L 6 R 232/05

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 9 RJ 716/02
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 232/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 1. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

Der 1970 geborene Kläger erlernte bis 1989 den Beruf des Möbeltischlers und erhielt 1996 den Meisterbrief eines Tischlermeisters. Von August 1989 bis März 1993 arbeitete er bei verschiedenen Arbeitgebern als Tischlergeselle. In den Zeiträumen vom 27. Mai 1993 bis 23. Februar 1998 sowie vom 13. März bis 2. August 1998 war er jeweils selbstständig als Tischler tätig. Anschließend leistete er im Zeitraum vom 3. August 1998 bis 31. Mai 1999 seinen Zivildienst ab. Auf seinen Antrag hin gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 30. Juni 1999 rückwirkend für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 2. August 1998 Beitragsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung und wies ihn im Bescheid darauf hin, "dass die Voraussetzungen für den Bezug einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente nicht mehr vorliegen und nur durch eine erneute versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit mit einer Mindestdauer von drei Jahren erneut erworben werden können". Von Juni 1999 bis September 2001 bezog er Sozialhilfe und ließ sich ab September 2001 vom Arbeitsamt Jena umschulen.

Bereits zuvor, nämlich am 25. Januar 2000, beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Zur Begründung seines Antrages führte er aus, er sei aufgrund eines Unfalles seit dem 5. August 1998 erwerbsunfähig und könne allenfalls noch körperlich leichte Tätigkeiten verrichten.

Mit Bescheid vom 16. März 2000 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger Rente wegen Er¬werbsunfähigkeit gemäß § 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 31. De¬zember 2000 geltenden Fassung (SGB VI a.F.) zu gewähren. Dem Rentenantrag könne des¬halb nicht entsprochen werden, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht er¬füllt seien. Bezogen auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 25. Januar 2000 seien für die letzten fünf Jahre keine drei Jahre Pflichtbeitragszeiten vorhanden. Der Kläger habe im maßgeblichen Zeitraum vom 25. Januar 1995 bis 24. Januar 2000 insgesamt nur zehn Kalen¬dermonate mit entsprechenden Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätig¬keit belegt.

Hiergegen legte der Kläger am 17. April 2000 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Möglichkeit einer rückwirkenden Beitragsfreistellung habe erst seit dem 31. Oktober 1995 bestanden. Wäre sein Einkommensteuerbescheid für 1995 noch im Jahre 1995 gefertigt und durch ihn vor dem 31. Oktober 1995 bei der Beklagten vorgelegt worden, wäre eine Beitragsfreistellung nicht in Betracht gekommen. Bei der Beitragsfreistel¬lung entfalle, soweit Selbstständige kein oder ein negatives Einkommen nachweisen könnten, eine Beitragszahlung, mit der Folge, dass eine Anwartschaft auf eine Berufs¬ bzw. Erwerbs¬unfähigkeitsrente verloren gehen könne. Um die damit verbundenen Unzuträglichkeiten zu beseitigen, habe sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, ab dem 1. Januar 1999 eine Min¬destbemessungsgrundlage, geregelt in § 165 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI a.F., einzuführen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbe¬gründet zurück und führte u.a. aus, dass das bis zum 31. Dezember 1998 geltende Recht keine Mindestbeitragsregelung für der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Ren¬tenversicherung unterliegende Selbstständige vorgesehen habe, so dass es durchaus zu einem "Null-Beitrag" habe kommen können. Der Kläger selbst habe am 26. Mai 1999 auf eine ein¬kommensgerechte Beitragszahlung und damit auf eine Beitragsfreistellung bestanden. Mit Bescheid vom 30. Juni 1999 habe man dem Begehren des Klägers auf Beitragsfreistellung entsprochen. Der Kläger sei auch mehrfach darauf hingewiesen worden, dass mit der für den Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis einschließlich 2. August 1998 bestehenden Beitragsfreiheit der Verlust der erworbenen Anwartschaft auf eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsun¬fähigkeit einhergehe.

Mit seiner am 19. April 2002 erhobenen Klage, mit der er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit begehrt, hat der Kläger vorgetragen, dass die Beklagte im Wege des so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruches zur Rentengewährung verpflichtet sei. Es könne keine Rede davon sein, dass die Beklagte den Kläger darüber informiert habe, dass die einkommensgerechte Beitragszahlung dazu führe, dass die Voraussetzungen für den Bezug einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente nicht länger erfüllt seien. Entgegen der Behauptung der Beklagten sei dem Bescheid vom 18. März 1999, mit dem festgestellt worden sei, dass die nach Maßgabe des § 2 Nr. 8 SGB VI a.F. be¬stehende Versicherungspflicht des Klägers als selbstständiger Handwerker mit Ablauf des 2. August 1998 geendet habe, kein Merkblatt beigefügt gewesen, das ihn über die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes für Renten wegen verminderter Erwerbs¬fähigkeit unterrichtet habe.

Mit Urteil vom 1. Februar 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die in § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI a.F. geregelte versicherungsrechtliche Voraussetzung der so genannten "Drei-Fünftel-Belegung" im vorliegenden Fall nicht gegeben sei. Bezogen auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 25. Januar 2000 habe der Kläger innerhalb der letzten fünf Jahre, mithin in der Zeit vom 25. Januar 1995 bis 24. Januar 2000, nicht die erforderlichen drei Jahre an Pflichtbeitragszei¬ten zurückgelegt. Insoweit müsse er sich darauf verweisen lassen, dass in dem genannten Zeit¬raum lediglich zehn Kalendermonate Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Be¬schäftigung oder Tätigkeit vorhanden seien. Auch im Hinblick auf die seitens des Klägers behauptete unzureichende Aufklärung über die Folgen der mit Bescheid vom 30. Juni 1999 festgestellten rückwirkenden Beitragsfreiheit für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 2. August 1998 sei die Beklagte nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsinstitut des so¬zialrechtlichen Herstellungsanspruches nicht verpflichtet, ihm Rente wegen Berufs- oder Er¬werbsunfähigkeit zu gewähren. Der Kläger könne sich schon deshalb nicht auf eine Renten¬gewährung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches berufen, weil der Beklag¬ten kein objektives Fehlverhalten zur Last falle. Das Gericht sei davon überzeugt, dass diese den Kläger insbesondere im Bescheid vom 30. Juni 1999 in ausreichendem Maße darauf hingewiesen habe, dass die von ihm begehrte einkommensgerechte Beitragszahlung, faktisch in Gestalt einer Beitragsfreiheit für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 2. August 1998, mit dem Verlust seiner Anwartschaft auf eine Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente verbun¬den sei. Insoweit könne es auch dahingestellt bleiben, ob, wie von der Beklagten behauptet und vom Kläger bestritten, dem Bescheid vom 18. März 1999 das Hinweise zur Auf¬rechterhaltung des Versicherungsschutzes beinhaltende Merkblatt beigefügt gewesen sei oder nicht.

Im Berufungsverfahren vertritt der Kläger u.a. die Ansicht, er habe 1999 nur einkommensgerechte Beitragszahlung beantragt, nicht jedoch Beitragsbefreiung. Hätte ihn die Beklagte über die versicherungsrechtlichen Folgen aufge¬klärt, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, hätte er sich für niedrigste Beiträge entschieden, um somit seinen Anspruch auf Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente zu erhalten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 1. Februar 2005 aufzuheben und die Be¬klagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. März 2000 in Gestalt des Wider¬spruchsbescheides vom 19. März 2002 zu verurteilen, ihm ab 25. Januar 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise Rente we¬gen Erwerbsminderung ab 1. Januar 2001 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen ihre Ausführungen im Widerspruchs- und Kla¬geverfahren und verweist auf die erstinstanzliche Entscheidung.

Der Senat hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 3. Januar 2006 wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt. Sowohl der Kläger (mit Schriftsatz vom 23. Februar 2006) als auch die Beklagte (mit Schriftsatz vom 15. März 2006) haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Prozesskostenhilfehefts sowie der Beitrags- und der Versicherten¬akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einver¬ständnis hierzu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Die zulässige Berufung ist unbegründet, da auch die zulässige Klage unbegründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 16. März 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2002 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen verminder¬ter Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43, 44 SGB VI a.F., bzw. nach §§ 240, 43 SGB VI in der Fassung ab 1. Januar 2001 (n.F.).

Voraussetzung für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist unter anderem, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Hierzu muss der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor dem Eintritt der verminderten Erwerbsfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit bezahlt (so genannte Drei-Fünftel-Belegung) und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (vgl. §§ 43Abs. 1 und 44 Abs. 1 SGB VI a.F., § 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz1 SGB IV n.F.).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger das Erfordernis der Drei-Fünftel-Belegung nicht erfüllt. Bezogen auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 25. Januar 2000 hat er innerhalb der letzten fünf Jahre, mithin im Zeitraum vom 25. Januar 1995 bis 24. Januar 2000, lediglich für 10 Kalendermonate, und nicht wie erforderlich für mindestens 36 Kalendermonate Pflichtbei¬träge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit vorzuweisen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Aber auch wenn man den Eintritt der verminderten Erwerbsfähigkeit auf den Unfall des Klägers im 5. August 1998, mit dem er seinen Rentenantrag begründet hatte, datierte, hätte der Kläger innerhalb der davor liegenden fünf Jahre, mithin im Zeitraum vom 5. August 1993 bis 4. August 1998, nur 17 Monate Pflichtbeiträge vorzuweisen.

Der Kläger hat auch über das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wegen der von ihm behaupteten unzureichenden Aufklärung seitens der Beklagten keinen Rentenanspruch. Insoweit sieht der Senat in analoger Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist dies¬bezüglich auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des Sozial¬gerichts Altenburg.

Hinsichtlich des klägerischen Berufungsvorbringens ist ergänzend auszuführen, dass nach Überzeugung des Senats das auf einkommensgerechte Beitragszahlung gerichtete Begehren des Klägers selbstverständlich auch die völlige Beitragsfreistellung mit einschloss. Jedenfalls hatte dieser die mit dem Bescheid vom 30. Juni 1999 verfügte vollständige Beitragsbefreiung widerspruchslos akzeptiert. Unerheb¬lich ist daneben sein Vortrag, dass er die Beitragsfreistellung nicht akzeptiert hätte, wenn er über die versicherungsrechtlichen Folgen aufgeklärt worden wäre. Über die versicherungs¬rechtlichen Folgen ist er zumindest mit dem Bescheid vom 30. Juni 1999 in Kenntnis gesetzt worden. Insoweit wird ebenfalls auf die zutreffenden Gründe im erstinstanzlichen Urteil ver¬wiesen, zumal der Kläger selbst nicht behauptet, dass er diesen Bescheid nicht erhalten habe.

Aber auch in dem Beitragsbescheid vom 18. März 1999 selbst war ein ausdrücklicher Hinweis enthalten, dass Ratschläge zur Auf¬rechterhaltung des Versicherungsschutzes für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in einem Merkblatt beigefügt seien. Wenn das entsprechende Merkblatt, wie vom Kläger behauptet, tatsächlich dem Bescheid vom 18. März 1999 nicht beigefügt gewesen wäre, hätte er jedenfalls wegen des ausdrücklichen Hinweises ausreichenden Anlass gehabt, sich diesbezüglich an die Beklagte zu wenden. Indem er dies unterlassen hat, ist zudem auch die Ursächlichkeit der – einmal unterstellten – Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten für das Unterbleiben der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes entfallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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