L 12 KA 45/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 KA 2542/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 45/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Januar 2003 bezüglich des Arzneimittelregresses im Quartal 4/98 wird zurückgewiesen. II. Die Kläger haben dem Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit eines Arzmittelregresses, der das im 4. Quartal 1998 verordnete Arzneimittel "Ney Tumorin" betrifft.

Die Kläger sind als Allgemeinarzt und praktischer Arzt vertragsärztlich tätig. Sie verordneten im Quartal 4/98 dem bei der beigeladenen AOK Bayern versicherten Patienten S. das Me-dikament Ney Tumorin.

In der "Roten Liste" (1998) ist Ney Tumorin unter der Nr.86129 in Abschnitt 1 C.2.2 gelistet (Cytostatika und Metastasenhemmer/Organpräparate/Kombinationen).

Nach den dortigen, auf den Herstellerangaben beruhenden Angaben enthält eine Ampulle 15 g eine Mischung nach Proteingehalt standardisierter, molekularer, volllöslicher Organlysate aus tierischem Gewebe (Spezies Rind), nämlich - bezogen auf 1 g folgender Standardmischung - Diencephalon 0,05 g, Placenta matern. 0,1 g, Funiculus umbilical. 0,1 g, Thymus juvenil. 0,1 g, Epiphysis 0,1 g, Testes juvenil. 0,02 g, Gland. suprarenal. 0,05 g, Gland. thyreodea, 0,05 g, Medulla oss. 0,05 g, Pulmo 0,05 g, Hepar 0,1 g, Pankreas 0,1 g, Ren 0,3 g, Lien 0,05 g, Mucosa intestinal. 0,05 g (Rote Liste 1998).

Mit dem am 16. September 1999 eingegangen Antrag beantragte die AOK Bayern die Festsetzung eines Arzmittelregresses wegen fehlender Verordnungsfähigkeit u.a. dieses Medikaments. Soweit der Prüfantrag auch die Festsetzung eines Regresses bezüglich anderer Arzneimittel vorsah, ist das Verfahren auf Verwaltungsebene vergleichsweise beendet worden. Im Verfahren vor dem Prüfungsausschuss Ärzte-Mittelfranken legten die Kläger ein Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vom 10. Mai 1999 vor. Dort wird ausgeführt, dass nach § 2 Abs.1 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung Arzneimittel mit mehr als drei arzneilich wirksamen Bestandteilen ausgeschlossen seien, sofern es sich nicht um rein homöopathische Zubereitungen handele. Unter Berücksichtigung der Eigenschaft "homöopathisch" sei Ney Tumorin auf Kassenrezept verordnungsfähig. Die Kläger tragen vor, dass das Medikament Ney Tumorin u.a. einem Patienten verordnet worden sei, bei dem die Diagnose einer Lebermetastase bei Chemotherapieserien zu stellen gewesen sei.

Der Prüfungsausschuss Ärzte-Mittelfranken regressierte mit Bescheid vom 20. April 2000 gestützt auf Ziffer 17.1 m Arzneimittelrichtlinien (AMR) die der Beigeladenen entstandenen Kosten des Arzneimittels.

Mit Bescheid vom 13. August 2001 bestätigte der Beschwerdeausschuss Ärzte-Mittelfranken insoweit die vorgängige Entscheidung des Prüfungsausschusses (Regressbetrag 5.425,21 DM = 2.770,87 EUR). Der Regress wurde ebenfalls auf Ziffer 17.1 m AMR (Organhydrolysat) gestützt.

Dagegen haben die Kläger das Sozialgericht München angerufen. Im Klageverfahren ist klargestellt worden, dass sowohl Dr. P. als auch Herr W. Klageparteien seien. Die Klägerbevollmächtigten haben ein Schreiben der Firma V. Arzmittel GmbH vom 14. Januar 2003 in Vorlage gebracht, in welchem die Herstellerfirma bestätigt, dass das Präparat nach Proteingehalt standardisiert sei.

Mit Urteil vom 15. Januar 2003 hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen. Das Gericht hat den Verordnungsausschluss der Ziffer 17.1 m als gegeben angesehen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger zum Bayer. Landessozialgericht. Erneut wird vorgetragen, dass es sich bei dem Medikament um kein Organhydrolysat handele, weil der Begriff auch nach der Interpretation des Bundesausschusses auf einen wesentlichen Wirkstoff standardisierte Zubereitungen nicht umfasse. Aus dem (vorgelegten) Schreiben des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen - Arbeitsausschuss Arzneimittelrichtlinien - vom 24. August 1994 gehe hervor, dass unter Zelulartherapeutika alle Zellpräparationen tierischen Ursprungs im Rahmen der Frischzellentherapie zu verstehen seien. Organhydrolysate seien "grobe" Zubereitungen aus tierischen Organen wie z.B. Milz oder Knorpelhydrolysat o.ä. Nicht darunter zu verstehen seien aus Organen gewonnene Einzelsubstanzen, wie etwa He-parin oder Pankreatin. Auch standardisierte Zubereitungen gehörten nicht unter den hier gemeinten Begriff der Organhydrolysate, sofern sie auf einen wesentlichen Wirkstoff quantitativ standardisiert seien. Die Art der Aufbereitung spiele für die Definition keine Rolle.

In einem (ebenfalls vorgelegten) Schreiben des Bundesausschusses Ärzte und Krankenkassen - Arbeitsausschuss Arzneimittel - vom 3. März 1999 an das Sozialgericht Dortmund zu einem dort anhängigen Verfahren gehe hervor, dass eine Zuordnung der fraglichen Präparate zur homöopathischen Therapie aus der Sicht des Arbeitsausschusses Arzneimittel nicht nachvollziehbar sei. Dementsprechend nehme der Hersteller in der Roten Liste auch keine Einstufungen der jeweils vorgegebenen Gruppe D (Homöopatika) vor, sondern in der Rubrik 1.C.2.2 (Enzymorganhaltige Präparate/Organpräparate/Kombinationen). Der Klägerbevollmächtigte weist auch auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts zum Medikament Viagra und zur medizinischen Fußpflege hin. Auf Nachfrage des Senats wird ergänzend vorgetragen, dass sich die Zusammensetzung von Ney Tumorin im Verordnungsquartal nicht mehr habe ermitteln lassen. Man nehme auf die "Rote Liste" Bezug und gehe davon aus, dass die Angaben der Zusammensetzung 4/98 entsprechen. Im übrigen teile man nunmehr die Auffassung des Senats, dass das Arzneimittel nach § 2 Abs.1 S.2 der Verordnung zu § 34 Abs.3 SGB V ausgeschlossen sei und die Ausnahme des § 2 Abs.2 Nr.1 der Verordnung zu § 34 Abs.3 SGB V nicht greife. Ein Regress verbiete sich aber, weil das Medikament nicht in der damals geltenden Liste nach § 93 SGB V genannt worden sei. In der ersten Fassung der Übersichtsliste sei es nicht enthalten gewesen. Nur hieran haben sich die Ärzte orientiert und orientieren müssen. Es sei nicht deren Aufgabe, die Übersichtsliste auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Januar 2003 sowie den Bescheid des Beklagten vom 13. August 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der beigeladene KVB hat keinen Antrag gestellt.

Die beigeladene AOK hat keinen Antrag gestellt.

Das Berufungsverfahren hinsichtlich des Quartals 4/98 ist durch Beschluss v. 29. Mai 2006 abgetrennt worden.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte, der Streitakte des Sozialgerichts München sowie der Verfahrensakte des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung erweist sich als nicht begründet.

Das sozialgerichtliche Urteil und die Entscheidung des Beschwerdeausschusses sind im Ergebnis zutreffend, weil sich ein Ausschluss von der Verordnungsfähigkeit aufgrund der zum Verordnungszeitpunkt gültigen Fassung der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung gem. § 34 Abs.3 SGB V ergibt (AMUWV).

Dagegen kann als Rechtsgrundlage für einen Ausschluss eines arzneirechtlich zugelassenen Arzneimittels von der Verordnungsfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung § 92 Abs.1 SGB V in der bis zum 1. Januar 2004 geltenden Fassung i.V.m. mit den Ziff. 17.1 m Arzneimittelrichtlinien (i.f. AMR) nicht herangezogen werden.

1.

§ 92 Abs.1 SGB V in der damaligen Fassung kann als Rechtsgrundlage nicht einen Verordnungsausschluss wegen fehlendem therapeutischen Nutzen durch die Arzneimittelrichtlinien stützen.

In der damaligen Fassung wurde in der genannten Norm dem Bundesausschuss die Kompetenz eingeräumt, die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung, insbesondere der Verordnung von Arzneimitteln, zu beschließen. Zwar waren nach Ziff. 17.1 m der Arzneimittelrichtlinien in der damaligen Fassung sog. Organhydrolysate wegen fehlendem therapeutischen Nutzen von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen, jedoch fehlt es insoweit an einer ausreichend konkretisierten Rechtsgrundlage zum Erlass einer entsprechenden Verordnungsregelung.

In seinem Urteil vom 10. Mai 2005 (B 1 KR 25/03 R, SozR 4-2500 § 34 Nr.2; "Viagra") hat der 1. Senat des Bundessozialgericht ausgeführt, dass der Bundesausschuss nicht die Kompetenz habe, die Behandlung einzelner Erkrankungen von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen. Im Ergebnis gelte nichts anderes, wenn man darauf abstellte, dass der Bundesausschuss nicht die Kompetenz besessen habe, in einer Arzneimittelrichtlinie einen verbindlichen Ausschluss bestimmter Gruppen von Arzneimitteln aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zu regeln, dieses vielmehr dem Gesetz- oder Verordnungsgeber vorbehalten gewesen sei. Erst mit dem GMG vom 14. November 2003 habe der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2004 in § 34 Abs.3 und 4 SGB V ausdrücklich als Reaktion auf die Rechtsprechung des 1. Senats und des 8. Senats des Bundessozialgerichts klargestellt, dass subsidiär zur Befugnis des Verordnungsgebers, Leistungen von der Verordnungsfähigkeit in der GKV auszuschließen, auch der Richtliniengeber nach § 92 SGB V Leistungsausschlüsse aufgrund seiner Befugnis zur Regelung der wirtschaftlichen Verordnungsweise treffen könne. Vorwirkungen könne diese Regelung nicht entfalten.

Im Urteil des BSG vom 16. November 1999 (BSGE 85, 132; medizinische Fußpflege) hat der gleiche Senat diskutiert, inwieweit die parallele Ausschlussregelungsbefugnisnorm in § 34 Abs.4 SGB V von der in § 92 SGB V abzugrenzen sei. Ausgeführt wird, dass zum rechtlichen Verhältnis der Ermächtigungen untereinander dem Gesetzeswortlaut nichts zu entnehmen sei. Regelungen, welche die Versorgung mit Heilmitteln auf das notwendige, zweckmäßige und wirtschaftliche Maß begrenzen sollen, seien nach dem gesetzgeberischen Konzept sowohl dem Bundesminister für Gesundheit als Verordnungsgeber als auch dem Bundesausschuss als Richtliniengeber aufgetragen. Dies besage aber noch nicht, dass sich die Zuständigkeiten in sachlicher Hinsicht überlappten und die Ermächtigungsadressaten befugt seien, in Konkurrenz zueinander denselben Sachverhalt zu regeln. Grundsätzlich sei der Gesetzgeber nicht gehindert, miteinander konkurrierende Rechtssetzungsbefugnisse zu begründen. Ob und in welcher Form ein solches Nebeneinander bestehen solle, müsse aber im Gesetz klar zum Ausdruck kommen. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen müsse erkennbar sein, ob der Richtliniengeber für die betreffende Sachmaterie überhaupt zuständig sein solle, und wenn ja, ob er neben dem Verordnungsgeber seine Kompetenz nur in Anspruch nehmen dürfe, solange der Verordnungsgeber von seiner Regelungsbefugnis keinen Gebrauch mache. Bereits aus diesem Grunde könne nicht von einer konkurrierenden Normsetzungszuständigkeit ausgegangen werden.

Auch der Umstand, dass sich die Verordnungsermächtigung auf präzise umschriebene Tatbestände beziehe, während der Auftrag zum Erlass von Richtlinien ganz allgemein gefasst sei, spreche gegen eine parallele Normsetzungsbefugnis für die Gegenstände, die durch § 34 SGB V bereits dem Verordnungsgeber zur Regelung zugewiesen seien. Es sei nicht ersichtlich, welchen Sinn eine solche auf bestimmte Sachverhalte beschränkte Ermächtigung haben solle, wenn gleichzeitig unter Berufung auf denselben Regelungszweck in Richtlinien weiterere Leistungsausschlüsse ohne entsprechende Begrenzung vorgesehen werden könnten. Es wäre unvereinbar, dann den Bundesausschuss durch § 92 SGB V als ermächtigt anzusehen, dasselbe Heilmittel in den Richtlinien auszuschließen. Die engeren Voraussetzungen des § 34 Abs.4 SGB V für einen Ausschluss durch untergesetzliche Rechtsnorm würden praktisch leerlaufen. § 34 SGB V treffe für die Anordnung von Leistungsverboten bei Heilmitteln wegen fehlendem therapeutischen Nutzen u. a. eine abschließende Regelung. Für die Richtlinien nach § 92 Abs.1 SGB V verblieben nur Bestimmungen, welche die Art und Weise der Leistungserbringung beträfen.

Bezogen auf den Arzneimittelbereich bedeutet die Rechtsprechung - für Verordnungen bis Ende 31. Dezember 2003 - nach Ansicht des Senats, dass, soweit ein Ausschlusstatbestand auf eine Unwirtschaftlichkeit infolge nicht erforderlicher Bestandteile, fehlendem therapeutischen Nutzen oder fehlender Beurteilungsmöglichkeit aufgrund Vielzahl der enthaltenden Stoffe gestützt wird, diese Regelung nur in der AMUWV, die aufgrund § 34 Abs.3 SGB V ergeht, erfolgen kann, während Ausschlüsse, die auf sonstigen Wirtschaftlichkeitserwägungen beruhten (z.B. wirtschaftlichere Arzneimittelverordnungsalternative; fehlende Erforderlichkeit einer Arzneimittelverordnung), dem Richtliniengeber überlassen bleiben.

Im Ergebnis kann daher zum Verordnungszeitpunkt der Ausschluss nicht auf Ziff.17.1 m AMR in der damaligen Fassung (Organhydrolysate) gestützt werden (so ausdrücklich LSG Nordrhein-Westfalen vom 21. Dezember 2005, L 11 K 90/04; vgl. LSG Schleswig-Holstein vom 3. November 2004, L 4 KA 27/02 NZS 2005, 596 ff.). Damit muss der Senat nicht mehr über die Auslegung des Begriffs "Organhydrolysat" entscheiden.

2.

Jedoch ergibt sich ein Verordnungsausschluss aus §§ 31 Abs.1, 34 Abs.3 SGB V i.V.m. der auf dieser Grundlage erlassenen, zum Verordnungszeitpunkt geltenden Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung - AMUWV - (sogenannte Negativliste).

Nach § 31 Abs.1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit nicht zugelassenen Arzneimitteln, die nicht nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 34 Abs.3 SGB V kann das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates von der Versorgung nach § 31 unwirtschaftliche Arzneimittel ausschließen. Als unwirtschaftlich sind insbesondere Arzneimittel anzusehen, die 1. für das Therapieziel oder zur Minderung von Risiken nicht erforderliche Bestandteile enthalten oder 2. deren Wirkungen wegen der Vielzahl der enthaltenen Wirkstof fe nicht mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden kön nen oder 3. deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und antroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieses Arzneimittels Rechnung zu tragen (§ 34 Abs.3 Satz 3 SGB V).

Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs.3 SGB V ist als Berufsausübungsregelung mit Art.12 Abs.1 GG vereinbar. Das Ausschlusskriterium des nicht nachgewiesenen therapeutischen Nutzens deckt sich nicht notwendig mit dem Grund einer Zulassungsversagung nach § 25 Abs.2 Nr.4 AMG. (therapeutische Wirksamkeit). Die Voraussetzungen der Zulassung und der Wirtschaftlichkeit sind hiernach weder wortgleich formuliert noch inhaltlich kongruent. Aus Verfassungsgründen ist es nicht zu beanstanden, wenn die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten eines Arzneimittels nur übernimmt, wenn dessen therapeutischer Nutzen nachgewiesen ist (BVerfG v. 20. September 1991, SozR 3-2500 § 34 Nr.1).

Von der Negativliste zu unterscheiden ist die sog. Präparateübersichtliste nach § 93 SGB V. Danach soll der Bundesausschuss/GBA in regelmäßigen Abständen die nach § 34 SGB V ganz oder für bestimmte Indikationsgebiete ausgeschlossenen Arzneimittel in einer Übersicht zusammenstellen und diese im Bundesanzeiger bekanntmachen.

Die Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund des § 34 Abs.3 SGB V vom 21. Februar 1990 (BGBl 1990 I S. 301 v. 6. März 1990) ist zum 1. Juli 2001 in Kraft getreten (i.f.:AMUWV). Am 29. November 2000 wurden AMUWV 1990 durch die Verordnung zur Änderung der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 16. November 2000 geändert und insbesondere die Anlagen erheblich erweitert (BGBl I 1593). Für das Quartal 4/1998 ist daher die AMUWV in der ab 1. Juli 1991 bis zum 29. November 2000 geltenden Fassung anwendbar.

In Ausfüllung der Ermächtigungsgrundlage in § 34 Abs.3 2. Alternative SGB V regelt § 2 Abs.1 AMUWV einen Verordnungsausschluss für diejenigen Arzneimittel, deren Wirkungen wegen der Vielzahl der enthaltenen arzneilich wirksamen Bestandteile nicht mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden können. Dies sind Arzneimittel, die mehr als drei arzneilich wirksame Bestandteile enthalten. Nach Abs.2 Nr.1 gilt diese Dreier-Regel nicht für Arzneimittel als "ausschließlich homöopathische" oder antroposophische "Zubereitungen" oder mit ausschließlich phytotherapeutischen Bestandteilen. Das hier zu beurteilende Medi-kament enthält jedoch unstreitig fünfzehn arzneilich wirksame Bestandteile aus Tierorganen und unterfällt daher dem § 2 Abs.1 AMUWV.

Die Ausschlussregelung des § 2 Abs.2 Ziffer 1 AMUWV ist nicht erfüllt. Es handelt sich nicht um ein Arzneimittel, das ausschließlich homöopathische Bestandteile enthält. Der Hersteller selbst hat in der Roten Liste eine Einstufung außerhalb der Homöopatika vorgenommen. Daneben weisen die Medikamentenkonzentrationen eindeutig darauf hin, dass es sich nicht um Verdünnungen und Vermischungen im Sinne der Regeln des deutschen homöopathischen Arzneibuches handelt (z.B. 0,1 g Thymus juven.; 0,1 g Pankreas).

Darüber hinaus sind Arzneimittel nach § 1 Abs.2 und § 3 AMUWV mit einem oder mehreren der in Anlage 2 genannten arzneilich wirksamen Bestandteile für die in dieser Anlage bezeichnete Therapierichtung ausgeschlossen, wenn sie neben diesen Bestandteilen weitere arzneilich wirksame Bestandteile enthalten. Nach Anlage 2 Ziffer 1 Kommission B (Allopathie) sind Schilddrüsenorganpräparate (Schilddrüse = Glandula thyreoidea) ausgeschlossen. Gem. der Arzneimittelzusammensetzung in der Roten Liste 1998 findet sich in Ney Tumorin 0,05 g Gland.thyreoidea.

Die Ausnahmevorschrift des § 4 der AMUWV 1990 ist ebenfalls nicht erfüllt.

3.

Auch führt die Nichtnennung des Arzneimittels in der zum Verordnungszeitpunkt veröffentlichten Präparateübersichtliste gem. § 93 SGB V (BAnz 1991 Nr.184 u. Beilage) nicht zur Unrechtmäßigkeit der Regressentscheidung.

Eine Normenkollision liegt nicht vor. Mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss v. 20. September 1991 (SozR 3-2500 § 34 Nr.1) zum Verhältnis von Negativliste und Präparateübersichtsliste ist festzuhalten, dass die Ausschlusswirkung der AMUWV 1990 bereits aufgrund Inkrafttretens der Verordnung und nicht erst mit Erstellung der Übersicht eintritt. Gesetz- oder Verordnungsgeber sind davon ausgegangen, dass bereits die Verordnung zu einem Ausschlusstatbestand führt. Dies kommt auch im Wortlaut des § 93 SGB V zum Ausdruck, wonach der Bundesausschuss "die durch Rechtsverordnung ausgeschlossenen" Arzneimittel in einer Übersicht zusammenstellen soll. Diese Übersicht hat die Funktion, dem Kassenarzt die Verordnungstätigkeit zu erleichtern. Ihr kommt weder normative Wirkung , noch Verwaltungsakt- bzw. Allgemeinverfügungsqualität zu (BVerfG v. 25. Februar 1999 - 1BvR 1472/91 - NZS 1999, 338). Bereits ohne diese Übersicht können Apotheker und Kassenärzte bei einem Arzneimittel selbst feststellen, ob dies unter die Ausschlussgründe der Verordnung fällt. Dazu ist lediglich eine Kontrolle des Beipackzettels auf die enthaltenen Wirkstoffe erforderlich.

Ein schützenswertes Vertrauen infolge eines Widerspruchs zwischen der konstitutiv wirkenden, bezüglich eines Präparats erfüllten Ausschlussnorm und der schlichtes Verwaltungshandeln darstellenden, das ausgeschlossene Arzneimittel nicht nennenden Übersichtsliste setzt zumindest voraus, dass die Erfüllung der Ausschlussnormvoraussetzungen unklar, weil rechtlichen oder tatsächlichen Zweifeln unterliegend, ist. Dies war hinsichtlich des Medikaments Ney Tumorin nicht der Fall. Dem Vertragsarzt ist zuzumuten, vor einer Verordnungsentscheidung sich über die arzneilich wirksamen Bestandteile zu informieren. Damit wird ihm auch die Überprüfung der "Dreier-Regel" des § 2 Abs.1 AMUWV unschwer möglich sein, zumal keinerlei Anhalt für eine Homöopathieeigenschaft aller Bestandteile besteht.

Die Auffassung der Kläger setzt die Annahme voraus, dass der Vertragsarzt entweder die Zusammensetzung des verordneten Medikaments nicht zu kennen oder den Regelungsinhalt der AMUWV nicht zur Kenntnis zu nehmen hat. Nur dann kann er redlicherweise einem aus der Nichtnennung in der Übersichtsliste folgenden schützenswerten Vertrauen das Wort reden. Dem kann nicht gefolgt werden. Wenngleich die Übersichtsliste die Erleichterung der Verordnungstätigkeit und die Schaffung von Rechtsklarheit bezweckt, begründet eine Unkenntnis des Inhalts bzw. deren Nichtprüfung der Rechtsverordnung nach § 34 Abs.3 SGB V allein kein schützenswertes Vertrauen in die Vollständigkeit der Übersichtsliste. Der Vertragsarzt hat die die Verordnungstätigkeit regelnden Normen zu kennen. Erst dann wenn der Vertragsarzt nach objektiv verständiger Prüfung der Negativliste nicht zum klaren Ergebnis des Verordnungsausschluss zu kommen vermag, können im Hinblick auf den Zweck der Übersichtsliste in Gestalt der Schaffung von Rechtsklarheit Vertrauensschutzerwägungen Platz greifen, ohne dass hier noch darauf einzugehen ist, ob und inwieweit die Unvollständigkeit der durch den Bundesminister für Gesundheit geschaffenen und veröffentlichten Liste gegenüber dem Regressanspruch der Klägerin ein schützenswertes Vertrauen begründen kann.

4.

Eine Verordnungsfähigkeit ergibt sich auch nicht aus den vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) aufgestellten Grundsätzen. Darin wurde für sog. neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung festgestellt, dass sich ein leistungsrechtlicher Ausschluss mit Grundrechten nicht vereinbaren lässt. In derartigen Fällen haben die Sozialgerichte zu prüfen, ob es für die vom Arzt nach gewissenhafter fachlicher Einschätzung vorgenommene oder von ihm beabsichtigte Behandlung ernsthafte Hinweise auf eine nicht ganz entfernt liegende erfolgreiche Heilung oder auch nur auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im konkreten Einzelfall ergibt.

In Abgrenzung dazu hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 14. März 2006 (1 BvR 452/06) ausgeführt, dass dieser Beschluss den Ausschluss einer neuen Behandlungsmethode und nicht die Anerkennung einer Behandlungsmethode als Therapiestandard im Sinne von § 34 Abs.1 Satz 2 SGB V betrifft. Der Leistungsanspruch gesetzlich Versicherter ist nach §§ 31, 34 SGB V definiert als Anspruch auf Versorgung mit sämtlichen arzneimittelrechtlich zugelassenen Arzneimitteln, soweit diese nicht nach Prüfung durch den Verordnungsgeber ausgeschlossen worden sind, weil diese Bestandteile enthalten, deren therapeutischen Nutzen nicht nachgewiesen ist.

Im Übrigen verneint der Senat bezüglich des Medikaments Ney Tumorins das Vorliegen ernsthafter Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Erfolg der Heilung bzw. Hinweise auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Im konkreten Einzelfall haben die Kläger vorgetragen, dass es unter der Diagnose einer Lebermetastase zur Injektion von Ney Tumorin gekommen ist, um über Immunstimulation die Progredienz der Tumorerkrankung zu hemmen. Parallel haben Chemotherapiezyklen stattgefunden. Unter dieser parallelen Therapie habe sich ein derzeit erstaunlich stabiler Zustand ergeben. Dieser Vortrag, als richtig unterstellt, sagt nichts über eine positive Wirkung der Beigabe von Ney Tumorin parallel zur Chemotherapie aus.

Auch die wissenschaftliche Literatur sieht die alternative Heilmethode der cytoplasmatischen Therapie mit Ney Tumorin als unbrauchbar an (vgl. Sauer u.a., Krebsbehandlungsmethoden ohne nachgewiesene Wirkung, Manual des Tumorzentrums München - Mammakarzinome, 7. Auflage 1998, S.257 ff.; Allewelt/Hauser, Ney Tumorin als biomodulare Onkotherapie - Behauptungen ohne Belege- Dokumentation Nr.28 D, Schweizerische Rundschau für Medizin Band 86, 1997 Heft 18).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (Art.17 6. SGG-Änderungsgesetz).

Gründe dafür, die Revision zuzulassen sind nicht erkennbar.
Rechtskraft
Aus
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