L 7 SO 2322/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SO 3685/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2322/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. März 2007 (S 11 SO 3685/06) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für das Jahr 2004 sowie deren Verzinsung.

Der am 1962 geborene Kläger, der selbstständig in der EDV-Branche tätig ist, bezog von der Beklagten in der Vergangenheit Hilfe zum Lebensunterhalt. Mit Bescheid vom 17. August 2004 stellte die Beklagte mit Wirkung ab dem 1. Januar 2004 die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt ein, da nach den vorgelegten Belegen das Einkommen des Klägers den diese Hilfe maßgeblichen Bedarf überschritten habe. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und am 2. Dezember 2004 Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht Stuttgart. Mit Urteil vom 14. März 2005 (12 K 4766/04) verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart unter Klageabweisung im Übrigen den Beklagten, dem Kläger laufende Hilfe zum Lebensunterhalt für das Jahr 2004 entsprechend den gesetzlichen Vorschriften und nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren. Seit dem 1. Januar 2005 bezieht der Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Schreiben vom 28. Januar 2005 wandte sich der Kläger an das Landratsamt Rems-Murr-Kreis und verlangte unter Anderem, den "Schonungsfreibetrag" bei der Hilfe zum Lebensunterhalt 2004 zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 7. Juni 2005 entschied das Landratsamt Rems-Murr-Kreis unter Berücksichtigung des verwaltungsgerichtlichen Urteils über den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt für das Jahr 2004 und setzte eine monatliche Leistung in Höhe von 389,82 EUR fest. Hierbei wurde aus den errechneten monatlichen Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 246,61 EUR ein Freibetrag wegen Erwerbstätigkeit in Höhe von 100,10 EUR abgesetzt. Der Bescheid vom 7. Juni 2005 trägt einen Vermerk, wonach er am 8. Juni 2005 zur Post aufgegeben wurde.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2005 an das Landratsamt Rems-Murr-Kreis, dort vorab als Computerfax am selben Tag eingegangen, machte der Kläger geltend, dieses habe bei der Berechnung im Bescheid vom 7. Juni 2005 einige Ausgaben wesentlich niedriger eingerechnet, als es das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vorgeschrieben habe. Ihm stehe u. a. noch ein Sparbetrag (Schonvermögen) zu, der vom Überschuss abgezogen werden müsse. Sparbeträge seien keine Mittel, die ihm für den Lebensunterhalt 2004 anrechenbar zur Verfügung gestanden hätten. Nach § l Abs. l der Verordnung zu § 90 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) seien dies l600,- EUR. Zudem fehle das Weihnachtsgeld für 2004, und beim Mietzuschuss sei ein falsches Einkommen zugrunde gelegt worden. Er fordere das Landratsamt Rems-Murr-Kreis auf, seine Berechnung unverzüglich nach dem Gerichtsurteil zu korrigieren und zu bescheiden. Ein erneutes Widerspruchsverfahren sei hier nicht notwendig, da diese Forderungen sofort vollstreckbar seien. Für die Korrektur setze er eine Frist bis spätestens 14. Juni 2005. Mit Schreiben vom 17. Juni 2005 beantwortete das Landratsamt Rems-Murr-Kreis das Schreiben des Klägers und wies u. a. darauf hin, dass das Urteil nicht vollstreckungsfähig sei, da es sie lediglich zur Bescheidung verpflichte.

Mit seinem beim Landratsamt Rems-Murr-Kreis am 13. Juli 2005 eingegangenen Schreiben vom 6. Juli 2005 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Juni 2005, "postzugestellt am 13.06.2005", sowie gegen den "Bescheid" vom 17. Juni 2005. Nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) müsse er Vermögen (Vermögen seien auch Einkünfte) nicht bis zum letzten Cent ausgeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2005 wies das Landratsamt Rems-Murr-Kreis die Widersprüche als unzulässig zurück und führte dazu aus, die Ausführungen des Klägers in seinem Schreiben vom 10. Juni 2005 werte sie als Rechtsmittelverzicht. Darüber hinaus sei der Widerspruch vom 13. Juli 2005 gegen den Bescheid vom 7. Juni 2005 verspätet erhoben worden und damit auch verfristet. Der Widerspruch gegen das Schreiben vom 17. Juni 2005 sei unzulässig, da es sich bei diesem Schreiben nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 an das Landratsamt Rems-Murr-Kreis begehrte der Kläger eine Mitteilung, "wo und wann" dieses über seinen "gesetzlich garantierten Schonungsbetrag und die Verzugsverzinsung rechtskräftig entschieden" habe. Für den Fall, dass eine Entscheidung vorliege, fechte er diese an. Für den Fall, dass keine Entscheidung vorliege, begehre er für das Jahr 2004 höhere Hilfe zum Lebensunterhalt und deren Verzinsung. Hierzu führte das Landratsamt Rems-Murr-Kreis im Schreiben vom 28. Oktober 2005 aus, der Kläger werde einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid über die Feststellung der Bestandskraft nicht erhalten, da eine solche Feststellung einer Regelung durch einen rechtsbehelfsfähigen Verwaltungsakt nicht zugänglich sei.

Gegen den Bescheid vom 7. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2005 sowie gegen das Schreiben vom 17. Juni 2005 hat der Kläger am 3. August 2005 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben (S 11 SO 4862/05). Durch Gerichtsbescheid vom 27. März 2006 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Bescheid vom 7. Juni 2005 sei bestandskräftig geworden. Bei dem Schreiben des Klägers vom 10. Juni 2005 handele es sich nicht um einen Widerspruch. Denn der Kläger habe ausdrücklich ausgeführt, ein erneutes Widerspruchsverfahren sei hier nicht notwendig. Er habe damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass er eine erneute Recht- und Zweckmäßigkeitsprüfung im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens begehre. Selbst wenn man in diesem Schreiben einen Widerspruch sehen würde, würde es an der nach § 78 Abs. l Satz l Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Erhebung einer Anfechtungsklage notwendigen Durchführung eines Vorverfahrens fehlen. Denn der Beklagte habe mit dem Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2005 ausdrücklich nur über den am 13. Juli 2005 eingegangenen Widerspruch entschieden.

Das mit dem am 13. Juli 2005 eingegangenen Schreiben vom 6. Juli 2005 erhobene Widerspruch sei verfristet und damit unzulässig. Nach § 37 Abs. 2 Satz l Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gelte ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gelte nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sei, wobei im Zweifel die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen habe. Entsprechend dem aktenkundigen Absendevermerk sei der Bescheid vom 7. Juni 2005 am 8. Juni 2005 zur Post gegeben worden. Der Bescheid gelte damit am 11. Juni 2005 als bekannt gegeben. Es bestehe kein Zweifel daran, dass der Bescheid dem Kläger innerhalb dieser Drei-Tages-Frist bekannt gegeben worden sei, da sich dieser bereits mit Schreiben vom 10. Juni 2005 nicht mit den in diesem Bescheid durchgeführten Berechnungen einverstanden gezeigt habe, ihm dieser Bescheid daher spätestens seit 10. Juni 2005 bekannt gewesen sein müsse. Die Widerspruchsfrist sei daher am 12. Juni 2005 in Gang gesetzt worden und habe am Montag, den 11. Juli 2005 geendet. Der am 13. Juli 2005 eingegangene Widerspruch sei damit verfristet und der Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2005 somit rechtmäßig.

Bei dem Schreiben vom 17. Juni 2005 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X. Denn dieses Schreiben habe keinen Regelungscharakter. In ihm werde lediglich zu den Ausführungen des Klägers in seinem Schreiben vom 10. Juni 2005 Stellung genommen, aber keine über den Bescheid vom 7. Juni 2005 hinausgehende Regelung getroffen. Dies betreffe auch die geäußerte Ansicht des Beklagten, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. März 2005 lasse eine Vollstreckung nicht zu. Der am 13. Juli 2005 eingegangene Widerspruch sei damit insoweit unstatthaft und deshalb ebenfalls unzulässig. Dagegen hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht eingelegt (L 7 SO 2321/07).

Am 19. April 2006 hat der Kläger gesondert die vorliegende "Untätigkeitsklage" wegen seines "Antragsschreibens" vom 17. Oktober 2005 in Verbindung mit einer "Verpflichtungsklage" bezüglich der Bewilligung des Schonbetrages sowie Verzinsung der begehrten Sozialleistungen für das Jahr 2004 zum SG erhoben (S 11 SO 3685/06).

Mit Gerichtsbescheid vom 27. März 2007 hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen mit der Begründung, die gesetzlichen Voraussetzungen des § 88 SGG seien nicht erfüllt. Sei danach ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht sachlich nicht beschieden worden, so sei nach § 88 Abs. l Satz l SGG die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Hieraus ergebe sich, dass eine Untätigkeitsklage nur zulässig sei, wenn sie auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet sei. Dies sei indesssen vorliegend nicht der Fall. Der Kläger begehre mit seinem Schreiben vom 17. Oktober 2005 die Mitteilung, "wo und wann" die Beklagte "über seinen gesetzlich garantierten Schonungsbetrag und die Verzugsverzinsung rechtskräftig entschieden" habe. Die Mitteilung, ob und bejahendenfalls durch welchen Bescheid über ein Begehren eines Bürgers entschieden worden sei, erfülle indessen nicht die Voraussetzungen für einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X. Denn eine solche Mitteilung habe keinen Regelungscharakter. Mithin sei die hierauf gerichtete Untätigkeitsklage unzulässig.

Gegen den am 30. März 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16. April 2007 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt, mit welcher er sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt hat.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. März 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag vom 17. Oktober 2005 zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats am 26. Juli 2007 ist der Kläger nicht erschienen und war auch nicht vertreten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakten des SG und die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 155 Abs. 3 und 4, § 124 Abs. 2 SGG), hat keinen Erfolg. Die Berufung ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Ob die Berufung auch statthaft (§ 143 SGG) ist, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes mehr als 500,- EUR beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), kann dahinstehen.

Denn die Berufung ist jedenfalls unbegründet. Zu Recht hat das SG die Untätigkeitsklage wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 88 SGG abgewiesen. Das erkennende Gericht teilt die Auffassung des SG, dass das Begehren des Klägers auf Mitteilung, wo und wann über seinen behaupen Anspruch auf "Schonungsbetrag und "Verzugsverzinsung rechtskräftig entschieden" worden sei, bei objektiver Auslegung nicht auf Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist und daher nicht mit der Untätigkeitsklage verfolgt werden konnte. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das auf das Schreiben des Klägers vom 17. Oktober 2005 ergangene Antwortschreiben des Beklagten vom 28. Oktober 2005 keinen Zweitbescheid im Sinne eines materiellen Verwaltungsakts darstellt, durch welchen die Widerspruchs- und Klagemöglichkeit gegen den Bescheid vom 7. Juni 2005 wiedereröffnet worden wäre. Denn darin weist der Beklagte klar und unmissverständlich darauf hin, dass über den vom Kläger begehrten Schonungsbetrag und die Verzinsung von Leistungen im Bescheid vom 7. Juni 2005 entschieden worden sei und eine erneute Entscheidung hierüber nicht ergehe. Eine materielle (neue) Regelung ist in diesem Hinweis auf den früheren Bescheid nicht zu erkennen. Mangels Vorliegens eines Versagungsbescheids war die vorliegende Klage daher - unabhängig von der Nichtdurchführung eines Vorverfahrens - auch unter dem Gesichtspunkt einer Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG unzulässig, weshalb deren Abweisung zu Recht erfolgt ist.

Wegen der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen und mit Blick darauf, dass sich der Kläger mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids nicht auseinandergesetzt hat, auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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