L 2 P 3/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 1 P 86/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 3/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 30. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 72.000,00 Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Abschluss eines Versorgungsvertrages gemäß § 72 SGB XI im Bereich der ambulanten Pflege.

Die Klägerin beantragte am 15. Juli 2003 die Zulassung zur ambulanten Krankenpflege, da sie sich nach langjähriger Tätigkeit als Pflegedienstleiterin nun selbstständig machen wolle. Sie übersandte einen Strukturerhebungsbogen vom 31. Juli 2003, nach dem sie einen allgemeinen ambulanten Pflegedienst zu diesem Zeitpunkt beginnen wolle. Sie selbst sei Krankenschwester und werde von einer Altenpflegerin vertreten. Die personelle Besetzung im Pflegebereich bestehe in einer Vollzeit- und einer Teilzeitkraft. Angeboten werden sollten Pflege, Versorgung und Betreuung von alten, kranken und pflegebedürftigen Personen, Grundpflege, Behandlungspflege, hauswirtschaftliche Versorgung, Sterbebegleitung, 24-Stunden-Versorgung, Begleitung und Transport sowie häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe. Der Pflegedienst werde durch telefonische Kommunikation Tag und Nacht sowie an Sonn- und Feiertagen erreichbar sein, gegebenenfalls in Kooperation mit anderen Pflegediensten.

Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 13. August 2003 mit, ein unbefristeter Versorgungsvertrag werde nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen, die den Anforderungen des § 71 SGB XI i.V.m. den "gemeinsamen Grundsätzen und Maßstäben zur Qualität und Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen nach § 80 SGB XI" entsprächen. Darüber hinaus dürften Versorgungsverträge nur mit Pflegediensten abgeschlossen werden, wenn sie die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung böten (§ 72 Abs. 3 SGB XI). Die Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern habe vor diesem Hintergrund einen Beschluss im Hinblick auf die personelle Besetzung gefasst. Danach gelte für den Bereich der ambulanten Pflege, dass zur Erfüllung einer alle Voraussetzungen erfüllenden Pflege vier Vollzeitfachkräfte erforderlich seien. Unter Berücksichtigung der Aufbausituation eines Pflegedienstes bestehe die Möglichkeit eines auf ein Jahr befristeten Vertrages, wenn eine Mindestbesetzung mit zwei Vollzeitpflegefachkräften nachgewiesen werde. Die Klägerin wandte sich gegen diese Anforderungen; es sei ihr nicht zuzumuten, vier Vollzeitbeschäftigte zu bezahlen, wenn nur ein oder vielleicht zwei Kunden versorgt werden müssten.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 18. September 2003 den Antrag auf Abschluss eines Versorgungsvertrages ab. Entsprechend dem vorliegenden Strukturerhebungsbogen beabsichtige die Klägerin, die Pflege nur mit einer Vollzeit- und einer Teilzeitpflegefachkraft durchzuführen. Es sei nicht erkennbar, wie die Pflege bei diesem geringen Personaleinsatz sichergestellt werden könne. Daher könne auch nicht der Abschluss eines befristeten Versorgungsvertrages in Erwägung gezogen werden.

Mit Schreiben vom 17. September 2003 meldete die Klägerin drei zusätzliche Pflegefachkräfte, die in Vollzeit tätig sein sollten, nach. Beigelegt waren deren Prüfungszeugnisse. Die Beklagte erklärte im Schreiben vom 29. September 2003, die Nachmeldung stelle eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X dar. Die Klägerin möge eine Personalauflistung übersenden, aus der die Qualifikation sowie der Beschäftigungsumfang der Mitarbeiter hervorgehe, außerdem abgeschlossene Arbeitsverträge. Mit Zusendung der geforderten Nachweise könne das Verwaltungsverfahren nochmals eröffnet werden. Da die Klägerin im Schreiben vom 30. September 2003 angab, den Bescheid vom 18. September 2003 nicht erhalten zu haben, übersandte die Beklagte den Bescheid nochmals.

Mit der Klage vom 20. Oktober 2003 machte die Klägerin geltend, die Grundsätze und Maßstäbe zur Qualitätssicherung verlangten lediglich, dass geeignete Kräfte vorzuhalten seien. Bei Eröffnung einer ambulanten Pflege würde die Beschäftigung von vier Vollzeitkräften zu einer großen finanziellen Belastung führen. Nachtdienst sei nicht erforderlich: inkontinente Pflegebedürftige bekämen für die Nacht eine Windelhose, kranke Patienten müssten sich grundsätzlich an den Notdienst wenden. Selbstverständlich werde der Bereitschaftsdienst gesichert. Die Klägerin arbeite mit anderen Pflegediensten zusammen. Eine Zeitarbeitsfirma biete jederzeit Fachpersonal an. Die Beklagte erklärte hierzu im Schreiben vom 11. Dezember 2003, es sei nicht ausreichend, mit einer Person einen ambulanten Pflegedienst zu führen, da mit Ausfall dieser Person der gesamte Pflegedienst zusammenbreche.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. Dezember 2003 wies das Sozialgericht Bayreuth die Klage ab. Der Abschluss eines Versorgungsvertrages gemäß § 72 SGB XI setze voraus, dass die Einrichtung Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung biete (§ 72 Abs. 3 SGB XI) und die Pflege unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft durchgeführt werde (§ 72 Abs. 1 SGB XI). Der Pflegedienst der Antragstellerin erfülle diese Voraussetzungen nicht. Es sei lediglich die Klägerin als nachgewiesene Vollzeitkraft vorhanden. Daneben werde nur eine Teilzeitkraft angeführt. Der Vortrag der Klägerin, Nachtdienst sei nicht erforderlich, stehe überdies im Widerspruch zu dem im Strukturerhebungsbogen vorgetragenen konzeptionellen Anspruch, eine 24-Stunden-Versorgung sicherzustellen. Die relativ hohen Anforderungen an eine Zulassung als ambulanter Pflegedienst seien zum Schutz wichtiger öffentlicher Interessen unabdingbar. Der Gesetzgeber garantiere bei der Pflege einen Mindeststandard, der durch eine präventive Kontrolle gesichert werde. In diesem Zusammenhang seien nicht die Erwerbsinteressen der Klägerin vorrangig zu berücksichtigen, sondern die Interessen der Solidargemeinschaft.

Die Berufung vom 30. Januar 2004 begründete die Klägerin mit Schreiben vom 30. August 2005 damit, sie habe vier Vollzeitpflegefachkräfte nachgemeldet und sei trotzdem nicht zugelassen worden. Es sei ihr nicht zuzumuten, im voraus vier Festangestellte unter Vertrag zu nehmen, ohne bereits ausreichend Patienten zu haben.

Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 15. September 2005 mit, dass zwischenzeitlich ein weiterer Antrag auf Abschluss eines Versorgungsvertrages vom 6. Juli 2005 vorliege.

Auf telefonische Anfrage vom 15. März 2007 teilte die Beklagte mit, der Antrag werde nicht bearbeitet, da die Klägerin nicht auffindbar sei.

Die Klägerin stellt sinngemäß den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 30. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. September 2003 zu verpflichten, ihr Angebot vom 15. Juli 2003 auf Abschluss eines Versorgungsvertrags gemäß § 72 SGB XI anzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Bayreuth die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen konnte. Die Zulassung zur Pflege durch einen Versorgungsvertrag regelt sich nach § 72 SGB XI. Versorgungsverträge dürfen gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 SGB XI nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die den Anforderungen des § 71 SGB XI genügen, die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten und sich verpflichten, nach Maßgabe der Vereinbarungen nach § 80 SGB XI einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiter zu entwickeln; ein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages besteht, soweit und solange die Pflegeeinrichtung diese Voraussetzungen erfüllt (§ 72 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz SGB XI). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Forderung nach mindestens vier in der Pflegeeinrichtung angestellten Vollzeitpflegern den gesetzlich festgelegten Anforderungen entspricht oder sie möglicherweise übersteigt. Jedenfalls konnte die Klägerin mit einer Vollzeit- und einer Teilzeitkraft keine Gewähr für eine leistungsfähige pflegerische Versorgung bieten, so dass die Beklagte den Abschluss des Versorgungsvertrages zu Recht abgelehnt hat.

Der Antrag vom 6. Juli 2005 auf Abschluss eines Versorgungsvertrages ist von dieser Entscheidung nicht berührt.

Das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter des Sozialgerichts Bayreuth ist nicht zulässig, da es nicht rechtzeitig, bis zur Beendigung der Instanz, geltend gemacht wurde (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 60 Rz. 11). Grundsätzlich ist über ein Ablehnungsgesuch durch einen gesonderten, mit der Beschwerde anfechtbaren Beschluss zu entscheiden. Nach der Rechtsprechung bedarf es jedoch keines besonderen Beschlusses, wenn das Ablehnungsgesuch wegen Rechtsmissbräuchlichkeit oder auch aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig ist (vgl. BFH vom 23. Mai 2000, VIII R 20/99 m.w.N.). In solchen Fällen kann das Gericht in den Urteilsgründen darlegen, dass es das Ablehnungsgesuch für unzulässig hält.

Im vorliegenden Fall war das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig. Denn die Klägerin hatte das Ablehnungsrecht vor Einreichung des Gesuchs verloren.

Aus Sinn und Zweck des Ablehnungsgesuchs ergibt sich, dass es nur bis zum Erlass der Endentscheidung des Gerichts zulässig ist, dem der betreffende Richter angehört. Nach Beendigung der Instanz kann ein Ablehnungsgesuch nicht mehr gestellt werden, es ist dann prozessual überholt. Dies gilt selbst dann, wenn der Betreffende den Ablehnungsgrund erst nach Erlass der Endentscheidung des Gerichts, dem der abgelehnte Richter angehört, erfahren hat. Denn wenn der betroffene Richter seine richterliche Tätigkeit im konkreten Fall mit einer Sachentscheidung beendet hat, ist ein Ablehnungsgesuch prozessual überholt (vgl. BSG vom 9. Februar 2005, B 10 KG 9/04 B; BSG vom 2. August 2001, B 7 AL 28/01B; BSG vom 27. Januar 1993, 6 R KA 2/91 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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