Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1107/68
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Einem selbständigen Landwirt steht nach einem Arbeitsunfall während der dadurch bedingten Arbeitsunfähigkeit auch dann Verletztengeld zu, wenn ihm aus einer nebenberuflichen unselbständigen Tätigkeit Arbeitsentgelt weiter gewährt wird.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 3. Oktober 1968 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Verfahrenskosten zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1930 geborene Kläger erlitt am 3. September 1966 dadurch einen Arbeitsunfall in seiner Landwirtschaft, daß ihm die Ackerschiene eines Schleppers auf den rechten Fuß fiel. Dadurch zog er sich eine schwere Quetschung des rechten Vorfußes sowie eine Großzehenfraktur zu und war bis zum 16. Oktober 1966 arbeitsunfähig krank. Der Kläger war außer als selbständiger Landwirt noch 4 Stunden täglich als Angestellter bei der Raiffeisenkasse in N. tätig und hatte einen Anspruch auf Fortzahlung seines Gehaltes in Höhe von 390,– DM monatlich für die Dauer von 6 Wochen nach dem Unfall. Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse teilte der Beklagten am 8. November 1966 mit, daß der Anspruch des Klägers auf Krankengeld wegen der Gehaltsfortzahlung bis zum 15. Oktober 1966 geruht habe. Das ihm für den 16. Oktober 1966 gezahlte Krankengeld in Höhe von 10,50 DM wurde ihr von der Beklagten erstattet.
Mit Bescheid vom 20. März 1967 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld mit der Begründung ab, der Bezug von Arbeitsentgelt schließe einen Anspruch auf Verletztengeld aus, wenn ersteres die Höhe des Verletztengeldes erreiche oder übersteige. Dies sei hier der Fall, weil das aus dem Jahresarbeitsverdienst (JAV) von 4.500,– DM zu berechnende Verletztengeld niedriger wäre als das Arbeitsentgelt in Höhe von 390,– DM monatlich. Das ihm nach dem Wegfall der Gehaltsfortzahlung für den 16. Oktober 1966, den letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit, noch zustehende Krankengeld sei ihm von der Deutschen Angestellten-Krankenkasse ausgezahlt worden. Da sein Anspruch auf Verletztengeld nicht höher gewesen sei als das Krankengeld, bestehe kein Anspruch auf Zahlung eines Verletztengeldes oder eines Unterschiedsbetrages.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 18. April 1967 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben, das mit Urteil vom 3. Oktober 1968 für Recht erkannt hat:
"Der Bescheid vom 20.3.1967 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit nach dem Unfall vom 3. September 1966 Verletztengeld, berechnet nach § 561 Abs. 3 RVO, zu gewähren. Dem Kläger hat die Beklagte dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.”
Dem Kläger sei unabhängig vom Entgelt aus der unselbständigen Tätigkeit das Verletztengeld nach dem für selbständige Landwirte festgesetzten JAV zu gewähren, weil es sich um eine Teilzeitbeschäftigung gehandelt habe, die neben der Tätigkeit als selbständiger Landwirt voll ausgeübt worden sei. Der Gesetzgeber habe mit der Gewährung von Verletztengeld eine volle Entschädigung beabsichtigt.
Gegen das ihr am 11. Oktober 1968 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2. November 1968 Berufung eingelegt. Sie führt u.a. aus, die vom Sozialgericht gegebene Deutung des Wortes "soweit” in § 560 Abs. 1 Satz 1 RVO sei weder sprachlich zwingend noch sachlich zutreffend und stehe im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen, die nur eine einheitliche Verletztengeldleistung vorsähen. Dies ergebe sich zwingend daraus, daß das Gesetz neben dem Regel- oder Grundlohn aus der Krankenversicherung auch die Jahresarbeitsverdienste aus der gesetzlichen Unfallversicherung erörtere und diesen dabei für bestimmte Fälle rechtliche Bedeutung beigebe.
§ 561 Abs. 1 RVO regele abschließend die Verletztengeldansprüche des Personenkreises, der krankenversichert ist. Das Verletztengeld richte sich dabei nach dem Regel- oder Grundlohn der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Gesetzgeber habe dabei notwendigerweise auch erkannt, daß durch den Arbeitsunfall der Verletzte mehrfach betroffen werden könne, nämlich z.B. als Arbeitnehmer oder Unternehmer. Dennoch habe er nicht kumulative Verletztengeldansprüche zugelassen.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 3. Oktober 1968 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er trägt u.a. vor, er sei täglich nebenberuflich nur 4 Stunden, hauptberuflich jedoch als Landwirt während der Bestellungs- und Erntezeit bis zu 10 Stunden täglich tätig. Die Auffassung der Beklagten, daß er im Hinblick auf seine Tätigkeit als Landwirt kein Verletztengeld erhalten solle, betrachte er als unsozial und nicht annehmbar.
Im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die durch Zulassung statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger für die hier streitbefangene Zeit der Arbeitsunfähigkeit nach seinem Arbeitsunfall vom 3. September 1966 Verletztengeld zu gewähren. Denn nach § 560 Abs. 1 Satz 1 RVO erhält der Verletzte Verletztengeld, solange er infolge des Arbeitsunfalles arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung ist und soweit er kein Arbeitsentgelt erhält. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Zunächst steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, daß er landwirtschaftlicher Unternehmer, der Begriff des Arbeitsentgeltes aber auf eine unselbständige Tätigkeit abgestellt ist und der Unternehmer kein "Arbeitsentgelt” erhält. Wenn auch der Gesetzgeber für Unternehmer keine eindeutige gesetzliche Anspruchgrundlage geschaffen hat, wird doch in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend die Auffassung vertreten, daß auch ihnen Verletztengeld zusteht (vgl. BSG 19, 161 zu § 599 Abs. 2 RVO a.F. in Bezug auf das früher zu gewährende Krankengeld; Lauterbach, Handbuch der Unfallversicherung, Anm. 6 d zu § 560 RVO).
Die Beklagte versagt dem Kläger das Verletztengeld auch nur deshalb, weil er im Unfallzeitpunkt außerdem noch aus unselbständiger Beschäftigung Arbeitsentgelt erhalten hat. Sie meint, der Gewährung von Verletztengeld stehe die Bestimmung des § 560 Abs. 1 Satz 1 SGG entgegen, weil der Kläger in der Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt aus einem Arbeitsverhältnis bezogen habe (so auch Lauterbach a.a.O., Anm. 6 e zu § 650, jedoch ohne Begründung). Sie verkennt dabei, daß bereits der Wortlaut dieser Vorschrift eine andere Auslegung erfordert. Die Einschränkung "soweit er Arbeitsentgelt nicht erhält” besagt weiter nichts, als daß ein Verletzter, der während eines Arbeitsverhältnisses einen "Arbeits”unfall erleidet und aus diesem Arbeitsverhältnis "Arbeits”entgelt erhält, insoweit keinen Anspruch auf Verletztengeld hat (so auch Rienau, Die Sozialversicherung, 1966, S. 277 ff.). Dies ist nach der Auffassung des erkennenden Senats der einzige Fall, den der Gesetzgeber regeln wollte. Nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung sollen Doppelleistungen aus dem Beschäftigungsverhältnis, in dem sich ein Unfall ereignet, in Form von Arbeitsentgelt und Verletztengeld ausgeschlossen werden. Wenn der Verletzte während der durch einen Arbeitsunfall verursachten Arbeitsunfähigkeit aus dem ihr zu Grunde liegenden Arbeitsverhältnis Arbeitsentgelt erhält, ist seine Existenz gesichert, so daß es nicht mehr der Gewährung von Verletztengeld bedarf, das dem gleichen Zwecke dient.
Daraus folgt zunächst, daß eine Weiterzahlung von Arbeitsentgelt aus einem anderen unselbständigen Beschäftigungsverhältnis der Gewährung von Verletztengeld nicht entgegensteht. Immer wenn es sich um Teilarbeitsverhältnisse handelt, ist die Existenz des Verletzten durch die Zahlung des mehr oder weniger geringen Verletztengeldes in der Regel nicht gesichert, so daß kein gesetzgeberischer Grund besteht, bei der Weiterzahlung von Arbeitsentgelt aus einem anderen Teilarbeitsverhältnis das Verletztengeld nur deshalb zu versagen, weil überhaupt Verletztengeld gewährt wird.
Das gleiche gilt für Fälle der vorliegenden Art, wenn einem verunglückten selbständigen Unternehmer noch aus einem unselbständigen Beschäftigungsverhältnis Arbeitsentgelt weiter gewährt wird. In der Regel ist seine Arbeitskraft dann durch die Unternehmertätigkeit nicht voll beansprucht und seine Existenz dadurch nicht voll gesichert. Das gleiche gilt für die unselbständige Beschäftigung. Es wäre daher unbillig, wenn er bei einem Unfall in seinem Unternehmen kein Verletztengeld erhalten würde, obwohl er u.U. dadurch einen erheblichen Verdienstausfall haben kann.
Der Beklagte sieht dies auch ein, meint jedoch, der Gesetzgeber habe das Problem durchaus erkannt, jedoch keine kumulative Verletztengeldansprüche zugelassen. Abgesehen davon, daß nichts dafür spricht, daß der Gesetzgeber an diese Konstellation gedacht hat – ist doch von ihm nicht einmal geregelt worden, daß ein selbständiger Unternehmer Verletztengeld erhalten kann –, soll dem Kläger kein "kumulativer Verletztengeldanspruch” zugestanden werden. Vielmehr hat er nur einen Anspruch auf Verletztengeld gegen die Beklagte, der lediglich durch die Gehaltsfortzahlung in seinem unselbständigen Beschäftigungsverhältnis mangels einer dahingehenden gesetzlichen Regelung nicht versagt werden darf.
Die Ausführung der Beklagten zu den in § 561 RVO enthaltenen Regelungen sind nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu führen. Diese beziehen sich lediglich auf die Berechnung des Verletztengeldes, nicht aber auf die Anspruchsgrundlage selbst, die in § 560 RVO enthalten ist. Da der Kläger als selbständiger Landwirt nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert war, gehört er zu den in § 561 Abs. 3 RVO bezeichneten "übrigen gegen Arbeitsunfall Versicherten”, bei denen der Berechnung des Verletztengeldes der 360. Teil des JAV zugrunde zu legen ist.
Die Beklagte ist daher verpflichtet, dem Kläger Verletztengeld nach dieser Bestimmung unter Zugrundelegung des für ihn im Unfallzeitpunkt maßgebenden JAV für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit vom 3. September 1966 bis 16. Oktober 1966 zu gewähren, ohne daß dabei die Gehaltsfortzahlung bis zum 15. Oktober 1966 und die Krankengeldzahlung für den 16. Oktober 1966 berücksichtigt werden dürfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2. Die Beklagte hat die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Verfahrenskosten zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1930 geborene Kläger erlitt am 3. September 1966 dadurch einen Arbeitsunfall in seiner Landwirtschaft, daß ihm die Ackerschiene eines Schleppers auf den rechten Fuß fiel. Dadurch zog er sich eine schwere Quetschung des rechten Vorfußes sowie eine Großzehenfraktur zu und war bis zum 16. Oktober 1966 arbeitsunfähig krank. Der Kläger war außer als selbständiger Landwirt noch 4 Stunden täglich als Angestellter bei der Raiffeisenkasse in N. tätig und hatte einen Anspruch auf Fortzahlung seines Gehaltes in Höhe von 390,– DM monatlich für die Dauer von 6 Wochen nach dem Unfall. Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse teilte der Beklagten am 8. November 1966 mit, daß der Anspruch des Klägers auf Krankengeld wegen der Gehaltsfortzahlung bis zum 15. Oktober 1966 geruht habe. Das ihm für den 16. Oktober 1966 gezahlte Krankengeld in Höhe von 10,50 DM wurde ihr von der Beklagten erstattet.
Mit Bescheid vom 20. März 1967 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld mit der Begründung ab, der Bezug von Arbeitsentgelt schließe einen Anspruch auf Verletztengeld aus, wenn ersteres die Höhe des Verletztengeldes erreiche oder übersteige. Dies sei hier der Fall, weil das aus dem Jahresarbeitsverdienst (JAV) von 4.500,– DM zu berechnende Verletztengeld niedriger wäre als das Arbeitsentgelt in Höhe von 390,– DM monatlich. Das ihm nach dem Wegfall der Gehaltsfortzahlung für den 16. Oktober 1966, den letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit, noch zustehende Krankengeld sei ihm von der Deutschen Angestellten-Krankenkasse ausgezahlt worden. Da sein Anspruch auf Verletztengeld nicht höher gewesen sei als das Krankengeld, bestehe kein Anspruch auf Zahlung eines Verletztengeldes oder eines Unterschiedsbetrages.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 18. April 1967 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben, das mit Urteil vom 3. Oktober 1968 für Recht erkannt hat:
"Der Bescheid vom 20.3.1967 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit nach dem Unfall vom 3. September 1966 Verletztengeld, berechnet nach § 561 Abs. 3 RVO, zu gewähren. Dem Kläger hat die Beklagte dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.”
Dem Kläger sei unabhängig vom Entgelt aus der unselbständigen Tätigkeit das Verletztengeld nach dem für selbständige Landwirte festgesetzten JAV zu gewähren, weil es sich um eine Teilzeitbeschäftigung gehandelt habe, die neben der Tätigkeit als selbständiger Landwirt voll ausgeübt worden sei. Der Gesetzgeber habe mit der Gewährung von Verletztengeld eine volle Entschädigung beabsichtigt.
Gegen das ihr am 11. Oktober 1968 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2. November 1968 Berufung eingelegt. Sie führt u.a. aus, die vom Sozialgericht gegebene Deutung des Wortes "soweit” in § 560 Abs. 1 Satz 1 RVO sei weder sprachlich zwingend noch sachlich zutreffend und stehe im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen, die nur eine einheitliche Verletztengeldleistung vorsähen. Dies ergebe sich zwingend daraus, daß das Gesetz neben dem Regel- oder Grundlohn aus der Krankenversicherung auch die Jahresarbeitsverdienste aus der gesetzlichen Unfallversicherung erörtere und diesen dabei für bestimmte Fälle rechtliche Bedeutung beigebe.
§ 561 Abs. 1 RVO regele abschließend die Verletztengeldansprüche des Personenkreises, der krankenversichert ist. Das Verletztengeld richte sich dabei nach dem Regel- oder Grundlohn der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Gesetzgeber habe dabei notwendigerweise auch erkannt, daß durch den Arbeitsunfall der Verletzte mehrfach betroffen werden könne, nämlich z.B. als Arbeitnehmer oder Unternehmer. Dennoch habe er nicht kumulative Verletztengeldansprüche zugelassen.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 3. Oktober 1968 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er trägt u.a. vor, er sei täglich nebenberuflich nur 4 Stunden, hauptberuflich jedoch als Landwirt während der Bestellungs- und Erntezeit bis zu 10 Stunden täglich tätig. Die Auffassung der Beklagten, daß er im Hinblick auf seine Tätigkeit als Landwirt kein Verletztengeld erhalten solle, betrachte er als unsozial und nicht annehmbar.
Im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die durch Zulassung statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger für die hier streitbefangene Zeit der Arbeitsunfähigkeit nach seinem Arbeitsunfall vom 3. September 1966 Verletztengeld zu gewähren. Denn nach § 560 Abs. 1 Satz 1 RVO erhält der Verletzte Verletztengeld, solange er infolge des Arbeitsunfalles arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung ist und soweit er kein Arbeitsentgelt erhält. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Zunächst steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, daß er landwirtschaftlicher Unternehmer, der Begriff des Arbeitsentgeltes aber auf eine unselbständige Tätigkeit abgestellt ist und der Unternehmer kein "Arbeitsentgelt” erhält. Wenn auch der Gesetzgeber für Unternehmer keine eindeutige gesetzliche Anspruchgrundlage geschaffen hat, wird doch in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend die Auffassung vertreten, daß auch ihnen Verletztengeld zusteht (vgl. BSG 19, 161 zu § 599 Abs. 2 RVO a.F. in Bezug auf das früher zu gewährende Krankengeld; Lauterbach, Handbuch der Unfallversicherung, Anm. 6 d zu § 560 RVO).
Die Beklagte versagt dem Kläger das Verletztengeld auch nur deshalb, weil er im Unfallzeitpunkt außerdem noch aus unselbständiger Beschäftigung Arbeitsentgelt erhalten hat. Sie meint, der Gewährung von Verletztengeld stehe die Bestimmung des § 560 Abs. 1 Satz 1 SGG entgegen, weil der Kläger in der Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt aus einem Arbeitsverhältnis bezogen habe (so auch Lauterbach a.a.O., Anm. 6 e zu § 650, jedoch ohne Begründung). Sie verkennt dabei, daß bereits der Wortlaut dieser Vorschrift eine andere Auslegung erfordert. Die Einschränkung "soweit er Arbeitsentgelt nicht erhält” besagt weiter nichts, als daß ein Verletzter, der während eines Arbeitsverhältnisses einen "Arbeits”unfall erleidet und aus diesem Arbeitsverhältnis "Arbeits”entgelt erhält, insoweit keinen Anspruch auf Verletztengeld hat (so auch Rienau, Die Sozialversicherung, 1966, S. 277 ff.). Dies ist nach der Auffassung des erkennenden Senats der einzige Fall, den der Gesetzgeber regeln wollte. Nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung sollen Doppelleistungen aus dem Beschäftigungsverhältnis, in dem sich ein Unfall ereignet, in Form von Arbeitsentgelt und Verletztengeld ausgeschlossen werden. Wenn der Verletzte während der durch einen Arbeitsunfall verursachten Arbeitsunfähigkeit aus dem ihr zu Grunde liegenden Arbeitsverhältnis Arbeitsentgelt erhält, ist seine Existenz gesichert, so daß es nicht mehr der Gewährung von Verletztengeld bedarf, das dem gleichen Zwecke dient.
Daraus folgt zunächst, daß eine Weiterzahlung von Arbeitsentgelt aus einem anderen unselbständigen Beschäftigungsverhältnis der Gewährung von Verletztengeld nicht entgegensteht. Immer wenn es sich um Teilarbeitsverhältnisse handelt, ist die Existenz des Verletzten durch die Zahlung des mehr oder weniger geringen Verletztengeldes in der Regel nicht gesichert, so daß kein gesetzgeberischer Grund besteht, bei der Weiterzahlung von Arbeitsentgelt aus einem anderen Teilarbeitsverhältnis das Verletztengeld nur deshalb zu versagen, weil überhaupt Verletztengeld gewährt wird.
Das gleiche gilt für Fälle der vorliegenden Art, wenn einem verunglückten selbständigen Unternehmer noch aus einem unselbständigen Beschäftigungsverhältnis Arbeitsentgelt weiter gewährt wird. In der Regel ist seine Arbeitskraft dann durch die Unternehmertätigkeit nicht voll beansprucht und seine Existenz dadurch nicht voll gesichert. Das gleiche gilt für die unselbständige Beschäftigung. Es wäre daher unbillig, wenn er bei einem Unfall in seinem Unternehmen kein Verletztengeld erhalten würde, obwohl er u.U. dadurch einen erheblichen Verdienstausfall haben kann.
Der Beklagte sieht dies auch ein, meint jedoch, der Gesetzgeber habe das Problem durchaus erkannt, jedoch keine kumulative Verletztengeldansprüche zugelassen. Abgesehen davon, daß nichts dafür spricht, daß der Gesetzgeber an diese Konstellation gedacht hat – ist doch von ihm nicht einmal geregelt worden, daß ein selbständiger Unternehmer Verletztengeld erhalten kann –, soll dem Kläger kein "kumulativer Verletztengeldanspruch” zugestanden werden. Vielmehr hat er nur einen Anspruch auf Verletztengeld gegen die Beklagte, der lediglich durch die Gehaltsfortzahlung in seinem unselbständigen Beschäftigungsverhältnis mangels einer dahingehenden gesetzlichen Regelung nicht versagt werden darf.
Die Ausführung der Beklagten zu den in § 561 RVO enthaltenen Regelungen sind nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu führen. Diese beziehen sich lediglich auf die Berechnung des Verletztengeldes, nicht aber auf die Anspruchsgrundlage selbst, die in § 560 RVO enthalten ist. Da der Kläger als selbständiger Landwirt nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert war, gehört er zu den in § 561 Abs. 3 RVO bezeichneten "übrigen gegen Arbeitsunfall Versicherten”, bei denen der Berechnung des Verletztengeldes der 360. Teil des JAV zugrunde zu legen ist.
Die Beklagte ist daher verpflichtet, dem Kläger Verletztengeld nach dieser Bestimmung unter Zugrundelegung des für ihn im Unfallzeitpunkt maßgebenden JAV für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit vom 3. September 1966 bis 16. Oktober 1966 zu gewähren, ohne daß dabei die Gehaltsfortzahlung bis zum 15. Oktober 1966 und die Krankengeldzahlung für den 16. Oktober 1966 berücksichtigt werden dürfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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