L 9 R 5299/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 2209/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5299/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. August 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung

Die 1954 geborene Klägerin kam im April 1970 aus Kroatien in die Bundesrepublik Deutschland. Sie hat keine Lehre absolviert und kein Anlernverhältnis durchlaufen. Zuletzt war sie seit 1991 bis zu ihrer Arbeitsunfähigkeit im Februar 2002 als Arbeiterin in der Holzindustrie (Holzpresserin) beschäftigt. Vom 2.4. bis 7.5.2002 befand sie sich zu einem Heilverfahren in der.-Klinik B. S., aus dem sie als arbeitsunfähig entlassen wurde. Die dortigen Ärzte führten im Entlassungsbericht vom 21.5.2002 aus, die Klägerin könne ihre bisherige Beschäftigung nur noch unter drei Stunden täglich verrichten. Leichte Tätigkeiten ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten von mehr als 8 bis 10 kg, ohne ständige Überkopfarbeiten, ohne ständige Reklination des Kopfes, ohne Zwangshaltungen sowie ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe und Zugluft könne die Klägerin noch sechs Stunden und mehr ausüben.

Am 31.7.2003 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ die Klägerin von der Ärztin für Chirurgie Dr. L. gutachterlich untersuchen. Diese stellte bei der Klägerin im Gutachten vom 19.12.2003 folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. HWS-Syndrom mit end- bis mittelgradigen Funktionseinbußen und Schmerzausstrahlung in den Hinterkopf und den linken Arm bei CT-Nachweis eines Bandscheibenvorfalls C 4/5 2. Klinisch Verdacht auf sensibles Einengungssyndrom des Mittelnerven am linken Handgelenk 3. Schmerzen am linken Schultergelenk bei Verdacht auf Impingement-Syndrom. Ihre bisherige Tätigkeit könne die Klägerin lediglich drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeiten seien über sechs Stunden täglich möglich. Auszuschließen seien Arbeiten mit Zwangshaltungen der HWS (Reklination, Überkopfarbeiten) sowie Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an die Kraft und Feinmotorik der linken Hand stellten.

Mit Bescheid vom 8.1.2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, da weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahmen bei Dr. L. vom 4.3.2004 mit Widerspruchsbescheid vom 13.5.2004 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 4.6.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte. Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen und holte Gutachten auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet ein.

Der Orthopäde Dr. B. erklärte unter dem 4.10.2004, er habe die Klägerin vom 23.9.1997 bis 20.5.2003 behandelt, wobei im Jahr 2003 lediglich eine ambulante Untersuchung erfolgt sei. Leichte Tätigkeiten könne die Klägerin vollschichtig verrichten.

Der Orthopäde Dr. L. teilte am 14.10.2004 mit, er behandle die Klägerin seit dem 4. Quartal 2003. Bei akutem zervikalem Reizsyndrom auf dem Boden zweier Bandscheibenvorfälle der HWS könne die Klägerin auch leichte Tätigkeiten nur unter drei Stunden täglich verrichten. Allerdings sei eine aktuelle Beurteilung erforderlich, da sich die Klägerin seit drei Monaten nicht mehr vorgestellt habe.

Der Neurologe und Psychiater S. gab an, er habe die Klägerin im Juli und August 2004 wegen einer peripheren fascialen Parese rechts, die in der Regel zu einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit von sechs bis acht Wochen führe, behandelt.

Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. G., bei dem sich die Klägerin in hausärztlicher Behandlung befindet, hielt in der Auskunft vom 17.11.2004 maximal eine drei- bis vierstündige körperliche Tätigkeit für möglich, wobei er eine durchgängig geregelte Arbeitsbelastung für unrealistisch ansah.

Der Neurologe und Psychiater Dr. H. gab am 19.1.2005 an, er habe die Klägerin seit dem 6.7.2004 viermal behandelt. Die Klägerin habe Beschwerden angegeben, die etwa einem mittelgradigen depressiven Syndrom entsprächen, das im Zusammenhang mit den orthopädischen Beschwerden entstanden sei. Darüber hinaus bestehe eine Schmerzsymptomatik. Die Klägerin könne nur noch leichte Tätigkeiten zwischen halb- und vollschichtig verrichten; es sei mit häufigem Fehlzeiten zurechnen. Das maßgebliche Leiden liege auf orthopädischem Gebiet.

Dr. J., Oberarzt der Orthopädischen Klinik der S.-V.-Krankenhäuser, führte im Gutachten vom 21.4.2005 aus, auf Grund der Gesundheitsstörungen im Bereich der HWS sowie des linken Armes sei die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin eingeschränkt. Leichte bis kurzzeitige mittelschwere Tätigkeiten könne die Klägerin noch acht Stunden täglich verrichten. Vermieden werden müssten Arbeiten mit Heben/Tragen links über 5 kg, in vornüber gebeugter Körperhaltung, in Wirbelsäulenzwangshaltungen, auf Leitern und Gerüsten, Zwangshaltungen des linken Armes, Überkopfarbeiten links, kraftvolle Handarbeiten links und die Fingerfeinmotorik links beanspruchende Tätigkeiten. Auch sollte die Möglichkeit zum Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen gegeben seien.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie M. diagnostizierte bei der Klägerin im Gutachten vom 10.7.2005 eine minimale periphere Fascialisparese und konnte ein diskretes Karpaltunnelsyndroms links nicht ausschließen. Einen Anhalt für eine zervikale Nervenwurzelkompression und eine schwere psychische Störung verneinte er. Die Klägerin sei in der Lage, körperlich leichte und kurzzeitige mittelschwere Tätigkeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen acht Stunden täglich zu verrichten. Das Heben und Tragen von Lasten linksseitig über 5 kg sowie Arbeiten in häufig vornüber geneigter Körperhaltung, in allgemeinen Wirbelsäulen-Zwangshaltungen, mit ständigen Überkopfarbeiten linksseitig und ständige Kraft erfordernde Handarbeiten linksseitig sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien ihr nicht mehr zumutbar.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Dr. J., Chefarzt des Fachkrankenhauses für Psychiatrie und Psychotherapie G., mit der Begutachtung der Klägerin. In dem Gutachten vom 13.4.2006, das auf einer stationären Begutachtung der Klägerin beruhte, stellte Dr. J. unter Mitberücksichtigung eines psychologischen Zusatzgutachtens der Diplom-Psychologin B. vom 10.4.2006 auf seinem Fachgebiet folgende Diagnosen: 1. Anpassungsstörung mit ängstlicher Komponente und depressiver Reaktion mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen 2. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung 3. Leichte Intelligenzminderung. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit qualitativen Einschränkungen vollschichtig (acht Stunden täglich) verrichten. Bei Anpassungsstörungen und somatoformen Schmerzstörungen könne durch eine konsequente Behandlung in vielen Fällen eine deutliche Besserung erreicht werden. Die vollschichtige Tätigkeit sei deshalb nach erfolgreicher Therapie zumutbar. Die Klägerin habe bisher keine konsequente medikamentöse antidepressive Medikation in therapeutisch wirksamer Dosis erhalten. Einem stationären Aufenthalt mit kombinierter physio- und psychotherapeutischer Behandlung stehe die Klägerin ablehnend gegenüber.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 14.6.2006 führte Dr. J. aus, die Klägerin sei aktuell psychisch krank und solange arbeitsunfähig, bis eine Besserung der Symptomatik durch eine erfolgreiche psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung gegeben sei. Bei nicht durchgeführter Behandlung sei die Klägerin länger als sechs Monate vermindert oder nicht leistungsfähig.

Mit Urteil vom 17.8.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei noch in der Lage mindestens sechs Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Dies ergebe sich aus den Gutachten von Dr. J. und Dr. M ... Soweit Dr. J. in der ergänzenden Stellungnahme ausführe, die Klägerin sei derzeit arbeitsunfähig, vermöge das SG sich nicht davon zu überzeugen, dass der Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Stressbelastungen und größere Verantwortung im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich nicht mehr zumutbar wären. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 22.9.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.10.2006 Berufung eingelegt und unter Vorlage eines Arztbriefes des Internisten und Rheumatologen Dr. K. vom 26.9.2006 vorgetragen, sie sei nicht mehr in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit sechs Stunden täglich auszuüben. Wegen ihrer schweren spezifischen Leistungsbehinderungen wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Die Summierung der ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen hinderten sie daran, erneut in den Arbeitsmarkt einzutreten, da sie dort chancenlos sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. August 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat Dr. H., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Chefarzt der Klinikversuchtherapie am Klinikum W., mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 9.4.2007 ausgeführt, bei der Klägerin bestünden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine Hypästhesie sie und Hypalgesie im Versorgungsgebiet der Nervenwurzel C 7 links sowie eine somatoforme Schmerzstörung und eine leichte depressive Episode. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien das Heben und Tragen schwerer Lasten über 10 kg, gleichförmige Körperhaltungen, Überkopfarbeiten, Arbeiten auf Leitern, in Kälte, im Freien, mit häufigem Bücken und Treppensteigen, unter besonderem Zeitdruck sowie Akkord- und Nachtarbeiten sowie Wechselschicht. Auch Arbeiten mit besonderen Ansprüchen an Auffassung und Konzentration sowie mit erhöhter Verantwortung und besonderer geistiger Beanspruchung würden die Klägerin überfordern.

Die Klägerin hat ärztliche Bescheinigungen des Orthopäden Dr. L. und des Psychiaters Dr. H. vom 7.3., 9.5. und 22.5.2007 vorgelegt, die das Leistungsvermögen auf unter halbschichtig bzw. auf unter drei Stunden täglich einschätzen.

Der Senat hat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zu Stellungnahme gegeben.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 20.6.2007 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat den rechtserheblichen Sachverhalt umfassend dargestellt, die an eine Rentengewährung geknüpften Voraussetzungen zutreffend benannt und das Beweisergebnis frei von Rechtsfehlern gewürdigt. Hierbei ist es ausführlich auf die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen eingegangen; auch hat es überzeugend begründet, weshalb es den Beurteilungen des Orthopäden Dr. J. und des Neurologen und Psychiaters M. gefolgt ist. Der Senat schließt sich der Beweiswürdigung des SG uneingeschränkt an und sieht deshalb von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG weitgehend ab.

Ergänzend ist auszuführen, dass sich eine Erwerbsminderung der Klägerin, d. h. ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch nach den weiteren Beweiserhebungen im Berufungsverfahren nicht belegen lässt. Dies ergibt sich im wesentlichen aus der Gesamtwürdigung des ärztlichen Entlassungsbericht der Sigel-Klinik vom 21.5.2002, des Gutachtens von Dr. L. vom 19.12.2003, der sachverständigen Zeugenaussagen des Orthopäden Dr. B. vom 4.10.2004 und des Neurologen und Psychiaters S. vom 19.10.2004 sowie der Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. J. vom 21.4.2005 und der Neurologen und Psychiater M. und H. vom 10.7.2005 und 9.4.2007.

Während anfangs bei der Klägerin Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet, nämlich ein HWS-Syndrom mit Schmerzausstrahlung in den linken Arm und Schmerzen im linken Schultergelenk im Vordergrund standen, wird nunmehr das Befinden der Klägerin und ihre berufliche Leistungsfähigkeit insbesondere durch Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet beeinträchtigt. Hierbei handelt es sich um eine somatoforme Schmerzstörung und ein depressives Syndrom, die Dr. H., Dr. J. und Dr. H. übereinstimmend diagnostiziert haben.

Aufgrund der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und der Schulterbeschwerden kann die rechtshändige Klägerin keine Tätigkeiten in Wirbelsäulen-Zwangshaltungen, keine Überkopfarbeiten bzw. keine Arbeiten mit Zwangshaltungen des linken Armes, mit Heben und Tragen schwerer Lasten, auf Leitern und Gerüsten, in Kälte und Nässe verrichten. Aufgrund der somatoformen Schmerzstörung und des depressiven Syndroms sind der Klägerin Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, Akkord- und Nachtarbeiten, Wechselschichten, Arbeiten mit besonderen Ansprüchen an Auffassung, Konzentration, mit erhöhter Verantwortung und besonderer geistiger Beanspruchung nicht mehr zumutbar. Die Klägerin ist jedoch nicht gehindert, körperlich leichte geistig einfache Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden täglich zu verrichten. Dies ergibt sich für den Senat insbesondere auf Grund der Beurteilungen der Sachverständigen Dr. J., M. und Dr. H ...

Der Senat verkennt zwar nicht, dass sich die Klägerin auf Grund der Schmerzstörung und des depressiven Syndroms subjektiv stark beeinträchtigt fühlt. Andererseits vermag der Senat auf Grund der sich über einen Zeitraum von fünf Jahren erstreckenden ärztlichen Befunde und des seit Juli 2004 dokumentierten psychischen Befundes nicht davon zu überzeugen, dass der Klägerin auch leichte körperliche und geistig einfache Tätigkeiten nicht sechs Stunden täglich möglich wären. Denn die Tagesstruktur ist bei der Klägerin erhalten. Sie ist in der Lage, die Hausarbeit zu verrichten, einzukaufen und zu kochen, wobei der berentete Ehemann mithilft. Ferner kümmert sie sich um ihre Enkelin. Kontakte zu Freunden und Bekannten sind ebenfalls vorhanden, wenn diese auch zwischen Januar 2006 (Begutachtung durch Dr. J.) und März 2007 (Begutachtung durch Dr. H.) nach den Angaben der Klägerin nachgelassen haben ebenso wie die Besuche in und Telefonate nach Kroatien (wegen Geldmangel). Auf Grund von drei psychiatrischen Gutachten (nebst einer psychologischen Zusatzbegutachtung) ist der Sachverhalt auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet, auch was die geistig-seelische Leistungsfähigkeit der Klägerin angeht, umfassend geklärt.

Aus dem Gutachten von Dr. J. vermag der Senat nicht abzuleiten, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage wäre, leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich zu verrichten. So führt Diplom-Psychologin B. im psychologischen Zusatzgutachten vom 10.4.2006 aus, die depressive Symptomatik im Rahmen einer Anpassungsstörung sei nicht so schwer ausgeprägt, dass damit eine Arbeitsunfähigkeit bzw. ein Rentenbegehren begründet werden könnte. Dr. J. selbst legt im psychiatrischen Gutachten vom 13.4.2006 dar, die Störungen seien nicht so schwerwiegend, dass sie eine Relevanz für wesentliche Einschränkungen für alltagspraktische Tätigkeiten oder einfache Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hätten. Deswegen vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Klägerin auf Grund der Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet gehindert wäre, körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten sechs Stunden täglich zu verrichten.

Den Beurteilungen von Dr. L. und Dr. H. in den ärztlichen Attesten vom 7.3., 9.5. und 22.5.2007 vermag sich der Senat angesichts der über fünf Jahren gehenden Längsschnittsbeurteilungen und der obengenannten Sachverständigengutachten nicht anzuschließen.

Zusammenfassend ist die Klägerin unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihr diagnostizierter Gesundheitsstörungen nach alledem noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Die Klägerin ist somit nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten - anders als bei Teilzeitkräften - weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Der Klägerin ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Arbeitsagentur einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).

Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar. Auch benötigt die Klägerin keine betriebsunüblichen Pausen. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.

Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den genannten Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die der Klägerin noch zumutbaren leichten körperlichen und geistig einfachen Arbeiten nicht mit Wirbelsäulenzwangshaltungen, Zwangshaltungen des linken Armes, Überkopfarbeiten, Heben und Tragen schwerer Lasten, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, in Kälte und Nässe verbunden. Der Ausschluss von Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, von Akkord und Nachtarbeiten, Wechselschichten sowie von Arbeiten mit besonderen Ansprüchen an Auffassung und Konzentration, mit erhöhter Verantwortung und besonders hoher geistiger Beanspruchung führt zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, da die der Klägerin noch zumutbaren Arbeiten (z. B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten) überwiegend zu ebener Erde in normaltemperierten Räumen in Normalarbeitszeit in sitzender oder wechselnder Körperhaltung verrichtet werden und nicht mit besonderem Zeitdruck (Akkord) verbunden sind. Tätigkeiten mit besonderen Ansprüchen an Auffassung, Konzentration, erhöhter Verantwortung und mit besonders hohen geistigen Beanspruchungen scheiden schon auf Grund fehlender Ausbildung der Klägerin, die nach ihren Angaben lediglich vier Jahre die Schule besucht hat und kein Lehrverhältnis oder Anlernverhältnis durchlaufen hat, aus Schließlich liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor.

Der Klägerin steht auch keine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit zu, da sie als ungelernte Arbeiterin auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar ist.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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