S 3 (3,9) AL 34/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 (3,9) AL 34/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

In dem zu Grunde liegenden Rechtsstreit wehrt sich die Klägerin gegen die Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 06.08.2005.

Die Klägerin reiste am 30.12.1999 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Hier stellte sie einen Asylantrag. Dieser wurde am 19.01.2000 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Arnsberg rechtskräftig abgewiesen.

Vom 27.01.2003 bis zum 31.12.2004 war die Klägerin als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Sie verfügte in diesem Zeitraum über eine Aufenthaltserlaubnis (Duldung) mit der Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

Die Klägerin meldete sich im September 2004 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2005. Sie gab an, aserbaidschanische Staatsangehörige zu sein. Die Beklagte bewilligte der Klägerin im Januar 2005 Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2005 für 300 Kalendertage.

Die Duldung mit der Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit wurde durch die Ausländerbehörde mehrfach weiter befristet, zuletzt bis zum 31.07.2005. Am 02.08.2005 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die Duldung nur bis zum 25.10.2005 verlängert worden sei. Eine Erwerbstätigkeit sei ihr jedoch nicht mehr gestattet.

Mit Bescheid vom 03.08.2005 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.08.2005 mit der Begründung auf, die Klägerin sei nicht mehr verfügbar.

Hiergegen hat die Klägerin mit der Begründung Widerspruch eingelegt, dass die Auflage in der Duldungsverfügung hinsichtlich des Verbots einer Erwerbstätigkeit rechtswidrig sei. Die Stadt Paderborn teilte der Beklagten mit Schreiben vom 15.09.2005 mit, dass der Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis vom 16.08.2005 am 02.09.2005 abgelehnt worden sei.

Mit Änderungsbescheid vom 25.01.2006 zahlte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01.08.2005 bis zum 05.08.2005 Arbeitslosengeld. Die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld werde erst ab dem 06.08.2005 aufgehoben.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2006 als im Übrigen unbegründet zurück. Die Klägerin sei ab dem 06.08.2005 wegen fehlender Erwerbserlaubnis nicht mehr für die Vermittlungsbemühungen verfügbar gewesen.

Am 22.02.2006 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie vertritt die Auffassung, Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt liege weiterhin vor. In der Vergangenheit sei sie bereits versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Sie spreche die deutsche Sprache und sei im gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland integriert.

Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.08.2005 in Form des Änderungsbescheides vom 25.01.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2006 zu verurteilen, Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 06.08.2005 bis zum 27.10.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Klägerin seit dem 24.01.2007 unbekannten Aufenthalts sei. Durch die Ausländerbehörde der Stadt Paderborn sei ermittelt worden, dass die Klägerin tatsächlich armenische Staatsangehörige sei und den Namen A.N. trage.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau F.X., als Zeugin zu den Vermittlungsbemühungen der Beklagten und zur Arbeitsmarktlage im Jahre 2005. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.06.2007 Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Kd.-Nr. 373A126042) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte trotz Ausbleibens der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten im Verhandlungstermin vom 28.06.2007 entscheiden, da in der ordnungsgemäß zugestellten Ladung zum Termin auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 03.08.2005 in Form des Änderungsbescheides vom 25.01.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 06.08.2005 bis zum 27.10.2005.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben gemäß § 118 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) Arbeitnehmer, die 1.arbeitslos sind, 2.sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3.die Anwartschaftszeit erfüllt haben.

Arbeitslos ist gemäß § 119 Abs. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der 1.nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2.sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3.den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

Die Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III haben im Falle der Klägerin spätestens ab dem 06.08.2005 nicht mehr vorgelegen. Sie stand den Vermittlungsbemühungen nicht mehr zur Verfügung. Nach § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III steht Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf. Die Klägerin durfte ab dem 06.08.2005 keine Erwerbstätigkeiten mehr ausüben. Dies ergibt sich aus der Auflage, mit der die Ausländerbehörde die Duldungsverfügung ab dem 01.08.2005 versehen hat. Die Duldung selbst erschöpft sich in der zeitweisen Aussetzung der Abschiebung eines ausreisepflichtigen Ausländers. Sie ist eine förmliche Reaktion der Ausländerbehörde auf das Vorliegen von Vollstreckungshindernissen; mit ihr wird die rechtliche Situation eines Ausländers klar gestellt, dessen gesetzliche Ausreisepflicht nicht im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Das beigefügte Verbot einer Erwerbstätigkeit ist eine selbständig anfechtbare Auflage, deren Bestand nicht von der Duldung abhängt. Damit soll einer tatsächlichen Verfestigung des Aufenthalts durch eine Teilhabe am Erwerbsleben entgegen gewirkt werden (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 02.09.2004, B 7 AL 12/04 R unter Hinweis auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung). Gegen das Erwerbsverbot als Auflage zur Duldung hat die Klägerin nach Aktenlage keinen Widerspruch eingelegt, so dass diese Entscheidung bestandskräftig geworden ist. Den Antrag der Klägerin vom 16.08.2005 auf Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung lehnte die Stadt Paderborn mit Bescheid vom 02.09.2005 ab. Auch hiergegen hat die Klägerin keinen Widerspruch eingelegt. Für die Prüfung der Verfügbarkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld kommt es nur auf die fehlende tatsächliche Vollziehbarkeit der Auflage und das Vorhandensein der Arbeitsgenehmigung im Zeitpunkt der Beschäftigungssuche an (vgl. BSG, a.a.O.). Die Entscheidungen der Ausländerbehörde haben insoweit Tatbestandswirkung und sind von der Agentur für Arbeit und von den Sozialgerichten nicht mehr zu überprüfen (BSG, Urteil vom 09.08.1990, 7 RAr 120/89). Ein bestandskräftiger Aufenthaltstitel steht der Verfügbarkeit entgegen, wenn er von der Ausländerbehörde mit der Auflage erteilt worden ist, dass eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet ist (vgl. Steinmeier in Gagel, SGB III, § 119 Rz. 441). Der Arbeitsvermittlung steht nur derjenige zur Verfügung, wer im geltend gemachten Zeitraum aktuell eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt ausüben kann und darf (vgl. Brandt in Niesel, SGB III, 3. Auflage, § 119 Rz. 73). Diese Voraussetzung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur erfüllt, wenn der Arbeitslose "ohne Verzug" eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen in der Lage ist (vgl. BSG, Urteil vom 15.09.1994, 11 RAr 9/94). Dies traf für die Klägerin nicht zu. Ihr kommt auch nicht zugute, dass ein ausländischer Arbeitnehmer ohne gültige Arbeitserlaubnis als verfügbar angesehen wurde, wenn zu erwarten war, dass ihm bei einer Beschäftigungsmöglichkeit eine Arbeitserlaubnis erteilt wird (vgl. BSG, SozR 4100 § 19 Nr. 2; SozR 4100 § 103 Nr. 10). Eine solche Erwartung war im vorliegenden Fall unbegründet. Der Erteilung einer Arbeitserlaubnis stand die Auflage, die der bestandskräftigen Duldung beigefügt war, entgegen. Hiernach war eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Gegen die Auflage hat die Klägerin keine Rechtsmittel eingelegt. Sie konnte jederzeit vollzogen werden. Verfügbarkeit besteht in einem solchen Falle nicht mehr (vgl. BSG, Urteil vom 02.09.2004, B 7 AL 12/04 R).

Damit ist ab dem 06.08.2005 eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen eingetreten, die beim Erlass des Bewilligungsbescheides vom Januar 2005 vorgelegen haben. Die Beklagte war berechtigt, die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Nach Auffassung der Kammer kam es letztendlich nicht darauf an, ob die strengen Voraussetzungen, die das BSG in seiner Grundsatzentscheidung vom 27.01.1977 (7 RAr 63/76) zur Verschlossenheit des Arbeitsmarktes aufgestellt hat, hier vorliegen. Wie bereits ausgeführt, konnte die Klägerin nicht mit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung rechnen. Sie stand deshalb auch für die Zeit der Arbeitssuche nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, wie es von § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III gefordert wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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