L 7 AS 182/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 AS 1039/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 182/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten wegen der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nunmehr noch für einen Teil des Monats Dezember 2005.

Der 53-jährige Kläger zu 1 und die 48-jährige Klägerin zu 2 sind miteinander verheiratet. Der Kläger zu 1 bezog vom 01.08.2003 bis einschließlich 21.05.2005 Arbeitslosengeld; im Monat Dezember 2005 hatte er kein Einkommen. Die Klägerin zu 2 ist Beamtin bei der A. in Besoldungsgruppe A 12 BBesO; diese Position hatte sie auch im streitgegenständlichen Zeitraum inne. Im Dezember 2005 belief sich, unter anteiliger Einbeziehung von Einmalzahlungen, das Einkommen der Klägerin zu 2 aus dem Beamtenverhältnis auf 3.523,70 Euro brutto; die berufsbedingten Fahrtkosten (eigener Pkw) für diesen Monat betrugen 100,32 Euro. Beide Kläger verfügten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht über anrechenbares Vermögen.

Die Kläger bewohnen ein ihnen gehörendes Einfamilienhaus mit 97 qm Wohnfläche, das auf einem ca. 2.400 qm großen Außenbe-reichsgrundstück liegt. Das Haus hatten die Kläger im Juni 2002 gekauft; der Kaufpreis betrug 347.678,48 Euro (zuzüglich Kaufnebenkosten). Zur Finanzierung griffen sie größtenteils auf Fremdkapital zurück. Zum 01.04.2005 bestanden Verbindlichkeiten der Kläger gegenüber der darlehensgebenden Bank in Höhe von 340.786,97 Euro. Daraus resultierte für den Monat Dezember 2005 eine Zinsbelastung in Höhe von 1.708,71 Euro. Dazu kamen Wohn-Nebenkosten (Heizung ohne Warmwasser, Grundsteuer, Kaminkehrer, Müllabfuhr, Wasser, Kanal, Wohngebäudeversicherung) in Höhe von 169,13 Euro.

Am 14.03.2005 stellten die Kläger erstmalig einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte lehnte diesen mit Bescheid vom 03.06.2005 ab, weil das Einkommen den maßgeblichen Bedarf übersteigen würde. Dabei legte er monatliche Unter-kunftskosten in Höhe von 474,00 Euro kalt (7,90 Euro/qm kalt in F.) und von 643,13 Euro warm zugrunde; der Beklagte ging von einer maximal angemessenen Wohnfläche von 60 qm aus. Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 15.06.2006 Widerspruch ein. Am 19.06.2005 erteilte der Beklagte den Klägern Hinweise zur Unangemessenheit ihrer Wohnung.

Sodann hob der Beklagte den Bescheid vom 03.06.2005 mit Be-scheid vom 04.07.2005 auf. Zugleich gewährte er den Klägern von Juni bis einschließlich November 2005 Leistungen in Höhe von 430,83 Euro monatlich. Für den Monat Dezember 2005 dagegen verweigerte er sie nach wie vor. Deswegen legten die Kläger mit Schreiben vom 25.07.2005 erneut Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2005 als unbegründet zurückwies.

Mit Schriftsatz vom 15.12.2005 erhoben die Kläger Klage zum Sozialgericht München; dabei beabsichtigten sie, einen Ableh-nungsbescheid des Beklagten für den Folgezeitraum ab Januar 2006 in das gerichtliche Verfahren einzubeziehen. Das Sozial-gericht hat die Klage mit Urteil vom 23.05.2006 abgewiesen. Einerseits hat es für den Folgebescheid eine Einbeziehung in das Verfahren verneint. Im Übrigen hat es die Klage als unbegründet erachtet. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft, die den Klägern entstünden, seien unangemessen; in diesem Zusammenhang hat das Sozialgericht auf das örtliche Mietenniveau abgestellt. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II bedinge keine Besserstellung der Bewohner von Eigenheimen gegenüber Mietern; eine solche wäre vor dem Hintergrund von Art. 3 Abs. 1 GG bedenklich.

Dagegen haben die Kläger mit Schriftsatz vom 22.07.2006 Beru-fung eingelegt. Zur Begründung bringen sie vor, die tatsäch-lich entstehenden Kosten für ihr Eigenheim müssten auch nach Ablauf des Monats November 2005 Berücksichtigung finden; ins-besondere sei die Zinsbelastung in voller Höhe anzusetzen. Die Kläger leiten dies in erster Linie aus § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II ab. Eigenleistungen seien in Höhe von 42.000,00 Euro erbracht worden, was einem Eigenmittelanteil von 10,63 % entspreche. Die Vorgehensweise des Beklagten verstoße gegen das Eigentumsgrundrecht; ihnen, so die Kläger, stehe Vertrauensschutz zu. Sie lehnen es weiter ab, zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze auf das Mietenniveau in F. abzustellen.

Die Kläger beantragen, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 23.05.2006 und unter Abänderung des Bescheids vom 04.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2005 zu verurteilen, ihnen für die Zeit ab 11.12.2005 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er argumentiert, eine Ausstrahlungswirkung von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II bestehe nicht. Ab Dezember 2005 könnten nur noch die angemessenen Unterkunftskosten in die Leistungsberechnung einfließen. Eine längere Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten scheide schon angesichts der erst kurzen Wohndauer der Kläger in dem Eigenheim aus.

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Anspruch der Kläger für den Zeitraum vom 01. bis einschließlich 10.12.2005 anerkannt. Dieses Teil-Anerkenntnis haben die Kläger angenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Gerichts- und des Verwal-tungsverfahrens wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen. Sie lagen allesamt vor und waren Gegens-tand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Zumindest in dem Zeitpunkt, als die Berufung eingelegt worden ist (vgl. § 202 SGG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 ZPO), waren Geld-leistungen von mehr als 500,- EUR streitig (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Berufung hat aber keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Die Beklagte hat die beantragte Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu Recht abgelehnt; der Bescheid vom 04.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2005 begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

1. Der Streitgegenstand beschränkt sich zum maßgebenden Zeit-punkt in zeitlicher Hinsicht nur noch auf Leistungen für den Zeitraum 11. bis 31.12.2005. Gegenständlich umfasst er nur die Kosten für Unterkunft und Heizung (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b 8/06 R).

2. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Problematisch ist hier allein das Tatbestandsmerkmal der Hilfebedürftigkeit, die übrigen Voraussetzungen sind zur Überzeugung des Senats erfüllt. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, hierin einbezogen das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die einer Bedarfsgemeinschaft angehören, unter anderem das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen; nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a SGB II ist der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte "Partner" des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinn des SGB II. Daraus folgt, dass die beiden Kläger als Bedarfsgemeinschaft zu behandeln sind. Unter Berücksichtigung dessen bleibt die Berufung ohne Erfolg, weil das einzusetzende Einkommen der Bedarfsgemeinschaft deren Bedarf weit übersteigt.

Das liegt maßgeblich daran, dass die Kläger Kosten der Unter-kunft nicht in der von ihnen reklamierten Höhe geltend machen können. Nach § 22 Abs. 1 SGB II in der für Dezember 2005 maß-gebenden Fassung wurden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen waren (Satz 1). Soweit die Aufwendungen für die Un-terkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang überstiegen, waren sie als Bedarf der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dieser nicht möglich oder zumutbar war, die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Satz 2).

Die bei den Klägern tatsächlich anfallenden Kosten der Unter-kunft waren von Anfang an unangemessen. Der Beklagte war nicht gehalten, diese unangemessenen Kosten über den 10.12.2005 hin-aus der Leistungsberechnung zugrunde zu legen.

a) Bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze hat der Be-klagte zutreffend auf den räumlichen Bereich der Gemeinde F. abgestellt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R).

b) Der Beklagte hat die Angemessenheitsgrenze insofern zutref-fend berechnet, als er auf das örtliche Mietenniveau rekur-riert hat. Diesbezüglich darf nicht danach differenziert wer-den, ob es sich um Mietwohnraum oder um ein Eigenheim handelt.

Diese Ansicht hat auch das Bundessozialgericht im Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - vertreten. Dort hat es klar ge-stellt, dass es im Rahmen der Vermögensverwertung (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II) zulässig sei, für selbstgenutztes Wohnei-gentum von anderen Wohnflächengrenzen auszugehen als für die Angemessenheit von Mietwohnungen. Jedoch sei Art. 3 Abs. 1 GG tangiert, wenn es um die Übernahme der Unterkunftskosten von Mietern einerseits und Haus- bzw. Wohnungseigentümern anderer-seits gehe, etwa im Hinblick auf die Höhe der Kaltmiete einer-seits und der Darlehenskosten andererseits sowie in Bezug auf Heizungs- und sonstige Nebenkosten. Im Rahmen der Angemessen-heitsprüfung bei § 22 Abs. 1 SGB II werde eine Privilegierung von Eigentümern gegenüber Mietern nicht zu rechtfertigen sein.

Der Senat verkennt nicht, dass es Stimmen gibt, die für eine Differenzierung bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze plädieren. So hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zum Sozialhilferecht einer gesonderten Angemessenheitsgrenze für Eigenheime das Wort geredet (BVerwGE 79, 232 (235 f.)); das hat es sogar - entsprechend der Argumentation der Kläger - mit der Vermögensschutzregelung des § 87 Abs. 2 Nr. 7 des Bundessozialhilfegesetzes begründet. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat im Beschluss vom 08.06.2006 - L 7 AS 443/05 ER - angedeutet, es tendiere zu einer gesonderten Angemessenheitsgrenze für Eigenheime.

Der Senat teilt diese Auffassung nicht und schließt sich der Ansicht des Bundessozialgerichts an (vgl. bereits Senatsbe-schluss vom 06.07.2007 - L 7 B 161/07 AS ER; vgl. auch Landes-sozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.07.2006 L 13 AS 1620/06 ER-B m.w.N.). Den Klägern stimmt er insoweit zu, als Schuldzinsen im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Eigenheims dem Grunde nach zu den Kosten der Unterkunft zählen; das bedarf keiner Vertiefung (vgl. nur BVerwGE 77, 232 (237)). Soweit aber Modus und Höhe der Anerkennung von Schuldzinsen im Streit stehen, vermag er der Argumentation der Kläger nicht beizutreten.

Dreh- und Angelpunkt der Argumentation der Kläger ist § 12 SGB II, der sich unmittelbar mit der Frage befasst, wann Schonvermögen vorliegt. Wenn die Kläger dieser Vorschrift maßgebende Kraft beimessen, überschätzen sie deren Einstrahlungswirkung. Das sich hier stellende Problem, ob die Kläger ihre beträchtlichen Darlehenszinsen als Bedarf geltend machen können, unterscheidet sich grundlegend von demjenigen, das § 12 SGB II lösen möchte, nämlich inwieweit eigene vermögenswerte Positio-nen für die Deckung des festgestellten Bedarfs einzusetzen sind. Beim Vermögenseinsatz wird dem Hilfesuchenden zugemutet, etwas aufzugeben, was er bereits vollwertig erworben hat. Hier stellt sich die Fallkonstellation indes anders dar. Zwar steht die Immobilie bereits formal im Eigentum der Kläger. Bewertet man die Vermögenslage aber nach einem Bestandsvergleich von Aktiva und Passiva, steht ihr ein sehr hoher Fremdmittelanteil gegenüber. So betrachtet haben die Kläger noch kaum Vermögen gebildet. Vermögen in diesem Sinn wäre nur insoweit zu beja-hen, als mit der Immobilie auf der Passivseite Eigenkapital "korrespondieren" würde. Schon aus diesem Grund kann eine Ver-mögensschutzvorschrift wie § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II nur höchst eingeschränkt herangezogen werden. Zu schützendes Ver-mögen im wirtschaftlichen Sinn ist nahezu nicht vorhanden.

Hinzu kommt, dass § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II erst recht nicht verlangt, dass der Staat mit Leistungen zur Sicherung des Lenbensunterhalts Vermögensbildung erst ermöglicht. Das würde der Beklagte aber, würde er dem Begehren der Kläger entsprechen. Einzuräumen ist, dass bei formal-bilanzieller Betrachtungsweise Schuldzinsen nicht unmittelbar zur Vermögensbildung beitragen; sie verkörpern vielmehr Geldbeschaffungskosten. Bewertet man die Vermögenslage nach einem Bestandsvergleich von Aktiva und Passiva, werden Tilgungsleistungen vermögenswirksam, während sich Schuldzinsen insofern neutral verhalten. Dennoch dient die Zahlung von Schuldzinsen dazu, etwas zu erwerben, was man vorher noch nicht oder noch nicht in dem Umfang hatte. Denn zwischen den Zins- und Tilgungsleistungen besteht aus faktisch-wirtschaftlichem Blickwinkel ein enger Konnex. In aller Regel verfügt die darlehensgebende Bank über eine dingliche Sicherung an der mit dem Darlehen finanzierten Immobilie, zumeist eine Grundschuld. Diese sichert nicht nur die Tilgungs-, sondern auch die Zinsleistungen. Zahlt der Darlehensnehmer die Annuitäten nicht ordnungsgemäß, kann dies ungünstigtenfalls in die Verwertung der Immobilie münden. Die Annuitäten sind üblicherweise so bemessen, dass zunächst der Zinsanteil weit dominiert, während mit zunehmender Darlehensdauer der Tilgungsanteil steigt. Der Darlehensnehmer muss sich bildlich gesprochen durch Zinsleistung erst die Berechtigung "erkaufen", tilgen zu dürfen. Die Zahlung von Zinsen verkörpert somit einen untrennbaren Annex zur eigentlichen Vermögensbildung, der Darlehenstilgung. Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Schuldzinsen keineswegs nur vermögenssichernden, sondern vermögensbildenden Charakter hat.

§ 12 SGB II enthält keinen übergreifenden Rechtsgedanken, wo-nach das angemessene selbst genutzte Eigenheim unter keinen Umständen und ohne Ansehen der konkret bestehenden Gründe veräußert werden muss. Die Norm will nur verhindern, dass ein entsprechendes Vermögensobjekt, das ja, wenn es denn sich in den Händen des Hilfesuchenden befindet, Ausdruck einer Lebensleistung ist, gezielt "geopfert" werden muss. Sie soll aber die Hilfesuchenden nicht von jeglichem wirtschaftlichen Risiko befreien, wie es nun einmal mit der Anschaffung von Immobilien häufig verbunden ist.

Nachdem § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II das Begehren der Klä-ger nicht zu stützen vermag, bleibt nichts, was dafür spräche, für Bewohner von Eigenheimen eine gesonderte, höhere Grenze der Angemessenheit heranzuziehen. Zunächst ist es nicht staatliche Aufgabe, Bürger generell vor finanziellem Niedergang zu schützen; Gegenteiliges lässt sich insbesondere nicht der Verfassung entnehmen. Im Gegenteil würde eine höhere Angemessen-heitsgrenze zu erheblichen Bedenken Anlass geben, ob damit nicht Mieter unter Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG benachtei-ligt würden. Der Vorteil, den die Bewohner von Eigenheimen ge-nießen würden, wäre immens. Ihnen würde letztendlich von staatlicher Seite ermöglicht, Immobilienvermögen zu erwerben, während entsprechende Unterstützung Mietern vorenthalten bliebe. Der Senat hält es für nicht opportun, eine derartige Besserstellung der Eigenheimbewohner wie das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (a.a.O.) damit zu rechtfertigen, die Veräußerung von Eigenheimen stelle sich schwieriger dar als der Wechsel einer Mietwohnung. Das mag zwar stimmen. Jedoch steht dieser geringfügige faktische Nachteil der Eigenheimbewohner außer Verhältnis zu der außerordentlichen rechtlichen Bevorzu-gung, die diese erfahren würden. Sonstige tragfähige Differen-zierungsgründe vermag der Senat nicht zu erkennen. Insbesonde-re darf nicht typisierend davon ausgegangen werden, Eigenheim-bewohner hätten ein signifikant höheres ideelles Interesse an der Beibehaltung der Wohnsituation; langjährigen Mietern dürf-te ein Wohnungswechsel affektiv ebenso schwer fallen.

Unabhängig von Erwägungen zum allgemeinen Gleichheitssatz kann dem Begehren der Kläger schon deswegen nicht entsprochen wer-den, weil dies nicht dem objektiven Willen des Gesetzes ent-spräche. Würde die sozialgerichtliche Rechtsprechung eine hö-here Angemessenheitsgrenze für "schuldzinsbeladene" Eigenheime einführen, würde sie damit eine staatliche Eigenheimförderung enormen Ausmaßes installieren, ohne dass der Gesetzgeber dies wollte. Abgesehen davon, dass Missbrauch Tür und Tor geöffnet wäre, wäre ein erheblicher sozialer Unfriede die Folge; denn es wären "Leistungsbezieher erster Klasse" und "Leistungsbezieher zweiter Klasse" geschaffen.

c) Die so nach dem örtlichen Mietenniveau zu berechnende Ange-messenheitsgrenze beträgt für einen Zwei-Personen-Haushalt 513,50 Euro monatlich kalt (ohne "kalte" Nebenkosten). In Be-zug auf die Wohnungsgröße liegt die Grenze der Angemessenheit für einen Zwei-Personen-Haushalt bei 65 qm Wohnfläche (vgl. 81.1 der Wohnraumförderungsbestimmungen 2003, AllMBl. S.971). Die konkrete Angemessenheitsgrenze erhält man, indem man diese Fläche mit dem Wohnstandard, der sich im Quadratmeterpreis äu-ßert, in Beziehung setzt. Bezüglich des Wohnstandards ist zu beachten, dass dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht (Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R). Der Senat hält den vom Beklagten zugrunde gelegten Quadratmeterpreis von 7,90 Euro keinesfalls für zu niedrig an-gesetzt; die Kläger haben insoweit auch keine Zweifel angemel-det. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft, die bei den Klä-gern anfallen, übersteigen diese Grenze bei weitem. Rechtsfol-ge ist, dass den Klägern grundsätzlich (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) nur der angemessene Bedarf zuzuerkennen ist (gegen das so genannte Alles-oder-Nichts-Prinzip Bundessozialgericht, a.a.O.).

d) Ein Anspruch auf Zugrundelegung der tatsächlichen Unter-kunftskosten folgt auch nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F ... Die "Schonfrist" war zum 11.12.2005 bereits abgelaufen. Besondere Gründe, die für eine längere Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten sprechen, lagen nicht vor.

aa) Grundsätzlich sind nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur die angemessenen Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen. Davon machte § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. eine Ausnahme, solange eine Reduzierung der tatsächlichen Kosten auf das angemessene Maß nicht möglich oder nicht zumutbar war; diese "Schonfrist" sollte in der Regel sechs Monate nicht übersteigen, wobei die sechs Monate von Gesetzes wegen keineswegs als Regeldauer anzusehen sind. § 22 Abs.1 Satz 2 SGB II a.F. stellte eine Billigkeitsregel dar, wobei dem Hilfesuchenden ausnahmsweise für eine in der Regel höchstens sechsmonatige Übergangsfrist etwas weiter gewährt wurde, worauf er nach der grundsätzlichen Konzeption des Gesetzes (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) an sich keinen Anspruch haben sollte. Die Frist gewährte dem Hilfesuchenden Aufschub, damit dieser innerhalb vertretbarer Zeit seine Unterkunftskosten auf das angemessene Maß zu senken in der Lage war. Solange der Hilfesuchende aber nichts von dem Umstand wußte, dass seine Unterkunftskosten zu hoch waren, mussten grundsätzlich die tatsächlichen Kosten weitergewährt werden. In der Regel verschaffte der Leistungsträger dem Hilfesuchenden durch einen entsprechenden Hinweis diese Kenntnis.

Die Kläger verfügten spätestens mit der Bekanntgabe des Be-scheids vom 03.06.2005 über die erforderlichen Informationen. Dieser war ihnen spätestens am 10.06.2005 bekanntgegeben wor-den. Denn an diesem Tag stellte der Kläger zu 1 seinen damali-gen Prozessbevollmächtigten eine Vollmacht für das Wider-spruchsverfahren aus. Der damit eingetretenen Kenntnis der Kläger hat der Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass er den Klageanspruch für die Zeit vom 01. bis 10.12.2005 anerkannt hat; er hat damit eine sechsmonatige "Schonfrist" ab Belehrung gewährt. Darüber hinaus bestehen jedoch keine weiteren Ansprüche; denn mit dem Bescheid vom 03.06.2005 waren die Kläger hinreichend unterrichtet worden. Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - geht unzweifelhaft hervor, dass die Belehrung nur Mittel zum Zweck, keinesfalls aber Selbstzweck sein darf. Das wird insbesondere dadurch deutlich, dass ein Hinweis entbehrlich ist, wenn dem Hilfeempfänger die maßgeblichen Gesichtspunkte ohnehin bekannt sind. Außerdem verweist das Bundessozialgericht darauf, im Rahmen des Zusicherungsverfahrens nach § 22 Abs. 2 SGB II könne der Hilfeempfänger ohnehin mit fundierter Aufklärung rechnen. Mit der Bekanntgabe des Bescheids vom 03.06.2005 wussten die Kläger genug, um umgehend mit der Suche nach einer angemessenen Wohnung zu beginnen. Aus den dem Bescheid beigefügten Berechnungsblättern ergab sich sowohl, dass die gegenwärtigen Unterkunftskosten überhöht waren - auch wenn dies nicht explizit ausgesprochen wurde, als auch mit sehr differenzierter Aufschlüsselung der vom Beklagten als angemessen erachtete Betrag.

Der Umstand, dass die Kaltmiete um 39,50 Euro zu niedrig be-ziffert wurde, macht die Unterrichtung nicht hinfällig. Der Hinweis soll den Hilfeempfänger in die Lage versetzen, sich effizient am Wohnungsmarkt zu betätigen. Für diesen Zweck er-scheint die Mitteilung wichtiger, dass die gegenwärtigen Kos-ten der Unterkunft unangemessen sind; denn die veranlasst den Hilfeempfänger erst, sich überhaupt nach einer anderen Wohnung umzusehen. Die Mitteilung der angemessenen Höhe soll lediglich bewirken, dass er seine Nachfrage auf die richtigen Wohnungen lenkt. Im vorliegenden Fall liegen keine Anhaltspunkte vor, die Kläger hätten irgendwelche Anstrengungen unternommen, um eine angemessene Wohnung zu finden; sie waren vielmehr davon überzeugt, nicht ausziehen zu müssen. Wer sich aber jeglicher Bemühungen enthält, kann sich nicht darauf berufen, er sei durch unzureichende Information am Wohnungsmarkt fehlgeleitet worden.

Der Hinweis darf auch nicht deswegen als nicht existent behan-delt werden, weil der Bescheid vom 03.06.2005 durch Bescheid vom 04.07.2005 aufgehoben wurde. Denn bei der Information han-delt es sich nicht um eine Regelung, sondern um bloße Wissens-vermittlung. Aufgehoben werden sollte erkennbar nur die voll-ständige Verweigerung von Leistungen. Genauso war erkennbar (vgl. die Berechnung für den Monat Dezember 2005), dass der Beklagte an den von ihm mit Bescheid vom 03.06.2005 mitgeteilten Daten festhalten wollte, zumal vorher am 19.06.2005 eine weitere eingehende Belehrung über die Unangemessenheit des Hauses erfolgt war.

Besondere Gründe, die dafür sprechen könnten, den Klägern aus-nahmsweise länger als sechs Monate die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zuzugestehen, existieren nicht. Die vom Senat vertretene Linie, die Angemessenheitsgrenze am Mietenniveau auszurichten, kann zugegebenermaßen Härten nach sich ziehen, insbesondere wenn ein Darlehen fast abbezahlt ist. Solchen Härten kann jedoch im Allgemeinen effektiv begegnet werden, indem die "Schonfrist", die § 22 Abs. 1 Satz 2 SBG II a.F. vorsah, bei Vorliegen besonderer Umstände verlängert wird. Damit steht den Leistungsträgern eine wirksame Handhabe zur Verfügung, beson-deren Umständen Rechnung zu tragen, ohne Mieter und Eigenheim-bewohner strukturell unterschiedlich behandeln zu müssen. Je-doch muss es im vorliegenden Fall mit der sechsmonatigen "Schonfrist" sein Bewenden haben. Denn die Kläger haben einer-seits gerade erst angefangen, das Darlehen abzubezahlen. Ande-rerseits haben sie selbst durch die enorme Höhe der Annuitäten sehenden Auges eine finanzielle Belastung auf sich genommen, die als durchaus risikoreich eingestuft werden kann.

Schließlich darf nicht davon ausgegangen werden, es sei in der fraglichen Zeit keine adäquate Wohnung konkret verfügbar gewe-sen. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. stellt eine Vermutung auf, wonach innerhalb von längstens sechs Monaten nach Erkennen der Unangemessenheit Unzumutbarkeit gegeben ist. Diese Frist wird vom Gesetzgeber grundsätzlich als ausreichend für entsprechende Kostensenkungsmaßnahmen angesehen. Sie stellt allerdings nur eine Regelvorschrift dar, so dass in Einzelfällen davon abgewichen werden kann; die objektive Beweislast trifft jedoch die Kläger. Entsprechende Nachweise, die belegen könnten, dass während der Sechs-Monats-Frist ein Umzug oder eine Untervermietung entweder nicht möglich oder nicht zumutbar war, haben sie nicht vorgelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde zugelassen, weil das Kernproblem des Rechtsstreits ein grundsätzliches ist und eine höchstrichterliche Klärung im engeren Sinn noch aussteht. Die Äußerung des Bundessozialgericht im Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - ist zwar klar und richtungsweisend, letzlich aber ein obiter dictum.
Rechtskraft
Aus
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