L 1 R 202/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 898/06 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 202/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 23. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Geschiedenenwitwenrente.

Die 1935 geborene Klägerin ist Staatsangehörige der Republik Bosnien Herzegowina und hat dort ihren Wohnsitz. Sie schloss am 22. Mai 1964 die Ehe mit dem 1937 geborenen S. D. (Versicherter). Dieser bezog von der Beklagten ab 1. April 1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ab 1. Juni 2002 Regelaltersrente. Die Ehe mit der Klägerin wurde in Bosnien-Herzegowina mit Urteil vom 25. Dezember 2002 geschieden. Ein Versorgungsausgleich wurde in Deutschland nicht durchgeführt. Beide Ehegatten haben nach Angaben der Klägerin nicht wieder geheiratet. Am 27. Juli 2005 verstarb der Versicherte.

Unter Vorlage einer von der Klägerin unterschriebenen Vollmacht teilte Rechtsanwalt R. , M, , der Beklagten im Auftrag der Klägerin mit, dass der Versicherte verstorben sei, und beantragte die Zahlung einer Witwenrente aus dessen Versicherung.

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, der Anspruch auf Witwenrente für geschiedene Ehegatten setze unter anderem voraus, dass die Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden sei. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall (Bescheid vom 31. Januar 2006). Der Bescheid wurde am 31. Januar 2006 zum Versand an den Bevollmächtigten der Klägerin über die Poststraße freigegeben und ist am 3. Februar 2006 dort eingegangen.

Am 18. April 2006 fragte die Tochter der Klägerin, M. D. , per E-Mail bei der Beklagten an, wann ihre Mutter die Witwenrente erhalten werde. Daraufhin übersandte die Beklagte den Bescheid vom 31. Januar 2006 direkt an die Klägerin. Die Tochter erhob am 12. Juni 2006 (Eingang bei der Beklagten) gegen diesen Bescheid Widerspruch und teilte mit, es tue ihr leid, dass Rechtsanwalt R. nicht "im rechtlichen Zeit" Widerspruch erhoben habe. Ihre Mutter habe trotz der Scheidung Anspruch auf Witwenrente. Sie beantragte ohne Angabe von Gründen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und übersandte eine seit 4. Juni 2002 rechtskräftige Entscheidung des Gemeindegerichts B. (Bosnien-Herzegowina) vom 25. März 2002, Az.: P-33/02.

Die Beklagte wies den Widerspruch als verspätet zurück (Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006). Der Bescheid vom 31. Januar 2006 sei am selben Tag bei der Post aufgegeben und an ihren Bevollmächtigten in M. gesandt worden. Als Tag der Be-kanntgabe dieses Bescheides gelte der 3. Februar 2006, da nicht geltend gemacht worden sei, dass der Bescheid dem Bevollmächtigten zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sei. Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs habe mit dem Tag nach der Bekanntgabe am 4. Februar 2006 begonnen und am 3. März 2006 geendet. Der Widerspruch sei aber erst am 12. Juni 2006 und somit verspätet eingegangen. Außerdem wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden worden sei und deshalb kein Anspruch auf Witwenrente bestehe. In diesen Fällen erfolge in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ein Ausgleich der von beiden Ehepartnern in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften. Nach der Scheidung bestehe daher in rentenrechtlicher Hinsicht keine Rechtsbeziehung zwischen dem überlebenden früheren Ehegatten und der Versicherung des Verstorbenen mehr. Dies gelte auch, wenn die Scheidung nach ausländischen Rechtsvorschriften erfolgt und ein Versorgungsausgleich nach deutschem Recht nicht durchgeführt worden sei.

Dagegen hat die Klägerin am 22. August 2006 (Eingang bei Gericht) beim Sozialgericht Landshut (SG) Klage erhoben und zur Begründung insbesondere vorgetragen, sie sei 38 Jahre verheiratet gewesen. Ihr sei im März 2002 in Bosnien-Herzegowina mit Einverständnis des Versicherten gerichtlich ein Anspruch auf 25% seiner monatlichen Rente zugesprochen worden, weil sie ihn versorgt und kein eigenes Einkommen gehabt habe. Die Deutsche Botschaft in S. habe ihr die Auskunft gegeben, das Urteil müsse von einem deutschen Gericht bestätigt werden. Sie beantrage eine solche Bestätigung, denn nur mit ihr könne sie die 25% der monatlichen Rente des Verstorbenen erhalten.

Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 23. Januar 2007, der Klägerin zugestellt am 12. Februar 2007). Die Beklagte habe den Widerspruch zu Recht als verspätet zurückgewiesen. Der Bescheid vom 31. Januar 2006 sei am gleichen Tag zur Post gegeben worden und gelte deshalb gemäß § 37 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies sei der 3. Februar 2006. Da der Bescheid gegenüber dem in Deutschland wohnenden Bevollmächtigten der Klägerin bekannt gegeben worden sei, habe die Widerspruchsfrist gemäß § 84 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) trotz des Auslandswohnsitzes der Klägerin nur einen Monat betragen. Der Widerspruch der Klägerin sei aber erst am 12. Juni 2006 und somit nach Ablauf der Widerspruchsfrist bei der Beklagten eingegangen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 i.V.m. § 84 Abs. 2 SGG) seien weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Auch das SG hat die Klägerin nochmals darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente aus der deutschen Rentenversicherung schon deshalb nicht bestehe, weil die Ehe mit dem Verstorbenen nicht vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden sei. Ein ausländisches Gerichtsurteil könne den deutschen Rentenversicherungsträger auch nicht verpflichten, 25% der deutschen Rente eines Versicherten an die Klägerin zu zahlen. Das von der Klägerin vorgelegte Urteil entfalte nur Bindungswirkung zwischen ihr und ihrem geschiedenen Ehemann, nicht aber gegenüber der deutschen Rentenversicherung.

Mit der am 8. März 2007 (Eingang bei Gericht) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung macht die Klägerin weiterhin geltend, nach dem von ihr vorgelegten Urteil aus Bosnien-Herzegowina vom 25. März 2002 sei die Beklagte ver-pflichtet, ihr 25% der deutschen Rente zu zahlen. Sie habe nur die Frage gehabt, an welche Institution in Deutschland sie dieses Urteil schicken müsse, damit es in Deutschland umgesetzt werde. Sie habe vor dem Tod des Versicherten 25% seiner Rente bekommen, sei bei einer Krankenkasse versichert gewesen und es sei sehr schwer zu leben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 23. Januar 2007 sowie den Bescheid vom 31. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des am 27. Juli 2005 verstorbenen Versicherten S. D. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat darauf hingewiesen, trotz der Tatsache, dass die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten nicht in Deutschland geschlossen und geschieden worden sei, habe sie möglicherweise Anspruch auf Versorgungsausgleich für die während der Ehezeit von den Ehegatten in Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften. Ergänzend dazu hat der Senat der Klägerin empfohlen, sich wegen eines möglichen Versorgungsausgleichs an das für den letzten Wohnsitz des Verstorbenen in Deutschland zuständige Familiengericht zu wenden.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 105 Abs. 2 S. 1, 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 31. Januar 2006 einen Anspruch der Klägerin auf eine Hinterbliebenenrente (Geschiedenenwitwenrente) aus der Versicherung ihres verstorbenen früheren Ehegatten und Versicherten S. D. verneint. Dieser Bescheid ist nach § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend, denn die Klägerin hat es versäumt, gegen diesen Bescheid fristgerecht Widerspruch einzulegen. Gemäß § 84 Abs. 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate. Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall die Monatsfrist des § 84 Abs. 1 S. 1 SGG zur Anwendung kommt, da der Bescheid an den im Inland wohnenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Rechts-anwalt R. , bekannt gegeben worden ist. Auf den Auslandswohnsitz der Klägerin kommt es hierbei nicht an. Ungeklärt ist, wann genau der Bescheid zur Post gelangt ist. Der Beklagtenakte ist nur zu entnehmen, dass der Bescheid am 31. Januar 2006 zum Versand an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf der Poststraße freigegeben worden ist, nicht aber, wann die Übergabe an die Post erfolgte. Nach Auskunft der Kanzlei R. an das LSG ist der mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehene Bescheid dort aber am 3. Februar 2006 eingegangen. Die Widerspruchsfrist begann somit am 4. Februar 2006 (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 1 SGG) und endete am 3. März 2006 (§ 64 Abs. 2 S. 1 SGG), so dass der am 12. Juni 2006 eingegangene Widerspruch der Klägerin nicht fristgerecht erhoben wurde. Dementsprechend hat die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006 zu Recht als verspätet zu-rückgewiesen und keine Entscheidung darüber getroffen, ob der geltend gemachte Anspruch der Klägerin mit Bescheid vom 31. Januar 2006 zu Recht abgelehnt worden ist. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) sind nicht erkennbar.

Auch das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Widerspruch verspätet erhoben worden ist und keine inhaltliche Überprüfung des angefochtenen Bescheides vom 31. Januar 2006 erfolgen kann.

Unabhängig davon haben sowohl die Beklagte als auch das SG die Klägerin zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente hier nicht in Betracht kommt. Ein Anspruch auf Witwenrente nach § 46 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) kann schon deshalb nicht bestehen, weil die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten vor dessen Tod geschieden worden ist. Die Bewilligung einer Witwenrente setzt jedoch voraus, dass die Ehe bis zum Tod des Versicherten bestanden hat. Ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente nach § 243 SGB VI scheidet ebenfalls aus, weil ein solcher Anspruch nur bestehen kann, wenn die Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist. Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin nicht erfüllt, da ihre Ehe mit dem Versicherten auch nach eigenen Angaben erst am 25. Dezember 2002 und somit lange nach dem Stichtag geschieden worden ist. Ob die Klägerin die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 243 SGB VI erfüllen würde, kann deshalb dahinstehen.

Ein Anspruch der Klägerin auf Rentenzahlungen aus der Versicherung des Verstorbenen in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung kann sich auch nicht aus der von ihr vorgelegten Entscheidung des Gemeindegerichts B. vom 25. März 2002 ergeben. Das Gemeindegericht B. hat lediglich eine vorläufige Regelung über Unterhaltsansprüche der Klägerin gegenüber dem Versicherten für die Dauer des Scheidungsverfahrens getroffen. Für den Fall, dass der Versicherte dieser Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen wäre, hätte sie die Entscheidung des Gemeindegerichts B. gegebenenfalls in Deutschland als vollstreckbaren Titel anerkennen lassen können, um im Wege der Zwangs- vollstreckung die Auszahlung des ihr zugesprochenen Anteils der Rente des Versicherten an sich selbst (statt an den Versicherten) zu beanspruchen. Der Versicherte hat diesen Unterhalt aber nach eigenen Angaben der Klägerin tatsächlich an sie gezahlt, so dass es keiner Zwangsvollstreckung bedurfte. Für die Zeit nach Abschluss des Scheidungsverfahrens im Dezember 2002 könnte die Klägerin aus der nur für die Dauer des Scheidungsverfahrens getroffenen vorläufigen Regelung ohnehin keine Zah-lung mehr verlangen. Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin im Übrigen keinen Auszahlungsanspruch bezüglich der Erwerbsunfähigkeitsrente oder der späteren Altersrente des Versicherten, sondern einen eigenen Rentenanspruch (Hinterbliebenenrente) aus dessen Versiche-rung geltend. Ein solcher Anspruch war schon nicht Gegenstand der Entscheidung des Gemeindegerichts B ... Die gerichtliche Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen von Rentenansprüchen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ist allein den deutschen Gerichten - hier den Sozialgerichten - vorbehalten. Es ist keine überstaatliche oder zwischenstaatliche Regelung ersichtlich, die es einem Gericht in Bosnien-Herzegowina gestatten würde, mit Wirkung gegenüber der Beklagten über derartige Ansprüche zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrem Klagebegehren auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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