S 16 U 142/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 142/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 U 55/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob beim Kläger eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit in entschädigungspflichtigem Ausmaß vorliegt.

Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Bergbau-Berufsgenossenschaft war der 1951 geborene Kläger in der Zeit von Juli 1973 bis März 1978 als Neubergmann, Hauer in der Gewinnung und als Hauer in der Aus- und Vorrrichtung über die Dauer von insgesamt 4 Jahren und 9 Monaten bei einer Lärmbelastung zwischen 85 dB(A) und 101 dB(A) gehörgefährdend tätig. Nach seiner Abkehr arbeitete der Kläger in der N1 Zeugdruckerei und Färberei, N2, bis 1981 als Hilfskraft an einer Kondensiermaschine, danach - bis 31.12.1982 - als Hilfskraft an Spannrahmen und war dabei - so die Abteilung für Prävention der Beklagten - gehörgefährdenden Beurteilungspegeln von 85 dB(A) und mehr ausgesetzt. Anschließend war er bis zum 26.02.2002 in derselben Firma als Maschinenführer an Spannrahmen tätig. Messungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten an zwei Spannrahmen im Juli 1989 hatten Lärmpegel zwischen 67 und 75 dB(A) ergeben. Nach dem 26.02.2002 ist der Kläger nicht mehr erwerbstätig gewesen.

Im September 2004 beantragte der Kläger Verletztenrente wegen einer Lärmschwerhörigkeit. Dazu bezog er sich auf ein Attest des ihn behandelnden HNO-Arztes M, (vom 11.05.2004), in dem von einer hochgradigen sensorineurale Schwerhörigkeit rechts und eine mittel- bis hochgradigen sensorineurale Schwerhörigkeit links die Rede ist. Weiter heißt es, diese Schwerhörigkeit sei durch eine Lärmschwerhörigkeit, die berufsbedingt sei, erfolgt. Die Beklagte zog von M ein Audiogramm vom 13.06.2002 bei und holte ein Zusammenhangsgutachten von H, HNO-Klinik des Universitätsklinikums E, ein. Unter dem 24.10.2005 äußerte H, die beim Kläger vorliegende, knapp geringgradige Schwerhörigkeit sowie der beiderseitig festgestellte Tinnitus sei wahrscheinlich schicksalhaft entstanden: Der Kläger habe den Hörverlust erstmals 1995 bemerkt, obwohl die Lärmexposition seit 1983 nicht mehr bestanden habe. Er müsse 1983 besser gehört haben als 1995. Dementsprechend habe sich das Hörvermögen zwischen 1982 und 1995 verschlechtert. Eine Lärmschwerhörigkeit könne aus pathophysiologischen Gründen nach dem Ende der Lärmexposition jedoch nicht mehr fortschreiten. Auch der Tinnitus müsse als berufsunabhängig angesehen werden: Bei einer Lärmschwerhörigkeit entspreche die Frequenz des Tinnitus in etwa der Frequenz des größten Hörverlustes im Tonaudiogramm. Dies sei beim Kläger nicht der Fall. Im Übrigen spreche auch das negative Rekruitment gegen das Vorliegens eines Lärmschadens. Wegen des Verdachts auf Aggravation (wechselnde Angaben des Klägers im Tonaudiogramm bei problemloser sprachlicher Verständigung trotz aufgesetzter Kopfhörer und fehlender Batterien im Hörgerät) habe eine objektive Feststellung des Hörvermögens durchgeführt werden müssen. Nachdem Privat-Dozent K, Landesanstalt für Arbeitsschutz des Landes NRW, dieser Beurteilung zugestimmt hatte, lehnte die Beklagte die Feststellung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV ab (Bescheid vom 10.01.2006). Seinem Widerspruch fügte der Kläger ein Attest von M (vom 31.03.2006) bei, indem es u. a. heißt, es könne bestätigt werden, dass beim Kläger aufgrund der objektivierten audiometrischen Angaben in Form einer Hirnstammaudiometrie zur Hörschwellenbestimmung eine geringgradige beiderseitige Schwerhörigkeit bestehe. Darüber hinaus liege ein Tinnitus beiderseits vor. Aufgrund der Anamnese sei an eine berufsbedingte Schwerhörigkeit zu denken, insbesondere, da der Kläger in einem Lärmbetrieb als Bergmann und in der Textilbranche gearbeitet habe. Die Widerspruchsstelle bei der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 07.06.2006). Mit seiner am 07.07.2006 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er vermisst eine Auseinandersetzung mit der Auffassung von M.

Schriftsätzlich begehrt der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 10.01.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2006 die Beklagte zu verurteilen, ihm Unfallrente wegen Lärmschwerhörigkeit mit einer MdE von mindestens 20 vom Hundert zu bewilligen.

Die Beklagte begehrt schriftsätzlich die Klageabweisung.

Das Gericht hat die Beteiligten darauf hingewiesen, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten, die Akten der Beklagten und die Vorprozessakten S 24 KN 105/04 Sozialgericht Düsseldorf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 10.01.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2006 ist rechtmäßig. Eine Berufskrankheit "Lärmschwerhörigkeit" nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung liegt nicht vor. Der Kläger kann daher auch keine Rente beanspruchen. Mit H, Privat-Dozent K und M (Attest vom 31.03.2006) geht die Kammer dabei davon aus, dass beim Kläger eine knapp geringgradige bzw. geringgradige Schwerhörigkeit beiderseits besteht. Es lässt sich jedoch nicht wahrscheinlich machen, dass diese Hörminderung berufsbedingt entstanden ist. Nach dem Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung besteht erst bei Beurteilungspegeln von 85 dB(A) und mehr die Gefahr einer lärmbedingten Gehörschädigung. Darüber hinaus ist anerkannt, dass nach beendeter Lärmexposition nicht mehr mit einem Fortschreiten der Lärmschwerhörigkeit zu rechnen ist. Nach den Feststellungen der Abteilung für Prävention der Beklagten ist der Kläger lediglich bis 1982 Beurteilungspegeln von mindestens 85 dB(A) ausgesetzt gewesen. Danach hat er bis zu seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben im Jahre 2002 lediglich Pegeln zwischen 67 und 75 dB(A) gearbeitet. Bei der Untersuchung durch H hat der Kläger angegeben, etwa 1995 sei ihm erstmals eine beidseitige, in ihrem Ausmaß wechselnde Schwerhörigkeit aufgefallen. Mit H und Privat-Dozent K ist deshalb davon auszugehen, dass sich das Hörvermögen des Klägers nach 1983 verschlechtert hat, obwohl der Kläger in dieser Zeit gehörgefärdendem Lärm nicht mehr ausgesetzt gewesen ist. Für diese Verschlechterung des Hörvermögens kann daher nur eine von berufsbedingtem Lärm unabhängige Komponente verantwortlich sein, da - wie bereits dargestellt - eine Lärmschwerhörigkeit nach dem Ende der Lärmexposition nicht mehr fortschreitet. Im Hinblick darauf, dass H 2005 eine knapp geringgradige beiderseitige Schwerhörigkeit, d. h. eine Schwerhörigkeit an der Grenze zur Normalhörigkeit festgestellt hat, lässt sich nicht wahrscheinlich machen, dass der Kläger bereits 1983 im messbaren Umfang gehörgemindert gewesen ist. Dies gilt umso mehr als eine Schädigung im mittleren, insbesondere im tiefen Frequenzbereich überdurchschnittlich hohen Lärm, der über Jahre angedauert hat, voraussetzt. Auch dies ist beim Kläger nicht der Fall gewesen. Darauf hat der Gutachter H hingewiesen. Ferner lässt sich auch der beim Kläger festgestellte Tinnitus nicht als Berufskrankheitsfolge einstufen, da bei einer Lärmschwerhörigkeit die Frequenz des Tinnitus in etwa dem der Frequenz des größten Hörverlustes im Tonaudiogramm entspricht. Auch dies trifft beim Kläger nicht zu. Mit M ist deshalb zwar davon auszugehen, dass beim Kläger an eine berufsbedingte Schwerhörigkeit zu denken ist, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit lässt sich diese jedoch nicht beweisen. Soweit der Kläger weiterhin meint, seine Hörminderung sei auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen, hat sich die Richtigkeit seiner Behauptung trotz umfassender, von Amts wegen durchgeführter Sachaufklärung nicht beweisen lassen. Die Last des nicht erbrachten Beweises von anspruchsbegründenden Tatsachen hat aber auch im sozialgerichtlichen Verfahren stets derjenige zu tragen, der aus der behaupteten, aber nicht erweislichen Tatsache Rechte herleiten will. Das ist hier der Kläger.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
Saved