L 17 U 248/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 65/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 248/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 264/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.06.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit (BK) Nr 1315, 4301, 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Der 1939 geborene Kläger befindet sich - aus Rumänien kommend - seit August 1981 in der Bundesrepublik. Von September 1982 bis September 1984 arbeitete er als Schreiner. Anschließend war er bis Feb. 1986 arbeitslos gemeldet. Ab März 1986 nahm er ein Arbeitsverhältnis bei der Fa.S. in N. auf. Die Firma stellte Kleinbahnen für Freizeitparks her. Dem Kläger oblag das Laminieren von Kunststoffteilen. Vereinzelt musste er diese auch schleifen. Mit Befundbericht vom 27.11.1986 bestätigte der Hautarzt Dr.M. bei ihm ein kumulativ toxisch degeneratives Handekzem, eine Kontaktallergie gegen Acrylmonomer sowie einen Verdacht auf exogen allergische Atemswegserkrankung. Im Juli 1986 litt er auch unter Hustenanfällen.

Am 22.12.1986 veranlasste Dr.M. eine ärztliche Anzeige über eine BK bei der Beklagten. Der Kläger beschrieb die Ausbildung von Hautausschlägen bei Kontakt mit Glaswolle und Aceton. Außerdem habe er Umgang mit Polyester, Nitro und Glasfiber. Nach einer Betriebsbesichtigung am 16.04.1987 durch das Bayer. Landesinstitut für Arbeitsmedizin wurden beim Arbeitgeber (Fa.S. , N.) auch Styrolluftkonzentrationen festgestellt. Das vom Kläger verwendete Trennmittel enthielt zudem Tetrachlorethen. Der Techn. Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) führte in seiner Stellungnahme vom 25.03.1988 an, dass bei dem Kläger aufgrund seiner Tätigkeit auch mit einer erhöhten Aufnahme von (Holz-)Stäuben und Gasen aus den verwendeten Stoffen zu rechnen sei. Messungen des TAD am 10.03.1989 am Arbeitsplatz ergaben, dass der Messwert für Styrol in der Atemluft als sehr kritisch zu betrachten sei. Der Grenzwert sei um das 6,85-fache überschritten worden (Bericht des TAD vom 15.08.1989). Bei einer weiteren Messung des TAD am 11.05.1992 wurde für Dichlormethan sowohl der Grenzwert als auch die Auslöseschwelle als unterschritten angesehen, für Tetrachlorethen und Styrol der Grenzwert als sicher überschritten. Bei nochmaligen Messungen des TAD am 11.11.1993 wurde die Überschreitung des Grenzwertes für Styrol bestätigt.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Arbeitsmediziners Prof. Dr.V. vom 17.09.1987 ein. Danach konnte die Existenz einer beruflich verursachten obstruktiven Atemwegserkrankung nicht wahrscheinlich gemacht werden. Der Kläger leide vielmehr an einer chronischen Emphysembronchitis mit begleitender unspezifischer bronchialer Hyperreagibilität, die auf anlagebedingte Faktoren zurückzuführen sei. Mit Bescheid vom 25.02.1988 lehnte die Beklagte die Anerkennung von BK en nach Nr 4301/4302 der Anlage zur BKV ab (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 21.11.1988).

Im anschließenden Sozialgerichtsverfahren (S 14 U 300/88) des Sozialgerichts Nürnberg (SG) erstellte der Arbeitsmediziner Dr.P. am 20.08.1989/08.11.1989 ein Gutachten, in dem er eine chronische Emphysembronchitis mit kombinierter obstruktiv-restriktiver Ventilationsstörung und unspezifischer bronchialer Hyperreagibilität diagnostizierte. Eine BK nach Nr 4301/4302 liege nicht vor. Mit Urteil vom 07.03.1990 wies das SG die Klage ab. Es führte u.a. aus, dass der Kläger noch in seinem bisherigen Arbeitsbereich tätig sei. Der bisherige Arbeitsplatz sei also noch nicht aufgegeben worden.

Im anschließenden Berufungsverfahren (L 3 U 109/90) verneinte PD Dr.H. in seinem Gutachten vom 02.08.1990 das Vorliegen von BK en nach Nr 4301/4302. Zwar läge eine chronisch obstruktive Bronchitis bei dem Kläger vor. Eine allergische Ursache dieser Erkrankung könne aber verbindlich ausgeschlossen werden. Der Inhalationstest von Aceton, Feinschichtmittel (enthält auch Styrol) sowie Trennwachs führte zwar zu einer erschwerten Atmung. Die ganzkörperplethysmographische Messung der Atemwegswiderstände über einen postexpositionellen Beobachtungszeitraum von 2 Stunden erbrachte aber keinen Hinweis auf eine signifikante Änderung der bronchialen Strömungswiderstände. Ein funktionsanalytisches Korrelat der vom Kläger geklagten Atemnot konnte nicht gefunden werden. Die Anerkennung des Vorliegens von BK en nach Nr 4301/4302 scheide daher aus. Nach Hinweis der Vorsitzenden des Berufungssenats, dass das Tatbestandsmerkmal der Unterlassung der Tätigkeit nicht erfüllt sei, da der Kläger nach wie vor die gleiche Tätigkeit bei der Fa.S. ausübe, nahm dieser am 29.01.1991 die Berufung zurück.

Am 04.09.2001 stellte der Kläger erneut Antrag auf Anerkennung einer BK. Er gab dabei an, dass er weiterhin bei der Fa.S. beschäftigt sei, aber seit dem 25.06.2001 Arbeitsunfähigkeit bestehe aufgrund der Atemwegserkrankung.

Die Beklagte zog den Arztbericht des Klinikums N. vom 31.07.2001 sowie einen Befundbericht des Lungenarztes Dr.H. vom 29.09.2001 bei. Außerdem holte sie noch die ärztlichen Unterlagen des Vertrauensärztl. Dienstes der LVA Ober- und Mittelfranken ein, die die Heilverfahrens-Entlassungsberichte vom 08.09.1994 und 27.10.1999 und das Gutachten des Sozialmediziners Dr.H. vom 24.11.1998) beinhalten. Die Beklagte holte ein Gutachten des Arbeitsmediziners Prof. Dr.D. vom 11.06.2002 ein. Danach leidet der Kläger an einer chronisch obstruktive Atemwegserkrankung mit einer Lungenüberblähung. Diese Erkrankung sei aber nicht auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen. Die medizinischen Voraussetzungen einer BK nach den Nrn 1315, 4301 bzw. 4302 seien nicht erfüllt. Die berufliche Exposition durch organische Lösungsmittel sei nicht geeignet gewesen, die chronisch obstruktive Atemwegserkrankung zu verursachen.

Mit Bescheid vom 11.09.2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung einer BK Nr 1315, 4301, 4302 ab (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 05.02.2003). Der Kläger leide unter einer anlagebedingten Atemwegserkrankung, die in keinem Zusammenhang mit der von ihm ausgeübten Tätigkeit stehe.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum SG erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, BK en nach Nrn 1315, 4301, 4302 anzuerkennen und die entsprechenden Leistungen zu gewähren. Er sei seit Juni 2001 arbeitsunfähig krank aufgrund der Atemwegserkrankung. Zum 22.05.2002 habe er seine Tätigkeit für den Arbeitgeber S. beendet. Er habe fast 14 Jahre unter den gegebenen Bedingungen gearbeitet.

Das SG hat den Internisten und Arbeitsmediziner Dr.S. beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. In dem Gutachten vom 21.01.2004 hat er bei dem Kläger eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung mit weitgehend fixierter Obstruktion bestätigt. Er hat weiter ausgeführt, dass zwar neurotoxische Wirkungen durch Styrol bekannt seien, aber die Verursachung einer obstruktiven Atemwegserkrankung durch diesen Gefahrstoff nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht begründet sei. Auch die Exposition gegenüber Tetrachlorethen sei nach den früher durchgeführten arbeitsplatzbezogenen Inhalationstestungen nicht für die Erkrankung des Klägers ursächlich. Eine BK nach Nr 1315 liege nicht vor, nachdem keine Exposition gegenüber Isocyanaten am Arbeitsplatz bestanden habe.

Mit Urteil vom 16.06.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen auf die Ausführungen der Gutachter Bezug genommen.

Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, dass er am Arbeitsplatz gegenüber Styrol exponiert gewesen sei. Dazu habe sich das SG nicht geäußert. Außerdem sei nicht auf Holzstaubbelastung, Polyesterlaminierharz und MEKP-Härter eingegangen worden.

Der Senat hat eine Auskunft der AOK Bayern vom 03.12.2004 beigezogen und ein lungenfachärztliches Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Dr.U. veranlasst. Dr.U. hat in seinem Gutachten vom 20.06.2005 ausgeführt, dass bei dem Kläger Gesundheitsstörungen im arbeitsmedizinischen Bereich vorliegen. Es handele sich dabei um die BK Nr 4302 bei massiv akuter Exposition mit Irreversibilität des Krankheitsbildes. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 30 vH einzuschätzen. Die Beklagte hat dem unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Arbeitsmediziners Prof. Dr.L. vom 06.07.2005 widersprochen.

Auf Veranlassung des Senats hat Dr.S. nochmals gutachtlich Stellung genommen. In seiner Stellungnahme vom 16.10.2005 konnte er die von Dr.U. angenommene tagelange extrem hohe Reizstoffexposition (bezügl. der Atemwege) nach Lage der Akten nicht bestätigen. Es habe lediglich eine neurotoxische und hepatotoxische Exposition vorgelegen. Nach nochmaliger Durchsicht der Lungenfunktionsdaten könne ebenfalls nicht bestätigt werden, dass die teilweise erheblichen Atemprobleme des Klägers erst nach der dreitägigen Tätigkeit mit relativ toxischen Stoffen in höheren Konzentrationen aufgetreten seien. Eine BK nach Nr 4302 liege daher nicht vor.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 16.06.2004 sowie des Bescheides vom 11.09.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2003 zu verurteilen, die Atemwegserkrankung als BK nach Nrn 1315, 4301 oder 4302 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm die gesetzlichen Leistungen ab frühest möglichem Zeitpunkt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 16.06.2004 zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Rentenakte der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken sowie die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes N. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 155 SGG), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage mit Urteil vom 16.06.2004 abgewiesen. Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass der Kläger die Anerkennung und Entschädigung der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen als BK Nrn 1315, 4301 oder 4302 nicht beanspruchen kann.

Auf den Rechtsstreit finden nicht mehr die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung, weil die Arbeitsunfähigkeit des Klägers aufgrund der geltend gemachten Erkrankung und das Unterlassen der Tätigkeit nach dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), am 01.01.1997 eingetreten ist (vgl Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).

BK en sind nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BK en bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird dabei nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BK en zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht werden und denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Die BK en werden in der Anlage zur BKV vom 31.10.1997 - zuletzt geändert durch Verordnung vom 05.09.2002 - bezeichnet.

Nach der Nr 4301 der Anlage zur BKV gelten als BK en durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Nach der Nr 4302 der Anlage zur BKV gelten als BK en durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die ebenfalls zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die Feststellung der vorgenannten BK en setzt also voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK in der Person des Versicherten gegeben sein müssen, zum anderen das typische Krankheitsbild dieser BK vorliegen muss und dieses i.S. der unfallrechtlichen Kausalitätslehre mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (KassKomm -Ricke- § 9 SGB VII Rdnr 11; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung Band III -Stand 1997- § 9 SGB VII Rdnr 21 ff).

Zwar ist davon auszugehen, dass der Kläger an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung mit weitgehend fixierter Obstruktion leidet. Allerdings kann die Feststellung einer BK nicht getroffen werden, weil in der Person des Klägers die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben sind, d.h., dass er im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit nicht schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt gewesen ist, die nach Ausmaß und Intensität geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken (haftungsbegründende Kausalität).

Dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung der BK Nrn 4301 und 4302 nicht nachgewiesen sind, ergibt sich daraus, dass die beim Kläger bestehende Atemwegserkrankung weder auf allergisierende Stoffe iSd BK 4301, noch auf chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffen iSd BK 4302 zurückzuführen ist. Dr.S. hat in dem Gutachten vom 21.01.2004 - auch unter Berücksichtigung der vorhergehenden Gutachten - darauf hingewiesen, dass beim Kläger kein Anhalt für eine wesentliche allergische Verursachung der Atemwegserkrankung besteht. Bei der Allergietestung konnten keine relevanten Reaktionen gegenüber Inhalationsallergenen gefunden werden. Auch der RAST-Test gegenüber Formaldehyd war unauffällig. In gleicher Weise zeigte ein Prick-Test vom 14.01.2002 keine positive Reaktion. Das Gesamt-IgE ist mit 16,6 U/ml niedrig-normal, so dass auch hier eine Sensibilisierung unwahrscheinlich erscheint.

Die vom TAD festgestellte erhöhte Expositionen gegenüber Styrol können zwar zu neurotoxischen Wirkungen, also zur Schädigung des zentralen und peripheren Nervensystems führen, aber nach verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen ergaben sich bislang keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass eine Styrolexposition die Entwicklung von Lungenfunktionsstörungen oder eine chronisch-obstruktive Bronchitis verursacht oder begünstigt. Die toxische Wirkung von Tretrachlorethen bezieht sich ebenfalls vor allem auf das Nervensystem, während bei niedrigen und mittleren Konzentrationen Tetrachlorethen keine Wirkungen auf die Atemwege hat.

Zu berücksichtigen ist, dass am 04.08.1997 ein arbeitsplatzbezogener Inhalationstest mit Polyesterharz und Härter sowie Trennwachs durchgeführt wurde. Dabei zeigte der Atemwegswiderstand keine signifikante Änderung. Es konnte keine Bronchialobstruktion im arbeitsplatzbezogenen Provokationstest ausgelöst werden. PD Dr.H. führte einen 20-minütigen Expositionstest gegenüber Feinschichtmittel, Aceton und Trennwachs unter arbeitsplatzähnlichen Bedingungen durch, ohne dass in der Lungenfunktionskontrolle eine obstruktive Atemwegsreaktion nachgewiesen werden konnte. Damit kann also eine BK nach Nr 4301/4302 weder durch klinische Expositionstests noch anhand von toxikologisch-epidemiologischen Erkenntnissen begründet werden.

Bei dem Kläger liegt auch die in diesem Verfahren neu vorgebrachte BK nach Nr 1315 nicht vor. Die BK Nr 1315 befasst sich mit Erkrankungen durch Isocyanate. Bei dem Kläger hat aber nach den eingeholten Feststellungen keine Exposition gegenüber Isocyanaten am Arbeitsplatz bestanden.

Nicht folgen kann der Senat den Ausführungen des Dr.U ... Dieser kommt in seinem Gutachten zum Schluss, dass bei dem Kläger Gesundheitsstörungen im arbeitsmedizinischen Bereich vorliegen und dass es sich um eine BK Nr 4302 bei massiv akuter Exposition mit Irreversibilität des Krankheitsbildes handle. Hinsichtlich der massiven akuten Exposition geht Dr.U. von einem 3-tägigen intensiven Kontakt mit erheblich reizend wirkenden Stoffen zur Auslösung einer obstruktiven Ventilationsstörung im Mai 1986 aus. Genauere Angaben zu den Stoffen sind bekannt. Hierzu hat Dr.S. in der Stellungnahme vom 16.10.2005 überzeugend ausgeführt, dass der Kläger während der von Dr.U. genannten 3 Tage im Jahr 1986 Umgang mit den Substanzen Polyester mit dem Inhaltsstoff Styrol, geschnittenes Textilglas, Trennwachs in Tetrachlorethan und Laminierharz mit Styrol hatte, aber auch beim Zusammenwirken dieser durchaus irritativ-toxisch wirkenden Stoffe im Hinblick auf die Atemwege nach ausführlicher Analyse von Anamnese, techn. Ermittlungen, Inhaltsstoffen und bekannten toxikologischen Wirkungen keine Berufsbedingtheit bestätigt werden kann. Es bestand zwar eine Exposition gegenüber neurotoxisch wirkenden Stoffen und gegenüber lebertoxisch wirkenden Stoffen, nicht aber gegen verschiedenste irritativ-toxisch wirkende Stoffe. Zum Krankheitsverlauf nach dem Ereignis 1986 kommt Dr.U. zum Schluss, dass die Lungenfunktion sich seitdem nicht nennenswert verschlechtert hat. Dies ist unrichtig, da sie sich seit diesem Zeitpunkt durchaus signifikant verändert hat. Während wenige Wochen nach dem angeschuldigten Ereignis 1986 die Lungenfunktion keine obstruktive Ventilationsstörung aufwies, hat sich von Juli 1986 bis Juli 1987 eine obstruktive Ventilationsstörung ausgebildet. Auch sind die teilweise erheblichen Atemprobleme des Klägers nicht sofort nach dem 3-tägigen Tätigwerden mit irritativ-toxischen Stoffen in höheren Konzentrationen aufgetreten. Der Lungenfunktionsverlauf zeigt, dass die Lungenfunktion auch wenige Wochen nach der 3-tägigen Tätigkeit noch normal war und sich erst im darauffolgenden Jahr erheblich verschlechterte. Zusammenfassend kann dem Gutachten des Dr.U. nicht gefolgt werden. Die angenommene tagelang extrem hohe Reizstoffexposition (bezügl. der Atemwege) lässt sich nicht bestätigen. Es lag lediglich eine neurotoxische und hepatotoxische Exposition vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision i.S. des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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