L 4 KR 151/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 KR 42/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 151/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 5. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Beitragserstattung des Arbeitgeberanteils zur Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung in Höhe von 3.942,03 Euro.

Der 1944 geborene Kläger ist bei der Beklagten freiwillig gegen Krankheit versichert. Er war vom 15.10.1996 bis 30.06.1997 für die Firma H. GmbH und Co. Umwelttechnik KG tätig.

Bei der Beklagten ging auf einem Fomular der Kasse ein Antrag des Klägers und der Firma H. auf Beitragserstattung der Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 15.10.1996 bis 30.06.1997 ein. Als Grund für die Überzahlung war das Nichtbestehen von Versicherungspflicht aufgrund fehlender Arbeitnehmereigenschaft angegeben. Ferner war angekreuzt, dass die Arbeitnehmeranteile und Arbeitgeberanteile an den Arbeitnehmer überwiesen werden sollen. Für den Kläger war ein Konto bei der Kreis- und Stadtsparkasse K. angegeben. Die Kontoangabe für den Arbeitgeber war nachträglich geschwärzt, der Antrag war am 30.09.1997 vom Kläger und am 06.10.1997 vom Arbeitgeber unterschrieben worden.

Nach Mitteilungen des Arbeitgebers (Schreiben und Telefonat vom 21.10.1997) habe der Kläger eigenmächtig die Angaben des Arbeitgebers mit schwarzem Filzstift durchgestrichen, mit einer Überweisung des Arbeitgeberanteils an den Kläger sei der Arbeitgeber nicht einverstanden.

Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 20.11.1997 die Zustimmung mit der Verrechnung der Beiträge zur Krankenversicherung und Rentenversicherung mit dem Erstattungsbetrag; der Restbetrag (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag) solle auf sein Konto überwiesen werden.

Mit Bescheid vom 21.11.1997 teilte die Beklagte dem Arbeitgeber des Klägers mit, sie habe den Erstattungsbetrag in Höhe von 11.562,93 DM auf das Konto bei der Volksbank B. überwiesen; bei der Erstattung zu Unrecht entrichteter Sozialversicherungsbeiträge sei es grundsätzlich nicht möglich, die gesamte Summe dem Arbeitnehmer zu erstatten. Aus diesem Grund sei die Überweisung abweichend vom Antrag auf das Firmenkonto erfolgt. Gemäß der Absprache mit dem Kläger solle der Arbeitgeber diesen Betrag auf das Konto des Klägers bei der Stadtsparkasse K. überweisen. Mit Bescheid vom gleichen Tage teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe den Erstattungsbetrag von 11.562,93 DM mit freiwilligen Beiträgen für die Zeit von Oktober 1996 bis Oktober 1997 (8.257,39 DM) verrechnet und werde das Guthaben von 3.305,54 DM auf das Konto des Klägers überweisen.

Der (frühere) Klägerbevollmächtigte widersetzte sich mit Schreiben vom 26.11.1997 der Überweisung an den Arbeitgeber des Klägers. Die Abänderung des Erstattungsantrags sei ausdrücklich im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber erfolgt. Die Beklagte hätte daher auch den Arbeitgeberanteil an den Kläger auszahlen müssen; sie habe ein weiteres Mal den Betrag von 11.562,93 DM (auf das Konto des Klägerbevollmächtigten) zu überweisen. Der Arbeitgeber lehnte am 27.11.1997 und 03.12.1997 (telefonisch) eine Weiterleitung des Erstattungsbetrags an den Kläger ab.

Mit dem weiteren Bescheid vom 30.01.1998 änderte die Beklagte den Bescheid vom 21.11.1997 insoweit, als sie die Forderung des Klägers auf Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in voller Höhe anerkannte und eine Nachzahlung zusicherte. Pflichtbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung seien je zur Hälfte an den Kläger und den Arbeitgeber erstattet worden. Eine Abtretung der Erstattungsansprüche des Arbeitgebers an den Kläger sei möglich, es fehle aber an einer eindeutigen Willenserklärung des Arbeitgebers. Vielmehr habe der Kläger den Erstattungvordruck dahingehend geändert, dass der Anspruch des Arbeitgebers auf ihn übergehen solle. Dies sei zwar von dem Arbeitgeber durch Unterschrift bestätigt worden, zeitgleich seien von ihm aber auch gegenüber der Kasse Bedenken gegen diese Verfahrensweise erhoben worden. Eine gültige Abtretungserklärung liege nicht vor.

Der frühere Klägerbevollmächtigte hat am 27.02.1998 hiergegen beim Sozialgericht Würzburg (SG) Klage erhoben und eine Beitragserstattung in Höhe von 11.562,93 DM zuzüglich Zinsen beantragt. Der Arbeitgeber habe die Beitragserstattung in voller Höhe an den Kläger genehmigt.

Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.1998 den Widerspruch zurückgewiesen. Sie habe die Beiträge zur Krankenversicherung- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 15.10.1996 bis 30.06.1997 an den Kläger in voller Höhe erstattet. Die Pflichtbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung habe der Kläger nur zur Hälfte getragen. Die andere Hälfte habe der Arbeitgeber übernommen. Den Arbeitnehmeranteil habe die Kasse dem Kläger zurückgezahlt. Die Arbeitgeberanteile können an die Kläger nur dann überwiesen werden, wenn der Arbeitgeber diesen formell an ihn abgetreten hätte. Dies sei nicht der Fall, nach den Ermittlungen der Kasse habe der Kläger das Antragsformular nachträglich abgeändert, ohne dass der Arbeitgeber damit einverstanden gewesen ist.

Mit Beschluss des Amtsgerichts M. vom 30.07.1998 ist über das Vermögen des Arbeitgebers das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden; die Gesellschaft ist dadurch aufgelöst worden.

Das SG hat mit Urteil vom 05.05.2004 die Klage abgewiesen. Gläubiger des Beitragserstattungsanspruchs sei derjenige, der die Beiträge getragen hat, wer also rechtlich tatsächlich belastet worden ist. Dies sei hinsichtlich der streitgegenständlichen Beiträge der Arbeitgeber, dem die Beiträge auch wirtschaftlich zu Last gefallen sind. Die Beklagte habe die Beiträge zu Recht an den Arbeitgeber erstattet. Erstattungsberechtigt sei der Kläger nur hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile, die ihm auch tatsächlich erstattet worden sind. Die Arbeitgeberanteile seien demgegenüber von dem Arbeitgeber getragen worden. Nur dies sei für den Versicherungsträger entscheidend. Der Erstattung an den Arbeitgeber habe auch nicht eine vom Kläger geltend gemachte Abtretung entgegengestanden. Die Beklagte habe nicht von einer rechtsgültigen Forderungsabtretung ausgehen können. Der Kläger habe den Antrag auf Beitragserstattung zwar entsprechend geändert, der Arbeitgeber habe aber zeitgleich mit Schreiben vom 21.10.1997 deutlich gemacht, dass die Streichungen im Formular nicht akzeptiert würden. Die Beklagte habe daher mit befreiender Wirkung an den Arbeitgeber die vom Arbeitgeber gezahlten Beiträge auszahlen können. Eine weitergehende Aufklärungspflicht der Versicherungsträger habe nicht bestanden. Soweit der Kläger geltend mache, das Schreiben des Arbeitgebers sei absprache- bzw. vertragswidrig, liege es grundsätzlich an ihm, gegenüber dem Arbeitgeber auf dem Zivilrechtsweg eine Zahlung des streitgegenständlichen Betrages zu erwirken.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 15.07.2004. Es liege eine wirksame Forderungsabtretung für die Beitragserstattung des Arbeitgeberanteils an ihn vor. Der Arbeitgeber habe den Beitragserstattungsantrag abgegeben und eine entsprechende Vereinbarung mit dem Kläger geschlossen. Dies sei der Beklagten auch bekannt gewesen.

Die Beklagte hat demgegenüber ausgeführt, der Arbeitgeber habe eindeutig erklärt, dass er mit der Erstattung der Arbeitgeberanteile an den Kläger nicht einverstanden gewesen ist. Ob es zwischen dem Kläger und dem früheren Arbeitgeber andere Absprachen gegeben bzw. sich der Arbeitgeber vertragswidrig verhalten habe, sei nicht in diesem Rechtsstreit, sondern auf dem Zivilrechtsweg zu klären. Mangels einer wirksamen Abtretungserklärung sei die Beklagte zur Erstattung der streitigen Beitragsanteile an den Arbeitgeber verpflichtet gewesen.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.05.2004 und die Bescheide der Beklagten vom 21.11.1997 und 30.01.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.1998 werden aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, den einbehalten Arbeitgeberanteil an Sozialversicherungsbeiträgen zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung in Höhe von 3.942,03 Euro an den Kläger zu erstatten, sowie festzustellen, dass der dem Arbeitgeber gegenüber ergangene Bescheid vom 21.11.1997 einer Auszahlung der Erstattungsbeträgen nicht entgegensteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 2. hat sich dem Vorbringen der Beklagten angeschlossen; die Beigeladene zu 1. hat sich nicht geäußert.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist unbegründet; das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung auch des Arbeitgeberanteils der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung; denn er ist insoweit nicht Gläubiger des Anspruchs.

Anspruchsgrundlage auf Beitragserstattung ist § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV). Danach sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruches aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Beiträge, die für Zeiten entrichtet worden sind, die während des Bezugs von Leistungen beitragsfrei sind, sind jedoch zu erstatten. Gemäß § 26 Abs. 3 SGB IV steht der Erstattungsanspruch dem zu, der die Beiträge getragen hat.

Gläubiger ist derjenige, der die Beiträge getragen hat, wer also rechtlich tatsächlich belastet worden ist. Auf eine wirtschaftliche Belastung kommt es nicht an (Kassler Kommentar-Seewald, § 26 SGB IV, Rdnr. 94 m.w.N). Soweit es um den Gesamtsozialversicherungsbeitrag geht, entsteht der Erstattungsanspruch in der Regel jeweils für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer hinsichtlich ihres Anteils. Hat der Arbeitgeber den Fehler bemerkt und vom Lohnabzug abgesehen, so ist er Gläubiger hinsichtlich des Gesamtbetrags. Zieht er den Betrag nachträglich vom Lohn ab, verliert er den Erstattungsanspruch gemäß § 26 Abs. 2 S. 2 SGB IV; dieser Erstattungsanspruch steht dann dem Arbeitnehmer zu.

Da der Arbeitgeber die Beiträge zur Rentenversicherung (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI) und zur Arbeitslosenversicherung (§ 346 Abs. 1 Sozialgesetzbuch III) zur Hälfte getragen hat, ist er auch insoweit Gläubiger des Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge.

Bezüglich der Auszahlung der zu erstattenden Beiträge gilt § 47 Sozialgesetzbuch I, wonach Geldleistungen kostenfrei auf ein Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut überwiesen werden sollen, soweit die besonderen Teile dieses Gesetzbuches keine Regelung enthalten. Aufgrund des Erstattungsantrags konnte die Beklagte zunächst davon ausgehen, dass auch der Arbeitgeberanteil der Beiträge für die Renten- und Arbeitslosenversicherung an den Kläger überwiesen werden sollte, da der Kläger sich allein als Überweisungsempfänger bezeichnet hat. Es ist aber nicht pflichtwidrig, wenn die Krankenkasse beim Entstehen von Zweifeln und Bedenken die Einwendungen des gesetzlich vorgesehenen Erstattungsgläubigers prüft. Sie hat also zu Recht die Ansicht des Arbeitgebers beachtet, dass eine Abtretung des Erstattungsanspruches des Arbeitgebers durch diesen an den Kläger nicht erfolgt ist.

Die Frage, ob für die Erstattung der streitigen, noch nicht verjährten Beitragsansprüche die Beklagte als Einzugstelle oder die beigeladenen Versicherungsträger zuständig sind, kann hier offen bleiben (vgl. BSG vom 05.05.1988 USK 8874).

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Vorlage der Abtretungserklärung gefordert hat. Da diese nicht bei ihr eingegangen ist, hat sie zu Recht den Arbeitgeberanteil der streitigen Beiträge an den Arbeitgeber überwiesen. Ob etwa eine mündliche Absprache zwischen dem Arbeitgeber und dem Kläger dahingehend bestanden hat, dass der Arbeitgeber seine Erstattungsforderung gegen die Beklagte an den Kläger abgetreten hat, ist unerheblich, da im Zeitpunkt der Rückzahlung der Beitragserstattung für die Beklagte eine Abtretung nicht erwiesen war. Denn der Arbeitgeber hat eine solche Vereinbarung bestritten. Es ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, ob eine derartige Abtretungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Kläger geschlossen bzw. einseitig durch den Arbeitgeber wieder aufgehoben worden ist. Es handelt sich insoweit um eine Zivilrechtsstreitigkeit, für die der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben ist (§ 51 Abs. 1 SGG).

Selbst wenn eine Abtretung unterstellt wird, ist die Beklagte nicht zur Erstattung verpflichtet, weil sie noch nicht festgestellt hat, dass die Übertragung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt (§ 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I).

Anhaltspunkte für einen Herstellungsanspruch sind nicht gegeben, da ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten im Sinne einer fehlerhaften Beratung (§ 14 Sozialgesetzbuch I) nicht ersichtlich ist. Sie hat sich vielmehr um Aufklärung des Sachverhalts bemüht und als sie mit widersprechenden Äußerungen des Klägers und des Arbeitgebers konfrontiert war, sich an die rechtlichen Vorgaben des § 26 Abs. 2 SGB IV gehalten.

Der Feststellungsantrag ist mangels eines berechtigten Interesses abzulehnen (§ 55 Abs. 1 SGG); denn hierbei geht es lediglich um eine Vorfrage zum in der Hauptsache geltend gemachten Erstattungsantrag.

Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved