Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 381/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 568/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 6. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1949 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt und zuletzt bis November 1999 als Lagerarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt war, stellte nach Ablehnung eines ersten Rentenantrags (ablehnender Bescheid vom 10.03.2000, zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 25.07.2000) am 27.10.2000 wegen mangelnder körperlicher und seelischer Belastbarkeit erneut Antrag auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Der Antrag wurde nach ärztlicher Untersuchung durch Dr.M. (Diagnosen u.a. "wiederkehrende Wirbelsäulenbeschwerden ohne Funktionseinbuße, ohne neurologische Funktionsbeeinträchtigungen; Erschöpfungsreaktion; beginnender Verschleiß des rechten Kniegelenks ohne Funktionseinbuße"; vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte ebenerdige Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit) mit Bescheid vom 07.12.2000 abgelehnt. Auf den Widerspruch der Klägerin erfolgte eine nervenärztliche Untersuchung durch Dr.W. , die im Wesentlichen eine Erschöpfungsreaktion sowie wiederkehrende Wirbelsäulenbeschwerden bei Fehlhaltung ohne neurologische Funktionsbeeinträchtigungen diagnostizierte und ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte und vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten ohne dauerndes Gehen und Stehen, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung und ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit annahm. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2001 zurückgewiesen.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) erhob dieses nach Beiziehung aktueller ärztlicher Unterlagen, eines Gutachtens des Arbeitsamts A. vom 14.01.2000 ("vollschichtig leichte Arbeiten ohne Zeitdruck und erhöhte Verletzungsgefahr") sowie eines MDK-Gutachtens vom 23.11.1999 Beweis über den Gesundheitszustand und die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch Einholung von Gutachten auf nervenärztlichem und orthopädischem Fachgebiet.
Der Nervenarzt Dr.S. erhob in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 01.07.2002 die Diagnosen "Neurasthenie und Anpassungsstörungen bei chronischem Schmerzleiden, wiederkehrende Wirbelsäulenbeschwerden ohne Beweglichkeitsausfälle mit sensiblen Reizerscheinungen, beginnender Verschleiß des rechten Kniegelenks ohne Funktionseinbußen, Ellenbogenschmerzen beidseits, Polyarthrose der Fingergelenke". Er vertrat die Auffassung, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich acht Stunden leichte Tätigkeiten verrichten.
Der anschließend gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag der Klägerin gehörte Nervenarzt Dr.S. erhob in seinem Gutachten vom 15.03.2003 auf neurologischem Fachgebiet die Diagnosen "intermittierende Reizerscheinungen lumbaler und cervikaler Nervenwurzeln bei degenerativem Wirbelsäulensyndrom, Verdacht auf abgelaufene Schädigung der Nervenwurzel L5 rechts bei kleinem lumbalen Bandscheibenvorfall L4/L5 rechts". Auf psychiatrischem Fachgebiet diagnostizierte er einen Residualzustand nach paranoider, eventuell auch depressiver Episode 1989, differenialdiagnostisch blande paranoiede Schizophrenie, differenzialdiagnostisch chronische depressive Entwicklung bei asthenischer und paranoider Persönlichkeitsstörung und ungünstigen biologischen und psychosozialen Determinanten. Im Übrigen benannte er auf sonstigen Fachgebieten die Diagnosen "degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Osteochondrosen und Spondylarthrosen vor allem der Brust- und Lendenwirbelsäule bei Verdacht auf kleinen Bandscheibenvorfall LWK 4/5 rechts, Knorpelschaden der Kniescheibe links bei Dysplasie Typ Wiberg II bis III, Stress-Drang-Harninkontinenz Grad I bei Blasen-, Gebärmutter- und Enddarmsenkung, Adipositas".
Der Gutachter ging aufgrund dieser Gesundheitsstörungen von einem verbliebenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von zwei bis unter vier Stunden täglich ohne dauerndes Stehen und Gehen, ohne Zwangshaltungen und ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit aus.
Die Beklagte wandte durch ihren Ärztlichen Dienst (Dr.W. , Stellungnahme vom 23.07.2003) ein, das Gutachten des Dr.S. erbringe keine neuen medizinischen Gesichtspunkte von sozialmedizinischer Relevanz; weder auf neurologischem noch auf psychiatrischem Gebiet seien fassbare wesentliche Verschlechterungen beschrieben worden.
Im Auftrag des SG erstellte der Orthopäde Dr.P. ein weiteres Gutachten vom 03.11.2003. Er erhob darin "Aufbraucherscheinungen der Lendenwirbelsäule bei Bandscheibenvorfall ohne motorische oder sensible Ausfälle, Aufbraucherscheinungen der Halswirbelsäule mit Bewegungseinschränkung ohne motorische und sensible Ausfälle, Verdacht auf Schädigung des inneren Meniskus rechtes Kniegelenk, Überbelastungsbeschwerden bei Senk-Spreizfuß-Situation beidseits". In seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung kam Dr.P. zu dem Ergebnis, die Klägerin könne täglich acht Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte sowie mittelschwere körperliche Arbeiten ohne ständiges Stehen sowie ohne schweres Heben und Tragen ausführen; Tätigkeiten als Sortiererin, Montiererin, Telefondienst und an der Pforte seien noch möglich.
Demgegenüber machte die Klägerin anschließend eine rapide Verschlechterung ihres orthopädischen Gesundheitszustandes geltend und benannte den Arzt für Orthopädie Dr.N. als weiteren Gutachter nach § 109 SGG. In seinem Gutachten vom 16.07.2004 erhob dieser auf seinem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen: 1. Chronische Lendenwirbelsäulenschmerzen mit Nervenreizerscheinungen, 2. degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule, Bandscheibenvorfall L4, 3. Knieschmerzen beidseits bei Chondropathia patellae bei Dysplasie Typ II/III nach Wiberg und Verdacht auf mediale Meniskopathie, 4. vielfältige Gelenkentzündung bei Erkrankung des rheumatischen Formenkreises, 5. schmerzhafte Spreizfüße mit Großzehengrundgelenksarthrose, 6. wiederkehrende Schmerzen der Halswirbelsäule bei Bandscheibenerkrankung der 5. und 6. Bandscheibe mit schmerzhaften wiederkehrenden Halswirbelsäulenblockierungen und damit verbundenen Nervenwurzelreizerscheinungen.
Der Gutachter legte dar, bei den bisherigen Beurteilungen seien die pseudoradikuläre Symptomatik, das entzündliche Geschehen aus dem rheumatischen Formenkreis, die Stressharninkontinenz und die Kniescheibenschmerzen beidseits nicht berücksichtigt worden. Eine erkennbare Veränderung der Befunde seit 1999 habe nicht stattgefunden. Ab Rentenantragstellung sei von einem auf zwei bis unter vier Stunden abgesunkenen Leistungsbild für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts auszugehen, erforderlich seien dabei "kurzfristige Pausen von je fünf Minuten innerhalb von vier Stunden insgesamt einmal pro Stunde".
Die Beklagte wandte mit einer Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes (Dr.S. vom 06.09.2004) ein, Dr.N. habe Computertomographie-Befunde deutlich überbewertet. Den vorhandenen CT-Befunden sei der Ausprägungsgrad der Veränderungen nicht zu entnehmen, Intervertebralarthrosen seien im kernspintomographischen Befund der Lendenwirbelsäule vom 15.07.2004 nicht beschrieben worden. Die von der Klägerin beklagte diffuse und generalisierte Schmerzsymptomatik sei nur in eingeschränktem Maß dem orthopädischen Fachgebiet zuzuordnen. Im Übrigen bestehe keine Notwendigkeit zusätzlicher betriebsüblicher Pausen; kurzfristige Pausen von je fünf Minuten pro Stunde lägen im Rahmen üblicher Verteilzeiten.
Das SG holte einen aktuellen orthopädischen Befundbericht des Dr.M. vom 16.02.2005 ein und zog ein von Dr.N. im Verfahren L 15 SB 148/03 vor dem Bayer. Landessozialgericht erstelltes weiteres Gutachten vom 23.01.2005 bei.
Es wies mit Urteil vom 06.07.2005 die auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gerichtete Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin sei weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43 Abs.2, 44 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung. Erst Recht ergebe sich für sie kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§§ 43, 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung) bzw. wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs.1 und 2 SGB VI n.F., welche ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen voraussetzen.
Die Klägerin verfüge nach den überzeugenden Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr.S. und Dr.P. noch über ein objektives Leistungsvermögen, das ihr Tätigkeiten leichter bis mittelschwerer Art auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig erlaube. Zugrunde liege ein Leidensgeschehen, das zu seinem wesentlichen Teil dem nervenärztlichen Fachgebiet zuzuordnen sei. Demgegenüber sei die Auffassung des Dr.N. , der bereits aus orthopädischer Sicht zu einem auf unter vier Stunden gesunkenen Leistungsvermögen gekommen sei, nicht nachvollziehbar. Das Gutachten sei teilweise unverständlich, enthalte nur ungenaue und vage Diagnosemitteilungen und sei auch bezüglich der angenommenen Notwendigkeit arbeitsunüblicher Pausen nicht schlüssig: Fünfminütige Pausen pro Stunde fielen auch bei Vollarbeitszeit noch in den Rahmen üblicher persönlicher Verteilzeiten. Weiter führte das SG aus, auf nervenärztlichem Gebiet könne nicht von einer erheblichen seelisch bedingten Störung ausgegangen werden, welche die Klägerin weder aus eigener Kraft noch unter ärztlicher Mithilfe überwinden könne. Sie sei im Jahre 2001 nur zweimal in ärztlicher Behandlung gewesen und habe in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2005 selbst angegeben, dass sie weiterhin in keiner ständigen nervenärztlichen Behandlung sei. Mangels einer überdauernden nervenärztlichen Erkrankung komme eine Rentengewährung nicht in Betracht, vielmehr seien Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit angezeigt. Die Klägerin, die nach dem vom Bundessozialgericht ent- wickelten Mehrstufenschema aufgrund ihres bisherigen Berufslebens keinen Berufsschutz genieße, müsse sich auf alle Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Der Arbeitsmarkt sei ihr auch nicht verschlossen. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich klargestellt (§ 240 Abs.2 Satz 4 SGB VI), dass erwerbsgemindert nicht sei, wer eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne, ohne dass dabei die jeweilige Arbeitsmarktlage berücksichtigt werden dürfe. Insoweit trage nicht die gesetzliche Rentenversicherung, sondern die Arbeitslosenversicherung das Risiko der Vermittlung eines angemessenen Arbeitsplatzes.
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und bringt vor, nicht mehr zu einer auch nur vierstündigen täglichen Tätigkeit in der Lage zu sein. Sie beruft sich auf das Gutachten des Dr.N. und macht weiter geltend, es liege bei ihr eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor mit der Folge, dass der Arbeitsmarkt für sie verschlossen sei. Sie legt eine Bescheinigung des Nervenarztes Dr. L. vom 02.09.2005 vor, wonach eine regelmäßige Behandlung bei ihm beabsichtigt sei.
Die Beklagte regte wegen der offenbar laufenden nervenärztlichen Behandlung eine erneute nervenärztliche Begutachtung an.
Der Senat holte Befundberichte und ärztliche Unterlagen des behandelnden Orthopäden Dr.M. vom 16.01.2006, des praktischen Arztes Dr.L. vom 26.01.2006 (vor allem chronische Wirbelsäulenbeschwerden und chronische mittelschwere Depression; nicht zu rheumatischer Erkrankung, gesundheitliche Situation als weitgehend gleich geblieben bezeichnet) und des Nervenarztes Dr.S. , Praxisnachfolger von Dr. L. , vom 10.07.2006 (letzte Konsultation im Oktober 2005) ein. Er zog die Schwerbehindertenakten (GdB 50) bei und beauftragte die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr.R. mit der erneuten Begutachtung zur Frage der Erwerbsfähigkeit der Klägerin seit der Untersuchung durch Dr.S. im erstinstanzlichen Verfahren im Juni 2002.
Im Gutachten vom 11.04.2007 erhob Dr.R. die Diagnosen: "Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Neurasthenie, Zustand nach Verdacht auf psychotische Episode 1989, HWS-, BWS- und LWS-Syndrom bei Lumboischialgien, Cervikocephalgien und Interkostalneuralgien sowie Wurzelreizungen C7, Hallux valgus beidseits, Senk-Spreiz-Fuß beidseits".
Nach intensiver Auseinandersetzung mit den Diagnosen vertrat die Gutachterin die Auffassung, die Klägerin sei durch die erstgenannten beiden Gesundheitsstörungen in ihrer geistig-seelischen Belastbarkeit insofern eingeschränkt, als Arbeiten in Wechsel- und Nachtschicht, taktgebundene Arbeiten, Arbeiten mit großen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie Arbeiten mit der Notwendigkeit der Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge nicht mehr zumutbar seien. Auch seien aufgrund der orthopädischen Beschwerden Nässe, Zugluft, extrem schwankende Temperaturen, Zwangshaltungen, Besteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg zu vermeiden. Die Klägerin sei jedoch in der Lage, leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit den genannten Einschränkungen mindestens sechs Stunden, jedoch unter acht Stunden täglich zu verrichten. Sie sei auch nach Abschluss des Rentenverfahrens in der Lage, sich auf andere Erwerbstätigkeiten umzustellen. Die Gutachterin hielt weitere Gutachten nicht für erforderlich.
Die Klägerin wendet ein, sie sei zu keinerlei Erwerbstätigkeiten mehr in der Lage und könne sich auch auf neue Tätigkeiten nicht umstellen; weitere Behandlungen durch Ärzte lehne sie ab, da dadurch alles nur schlimmer werde. Im Übrigen wies sie darauf hin, dass sie in regelmäßigen Abständen an Erstickungsanfällen leide, die im Juni 2007 auch erstmals beim behandelnden Arzt Dr.L. aufgetreten seien.
Der Senat zog einen aktuellen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr.L. vom 19.06.2007 bei, wonach die Klägerin zuletzt am 04.06.2007 über brennende Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und Globusgefühl im Hals sowie akutes plötzliches Zusammenschnüren des Halses bei akutem Hustenanfall (wohl infektbedingt) geklagt habe. Weiter hieß es, die gesundheitliche Situation sei weitgehend gleichbleibend, neue Leiden seien nicht hinzugekommen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 06.07.2005 sowie des Bescheides vom 07.12.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2001 zu verpflichten, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Gutachten der Dr.R. für schlüssig und zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig, erweist sich aber nicht als begründet.
Das Erstgericht hat nach ausführlicher Beweisaufnahme, gestützt auf die von ihm von Amts wegen eingeholten Gutachten, zu Recht den Rentenanspruch der Klägerin sowohl nach §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung als auch nach §§ 43 Abs.1 und 2, 240 SGB VI n.F. verneint. Die Voraussetzungen dieser vom SG im Einzelnen dargelegten Vorschriften lagen im Zeitpunkt seiner Entscheidung auch nach Auffassung des Senats nicht vor. Zu Recht hat das Erstgericht sich dabei auf die Gutachten des Dr.S. und des Dr.P. gestützt, welche aufgrund ihrer Befunderhebungen bei der Klägerin zu dem Ergebnis eines noch nicht zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens für leichte Arbeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen gekommen sind. Die anders lautenden Beurteilungen der Gutachter Dr.S. und Dr.N. erschienen demgegenüber auch bei Überprüfung durch den Senat als nicht überzeugend.
Die weitere Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz auf nervenärztlichem Fachgebiet hat die getroffene Entscheidung im Wesentlichen noch einmal bestätigt. Die Gutachterin Dr.R. hat bei ihrer Begutachtung einen weitgehend unauffälligen psychischen Befund bei lediglich leichter Antriebsminderung und einer ausgeprägten Schmerzfixierung erhoben, ohne jede Anzeichen eines seit einer psychiatrischen Behandlung im Jahre 1989 im Raum stehenden psychotischen "Residuums". Diesbezüglich legte sie dar, dass auch bei gründlichster psychiatrischer Exploration sich keinerlei Hinweis auf das Vorliegen einer Psychose oder eines Restzustands nach Ablauf einer psychischen Störung ergeben hätten. Dies passe auch zu dem damaligen Bericht des Bezirkskrankenhauses von 1989, in dem zwar ein psychotisch anmutendes Geschehen geschildert, aber ebenso darauf hingewiesen wurde, dass das bei familiären und Eheproblemen aufgetretene Krankheitsbild ohne jede medikamentöse Therapie schnell abgeklungen sei. Die von der Gutachterin festgestellten neurasthenischen Symptome (Ermüdbarkeit nach geistiger Anstrengung, körperlicher Schwäche, Schwindelgefühl etc.) wurden als nicht gravierend geschildert, ärztliche oder psychotherapeutische Hilfe werde nicht in Anspruch genommen, medikamentöse Hilfe abgelehnt.
Zwar kommt die Gutachterin für den in Frage stehenden Zeitraum nach der Begutachtung durch Dr.S. Mitte 2002 zu einem Leistungsvermögen von sechs bis unter acht Stunden mit qualitativen Einschränkungen (keine großen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, keine Arbeiten mit der Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge, keine Wechsel- und Nachtschicht, Nässe, Zugluft, extreme Temperaturschwankungen, ebenso keine Zwangshaltungen, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg). Die insoweit sich gegenüber der nervenärztlichen Vorbegutachtung ergebende geringfügige zeitliche Änderung führt nicht zur Bejahung eines Leistungsanspruchs. Dr.R. erwähnt in ihrem Gutachten insoweit keinen eindeutigen Zeitpunkt, zu dem das Leistungsvermögen für leichte, psychisch nicht belastende Tätigkeiten von acht Stunden auf etwas unter acht Stunden abgesunken sein könnte. An markanten Anknüpfungspunkten fehlt es insoweit offensichtlich. Im Hinblick auf die gesamten Ausführungen der Gutachterin geht der Senat deshalb von einem spätestens im Zeitpunkt ihrer Untersuchung aufgrund des konkreten Eindrucks in der Untersuchungssituation (möglicherweise auch im Hinblick auf die Beschwerdeangaben der Klägerin, sie sei seelisch nicht belastbar, habe ein hohes Ruhebedürfnis und einen Knoten im Hals, fühle sich nicht leistungsfähig) anzunehmenden zeitlich leicht abgesunkenen Leistungsvermögens, also ab 08.11.2006 aus. Aber selbst wenn der genaue Zeitpunkt bereits früher anzunehmen wäre, hätte die Beurteilung durch Dr.S. im erstinstanzlichen Verfahren für die damalige Zeit weiterhin Bestand, welcher von achtstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausging. Er hatte eine bei seiner Untersuchung in psychischer Hinsicht stimmungsmäßig ausgeglichen wirkende Klägerin beschrieben. Dr.R. geht in der Darlegung der Vorgeschichte ausführlich auf die Schilderungen des Dr.S. ein, sie stellt die getroffene Leistungsbeurteilung ihrerseits nicht in Frage. Es ist nach allem auf nervenärztlichem Gebiet von einer leicht geänderten Sachlage bzw. möglicherweise einer nur leicht geänderten Beurteilung auszugehen, welche nur für einen Zeitraum ab 2006, jedenfalls aber nach Juni 2002 Bestand haben kann. Der neue Sachverhalt ist daher ausschließlich nach dem ab 01.01.2001 geltenden Rentenrecht zu beurteilen, wonach eine rentenrechtlich relevante Leistungsminderung erst bei einem unter sechsstündigen Leistungsvermögen gegeben ist (§ 43 Abs.1 SGB VI).
Der Einholung weiterer Gutachten bedurfte es im Berufungsverfahren nicht. Insoweit hat die ärztliche Sachverständige Dr.R. sich eindeutig und nachvollziehbar dahin geäußert, dass weitere fachärztliche Gutachten zum jetzigen Zeitpunkt nicht erforderlich seien. Auch das zuletzt kurzfristig noch beigezogene Attest des behandelnden Arztes Dr.L. , aus dem aktuell akute Hustenanfälle, wohl infektbedingt, ersichtlich sind, gibt keinen Anlass zur Annahme weiterer Einschränkungen der verbliebenen Leistungsfähigkei bzw. diesbezüglicher Ermittlungen.
Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1949 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt und zuletzt bis November 1999 als Lagerarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt war, stellte nach Ablehnung eines ersten Rentenantrags (ablehnender Bescheid vom 10.03.2000, zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 25.07.2000) am 27.10.2000 wegen mangelnder körperlicher und seelischer Belastbarkeit erneut Antrag auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Der Antrag wurde nach ärztlicher Untersuchung durch Dr.M. (Diagnosen u.a. "wiederkehrende Wirbelsäulenbeschwerden ohne Funktionseinbuße, ohne neurologische Funktionsbeeinträchtigungen; Erschöpfungsreaktion; beginnender Verschleiß des rechten Kniegelenks ohne Funktionseinbuße"; vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte ebenerdige Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit) mit Bescheid vom 07.12.2000 abgelehnt. Auf den Widerspruch der Klägerin erfolgte eine nervenärztliche Untersuchung durch Dr.W. , die im Wesentlichen eine Erschöpfungsreaktion sowie wiederkehrende Wirbelsäulenbeschwerden bei Fehlhaltung ohne neurologische Funktionsbeeinträchtigungen diagnostizierte und ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte und vorübergehend mittelschwere Tätigkeiten ohne dauerndes Gehen und Stehen, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung und ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit annahm. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2001 zurückgewiesen.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) erhob dieses nach Beiziehung aktueller ärztlicher Unterlagen, eines Gutachtens des Arbeitsamts A. vom 14.01.2000 ("vollschichtig leichte Arbeiten ohne Zeitdruck und erhöhte Verletzungsgefahr") sowie eines MDK-Gutachtens vom 23.11.1999 Beweis über den Gesundheitszustand und die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch Einholung von Gutachten auf nervenärztlichem und orthopädischem Fachgebiet.
Der Nervenarzt Dr.S. erhob in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 01.07.2002 die Diagnosen "Neurasthenie und Anpassungsstörungen bei chronischem Schmerzleiden, wiederkehrende Wirbelsäulenbeschwerden ohne Beweglichkeitsausfälle mit sensiblen Reizerscheinungen, beginnender Verschleiß des rechten Kniegelenks ohne Funktionseinbußen, Ellenbogenschmerzen beidseits, Polyarthrose der Fingergelenke". Er vertrat die Auffassung, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich acht Stunden leichte Tätigkeiten verrichten.
Der anschließend gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag der Klägerin gehörte Nervenarzt Dr.S. erhob in seinem Gutachten vom 15.03.2003 auf neurologischem Fachgebiet die Diagnosen "intermittierende Reizerscheinungen lumbaler und cervikaler Nervenwurzeln bei degenerativem Wirbelsäulensyndrom, Verdacht auf abgelaufene Schädigung der Nervenwurzel L5 rechts bei kleinem lumbalen Bandscheibenvorfall L4/L5 rechts". Auf psychiatrischem Fachgebiet diagnostizierte er einen Residualzustand nach paranoider, eventuell auch depressiver Episode 1989, differenialdiagnostisch blande paranoiede Schizophrenie, differenzialdiagnostisch chronische depressive Entwicklung bei asthenischer und paranoider Persönlichkeitsstörung und ungünstigen biologischen und psychosozialen Determinanten. Im Übrigen benannte er auf sonstigen Fachgebieten die Diagnosen "degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Osteochondrosen und Spondylarthrosen vor allem der Brust- und Lendenwirbelsäule bei Verdacht auf kleinen Bandscheibenvorfall LWK 4/5 rechts, Knorpelschaden der Kniescheibe links bei Dysplasie Typ Wiberg II bis III, Stress-Drang-Harninkontinenz Grad I bei Blasen-, Gebärmutter- und Enddarmsenkung, Adipositas".
Der Gutachter ging aufgrund dieser Gesundheitsstörungen von einem verbliebenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von zwei bis unter vier Stunden täglich ohne dauerndes Stehen und Gehen, ohne Zwangshaltungen und ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit aus.
Die Beklagte wandte durch ihren Ärztlichen Dienst (Dr.W. , Stellungnahme vom 23.07.2003) ein, das Gutachten des Dr.S. erbringe keine neuen medizinischen Gesichtspunkte von sozialmedizinischer Relevanz; weder auf neurologischem noch auf psychiatrischem Gebiet seien fassbare wesentliche Verschlechterungen beschrieben worden.
Im Auftrag des SG erstellte der Orthopäde Dr.P. ein weiteres Gutachten vom 03.11.2003. Er erhob darin "Aufbraucherscheinungen der Lendenwirbelsäule bei Bandscheibenvorfall ohne motorische oder sensible Ausfälle, Aufbraucherscheinungen der Halswirbelsäule mit Bewegungseinschränkung ohne motorische und sensible Ausfälle, Verdacht auf Schädigung des inneren Meniskus rechtes Kniegelenk, Überbelastungsbeschwerden bei Senk-Spreizfuß-Situation beidseits". In seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung kam Dr.P. zu dem Ergebnis, die Klägerin könne täglich acht Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte sowie mittelschwere körperliche Arbeiten ohne ständiges Stehen sowie ohne schweres Heben und Tragen ausführen; Tätigkeiten als Sortiererin, Montiererin, Telefondienst und an der Pforte seien noch möglich.
Demgegenüber machte die Klägerin anschließend eine rapide Verschlechterung ihres orthopädischen Gesundheitszustandes geltend und benannte den Arzt für Orthopädie Dr.N. als weiteren Gutachter nach § 109 SGG. In seinem Gutachten vom 16.07.2004 erhob dieser auf seinem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen: 1. Chronische Lendenwirbelsäulenschmerzen mit Nervenreizerscheinungen, 2. degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule, Bandscheibenvorfall L4, 3. Knieschmerzen beidseits bei Chondropathia patellae bei Dysplasie Typ II/III nach Wiberg und Verdacht auf mediale Meniskopathie, 4. vielfältige Gelenkentzündung bei Erkrankung des rheumatischen Formenkreises, 5. schmerzhafte Spreizfüße mit Großzehengrundgelenksarthrose, 6. wiederkehrende Schmerzen der Halswirbelsäule bei Bandscheibenerkrankung der 5. und 6. Bandscheibe mit schmerzhaften wiederkehrenden Halswirbelsäulenblockierungen und damit verbundenen Nervenwurzelreizerscheinungen.
Der Gutachter legte dar, bei den bisherigen Beurteilungen seien die pseudoradikuläre Symptomatik, das entzündliche Geschehen aus dem rheumatischen Formenkreis, die Stressharninkontinenz und die Kniescheibenschmerzen beidseits nicht berücksichtigt worden. Eine erkennbare Veränderung der Befunde seit 1999 habe nicht stattgefunden. Ab Rentenantragstellung sei von einem auf zwei bis unter vier Stunden abgesunkenen Leistungsbild für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts auszugehen, erforderlich seien dabei "kurzfristige Pausen von je fünf Minuten innerhalb von vier Stunden insgesamt einmal pro Stunde".
Die Beklagte wandte mit einer Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes (Dr.S. vom 06.09.2004) ein, Dr.N. habe Computertomographie-Befunde deutlich überbewertet. Den vorhandenen CT-Befunden sei der Ausprägungsgrad der Veränderungen nicht zu entnehmen, Intervertebralarthrosen seien im kernspintomographischen Befund der Lendenwirbelsäule vom 15.07.2004 nicht beschrieben worden. Die von der Klägerin beklagte diffuse und generalisierte Schmerzsymptomatik sei nur in eingeschränktem Maß dem orthopädischen Fachgebiet zuzuordnen. Im Übrigen bestehe keine Notwendigkeit zusätzlicher betriebsüblicher Pausen; kurzfristige Pausen von je fünf Minuten pro Stunde lägen im Rahmen üblicher Verteilzeiten.
Das SG holte einen aktuellen orthopädischen Befundbericht des Dr.M. vom 16.02.2005 ein und zog ein von Dr.N. im Verfahren L 15 SB 148/03 vor dem Bayer. Landessozialgericht erstelltes weiteres Gutachten vom 23.01.2005 bei.
Es wies mit Urteil vom 06.07.2005 die auf Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gerichtete Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin sei weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43 Abs.2, 44 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung. Erst Recht ergebe sich für sie kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§§ 43, 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung) bzw. wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs.1 und 2 SGB VI n.F., welche ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen voraussetzen.
Die Klägerin verfüge nach den überzeugenden Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr.S. und Dr.P. noch über ein objektives Leistungsvermögen, das ihr Tätigkeiten leichter bis mittelschwerer Art auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig erlaube. Zugrunde liege ein Leidensgeschehen, das zu seinem wesentlichen Teil dem nervenärztlichen Fachgebiet zuzuordnen sei. Demgegenüber sei die Auffassung des Dr.N. , der bereits aus orthopädischer Sicht zu einem auf unter vier Stunden gesunkenen Leistungsvermögen gekommen sei, nicht nachvollziehbar. Das Gutachten sei teilweise unverständlich, enthalte nur ungenaue und vage Diagnosemitteilungen und sei auch bezüglich der angenommenen Notwendigkeit arbeitsunüblicher Pausen nicht schlüssig: Fünfminütige Pausen pro Stunde fielen auch bei Vollarbeitszeit noch in den Rahmen üblicher persönlicher Verteilzeiten. Weiter führte das SG aus, auf nervenärztlichem Gebiet könne nicht von einer erheblichen seelisch bedingten Störung ausgegangen werden, welche die Klägerin weder aus eigener Kraft noch unter ärztlicher Mithilfe überwinden könne. Sie sei im Jahre 2001 nur zweimal in ärztlicher Behandlung gewesen und habe in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2005 selbst angegeben, dass sie weiterhin in keiner ständigen nervenärztlichen Behandlung sei. Mangels einer überdauernden nervenärztlichen Erkrankung komme eine Rentengewährung nicht in Betracht, vielmehr seien Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit angezeigt. Die Klägerin, die nach dem vom Bundessozialgericht ent- wickelten Mehrstufenschema aufgrund ihres bisherigen Berufslebens keinen Berufsschutz genieße, müsse sich auf alle Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Der Arbeitsmarkt sei ihr auch nicht verschlossen. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich klargestellt (§ 240 Abs.2 Satz 4 SGB VI), dass erwerbsgemindert nicht sei, wer eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne, ohne dass dabei die jeweilige Arbeitsmarktlage berücksichtigt werden dürfe. Insoweit trage nicht die gesetzliche Rentenversicherung, sondern die Arbeitslosenversicherung das Risiko der Vermittlung eines angemessenen Arbeitsplatzes.
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil und bringt vor, nicht mehr zu einer auch nur vierstündigen täglichen Tätigkeit in der Lage zu sein. Sie beruft sich auf das Gutachten des Dr.N. und macht weiter geltend, es liege bei ihr eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor mit der Folge, dass der Arbeitsmarkt für sie verschlossen sei. Sie legt eine Bescheinigung des Nervenarztes Dr. L. vom 02.09.2005 vor, wonach eine regelmäßige Behandlung bei ihm beabsichtigt sei.
Die Beklagte regte wegen der offenbar laufenden nervenärztlichen Behandlung eine erneute nervenärztliche Begutachtung an.
Der Senat holte Befundberichte und ärztliche Unterlagen des behandelnden Orthopäden Dr.M. vom 16.01.2006, des praktischen Arztes Dr.L. vom 26.01.2006 (vor allem chronische Wirbelsäulenbeschwerden und chronische mittelschwere Depression; nicht zu rheumatischer Erkrankung, gesundheitliche Situation als weitgehend gleich geblieben bezeichnet) und des Nervenarztes Dr.S. , Praxisnachfolger von Dr. L. , vom 10.07.2006 (letzte Konsultation im Oktober 2005) ein. Er zog die Schwerbehindertenakten (GdB 50) bei und beauftragte die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr.R. mit der erneuten Begutachtung zur Frage der Erwerbsfähigkeit der Klägerin seit der Untersuchung durch Dr.S. im erstinstanzlichen Verfahren im Juni 2002.
Im Gutachten vom 11.04.2007 erhob Dr.R. die Diagnosen: "Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Neurasthenie, Zustand nach Verdacht auf psychotische Episode 1989, HWS-, BWS- und LWS-Syndrom bei Lumboischialgien, Cervikocephalgien und Interkostalneuralgien sowie Wurzelreizungen C7, Hallux valgus beidseits, Senk-Spreiz-Fuß beidseits".
Nach intensiver Auseinandersetzung mit den Diagnosen vertrat die Gutachterin die Auffassung, die Klägerin sei durch die erstgenannten beiden Gesundheitsstörungen in ihrer geistig-seelischen Belastbarkeit insofern eingeschränkt, als Arbeiten in Wechsel- und Nachtschicht, taktgebundene Arbeiten, Arbeiten mit großen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie Arbeiten mit der Notwendigkeit der Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge nicht mehr zumutbar seien. Auch seien aufgrund der orthopädischen Beschwerden Nässe, Zugluft, extrem schwankende Temperaturen, Zwangshaltungen, Besteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg zu vermeiden. Die Klägerin sei jedoch in der Lage, leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit den genannten Einschränkungen mindestens sechs Stunden, jedoch unter acht Stunden täglich zu verrichten. Sie sei auch nach Abschluss des Rentenverfahrens in der Lage, sich auf andere Erwerbstätigkeiten umzustellen. Die Gutachterin hielt weitere Gutachten nicht für erforderlich.
Die Klägerin wendet ein, sie sei zu keinerlei Erwerbstätigkeiten mehr in der Lage und könne sich auch auf neue Tätigkeiten nicht umstellen; weitere Behandlungen durch Ärzte lehne sie ab, da dadurch alles nur schlimmer werde. Im Übrigen wies sie darauf hin, dass sie in regelmäßigen Abständen an Erstickungsanfällen leide, die im Juni 2007 auch erstmals beim behandelnden Arzt Dr.L. aufgetreten seien.
Der Senat zog einen aktuellen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr.L. vom 19.06.2007 bei, wonach die Klägerin zuletzt am 04.06.2007 über brennende Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und Globusgefühl im Hals sowie akutes plötzliches Zusammenschnüren des Halses bei akutem Hustenanfall (wohl infektbedingt) geklagt habe. Weiter hieß es, die gesundheitliche Situation sei weitgehend gleichbleibend, neue Leiden seien nicht hinzugekommen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 06.07.2005 sowie des Bescheides vom 07.12.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2001 zu verpflichten, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Gutachten der Dr.R. für schlüssig und zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig, erweist sich aber nicht als begründet.
Das Erstgericht hat nach ausführlicher Beweisaufnahme, gestützt auf die von ihm von Amts wegen eingeholten Gutachten, zu Recht den Rentenanspruch der Klägerin sowohl nach §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung als auch nach §§ 43 Abs.1 und 2, 240 SGB VI n.F. verneint. Die Voraussetzungen dieser vom SG im Einzelnen dargelegten Vorschriften lagen im Zeitpunkt seiner Entscheidung auch nach Auffassung des Senats nicht vor. Zu Recht hat das Erstgericht sich dabei auf die Gutachten des Dr.S. und des Dr.P. gestützt, welche aufgrund ihrer Befunderhebungen bei der Klägerin zu dem Ergebnis eines noch nicht zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens für leichte Arbeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen gekommen sind. Die anders lautenden Beurteilungen der Gutachter Dr.S. und Dr.N. erschienen demgegenüber auch bei Überprüfung durch den Senat als nicht überzeugend.
Die weitere Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz auf nervenärztlichem Fachgebiet hat die getroffene Entscheidung im Wesentlichen noch einmal bestätigt. Die Gutachterin Dr.R. hat bei ihrer Begutachtung einen weitgehend unauffälligen psychischen Befund bei lediglich leichter Antriebsminderung und einer ausgeprägten Schmerzfixierung erhoben, ohne jede Anzeichen eines seit einer psychiatrischen Behandlung im Jahre 1989 im Raum stehenden psychotischen "Residuums". Diesbezüglich legte sie dar, dass auch bei gründlichster psychiatrischer Exploration sich keinerlei Hinweis auf das Vorliegen einer Psychose oder eines Restzustands nach Ablauf einer psychischen Störung ergeben hätten. Dies passe auch zu dem damaligen Bericht des Bezirkskrankenhauses von 1989, in dem zwar ein psychotisch anmutendes Geschehen geschildert, aber ebenso darauf hingewiesen wurde, dass das bei familiären und Eheproblemen aufgetretene Krankheitsbild ohne jede medikamentöse Therapie schnell abgeklungen sei. Die von der Gutachterin festgestellten neurasthenischen Symptome (Ermüdbarkeit nach geistiger Anstrengung, körperlicher Schwäche, Schwindelgefühl etc.) wurden als nicht gravierend geschildert, ärztliche oder psychotherapeutische Hilfe werde nicht in Anspruch genommen, medikamentöse Hilfe abgelehnt.
Zwar kommt die Gutachterin für den in Frage stehenden Zeitraum nach der Begutachtung durch Dr.S. Mitte 2002 zu einem Leistungsvermögen von sechs bis unter acht Stunden mit qualitativen Einschränkungen (keine großen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, keine Arbeiten mit der Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge, keine Wechsel- und Nachtschicht, Nässe, Zugluft, extreme Temperaturschwankungen, ebenso keine Zwangshaltungen, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg). Die insoweit sich gegenüber der nervenärztlichen Vorbegutachtung ergebende geringfügige zeitliche Änderung führt nicht zur Bejahung eines Leistungsanspruchs. Dr.R. erwähnt in ihrem Gutachten insoweit keinen eindeutigen Zeitpunkt, zu dem das Leistungsvermögen für leichte, psychisch nicht belastende Tätigkeiten von acht Stunden auf etwas unter acht Stunden abgesunken sein könnte. An markanten Anknüpfungspunkten fehlt es insoweit offensichtlich. Im Hinblick auf die gesamten Ausführungen der Gutachterin geht der Senat deshalb von einem spätestens im Zeitpunkt ihrer Untersuchung aufgrund des konkreten Eindrucks in der Untersuchungssituation (möglicherweise auch im Hinblick auf die Beschwerdeangaben der Klägerin, sie sei seelisch nicht belastbar, habe ein hohes Ruhebedürfnis und einen Knoten im Hals, fühle sich nicht leistungsfähig) anzunehmenden zeitlich leicht abgesunkenen Leistungsvermögens, also ab 08.11.2006 aus. Aber selbst wenn der genaue Zeitpunkt bereits früher anzunehmen wäre, hätte die Beurteilung durch Dr.S. im erstinstanzlichen Verfahren für die damalige Zeit weiterhin Bestand, welcher von achtstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausging. Er hatte eine bei seiner Untersuchung in psychischer Hinsicht stimmungsmäßig ausgeglichen wirkende Klägerin beschrieben. Dr.R. geht in der Darlegung der Vorgeschichte ausführlich auf die Schilderungen des Dr.S. ein, sie stellt die getroffene Leistungsbeurteilung ihrerseits nicht in Frage. Es ist nach allem auf nervenärztlichem Gebiet von einer leicht geänderten Sachlage bzw. möglicherweise einer nur leicht geänderten Beurteilung auszugehen, welche nur für einen Zeitraum ab 2006, jedenfalls aber nach Juni 2002 Bestand haben kann. Der neue Sachverhalt ist daher ausschließlich nach dem ab 01.01.2001 geltenden Rentenrecht zu beurteilen, wonach eine rentenrechtlich relevante Leistungsminderung erst bei einem unter sechsstündigen Leistungsvermögen gegeben ist (§ 43 Abs.1 SGB VI).
Der Einholung weiterer Gutachten bedurfte es im Berufungsverfahren nicht. Insoweit hat die ärztliche Sachverständige Dr.R. sich eindeutig und nachvollziehbar dahin geäußert, dass weitere fachärztliche Gutachten zum jetzigen Zeitpunkt nicht erforderlich seien. Auch das zuletzt kurzfristig noch beigezogene Attest des behandelnden Arztes Dr.L. , aus dem aktuell akute Hustenanfälle, wohl infektbedingt, ersichtlich sind, gibt keinen Anlass zur Annahme weiterer Einschränkungen der verbliebenen Leistungsfähigkei bzw. diesbezüglicher Ermittlungen.
Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved