz 1 a.a.O. erfolgte Bezugnahme auf § 550 RVO nicht beeinflußt werden. Es läßt sich also nicht so argumentieren, daß die Berufsgenossenschaften stets dann einen Zuschlag auferlegen dürfen und einen Wegeunfall annehmen müssen, wenn sich der Unfall außerhalb des Einflußbereiches der Unternehmer ereignet hat. Vielmehr ist unabhängig von dieser Erwägung zu entscheiden, ob nach den allgemeinen Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung ein Arbeits- oder Wegeunfall vorliegt. Die hier vertretene Auffassung führt allerdings zu dem auch für die Anwendung des § 725 Abs. 2 a.a.O. allein gerechten Ergebnis, daß sich der Begriff des Wegeunfalls tatsächlich auf alle im wesentlichen außerhalb des Einwirkungsbereiches der Unternehmer vorkommenden Unfälle erstreckt. Denn Unfallmöglichkeiten außerhalb der Betriebsgebäude können im allgemeinen von ihnen nicht verhindert werden, zumal sich die Unfallverhütungsvorschriften nur auf die eigentlichen Arbeitsvorgänge beziehen.

Auf die Berufung der Beklagten hat der Senat das angefochtene Urteil lediglich dahin abgeändert, daß ein Beitragszuschlag für den Unfall des Versicherten K. entfällt. In dem angefochtenen Bescheid vom 30. November 1967 sind nämlich noch "20 meldepflichtige Arbeitsunfälle × DM 10,– = DM 200,–” bei der Errechnung des Beitragszuschlags berücksichtigt worden, über die sich die Beteiligten nicht streiten. Es besteht die – allerdings entfernte – Möglichkeit, daß sich auch diese Unfälle auf den mit 983,47 DM errechneten Beitragszuschlag ausgewirkt haben und ohne den hier allein streitigen Unfall des Klägers noch ein – wenn auch geringer – Beitragszuschlag zu Recht besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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