L 3 Kr 797/67

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 Kr 797/67
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufungen der beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. Juni 1967 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beklagte stellte am 18. Oktober 1963 bei einer Prüfung des Betriebes der Klägerin u.a. fest, daß im Lohnbuch monatliche Zahlungen an den 1887 geborenen Beigeladenen P. (P.) aufgeführt waren, die in den Jahren 1961, 1962 und 1963 insgesamt DM 3.320,–, 4.310,– und DM 3.517,55 betrugen. P., der Altersgeld aus der Handwerkerversicherung erhält, war in diesen Jahren Vorsitzende des Vorstandes der Klägerin und hatte im Betrieb der Klägerin einzelne ihm zugewiesene Tätigkeiten zu verrichten.

Mit Schreiben vom 6. November 1963 forderte die Beklagte von der Klägerin für den Beigeladenen P. in Bezug auf die Zeit vom 1. Januar 1961 bis 31. Oktober 1963 Beiträge zur Kranken- und Angestelltenversicherung in Höhe von 1.951,98 DM. Mit Schreiben des Rechtsanwaltes K., F., vom 16. Dezember 1963 legte die Klägerin hiergegen "Einspruch” ein und machte geltend, P. habe als Vorstandsmitglied keine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt. Die Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 8. Juni 1964 nicht ab.

Die Klägerin hat daraufhin am 9. Juli 1964 beim Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Das Sozialgericht lud die BfA sowie P. zum Verfahren bei und hörte diesen persönlich. Mit Urteil vom 13. Juni 1967 hob es die Bescheide der Beklagten vom 6. November 1963 und 8. Juni 1964 insoweit auf, als darin Versicherungsbeiträge für P. ab 1. Januar 1961 gefordert worden sind. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das der beigeladenen BfA am 3. Juli 1967 zugestellte Urteil hat diese am 21. Juli 1967 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie u.a. aus, die vom Sozialgericht festgestellte wirtschaftliche Unabhängigkeit des P. könne dahingestellt bleiben, weil sie nur ein Indiz für das Vorliegen persönlicher Gebundenheit darstelle. Entscheidend sei allein die persönliche Abhängigkeit, die sich hier vornehmlich in der Eingliederung des P. in den Betrieb der Klägerin geäußert habe. Seine Organstellung habe seiner Versicherungspflicht nicht entgegen gestanden.

Sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. Juni 1967 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 28. Juni 1967 zugestellte Urteil am 26. Juli 1967 Berufung eingelegt. Sie führt u.a. aus, die Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen sei für die Beurteilung der Versicherungspflicht von Organmitgliedern juristischer Personen ohne Bedeutung. Die persönliche Unterordnung des P. sei zu bejahen, auch wenn die Eingliederung in den Betrieb in Anbetracht der besonderen Sachlage nicht so streng und ausgeprägt zum Ausdruck gekommen sei. Die gewährte Vergütung von durchschnittlich 342,– DM monatlich sei auch wesentlich für die Lebensführung des Altersrentners gewesen, so daß insoweit auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit bestanden habe.

Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. Juni 1967 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie führt u.a. aus, das Sozialgericht habe den Sachverhalt zutreffend dahin gewürdigt, daß eine persönliche Abhängigkeit des P. nicht vorhanden gewesen sei. Er sei kein entgeltlich beschäftigtes Vorstandsmitglied gewesen, sondern habe in völliger wirtschaftlicher und persönlicher Ungebundenheit gewisse Vorbereitungsarbeiten für die Beschlussfassungen der Organe der Genossenschaft – Vorstand und Aufsichtsrat – verrichtet.

Der Beigeladene P. hat nichts vorgetragen und keinen Antrag gestellt.

Im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).

Entscheidungsgründe:

Die statthaften Berufungen der beigeladenen BfA sowie der Beklagten sind form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.

Das gemäß § 80 Nr. 1 SGG erforderliche Vorverfahren ist durchgeführt worden. Die Beklagte hat auf den durch Rechtsanwalt K., F., am 17. Dezember 1963 eingelegten "Einspruch” gegen die mit keiner Rechtsbehelfsbelehrung versehene Beitragsnachforderung der Beklagten vom 6. November 1963 am 8. Juni 1964 einen Widerspruchsbescheid erteilt. Eine schriftliche Vollmacht für Rechtsanwalt K. liegt zwar nicht vor. Jedoch hat dieser mit seinem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 6. Mai 1964 eine "eidesstattliche Erklärung” der Klägerin über das Beschäftigungsverhältnis des P. vorgelegt. Daraus kann entnommen werden, daß die Klägerin Rechtsanwalt K. mit ihrer Vertretung im Verwaltungsverfahren beauftragt hatte. Im übrigen ist auch in der Klageerhebung gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten eine Genehmigung der Widerspruchseinlegung durch Rechtsanwalt K. zu erblicken. Die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht ist im Gegensatz zum sozialgerichtlichen Verfahren (§ 73 Abs. 2 SGG) nicht gesetzlich bestimmt.

Die Berufungen sind auch begründet. Die Beklagte fordert von der Klägerin zu Recht in Bezug auf P. Beiträge zur Kranken- und Angestelltenversicherung für die Zeit vom 1. Januar 1961 bis 31. Oktober 1963 in der nicht streitigen Höhe von 1.951,98 DM, weil dieser insoweit zur Klägerin in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand. Er wurde nämlich als Angestellter gegen Entgelt beschäftigt (§ 165 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung –RVO–, §§ 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes – AVG).

Die Reichsversicherungsordnung enthält zwar keine Bestimmung darüber, was unter einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 165 RVO zu verstehen ist. Lediglich in Abs. 2 a.a.O. wird für die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung das Bestehen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses vorausgesetzt. Nach Auffassung des früheren Reichsversicherungsamtes und des Bundessozialgerichtes, der sich der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat, ist das Vorliegen eines Verhältnisses wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erforderlich (vgl. Reichsversicherungsamt in Entscheidungen und Mitteilungen Band 15 Seite 28; Anleitung des Reichsversicherungsamtes über den Kreis der nach der RVO gegen Invalidität und Krankheit versicherten Personen, Amtliche Nachrichten 1912, S. 721 ff. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 5. April 1956, 3 RK 65/55, Band 3 S. 311; Urteil des 6. Senates des Hessischen Landessozialgerichtes vom 28. Januar 1959, L-6/Kr-26/58, KVRS 1200/5).

Der Auffassung der Klägerin und des Sozialgerichts, P. sei nicht abhängig, sondern in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der Klägerin selbständig tätig gewesen, kann nicht beigepflichtet werden. Die Klägerin ist als eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht gem. § 17 des Genossenschaftsgesetzes (Gen.Ges.) eine sog. juristische Person. Die Rechtsverhältnisse zwischen einer juristischen Person und den gegen Entgelt tätigen Mitgliedern ihrer Organe werden zwar von der herrschenden Meinung bürgerlich-rechtlich als unabhängige Dienstverträge aufgefaßt, auf die lediglich die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die auf Leistung und Gegenleistung beruhenden gegenseitigen Verträge, dagegen nicht die besonderen Regeln des Arbeitsrechts anzuwenden sind. Abgesehen von ausdrücklichen Vorschriften des Arbeitsrechts ist hierfür besonders die Erwägung maßgebend, daß diese Personen in der Regel selbst die Willensbildung der juristischen Person vollziehen und insbesondere das Direktionsrecht der juristischen Person als Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern ausüben und daß sie von Weisungen weitgehend unabhängig sind. Trotz dieser Unabhängigkeit im Handeln nähern sich aber auch nach dieser Auffassung derartige Dienstverhältnisse bei längerer Dauer einem echten (abhängigen) Arbeitsverhältnis besonders dann, wenn das Organmitglied fest in das Unternehmen eingegliedert ist und ihm seine ganze Arbeitskraft zur Verfügung stellt (so Urteil des BSG vom 20. Dezember 1961, 2 RU 146/56). Dabei ist eine nicht abhängige Tätigkeit des besoldeten Organmitgliedes einer juristischen Person jedenfalls dann anzunehmen, wenn es durch seinen Stimmenanteil im willensbildenden Organ einen beherrschenden Einfluß auf die juristische Person nehmen kann (vgl. BSG 13, 166 ff., 199). In einem solchen Fall kann nämlich das dem geschäftsführenden Organ angehörende Mitglied maßgeblichen Einfluß auf die Gestaltung und den Abschluß eines Anstellungsvertrages ausüben und verhindern, daß ihm nicht genehme Weisungen von Dritten in Ausübung des Direktionsrechtes erteilt werden. Hiernach war P. jedoch nicht selbständig tätig, denn er hatte keinen maßgebenden Einfluß auf die Willensbildung der Klägerin. In dem obersten Willensorgan einer eingetragenen Genossenschaft, der Generalversammlung (§ 43 Abs. 1 Gen.Ges.) hat nämlich jeder Genosse unabhängig von dem Maß seiner finanziellen Beteiligung und der Zahl der übernommenen Geschäftsanteile nur eine Stimme (§ 43 Abs. 2 a.a.O.). Selbst in dem die Geschäftsführung wahrnehmenden Vorstand hatte P. kein ausschlaggebendes Stimmrecht.

Daraus, daß P. keinen maßgebenden Einfluß auf die Genossenschaft nehmen konnte, kann aber nicht ohne weiteres seine persönliche Abhängigkeit als die Versicherungspflicht begründendes Merkmal gefolgert werden (vgl. BSG 13, 199 ff.). Daß P. als geschäftsführendes Organmitglied einer juristischen Person Arbeitgeberfunktionen wahrzunehmen hatte, ist andererseits kein Grund, ihn als persönlich Unabhängigen und versicherungsfrei Tätigen anzusehen. Die Arbeitgeberfunktion ist aber für die Frage der Versicherungspflicht von geschäftsführenden Organmitgliedern juristischer Personen ohne Bedeutung, da unter einem Arbeitgeber im Sinne der RVO bei juristischen Personen derjenige zu verstehen ist, dem der Anspruch auf die Arbeitsleistung zusteht, der den Lohn schuldet und dem der wirtschaftliche Ertrag der Arbeitsleistung zukommt (vgl. BSG 13, 198). Das ist allein die juristische Person, hier also die Klägerin.

Entscheidend dafür, ob die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder einer eingetragenen Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht als leitende Angestellte der Versicherungspflicht unterliegen, ist das Innenverhältnis des betreffenden Vorstandsmitgliedes zur Genossenschaft. Das Innenverhältnis ist denkbar als eine rein gesellschafts- bzw. genossenschaftsrechtliche Funktion, als ein Rechtsverhältnis auf Leistung weisungsgebundener Arbeit oder als ein Dienstvertrag zur endgültigen selbständigen Geschäftsbesorgung (vgl. BSG 13, 198 ff; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. April 1964, L-16/Kr-81/61, abgedruckt im Rechtsprechungsdienst der Sozialgerichtsbarkeit zu § 165, RVO, Bl. 1200).

Wie das frühere Reichsversicherungsamt ausgeführt hat, spricht der Umstand, daß Genossenschaftsmitglieder nach der Satzung nicht verpflichtet sind, Arbeiten für die Genossenschaft zu verrichten, im allgemeinen dafür, daß die bei Arbeiten für die Genossenschaften beschäftigten Mitglieder als Arbeitnehmer anzusehen sind (vgl. GE 4265, AN 1932, S. IV 41, Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 308 e).

P. war nicht allein in seiner genossenschaftlichen Funktion als Vorstandsmitglied der Klägerin tätig; hierfür wurde er auch nicht entschädigt. Als solches hatte er bezüglich der Geschäftsführung die gleichen Rechte und Pflichten wie die übrigen Vorstandsmitglieder. Vielmehr erklärte er sich gegenüber der Klägerin bereit, über seine allgemeine Tätigkeit als Vorstandsmitglied hinaus in deren Geschäftsbetrieb bestimmte Tätigkeiten zu verrichten, und zwar die Durchsicht und Unterzeichnung der Korrespondenz und der Zahlungsweisungen, die Kontrolle der Geschäftsführung und der übrigen Angestellten – insbesondere Kassen- und Kreditkontrollen –, die Führung des Genossenschaftsregisters sowie die Vorbereitung der Sitzungen des Vorstandes und der gemeinsamen Sitzungen des Vorstandes und des Aufsichtsrates und die Vorbereitung der Entscheidungen des Vorstandes und des Aufsichtsrates über Kreditanträge, wie die Klägerin in der Klageschrift unwidersprochen vorgetragen hat. Es handelte sich dabei nicht um die gesamte Geschäftsführung der Klägerin, denn für diese war eine Geschäftsführerin hauptamtlich tätig, und auch nicht um eine entgeltliche selbständige Geschäftsbesorgung, vielmehr um ein Rechtsverhältnis auf Leistung weisungsgebundener Arbeit. P. war nämlich trotz seiner Unabhängigkeit im Handeln in seiner Eigenschaft als Organ der Klägerin fest in deren Unternehmen eingegliedert und stellte ihm einen großen Teil seiner Arbeitskraft zur Verfügung. Die für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wesentliche persönliche Abhängigkeit äußert sich vornehmlich in der Eingliederung des Arbeitenden in einen Betrieb (oder in eine Verwaltung), womit in aller Regel das Direktionsrecht des Arbeitgebers verbunden ist. Das hierfür maßgebliche Kriterium ist zwar, ob der Dienstnehmer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann oder ob er einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht unterliegt (vgl. Urteil des BSG vom 29. März 1962, 3 RK 74/75). Wie das BSG in diesem Urteil zutreffend ausgeführt hat, kann diese Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art, was die Ausführung der Arbeit betrifft, aufs stärkste eingeschränkt sein, denn es gibt Arbeitsverhältnisse, bei denen dem Arbeitgeber eine Einflußnahme auf die sachliche Ausführung der Tätigkeit des Arbeitnehmers rechtlich versagt ist. Trotzdem kann die Dienstleistung eines solchen Arbeitnehmers fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes oder der Gemeinschaft erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. In Fällen dieser Art kann das für das abhängige Beschäftigungsverhältnis allein charakteristische Merkmal der persönlichen Abhängigkeit in Grenzfällen sowohl durch die Eingliederung in einen Betrieb als auch beim Fehlen eines solchen allein durch Weisungsgebundenheit gekennzeichnet sein, wenn auch in aller Regel beide miteinander verbunden sind. Je weniger allerdings das Direktionsrecht des Arbeitgebers in Gestalt ausdrücklicher Weisungen in Erscheinung tritt, je mehr der Arbeitnehmer bei der Gestaltung seiner Arbeit auf sich selbst gestellt ist, um so größeres Gewicht erhält das Merkmal der Eingliederung in einen übergeordneten Organismus für die Abgrenzung zwischen abhängig geleisteter Arbeit und selbständig verrichteten Diensten. Die Weisungsgebundenheit eines Arbeitnehmers verfeinert sich in einem solchen Fall zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß.

Diese vom BSG vertretene Auffassung trifft auf den hier streitigen Zeitraum in Bezug auf die Tätigkeit des P. im Betrieb der Klägerin zu. Wie er bei seiner Anhörung durch das Sozialgericht Darmstadt am 13. Juni 1967 angegeben hat, war er bis zum Jahre 1953 als Rechner bei der Klägerin tätig gewesen. Seit dem Bezug von Altersgeld seit dem Jahre 1952 habe er einen großen Teil seiner Freizeit der Klägerin gewidmet und sei an deren Wohlergehen sehr interessiert gewesen, zumal sich deren Geschäftsräume bis zum Jahre 1956 in seinem Haus befunden hätten. In der hier streitigen Zeit habe er seine Tätigkeit als Vorsitzender des Vorstandes der Klägerin ausgeübt und sei dabei keinerlei Weisungen, insbesondere nicht durch die Geschäftsführerin unterworfen und an keine Dienststunden gebunden gewesen. Bei Bilanzarbeiten habe er manchmal wochenlang gearbeitet.

Daraus ergibt sich, daß P. in den Betrieb der Klägerin eingegliedert war und ein bestimmtes Arbeitsgebiet hatte, das ihm von den Organen der Klägerin zugeteilt worden war, die auch das Recht hatten, von ihrem Direktionsrecht Gebrauch zu machen. Nach § 16 ihrer Satzung wird die Klägerin durch den Vorstand vertreten. Den Vorstandsmitgliedern kann vom Aufsichtsrat eine Vergütung für ihre Tätigkeit gewährt werden. Nach § 30 der Satzung ist der Aufsichtsrat befugt, nach seinem Ermessen Mitglieder des Vorstandes vorläufig, bis zur Entscheidung der ohne Verzug zu berufenden Generalversammlung, von ihren Geschäften zu entheben und wegen deren einstweiliger Fortführung das Erforderliche zu veranlassen. Ferner können Vorstand und Aufsichtsrat der Klägerin in einer Anzahl von Fällen nur gemeinsam beraten und beschließen (vgl. § 33 der Satzung). Schließlich sind der Vorstand und der Aufsichtsrat von der Generalversammlung zu wählen, können von ihm ihres Amtes enthoben werden und erhalten von ihm eine Dienstanweisung (vgl. § 42 Nr. 2, 6, 8 a.a.O.). Daraus folgt, das P. einem dem gesamten Vorstand, dem Aufsichtsrat und der Generalversammlung der Klägerin zustehenden Direktionsrecht unterworfen und nicht befugt war, seine Tätigkeit im wesentlichen frei zu gestalten. Seine relative Freiheit in der Verrichtung des ihm übertragenen Aufgabenbereiches wurde ausgeglichen durch die feste Eingliederung in den Bankbetrieb der Klägerin, wodurch er zu einem dienenden Glied in diesem übergeordneten Organismus wurde.

Die Klägerin hat für die dem P. gewährte Vergütung auch Lohnsteuer entrichtet. Wie das BSG in seinem Urteil vom 5. April 1956, 3 RK 65/55, (Sozialgerichtsbarkeit 1956, Seite 319) ausgeführt hat, ist aber ein wichtiger Anhalt für das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die steuerliche Behandlung der Bezüge, da Lohnsteuerrecht und Beitragsrecht in der Sozialversicherung hinsichtlich ihrer Voraussetzungen im Grundsatz übereinstimmen. Durch die Abführung der Lohnsteuer brachte die Klägerin somit zum Ausdruck, daß der Beigeladene P. wie ein Arbeitnehmer beschäftigt wurde.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht auch die wirtschaftliche Abhängigkeit des P. von der Klägerin verneint. Diese liegt grundsätzlich vor, wenn es sich um eine entgeltliche Beschäftigung im Sinne des § 165 Abs. 2 RVO handelt, ohne daß es darauf ankommt, ob der Beschäftigte das ihm gezahlte Entgelt zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes benötigt. Es genügt vielmehr, daß das Entgelt für P. einen wirtschaftlichen Wert hatte, was im Hinblick auf sein verhältnismäßig niedriges Altersgeld von ursprünglich 200,– DM und später 385,– DM zweifellos der Fall war (vgl. Urteil des erkennenden Senates vom 16. Dezember 1959, L-6/Kr-30/59).

Nach alledem stand P. in der hier streitigen Zeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin, so daß Versicherungspflicht zur Krankenversicherung bestand. Der Umstand, daß er bereits Rentner war, bewirkte nur, daß er keinen Arbeitnehmeranteil zur Angestelltenversicherung zu entrichten hatte, die Klägerin jedoch zur Entrichtung des Arbeitgeberanteiles verpflichtet war (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 113, 30, 31 AVG). Die Beklagte hat auch nur den Arbeitgeberanteil zur Angestelltenversicherung von der Klägerin gefordert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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