Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 224/69
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wer bei der Verhütung eines Wohnhausbrandes verunglückt, ist gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO auch dann gegen Unfall versichert, wenn er in diesem, seiner Schwiegermutter gehörigen Haus wohnt.
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 12. Februar 1969 aufgehoben und der beigeladene Hess. Gemeindeunfallversicherungsverband verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen des Unfalls am 10. Oktober 1966 die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren und ihr die außergerichtlichen Verfahrenskosten zu erstatten.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin stürzte am 10. Oktober 1966 gegen 2 Uhr von einer Leiter und zog sich dabei einen Trümmerbruch der linken Kniescheibe zu. Sie stand, ebenso wie ihr Ehemann, in einem Arbeitnehmerverhältnis und wohnte mit ihm im Obergeschoß des ihrer Schwiegermutter gehörigen Hauses L. Str. in O.-H. Im Erdgeschoß wohnte ihre Schwiegermutter, welche 1 Morgen Ackerland und 1 Morgen Wiesengelände ohne Viehhaltung bewirtschaftete, sowie ein einzelner Mann. Am 10. Oktober 1966 gegen 1,30 Uhr war in einem etwa 20 m entfernt liegenden landwirtschaftlichen Anwesen ein Brand ausgebrochen. Der Ehemann der Klägerin beteiligte sich als Angehöriger der freiwilligen Feuerwehr an der Brandbekämpfung und sagte der Klägerin vor dem Weggehen, sie solle ein an das Wohnhaus angebautes, aus Eternit bestehendes Vordach mit Wasser besprengen, falls infolge Funkenfluges Brandgefahr entstehe. Die Klägerin bespritzte dann auch mittels eines Schlauches von einer Leiter aus diese Dachfläche, bis es zu regnen begann. Beim Abstieg von der Leiter verunglückte sie.
Die Beklagte lehnte den Entschädigungsanspruch der Klägerin mit Bescheid vom 6. Januar 1967 ab, nachdem sie die Klägerin an Ort und Stelle gehört hatte. Ein landwirtschaftlicher Unfall liege nicht vor, weil weder die Klägerin noch ihr Ehemann eine Landwirtschaft betrieben. Das Wohnhaus könne unter Berücksichtigung der Betriebsverhältnisse auch nicht als Wirtschaftsgebäude des landwirtschaftlichen Unternehmens ihrer Schwiegermutter angesehen werden. Es habe sich somit um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 25. Januar 1967 beim Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Dieses hat den Hessischen Gemeindeunfallversicherungsverband (HGUVV) sowie die AOK Friedberg zum Verfahren beigeladen und die Klage mit Urteil vom 12. Februar 1969 abgewiesen. Die Beklagte habe die Gewährung einer Unfallentschädigung mit zutreffender Begründung abgelehnt. Aber auch der HGUVV komme nicht als zuständiger Versicherungsträger in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 539 Abs. 1 Nr. 9 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht vorlägen. Die Klägerin habe nämlich nicht fremdes Eigentum, sondern ihre eigene, im Hause ihrer Schwiegermutter gelegene Wohnung schützen wollen.
Gegen das ihr am 25. Februar 1969 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Februar 1969 Berufung eingelegt. Sie führt u.a. aus, sie habe nicht nur ihre eigene Wohnung, sondern das gesamte ihrer Schwiegermutter gehörige Haus vor dem Übergreifen des Brandes schützen wollen. Außerdem seien auch unmittelbar angrenzende Häuser durch den Brand gefährdet gewesen. Da ihre Tätigkeit im öffentlichen Interesse gelegen habe, sei sie gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO versichert gewesen.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 12. Februar 1969 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 1967 aufzuheben und diese zu verurteilen, den Unfall als landwirtschaftlichen Betriebsunfall zu entschädigen,
hilfsweise,
den beigeladenen HGUVV zur Entschädigung zu verurteilen.
Die beigeladene AOK F. stellt den gleichen Antrag und führt aus,
die Hilfsleistung der Klägerin sei in ihrer Verpflichtung der Allgemeinheit gegenüber erfolgt. Der Gesetzgeber wolle sicherlich für derartige Hilfeleistungen den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO großzügig behandelt wissen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, ihre Haftung entfalle aus den in dem angefochtenen Bescheid angegebenen Gründen. Zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO hat sie sich nicht geäußert.
Der beigeladene HGUVV beantragt ebenfalls, die Berufung zurückzuweisen.
Er führt u.a. aus, selbstverständlich habe sich die Klägerin zum Schutz ihres Eigentums, ihrer Wohnung, ihres Besitzes und des Anwesens ihrer Familie eingesetzt. Die Rechtslage wäre nur dann eine andere, wenn sie nicht ihre eigene Wohnung in diesem Haus gehabt hätte, sondern aus der Nachbarschaft herbeigeeilt wäre, um ihrer Schwiegermutter beizustehen. Das Beschützen des eigenen Wohnhauses habe zwar einen mittelbaren Nutzen für die Nachbarn, d.h. die Allgemeinheit, gehabt. Dieser mittelbare Nutzen sei aber gegenüber der natürlichen Absicht, das eigene Wohnhaus vor Schaden zu bewahren, völlig in den Hintergrund getreten.
Im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch hinsichtlich des beigeladenen HGUVV begründet. Zunächst ist festzustellen, daß die Klägerin verunglückte, als sie das Übergreifen eines in der Nachbarschaft in etwa 20 m Entfernung ausgebrochenen Feuers durch Funkenflug auf das Wohnhaus ihrer Schwiegermutter, in dem sie mit ihrem Ehemann wohnte, verhindern wollte. Zu diesem Zweck bespritzte sie ein an das Wohnhaus angebautes, aus Eternit bestehendes Vordach von einer Leiter aus, wobei sie abstürzte. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung am 27. Januar 1971 auch übereinstimmend erklärt, daß von diesem Sachverhalt auszugehen sei.
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, weil diese nicht bei einer Arbeitsverrichtung für einen landwirtschaftlichen Betrieb verunglückt ist. Denn das Wohnhaus und die darin befindliche Haushaltung der Schwiegermutter der Klägerin diente nicht ihrem landwirtschaftlichen Unternehmen. Sie bewirtschaftet nämlich nur 1 Morgen Ackerland und 1 Morgen Wiese ohne Viehhaltung. Unter Berücksichtigung dieser Betriebsverhältnisse diente die Haushaltung nicht wesentlich dem landwirtschaftlichen Unternehmen.
Nach den Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren nimmt sie auch nur noch den HGUVV in Anspruch; und zwar gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO. Nach dieser Bestimmung sind in der Unfallversicherung gegen Arbeitsunfall u.a. Personen versichert, die "bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten”. Unter "gemeiner Gefahr” ist jede konkrete Gefahr für Personen oder bedeutende Sachwerte zu verstehen, z.B. auch bei einer Feuersbrunst. Erforderlich ist, daß die Gefahr weiterer Schäden besteht, deren Verhinderung oder Verminderung durch Einsatz der helfenden Person jedenfalls generell möglich erscheint, wobei der Grad der Gefahr ohne Bedeutung ist. Der Eintritt eines Schadens muß nur wahrscheinlicher sein als sein Ausbleiben (vgl. Schönke/Schröder, Komm. zum StGB, 11. Auflage, zu § 330 c, in dem ebenfalls der Begriff "gemeine Gefahr” gebraucht ist, und Anm. 4 ff. vor § 306 a.a.O.). Das war hier der Fall, denn durch den Funkenflug, der von einem in etwa 20 m Entfernung brennenden landwirtschaftlichen Anwesen herrührte, bestand die Gefahr des Übergreifens des Feuers auf das Wohnhaus der Schwiegermutter der Klägerin.
Der beigeladene HGUVV lehnt seine Haftung auch nur mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht "Hilfe geleistet”, nämlich nicht fremdes, sondern eigenes Eigentum schützen wollen. Es trifft zu, daß eine Hilfsleistung im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO ebenso wie in § 330 c StGB voraussetzt, daß fremdes Eigentum zu schützen ist (vgl. Schönke/Schröder a.a.O.). Wer nur sein eigenes Haus schützt, leistet begrifflich keine "Hilfe”.
Im vorliegenden Fall war jedoch das im Eigentum der Schwiegermutter der Klägerin stehende Hausgrundstück, und damit fremdes Eigentum gefährdet. Der beigeladene HGUVV und das Sozialgericht stellen es zu Unrecht darauf ab, die Klägerin habe nur ihre Wohnung schützen wollen. Tatbestandsmäßig war dies nämlich gar nicht möglich, denn die Klägerin konnte durch ihr Tätigwerden nur das Übergreifen des Feuers auf das gesamte Hausgrundstück mit allen Gebäudeteilen und dem darin befindlichen beweglichen Eigentum auch anderer Personen verhindern, jedoch nicht ihre Wohnung isoliert schützen, wie das etwa bei einem Zimmerbrand möglich ist, dessen Bekämpfung in erster Linie dem Schutz des eigenen Eigentums bzw. Besitzes zu dienen pflegt. Derjenige, der bei einem fremden, durch Brand gefährdeten Haus, in dem er eine Wohnung hat, Hilfe leistet, will damit notwendigerweise auch dieses Eigentum schützen, wozu er im Rahmen des § 330 c StGB zudem verpflichtet ist. Die Auffassung des beigeladenen HGUVV würde, konsequent durchgeführt, z.B. zur Folge haben, daß derjenige, der in einem großen Mietshaus eine Wohnung hat, nicht unter Versicherungsschutz stünde, wenn er in diesem Haus bei einer Brandbekämpfung verunglückt.
Der Anspruch der Klägerin scheitert auch nicht daran, daß das Haus, in dem sie wohnt, ihrer Schwiegermutter gehört. Für die Anwendung des § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO ebenso wie des § 330 c StGB ist nur von Bedeutung, daß es sich um fremdes Eigentum handeln muß, also zugunsten eines Dritten gehandelt wird (vgl. Lauterbach, Anm. 57 ff. zu § 539 RVO), was immer dann der Fall ist, wenn die gefährdeten Sachen nicht dem Hilfeleistenden selbst gehören. Der Versicherungsschutz tritt entsprechend seiner vom Gesetzgeber gewollten Zielsetzung für alle Hilfeleistungen ein, die sich ohne besondere rechtliche Bindungen und Interessen nicht zuletzt aus der allgemeinen Verpflichtung des § 330 c StGB ergeben (vgl. auch Vollmer, Die Sozialversicherung, 1955 S. 134). Ein Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis schließt dabei den Versicherungsschutz ebensowenig aus wie die Anwendung des § 330 c StGB.
Der für die Entschädigungsleistung zuständige Versicherungsträger ist der beigeladene HGUVV gemäß § 655 Abs. 2 Nr. 3 RVO in Verbindung mit § 1 Nr. 2 a der Hessischen Verordnung vom 25. Mai 1966 (Gesetz- und Verordnungsblatt 1966 S. 133). Er konnte gemäß § 75 Abs. 5 SGG dem Grunde nach verurteilt werden, weil der Klägerin Mindestleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen. Sie mußte nämlich wegen einer operativ versorgten Patellafraktur als Unfallfolge in der Zeit vom 10. Oktober bis 7. November 1966 und vom 23. Februar bis 2. März 1967 stationär und anschließend ambulant behandelt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin stürzte am 10. Oktober 1966 gegen 2 Uhr von einer Leiter und zog sich dabei einen Trümmerbruch der linken Kniescheibe zu. Sie stand, ebenso wie ihr Ehemann, in einem Arbeitnehmerverhältnis und wohnte mit ihm im Obergeschoß des ihrer Schwiegermutter gehörigen Hauses L. Str. in O.-H. Im Erdgeschoß wohnte ihre Schwiegermutter, welche 1 Morgen Ackerland und 1 Morgen Wiesengelände ohne Viehhaltung bewirtschaftete, sowie ein einzelner Mann. Am 10. Oktober 1966 gegen 1,30 Uhr war in einem etwa 20 m entfernt liegenden landwirtschaftlichen Anwesen ein Brand ausgebrochen. Der Ehemann der Klägerin beteiligte sich als Angehöriger der freiwilligen Feuerwehr an der Brandbekämpfung und sagte der Klägerin vor dem Weggehen, sie solle ein an das Wohnhaus angebautes, aus Eternit bestehendes Vordach mit Wasser besprengen, falls infolge Funkenfluges Brandgefahr entstehe. Die Klägerin bespritzte dann auch mittels eines Schlauches von einer Leiter aus diese Dachfläche, bis es zu regnen begann. Beim Abstieg von der Leiter verunglückte sie.
Die Beklagte lehnte den Entschädigungsanspruch der Klägerin mit Bescheid vom 6. Januar 1967 ab, nachdem sie die Klägerin an Ort und Stelle gehört hatte. Ein landwirtschaftlicher Unfall liege nicht vor, weil weder die Klägerin noch ihr Ehemann eine Landwirtschaft betrieben. Das Wohnhaus könne unter Berücksichtigung der Betriebsverhältnisse auch nicht als Wirtschaftsgebäude des landwirtschaftlichen Unternehmens ihrer Schwiegermutter angesehen werden. Es habe sich somit um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 25. Januar 1967 beim Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Dieses hat den Hessischen Gemeindeunfallversicherungsverband (HGUVV) sowie die AOK Friedberg zum Verfahren beigeladen und die Klage mit Urteil vom 12. Februar 1969 abgewiesen. Die Beklagte habe die Gewährung einer Unfallentschädigung mit zutreffender Begründung abgelehnt. Aber auch der HGUVV komme nicht als zuständiger Versicherungsträger in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 539 Abs. 1 Nr. 9 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht vorlägen. Die Klägerin habe nämlich nicht fremdes Eigentum, sondern ihre eigene, im Hause ihrer Schwiegermutter gelegene Wohnung schützen wollen.
Gegen das ihr am 25. Februar 1969 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Februar 1969 Berufung eingelegt. Sie führt u.a. aus, sie habe nicht nur ihre eigene Wohnung, sondern das gesamte ihrer Schwiegermutter gehörige Haus vor dem Übergreifen des Brandes schützen wollen. Außerdem seien auch unmittelbar angrenzende Häuser durch den Brand gefährdet gewesen. Da ihre Tätigkeit im öffentlichen Interesse gelegen habe, sei sie gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO versichert gewesen.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 12. Februar 1969 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 1967 aufzuheben und diese zu verurteilen, den Unfall als landwirtschaftlichen Betriebsunfall zu entschädigen,
hilfsweise,
den beigeladenen HGUVV zur Entschädigung zu verurteilen.
Die beigeladene AOK F. stellt den gleichen Antrag und führt aus,
die Hilfsleistung der Klägerin sei in ihrer Verpflichtung der Allgemeinheit gegenüber erfolgt. Der Gesetzgeber wolle sicherlich für derartige Hilfeleistungen den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO großzügig behandelt wissen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, ihre Haftung entfalle aus den in dem angefochtenen Bescheid angegebenen Gründen. Zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO hat sie sich nicht geäußert.
Der beigeladene HGUVV beantragt ebenfalls, die Berufung zurückzuweisen.
Er führt u.a. aus, selbstverständlich habe sich die Klägerin zum Schutz ihres Eigentums, ihrer Wohnung, ihres Besitzes und des Anwesens ihrer Familie eingesetzt. Die Rechtslage wäre nur dann eine andere, wenn sie nicht ihre eigene Wohnung in diesem Haus gehabt hätte, sondern aus der Nachbarschaft herbeigeeilt wäre, um ihrer Schwiegermutter beizustehen. Das Beschützen des eigenen Wohnhauses habe zwar einen mittelbaren Nutzen für die Nachbarn, d.h. die Allgemeinheit, gehabt. Dieser mittelbare Nutzen sei aber gegenüber der natürlichen Absicht, das eigene Wohnhaus vor Schaden zu bewahren, völlig in den Hintergrund getreten.
Im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch hinsichtlich des beigeladenen HGUVV begründet. Zunächst ist festzustellen, daß die Klägerin verunglückte, als sie das Übergreifen eines in der Nachbarschaft in etwa 20 m Entfernung ausgebrochenen Feuers durch Funkenflug auf das Wohnhaus ihrer Schwiegermutter, in dem sie mit ihrem Ehemann wohnte, verhindern wollte. Zu diesem Zweck bespritzte sie ein an das Wohnhaus angebautes, aus Eternit bestehendes Vordach von einer Leiter aus, wobei sie abstürzte. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung am 27. Januar 1971 auch übereinstimmend erklärt, daß von diesem Sachverhalt auszugehen sei.
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, weil diese nicht bei einer Arbeitsverrichtung für einen landwirtschaftlichen Betrieb verunglückt ist. Denn das Wohnhaus und die darin befindliche Haushaltung der Schwiegermutter der Klägerin diente nicht ihrem landwirtschaftlichen Unternehmen. Sie bewirtschaftet nämlich nur 1 Morgen Ackerland und 1 Morgen Wiese ohne Viehhaltung. Unter Berücksichtigung dieser Betriebsverhältnisse diente die Haushaltung nicht wesentlich dem landwirtschaftlichen Unternehmen.
Nach den Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren nimmt sie auch nur noch den HGUVV in Anspruch; und zwar gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO. Nach dieser Bestimmung sind in der Unfallversicherung gegen Arbeitsunfall u.a. Personen versichert, die "bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten”. Unter "gemeiner Gefahr” ist jede konkrete Gefahr für Personen oder bedeutende Sachwerte zu verstehen, z.B. auch bei einer Feuersbrunst. Erforderlich ist, daß die Gefahr weiterer Schäden besteht, deren Verhinderung oder Verminderung durch Einsatz der helfenden Person jedenfalls generell möglich erscheint, wobei der Grad der Gefahr ohne Bedeutung ist. Der Eintritt eines Schadens muß nur wahrscheinlicher sein als sein Ausbleiben (vgl. Schönke/Schröder, Komm. zum StGB, 11. Auflage, zu § 330 c, in dem ebenfalls der Begriff "gemeine Gefahr” gebraucht ist, und Anm. 4 ff. vor § 306 a.a.O.). Das war hier der Fall, denn durch den Funkenflug, der von einem in etwa 20 m Entfernung brennenden landwirtschaftlichen Anwesen herrührte, bestand die Gefahr des Übergreifens des Feuers auf das Wohnhaus der Schwiegermutter der Klägerin.
Der beigeladene HGUVV lehnt seine Haftung auch nur mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht "Hilfe geleistet”, nämlich nicht fremdes, sondern eigenes Eigentum schützen wollen. Es trifft zu, daß eine Hilfsleistung im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO ebenso wie in § 330 c StGB voraussetzt, daß fremdes Eigentum zu schützen ist (vgl. Schönke/Schröder a.a.O.). Wer nur sein eigenes Haus schützt, leistet begrifflich keine "Hilfe”.
Im vorliegenden Fall war jedoch das im Eigentum der Schwiegermutter der Klägerin stehende Hausgrundstück, und damit fremdes Eigentum gefährdet. Der beigeladene HGUVV und das Sozialgericht stellen es zu Unrecht darauf ab, die Klägerin habe nur ihre Wohnung schützen wollen. Tatbestandsmäßig war dies nämlich gar nicht möglich, denn die Klägerin konnte durch ihr Tätigwerden nur das Übergreifen des Feuers auf das gesamte Hausgrundstück mit allen Gebäudeteilen und dem darin befindlichen beweglichen Eigentum auch anderer Personen verhindern, jedoch nicht ihre Wohnung isoliert schützen, wie das etwa bei einem Zimmerbrand möglich ist, dessen Bekämpfung in erster Linie dem Schutz des eigenen Eigentums bzw. Besitzes zu dienen pflegt. Derjenige, der bei einem fremden, durch Brand gefährdeten Haus, in dem er eine Wohnung hat, Hilfe leistet, will damit notwendigerweise auch dieses Eigentum schützen, wozu er im Rahmen des § 330 c StGB zudem verpflichtet ist. Die Auffassung des beigeladenen HGUVV würde, konsequent durchgeführt, z.B. zur Folge haben, daß derjenige, der in einem großen Mietshaus eine Wohnung hat, nicht unter Versicherungsschutz stünde, wenn er in diesem Haus bei einer Brandbekämpfung verunglückt.
Der Anspruch der Klägerin scheitert auch nicht daran, daß das Haus, in dem sie wohnt, ihrer Schwiegermutter gehört. Für die Anwendung des § 539 Abs. 1 Nr. 9 a RVO ebenso wie des § 330 c StGB ist nur von Bedeutung, daß es sich um fremdes Eigentum handeln muß, also zugunsten eines Dritten gehandelt wird (vgl. Lauterbach, Anm. 57 ff. zu § 539 RVO), was immer dann der Fall ist, wenn die gefährdeten Sachen nicht dem Hilfeleistenden selbst gehören. Der Versicherungsschutz tritt entsprechend seiner vom Gesetzgeber gewollten Zielsetzung für alle Hilfeleistungen ein, die sich ohne besondere rechtliche Bindungen und Interessen nicht zuletzt aus der allgemeinen Verpflichtung des § 330 c StGB ergeben (vgl. auch Vollmer, Die Sozialversicherung, 1955 S. 134). Ein Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis schließt dabei den Versicherungsschutz ebensowenig aus wie die Anwendung des § 330 c StGB.
Der für die Entschädigungsleistung zuständige Versicherungsträger ist der beigeladene HGUVV gemäß § 655 Abs. 2 Nr. 3 RVO in Verbindung mit § 1 Nr. 2 a der Hessischen Verordnung vom 25. Mai 1966 (Gesetz- und Verordnungsblatt 1966 S. 133). Er konnte gemäß § 75 Abs. 5 SGG dem Grunde nach verurteilt werden, weil der Klägerin Mindestleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen. Sie mußte nämlich wegen einer operativ versorgten Patellafraktur als Unfallfolge in der Zeit vom 10. Oktober bis 7. November 1966 und vom 23. Februar bis 2. März 1967 stationär und anschließend ambulant behandelt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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