L 3 U 447/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 259/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 447/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 23/07 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 15.11.2004 und der Bescheid der Beklagten vom 17.04.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2002 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 06.06.2001 ein Arbeitsunfall ist.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung eines Unfalls der Klägerin als Arbeitsunfall.

Die 1954 geborene Klägerin, Bürokraft bei der Firma H. GmbH, B. , erlitt am 06.06.2001 einen Unfall, indem ihr an Mülltonnen angelehnte Rigipsplatten auf den Fuß bzw. das Bein gefallen sind. Sie zog sich eine Tibiakopftrümmerfraktur links mit kompletter Zertrümmerung der lateralen Tibiagelenksfläche zu.

Der Unfall ereignete sich im Rahmen von Aus- bzw. Umladearbeiten von Büromaterial. Am 06.06.2001 hatte die Klägerin von ihrer Arbeitgeberin den Auftrag erhalten, Unterlagen aus den früheren Büroräumen in der L.straße, B. , in den neuen Unternehmenssitz, T. Straße, B. , zu bringen. Nachdem die Klägerin mit den Ausladearbeiten angefangen hatte, ist sie auf dem Rückweg vom neuen Büro zum Auto um das Haus herum zum hinteren Ende des Grundstücks gegangen, um von dort über das Gartentürchen in den Garten zu sehen.

In einem Schreiben vom 06.08.2001 führte die Klägerin aus, sie sei, nachdem sie einen Teil des Büromaterials aus dem Auto ausgeladen hatte, interessehalber (weil ihr Nachbar den Garten für Frau H. hergerichtet hatte) an das Gartentürchen zwischen Wohnhaus und Garage gegangen, um einen Blick in den Garten zu werfen. Dabei habe sie sich ein wenig über das Gartentürchen gelehnt. Gleich darauf habe sie sich umgedreht und in diesem Moment seien ihr aus unerklärlichen Gründen sechs an Mülltonnen angelehnte Rigipsplatten entgegen gefallen.

Mit Bescheid vom 06.06.2001 lehnte es die Beklagte ab, Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Es habe sich um eine private, eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt. Sie habe persönlichen Zwecken gedient und sei dem privaten Lebensbereich zuzurechnen.

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie sich kundig habe machen wollen, wie viel Kapazitäten in den Mülltonnen noch frei waren, da sie auch für die Müllentsorgung (Papierkörbe leeren, etc.) zuständig gewesen sei. Dabei habe sie über den Zaun geschaut und einen Blick auf den Garten der Arbeitgeberin geworfen. Es habe sich um eine kurzfristige Unterbrechung, also um eine nur nebenher ausgeführte Tätigkeit gehandelt, die keinesfalls zum Verlust des Unfallversicherungsschutzes führen könne. Es habe zu keiner Zeit eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit vorgelegen. Die Klägerin legte dazu eine entsprechende Bilddokumentation vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe sich mit dem Aufsuchen des Gartens vom versicherten Risikobereich abgewandt und diesen auch mit Antritt des Rückweges nicht wieder erreicht.

Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2002 zu verurteilen, sie für die Folgen des am 06.06.2001 erlittenen Unfalls zu entschädigen.

Mit Urteil vom 15.11.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe sich zum Unfallzeitpunkt auf einem den Versicherungsschutz ausschließenden Abweg befunden. Unter "Weg" sei eine geographische Strecke zu verstehen (Wegstrecke), auf der das örtliche Ziel erreicht werden soll. Kein Versicherungsschutz bestehe, soweit sich der Versicherte dabei vom Ziel entferne. Insoweit werde ein unterbrechender Abweg angenommen. Das Gericht habe den früheren, noch unbeeinflussten Angaben der Klägerin vom 06.08.2001 einen höheren Beweiswert zugemessen als den späteren, in der Widerspruchsbegründung vom 15.05.2002 anders lautenden Aussagen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie habe sich zu den Mülltonnen begeben, um zu eruieren, ob die Abfälle noch in die Mülltonnen passen würden. An den Mülltonnen seien sechs Rigipsplatten angelehnt gewesen. Eine Ausweisung der Stelle als "Baustelle" sei nicht vorhanden gewesen. Die Klägerin habe sich allenfalls kurz aufgrund des angrenzenden Gartens ablenken lassen und über den Zaun geblickt. Zur Verweildauer sei zu berücksichtigen, dass es lediglich Sekunden gewesen wären, in denen die Klägerin den Blick auf den Garten richtete.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 15.11.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.04.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2002 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 6. Juni 2001 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 15.11.2004 zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gerichtsakten sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 15.11.2004 ist aufzuheben, weil die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung hat, dass das Geschehen vom 06.06.2001 ein Arbeitsunfall ist. Der Bescheid vom 17.04.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2002 ist aufzuheben.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Geht es in einem gerichtlichen Verfahren nicht um konkrete Ansprüche auf bestimmte Leistungen, sondern zunächst nur um die Frage, ob ein bestimmter Unfall Arbeitsunfall ist, kann der Antrag auf "Gewährung der gesetzlichen Leistungen" bzw. "Entschädigung" nicht als Leistungsklage angesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann der Versicherte in dieser Situation die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen (BSG, Urteil vom 15.02.2005, B 2 U 1/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12; BSG, Urteile vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 3, B 2 U 45/03, SozR 4-2700 § 2 Nr. 2; BSG, Urteil vom 28.04.2004, B 2 U 21/03 R, SozR 4-5671 Anl 1 Nr. 5101 Nr. 2).

Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die Klägerin hat am 06.06.2001 einen Arbeitsunfall erlitten.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. BSGE 58, 76, 77; BSG, Urteil vom 09.12.2003, SozR 4-2700 § 8 Nr. 2).

Bei einem nach § 2 Abs.1 Nr.1 SGB VII versicherten Beschäftigten sind Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit und stehen mit ihr im erforderlichen sachlichen Zusammenhang. Dies bedeutet nicht, dass alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte versichert sind, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs.1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind und es einen sog. Betriebsbann nur in der Schifffahrt (§ 10 SGB VII), nicht aber in der übrigen gesetzlichen Unfallversicherung gibt (stRspr, vgl. BSGE 14, 295 ff.; 41, 137, 139). Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen wie z.B. Essen oder eigenwirtschaftliche Tätigkeiten wie z.B. Einkaufen. Sie führen zu einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit und damit auch in der Regel zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes. Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist die Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte (stRspr, vgl. BSG, Urteil vom 26.10.2004, B 2 U 24/03 R, BSGE 93, 279 ff = SozR 4-2700 § 8 Nr. 9).

Es ist indessen anerkannt, dass nicht jede private Verrichtung während der versicherten Tätigkeit automatisch zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes führt. Vor allem bei einer unerheblichen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit besteht der Versicherungsschutz fort. Der Senat ist vorliegend der Überzeugung, dass die Klägerin versichert war, weil nur eine unerhebliche (bzw. unwesentliche) Unterbrechung des Versicherungsschutzes angenommen werden kann.

Dient die Unterbrechung einer versicherten Tätigkeit, insbesondere eines Weges, privaten Verrichtungen, so unterscheidet die ständige Rechtsprechung des BSG zwischen erheblichen und unerheblichen Unterbrechungen (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2003, Az.: B 2 U 23/03 R, SozR 4 2700 § 8 Nr. 3 = BSGE 91, 293 ff.; BSG, Urteil vom 12.04.2005, Az B 2 U 11/04 R, RegNr 27064, BSGE 94, 262 ff, SozR 4-2700 § 8 Nr. 14). Eine privaten Zwecken dienende, unerhebliche tatsächliche Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz fortbesteht, liegt vor, wenn die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die "im Vorbeigehen" und "ganz nebenher" erledigt wird. Sie darf nach natürlicher Betrachtungsweise und in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles nur zu einer geringfügigen, tatsächlichen Unterbrechung der versicherten Verrichtung geführt haben. Um solche rechtlich nicht ins Gewicht fallenden Ereignisse handelt es sich, wenn der in Rede stehende Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist oder, anders gewendet, wenn die Besorgung hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer und der Art ihrer Erledigung keine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf die Arbeitsstätte darstellt, wobei als Beurteilungsmaßstab die allgemeine Verkehrsauffassung zugrunde zu legen ist. Eine unerhebliche Unterbrechung wurde z.B. anerkannt beim Kauf einer Zeitung an einem Kiosk oder dem Betrachten eines Schaufensters während eines zu Fuß zurückgelegten Weges (BSGE 20, 219, 221; vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, a.a.O, m.w.N; vgl. weiterhin BSG SozR Nr. 28 zu § 543 RVO: Besorgen von Zigaretten aus einem Automaten am Straßenrand; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 21: Hilfeleisten beim Öffnen einer Straßenbahntür). Die Zeitdauer der Unterbrechung ist von erheblicher Bedeutung, wobei es keine Absolutheitsgrenze gibt (andere Ansicht Benz, SGb 1999 S. 83 ff., 84: fünf Minuten und KassKomm-Ricke, § 8 Rz. 42: etwa fünf Minuten; nach Brackmann/Krasney, Hdb der Sozialversicherung, § 8 Rdn. 241 sind fünf Minuten im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BSG "im Vorbeigehen" zu lang.)

Die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in diesen Fällen findet ihre Rechtfertigung darin, dass die in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Verrichtung - das Zurücklegen des Weges - der wesentliche Grund dafür ist, dass der Versicherte in dieser Situation ist, in der er ganz nebenher oder im Vorbeigehen die private Verrichtung ausübt. Voraussetzung ist, dass der Versicherte noch auf seinem Weg ist und nur in der Fortbewegung aus privaten Gründen für eine kurze Zeit innehält. Die versicherte Tätigkeit und die private Verrichtung müssen als tatsächliches Geschehen nur sehr schwer voneinander zu trennen sein (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 11/04 R, a.a.O).

Nach der Rechtsprechung des BSG wird dabei Rücksicht auf die naturgegebenen Schwächen des Menschen genommen. Es wird auch "eine nur kurze Abschweifung von der Arbeit im ausschließlich eigenen Interesse und nach eigenen Bedürfnissen" dem Versicherungsschutz unterstellt und zwar deswegen, "weil der Mensch von Natur aus nicht wie ein Roboter arbeiten kann". Maßgebend ist der Gedanke, dass nicht verlangt werden kann, der Betreffende sollte sich, einer Maschine vergleichbar, während der gesamten Arbeitszeit ausschließlich auf die Arbeit ausrichten und alle persönlichen Gedanken, Bedürfnisse und Empfindungen schlechthin unterdrücken (BSG, Urteil vom 23.06.1982, SozR 2200 § 548 Nr. 61; BSG, Urteil vom 18.12.1974, 2 RU 37/73, USK 74212; vgl. Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 2, Unfallversicherungsrecht, § 30 Rdnr. 46; Keller in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB VII, § 8 Rdnr. 38).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin am 06.06.2001 einen Arbeitsunfall erlitten. Unter Berücksichtigung der Gesamtheit aller Umstände des Einzelfalls ist vorliegend festzustellen, dass die private Betätigung bei natürlicher Betrachtungsweise als Teil der versicherten - im Rechtssinne nicht unterbrochenen - Tätigkeit erscheint. Dabei kann es dahinstehen, ob die Klägerin sich auch zu den Mülltonnen begeben hat, um deren Füllmenge zu überprüfen. Versichert ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats, weil das Betrachten des Gartens nur eine unwesentliche Unterbrechung darstellte.

Das Betrachten des Gartens erfolgte nur nebenher im Rahmen der Umzugsarbeiten und nahm vergleichbar dem Betrachten eines Schaufensters nur wenig Zeit in Anspruch. Der Senat geht dabei davon aus, dass das Zurücklegen des Weges zum Gartentürchen am hinteren Ende des Grundstücks nur wenige Sekunden dauerte, also zeitlich und räumlich nur einen ganz geringfügigen Bewegungsaufwand erforderte. Das räumliche Entfernen von dem vorgesehenen Weg ändert an dieser Einschätzung nichts. Eine geringfügige Unterbrechung scheidet nicht allein deswegen aus, weil die Klägerin den vorgesehenen Weg zu ihrem Fahrzeug um einige Meter räumlich verlassen hat. Die Handlungstendenz der Klägerin war durch die Umzugsarbeiten, also die Ein- und Ausladearbeiten vom Auto zum Büro geprägt. Diese Tätigkeit war der wesentliche Grund dafür, dass die Klägerin sich in der Situation befand, die Möglichkeit wahrzunehmen, einige Schritte zum Gartentürchen am Ende des Grundstücks zu gehen und von dort in den angrenzenden Garten zu blicken. Die Handlungstendenz der Klägerin war daher nicht wesentlich unterbrochen, so dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass hier ein nicht versicherter Abweg vorgelegen hat. Es lag keine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung vor, sondern die Klägerin hat nur wenige Schritte getan, um in den angrenzenden Garten zu blicken. Soweit nach der Rechtsprechung des BSG erforderlich ist, dass der Versicherte noch auf seinem Weg ist und nur in der Fortbewegung aus privaten Gründen für eine kurze Zeit innehält, wie dies eben beim Kauf einer Zeitung an einem Kiosk oder beim Betrachten eines Schaufensters gegeben ist, ist dies zur Überzeugung des Senats mit dem vorliegenden Fall vergleichbar. Ein geringfügiger Bewegungsaufwand ist auch in diesen Fällen der kurzfristigen Unterbrechung erforderlich. Das Ein- und Ausladen des Fahrzeugs als versicherte Tätigkeit und das Betrachten des angrenzenden Gartens sind bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung als tatsächliches Geschehen eng miteinander verbunden. Die Klägerin befand sich bereits im Vorgarten und begab sich nur wenige Meter zum Gartentürchen am hinteren Ende des Grundstücks, um das angrenzende Gartengrundstück zu betrachten.

Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung zudem das Motiv und die Zielsetzung für die Unterbrechung. Die Klägerin wollte den Garten anschauen, weil ihr Nachbar den Garten für die Arbeitgeberin hergerichtet hat.

Vor dem Hintergrund, dass dem Versicherungsschutz bei kurzfristigen Unterbrechungen der Gedanke zugrunde liegt, dass der Mensch während der Arbeitszeit nicht alle persönlichen Gedanken unterdrücken kann, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Unterbrechung räumlich und zeitlich nur geringfügig war, ist es gerechtfertigt, im vorliegenden Fall im Rahmen der Gesamtbetrachtung von einer nur unwesentlichen Unterbrechung auszugehen.

Ob zudem Versicherungsschutz bestand, weil sich während privater Tätigkeiten eine sog. "betriebsbedingte Gefahr", hier die gestapelten Rigipsplatten, verwirklicht hat, kann dahinstehen.

Versicherungsschutz lässt sich zumeist nicht allein mit der Erwägung begründen, der Unfall sei auf eine betriebliche Gefahr zurückzuführen. Die Verwirklichung einer Betriebsgefahr während einer privaten Tätigkeit kann nur ausnahmsweise die Einbeziehung in den Schutzbereich des Unfallversicherungsrechts rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn eine besondere Betriebsgefahr auf den mit einer privaten Tätigkeit befassten Versicherten im räumlich-zeitlichen Bereich seines Arbeitsplatzes einwirkt, ohne dass die private Verrichtung wesentlich zur Bedrohung durch die zum Unfall führende Betriebsgefahr beigetragen hat (vgl. Keller in Hauck/Noftz, aaO, § 8 Rdn 45 ff. mwN). Teilweise wird insoweit die Auffassung vertreten, der Betroffene müsse sich rein passiv verhalten und die Betriebsgefahr müsse auf ihn einwirken (Winter, SozV 2003, S. 317 ff, 319). Nach der von Schulin (Schulin, aaO, § 30 Rdnr. 33 ff.) vertretenen Auffassung ist Versicherungsschutz bereits dann zu bejahen, wenn sich im Unfall eine besondere betriebsbedingte Gefahr verwirklicht und die unfallbringende Tätigkeit "norm- und vertragsgemäß" ist.

Vorliegend hat sich zwar auch eine besondere Betriebsgefahr verwirklicht. Die Klägerin hat sich verletzt, indem ihr an die Mülltonnen gestapelte Rigipsplatten auf das Bein gefallen sind. Gerade im Rahmen von Umbaumaßnahmen ist der Weg auch zu den Mülltonnen grundsätzlich für die Arbeitnehmer zu sichern. Auch entsprechende Absperrungen oder Warnhinweise waren nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht angebracht.

Ob nach diesen Grundsätzen ebenfalls Versicherungsschutz anerkannt werden könnte, ist indessen nicht zu entscheiden, da sich dieser bereits aus dem Vorliegen eines Ausnahmefalls einer nur unwesentlichen Unterbrechung ergibt.

Da die Verrichtung bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nur eine unwesentliche Unterbrechung darstellte, ist Versicherungsschutz und damit auch das Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII gegeben.

Das Ereignis vom 06.06.2001 ist daher als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache für die Weiterführung und Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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