L 19 R 48/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 784/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 48/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.11.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Waisenrente über den 30.06.1993 hinaus.

Die 1975 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in ihrem Heimatland. Sie ist die Tochter des Versicherten M. B. , geboren 1938, verstorben am 24.02.1989. Der Versicherte hatte in Deutschland von 1969 bis 1986 versicherungspflichtig gearbeitet. Mit Bescheid vom 05.11.1989 bewilligte die Beklagte der Klägerin Halbwaisenrente aus der Versicherung ihres Vaters und stellte diese Leistung wegen Vollendung des 18. Lebensjahres zum 30.04.1993 ein (Bescheid vom 25.02.1993). Mit Bescheid vom 17.04.1993 bewilligte die Beklagte die Halbwaisenrente weiter bis 30.06.1993.

Am 17.06.1993 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Rente. Sie legte eine Bescheinigung der A. über eine Ausbildung vom 14.09.1992 bis 25.06.1993 vor und im Nachgang dazu eine weitere Bescheinigung dieser Einrichtung über den Zeitraum vom 13.09.1993 bis 10.06.1994. Eine weitere Bescheinigung dieser Schule befasst sich mit dem Zeitraum vom 07.02. bis 10.06.1994. Auf eine Nachfrage der Beklagten über die unterschiedlichen Zeitangaben in den Bescheinigungen betreffend die Unterrichtszeiten teilte die Schule am 20.10.1995 mit, die Zeitangabe von 12 Stunden 10 Minuten (pro Woche) beruhe darauf, dass die Klägerin die Praktische Mädchenberufsschule besuche. Sie könne die Branche (= Kurse) wechseln. Sie habe ab 07.02.1994 die Branche gewechselt. Eine weitere Anfrage der Beklagten an die Schule bezüglich des Zeitraumes vor dem 07.02.1994 blieb unbeantwortet.

Mit Bescheid vom 07.06.1996 lehnte die Beklagte die Weitergewährung der Halbwaisenrente über den 30.06.1993 hinaus ab, da es sich bei dem Besuch der Praktischen Mädchenberufsschule in A. nicht um Schul- bzw Berufsausbildung iS der deutschen Rentenversicherung handele. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und verwies im Wesentlichen darauf, dass sie die Praktische Mädchenfachschule regelmäßig seit dem Wintersemester 1993/1994 besuche und dass es sich dabei um eine Schule handle, die sowohl theoretischen als auch praktischen Unterricht erteile. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 30.09.1996 zurück. Die Voraussetzungen für eine Waisenrentengewährung würden beim Besuch der Praktischen Mädchenberufsschule ("Pratik Kiz Sanat") in der Türkei nicht erfüllt. Diese türkische Schulform sei nicht mit deutschen Schulen vergleichbar, weil die Ausbildung nicht dem Erwerb einer bestimmten Berufsqualifikation oder eines Ausbildungsgrades diene. Es handle sich vielmehr um eine Maßnahme der Breitenbildung, bei der allgemein nützliche Fähigkeiten, auch im Hinblick auf spätere Tätigkeiten als Hausfrau, vermittelt würden. Außerdem sei wegen der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten bei Belegung der verschiedenen Kurse eine Prüfung, ob und in welchen Umfang Zeit und Arbeitskraft der Schülerin in Anspruch genommen werde, nicht möglich. Die Teilnahme an den Kursen stelle auch keine Berufsausbildung dar, weil es schon an einem von einem Lehrlingsausbildungszentrum gebilligten Lehrvertrag mit einem Lehrherrn mangele.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 31.10.1996 Klage beim Sozialgericht Bayreuth erhoben. Sie verwies auf den staatlichen Charakter der schulischen Ausbildung, für die auch Prüfungen vorgesehen seien. Die Klägerin legte im Laufe des Verfahrens eine Bescheinigung vom 30.06.2000 vor, nach der sie an der Universität A. , Fakultät für Fernstudium, am 03.10.1997 für das Programm Fremdenverkehr-Hotel zum Studium zugelassen und zum 27.12.1999 exmatrikuliert worden sei. Des Weiteren wurde eine Bescheinigung des Mädchenberufsgymnasium A. vorgelegt über Schulbesuch von 1993 bis 1997 (ohne nähere Zeitangaben). Auf gerichtliche Anfrage bestätigte die Universität A. , dass die Klägerin im Schuljahr 1997/1998 mit dem Programm Fremdenverkehr und Hotel in Ausbildung gestanden habe. Für dieses Programm sei kein Unterricht an Fernsehen oder Rundfunk erteilt worden. Die Zwischenprüfungen hätten in der Zeit von März, Juni und die Nachprüfung im Oktober 1998 stattgefunden. Die Klägerin habe in 9 Fächern die erforderlichen Prüfungen abgelegt und davon 7 nicht bestanden. Sie sei zum 27.12.1999 exmatrikuliert worden, nachdem an zwei aufeinanderfolgenden Jahren keine Rückmeldung erfolgt sei. Hinsichtlich des zeitlichen Umfangs des Studiums teilte die Universität pauschal mit, dass die Studenten der Fakultät für Fernstudium und für den Unterricht durch Fernsehen und Radio, für das Lernen der behandelnden Themen und die computergestützte Arbeit sowie die Examen wöchentlich 35 Stunden benötigten.

Das Mädchenberufsgymnasium A. hat mitgeteilt, dass die Klägerin die Ausbildung an der dortigen Schule 1990 aufgenommen und 1993 abgeschlossen habe. In dem Schuljahr 1993/1994 habe sie für weitere drei Jahre die Praktische Mädchenberufsschule besucht und dafür Zertifikate für Handarbeit, Kuchen und Gebäck- und Bekleidungskurse erhalten. Der wöchentliche Unterricht an dieser praktischen Schule habe 24 Stunden wöchentlich betragen.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.11.2002 hat das SG die Klage - gerichtet auf Bewilligung von Halbwaisenrente über den 30.06.1993 hinaus - abgewiesen. Ein Anspruch auf Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus bestehe nur, wenn der Besuch der Praktischen Mädchenberufsschule in A. bzw später der Universität A. als Schul- oder Berufsausbildung anzusehen wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14.01.2003 Berufung beim Sozialgericht Bayreuth eingelegt. Sie habe von 1990 bis 1999 immer die Schule besucht, einen Beruf gelernt oder studiert.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 21.11.2002 und den Bescheid der Beklagten vom 07.06.1996 idF des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Halbwaisenrente über den 30.06.1993 hinaus zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte des SG Bayreuth vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel der Klägerin erweist sich als nicht begründet.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin Waisenrente nach § 48 Abs 1 und 4 SGB VI über den 30.06.1963 hinaus nicht zusteht. Es hat in korrekter Anwendung dieser Vorschrift (in der seit 1992 geltenden Fassung) festgestellt, dass der Besuch der praktischen Mädchenberufsschule und der Fernunterricht an der A.-Universität nicht als Schul- oder Berufsausbildung anzusehen war. Bezüglich der Mädchen-Berufsschule hat das SG ermittelt, dass es sich um Schulen für Erwachsene handelt, deren Besuch auf freiwilliger Basis erfolgt. Durch die Absolvierung der nach freier Wahl belegten Kurse wird kein bestimmter Allgemein- oder Fortbildungsstand - vergleichbar mit mittlerer Reife, Hochschulreife nach deutschem Recht - oder auch eine Ausbildung für eine konkrete spätere Berufstätigkeit angestrebt oder erreicht. Eine Schul- oder Berufsausbildung im Sinne der genannten Vorschrift liegt schon deswegen nicht vor.

Das SG wie auch die Beklagte haben umfangreiche Ermittlungen angestellt, um den tatsächlichen Aufwand zu bestimmen, der der Klägerin durch den angegebenen Schulbesuch und den Fernunterricht an der Hochschule entstanden ist. Seitens der Mädchen-Berufsschule wurden unterschiedliche Angaben zu den Unterrichtszeiten gemacht; auch die Fernuniversität hat lediglich mitgeteilt, dass von einem pauschalen Zeitaufwand von 35 Stunden pro Woche für den Studierenden auszugehen sei, ohne dies auf tatsächliche, personenbezogene Erkenntnisse zu stützen oder eine plausible Zeitaufteilung vorzunehmen. Die Klägerin selbst hat auf die Anfrage des SG nach dem Zeitaufwand für Schulbesuch und Fernstudium nicht geantwortet.

Mit dem SG ist deshalb auch der Senat der Auffassung, dass der tatsächliche Zeitaufwand, den die Klägerin für den behaupteten Schulbesuch/Fernunterricht gehabt hat, nicht nachgewiesen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob man als Belastungsgrenze für die Ausbildung nach § 48 Abs 4 Satz 1 SGB VI eine solche von 28 Stunden pro Woche (wie das SG) oder eine von 20 Wochenstunden (nach dem derzeit geltenden Gesetzeswortlaut in § 48 Abs 4 Satz 2) annimmt. Der Senat stimmt dem SG insbesondere auch darin zu, dass der Zeitaufwand der Klägerin für das Fernstudium an der A.-Universität nur gering gewesen sein kann, da für das ausgewählte Programm kein Unterricht an Fernsehen oder Rundfunk erteilt worden ist und da die Klägerin sich bereits seit zwei Jahren vor der zum 27.12.1999 erfolgten Exmatrikulation bei der Hochschule nicht zurückgemeldet hatte.

Im Übrigen weist der Senat die Berufung der Klägerin aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.

Da die Berufung der Klägerin zurückzuweisen war, sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved