Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 2462/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 369/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. September 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Zuerkennung des Nachteilsausgleich "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) streitig.
Bei der 1935 geborenen Klägerin stellte das frühere Versorgungsamt F. (VA) mit Neufeststellungsbescheid vom 26. Mai 1997 den Grad der Behinderung (GdB) seit 12. März 1997 mit 100 fest. Dieser Bewertung lagen die folgenden Funktionsbehinderungen zu Grunde: Asthma bronchiale, Allergie, Diabetes mellitus, Adipositas, Wirbelsäulenleiden, Osteoporose, Kniegelenksarthrose rechts, Polyneuropathie der Beine. Die mit dem zugrunde liegenden Neufeststellungsantrag gleichfalls geltend gemachte Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" lehnte das VA darüber hinaus ab. Bereits zuvor hatte das VA entsprechende Anträge der Klägerin mit Bescheiden vom 22. März 1988 und 2. Juni 1993 abgelehnt. Weitere Anträge auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" lehnte das VA in der Folgezeit mit Bescheiden vom 11. November 1998, 25. April 2001 und 15. Februar 2002 ab.
Am 3. März 2004 beantragte die Klägerin erneut die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG". In dem Antragsformular des VA gab sie an, sie sei in der Bewegung völlig beeinträchtigt und könne sich nicht mehr ohne "rollende Gehhilfe" fortbewegen. Sie machte die Verschlimmerung eines Leberkarzinoms geltend sowie als neu aufgetretene Gesundheitsstörungen Brüche im Oberbauch und in der Leiste, einen Anus praeter sowie eine Osteoporose. Das VA zog bei der Pflegekasse der AOK - Die Gesundheitskasse O. (AOK) das von der Ärztin S. unter dem 6. Mai 2002 aufgrund häuslicher Untersuchung vom selben Tag erstattete Pflegegutachten bei, von dem behandelnden Facharzt für Orthopädie Dr. D. verschiedene Arztbriefe sowie von der Reha-Klinik K., wo die Klägerin vom 24. Februar bis 16. März 2004 stationär behandelt worden war, den Entlassungsbericht vom 19. März 2004. Im Rahmen der sodann veranlassten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 7. April 2004 legte Dr. B. ihrer Beurteilung die nachfolgend genannten Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde: - Enddarmerkrankung, Anus praeter, funktionelle Reststörungen nach Verlust der Gallenblase, Lebererkrankung (in Heilungsbewährung) - Teil-GdB 100, - Bronchialasthma, Allergie - Teil-GdB 70 - Diabetes mellitus, Adipositas permagna - Teil-GdB 30 - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) - Teil-GdB 30 - Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks, Polyneuropathie - Teil-GdB 20 - Sehminderung - Teil-GdB 20 - Bauchnarbenbruch - Teil-GdB 10 Die Voraussetzungen für die Feststellung des geltend gemachten Nachteilsausgleichs sah sie nicht erfüllt.
Mit Bescheiden vom 21. April 2004 lehnte das VA zum einen den Antrag auf Neufeststellung der Klägerin mit der Begründung ab, ein Feststellungsinteresse für eine höhere Bewertung des GdB bestehe nicht, da bereits der höchstmögliche GdB mit 100 festgestellt sei; zum anderen lehnte es den Antrag auf Feststellung des Merkzeichens "aG" mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht den Personen gleichzustellen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen könnten, wie u.a. Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte. Gegen den am 22. April 2004 zur Post gegebenen Bescheid legte die Klägerin am 16. Juni 2004 mit der Begründung Widerspruch ein, sie sei in den letzten sechs Wochen erneut zweimal operiert worden und auf fremde Hilfe angewiesen. Sie gehe an Gehhilfen und mit Begleitung. Auf den Ablauf der Widerspruchsfrist hingewiesen, legte die Klägerin die handschriftliche Notiz des Dr. S., Chirurgische Ambulanz des Klinikums L., vom 23. Juni 2004 vor, wonach sie sich vom 3. bis 19. Mai 2004 und vom 27. Mai bis 8. Juni 2004 jeweils zu Notfalleingriffen in stationärer Behandlung befunden habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2004 wurde der Widerspruch mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht entsprochen werden, weil es der Klägerin sowohl vor der ersten Notfalleinlieferung am 3. Mai 2004 als auch in der Zeit zwischen den beiden stationären Aufenthalten möglich gewesen sei, eventuell auch formlos Widerspruch zu erheben.
Am 14. Juli 2004 erhob die Klägerin dagegen zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Sozialgericht Freiburg (SG) mit der Begründung Klage, die bei ihr festgestellten Behinderungen seien nicht ausreichend bewertet worden. Die Gewährung des Merkzeichens "aG" sei gerechtfertigt. Ihr sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie aufgrund zweier Klinikaufenthalte mit zwei Notoperationen nicht in der Lage gewesen sei, während der Widerspruchsfrist Widerspruch zu erheben. Gegen das vom SG erhobene Gutachten des Prof. Dr. W., Chefarzt der Medizinischen Klinik I im Klinikum O., erhoben die von der Klägerin sodann beauftragten Bevollmächtigten zahlreiche Einwendungen, insbesondere gegen dessen Beurteilung, ein schweres Bronchialasthma liege nicht vor. Diese Behinderung sei mit dem entsprechenden GdB zudem bindend festgestellt; eine Änderung der Verhältnisse lasse sich dem Gutachten nachvollziehbar entnehmen. Der Beklagte trat der Klage unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes und Vorlage seiner Verwaltungsakten sowie der versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. Franke vom 21. Dezember 2004 und des Medizinaldirektors D. vom 28. Juni 2005 entgegen. Das SG hörte den Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie Dr. S. unter dem 1. September 2004 und 9. März 2005, der von einer Ruhedyspnoe an der Mehrzahl der Tage eines Monats berichtete, Dr. D. unter dem 15. Februar 2005, Prof. Dr. M., Leitender Arzt in der Medizinischen Klinik im Klinikum L., unter dem 18. Februar 2005 sowie Prof. Dr. M., Chirurgische Klinik im Klinikum L., unter dem 8. März 2005 schriftlich als sachverständige Zeugen und erhob das Gutachten des Prof. Dr. W. vom 7. Februar 2006. Dieser sah die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin von internistischem Fachgebiet in erster Linie durch die Adipositas eingeschränkt und verneinte das Vorliegen des von Dr. S. angegebenen schwersten Asthma bronchiale. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege von internistischer Seite nicht vor. Mit Urteil vom 29. September 2006 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin sei weder von internistischer noch von orthopädischer Seite in einem für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" erforderlichen Ausmaß eingeschränkt. Das von Dr. S. angegebene schwerste Bronchialasthma, das an der Mehrzahl der Tage im Monat bereits zu einer Ruhedyspnoe führe, sei nicht feststellbar. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten der Klägerin am 29. Dezember 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 19. Januar 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung gewandt, mit der sie geltend macht, das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die schwerwiegenden Einschränkungen der Lungenfunktion nicht an der überwiegenden Mehrzahl der Tage eines Jahres vorhanden seien. Der Akte seien umfangreiche Feststellungen zur Schwere des Grades der Lungenfunktionseinschränkung zu entnehmen. Unabhängig davon, dass der Beklagte diese selbst bestandskräftig festgestellt habe, lägen Auskünfte des Klinikums L. und des behandelnden Arztes Dr. S. vor, die dies bestätigten. Das SG habe zwar zutreffend dargelegt, dass nicht auf die Wegstrecke abzustellen sei, die sie noch zu Fuß zurücklegen könne, gleichwohl argumentiere das SG aber gerade mit den Wegstreckenangaben des Prof. Dr. M. und der Dres. D. und S., um die außergewöhnliche Gehbehinderung aus orthopädischer Sicht zu verneinen. Dass sie die angegebenen Wegstrecken - wenn überhaupt - nur mit einem Rollator zurückzulegen vermöge, sei ein erster Anhaltspunkt dafür, dass sie diese nur unter großer Anstrengung bewältigen könne. Die Einschätzung des Dr. D. vom 15. Februar 2005 beruhe im Übrigen nicht auf ihrem aktuellen Gesundheitszustand, so wie er bei der mündlichen Verhandlung vor dem SG vorgelegen habe. Mittlerweile habe sie nämlich einen dritten Bandscheibenvorfall erlitten, und zwar im Bereich der Halswirbelsäule (HWS), der nicht operabel sei. Bedingt durch ihr Wirbelsäulenleiden habe sie insbesondere auch starke Schmerzen in den Armen und Schultern beim Gehen mit dem Gehwägelchen. Wohl mitverursacht durch die starke ausgeprägte Osteoporose habe sie sich zudem im Jahr 2006 bei einer Fahrt mit dem Bus in L. den 7. Brustwirbel gebrochen; ein Teil der Schmerzen rühre auch davon. Unzureichend berücksichtigt habe das SG im Übrigen die Adipositas permagna, wodurch die vorhandenen Beeinträchtigungen verstärkt würden, so die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks, das Wirbelsäulenleiden, der Schwielenulcus rechts, die starke Osteoporose sowie der Bauchnarbenbruch. Aufgrund dieser gesundheitlichen Situation sei sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Krankenkasse habe ihr einen elektrischen Rollstuhl bewilligt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. September 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2004 zu verurteilen, das Vorliegen der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und vertritt weiterhin die Auffassung, dass die bei der Klägerin vorliegenden und sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Beeinträchtigungen nicht den Ausprägungsgrad erreichten, der eine Gleichstellung mit dem Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten zuließe.
Der Senat hat beabsichtigt, die der Bewilligung des elektrischen Rollstuhls zu Grunde liegenden medizinischen Unterlagen beizuziehen und sich deshalb an die AOK gewandt, die mit Schreiben vom 26. April 2007 mitgeteilt hat, dass sie der Klägerin keinen elektrischen Rollstuhl zur Verfügung gestellt habe. Auf die an die Klägerin gerichtete Aufforderung, den Bewilligungsbescheid über die Gewährung des elektrischen Rollstuhls vorzulegen, hat diese mitgeteilt, der behandelnde Arzt Dr. E. habe einen solchen verschreiben wollen. Sie habe diese medizinische Hilfe bisher jedoch nicht angenommen, weil sie befürchte, dass der Rollstuhl dazu führe, dass sie das Laufen überhaupt nicht mehr trainiere. Derzeit werde eine Schmerztherapie durchgeführt, da bedingt durch die Osteoporose eine Operation im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule nicht möglich sei.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 16. Juli 2007 darauf hingewiesen worden, dass der Senat erwäge, über die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu entscheiden. Hierzu haben sich diese nicht geäußert.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "aG".
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung eine außergewöhnliche Gehbehinderung der Klägerin im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) verneint, weil die Klägerin den in Abschnitt II Nr. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) beispielhaft aufgeführten Personengruppen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können, mithin Querschnittgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten, Doppelunterschenkelamputierten, Hüftexartikulierten und einseitig Oberschenkelamputierten, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, nicht gleichzustellen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.
Zutreffend hat das SG auch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Ausgabe 2004 (AHP) herangezogen, die ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge darstellen und vom Senat deshalb in ständiger Rechtssprechung im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung herangezogen werden. Danach darf die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden (vgl. Nr. 31 Abs. 4 Satz 1). Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist dabei zu beachten, dass das Gehvermögen auf das schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt auch dann, wenn Gehbehinderte einen Rollstuhl benutzen. Es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde. Vielmehr muss der Betroffene ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil er sich sonst nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung fortbewegen kann (Sätze 2 und 3). Nach Satz 4 dieser Bestimmung sind als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades, wie unter Nr. 26.8 der AHP beschrieben, anzusehen.
Der Senat teilt die Auffassung des SG, wonach die Klägerin weder von internistischer noch von orthopädischer Seite in dem für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" erforderlichen schweren Ausmaß in ihrer Fortbewegungsmöglichkeit außerhalb ihres Kraftfahrzeugs eingeschränkt ist. Die oben aufgeführten Funktionsbeeinträchtigungen führen in ihrer Gesamtheit zwar zu einem GdB von 100, was die Schwere der gesamtgesundheitlichen Situation der Klägerin deutlich macht. Jedoch stehen dabei nicht die sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Gesundheitsstörungen im Vordergrund, weder von internistischer, noch von orthopädischer Seite.
So lässt sich bei der Klägerin auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. W. insbesondere keine Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades oder eine entsprechende Herzschädigung feststellen. Der Sachverständige vermochte anlässlich seiner Untersuchung im Sinne der Nr. 26.8 der AHP weder eine Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe zu objektivieren, noch bei der Lungenfunktionsprüfung statische oder dynamische Messwerte, die um mehr als 2/3 niedriger als die Sollwerte sind, oder eine respiratorische Globalinsuffizienz. Der Sachverständige beschreibt vielmehr Normalbefunde, die sich mit dem von Dr. S. in seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge angegebenen schwersten Bronchialasthma nicht in Einklang bringen lassen. Hinweise auf eine schwerste Beeinträchtigung der von Dr. S. beschriebenen Art finden sich auch nicht in den Ausführungen der gleichfalls als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte oder in den beigezogenen Arztbriefen bzw. aktenkundigen sonstigen Unterlagen. Lediglich im vorläufigen Arztbericht des Klinikums L. vom 26. Juni 2004 wird von einer stationären Aufnahme der Klägerin vom selben Tag unter der Diagnose einer Atemnot bei Asthma bronchiale berichtet; seinerzeit trat nach medikamentöser Behandlung jedoch rasch Beschwerdefreiheit ein, so dass die Klägerin noch am selben Tag wieder hat entlassen werden können. Prof. Dr. M. erwähnte in seiner Auskunft vom 18. Februar 2005 zwar ebenfalls ein Bronchialasthma, weshalb sich die Klägerin seit März 1997 bei infektbedingter Exazerbation wiederholt vorgestellt habe, über eine schwergradige Einschränkung der Lungenfunktion bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe berichtete er jedoch nicht. Lediglich die Klägerin hatte seinen Angaben zufolge anamnestisch über teils schwere Anfälle mehrmals pro Monat berichtet. Prof. Dr. M. aus dem Klinikum L., wo die Klägerin zuletzt am 28. Februar 2005 untersucht wurde, erwähnte im Rahmen seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge keinerlei Störung der Lungenfunktion und bezog in seine Beurteilung der Fortbewegungsfähigkeit der Klägerin lediglich die orthopädischen Beeinträchtigungen sowie die erhebliche Adipositas mit ein. Nach Auffassung des Senats wäre eine Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe anlässlich dieser Untersuchung, die auch die Bewegungsfähigkeit der unteren Extremitäten mit einschloss, aber sicher nicht unbeachtet geblieben. Zweifel an dem von Dr. S. beschriebenen schweren Ausmaß der Lungenfunktionsstörung ergeben sich für den Senat auch daraus, dass er für das Jahr 2003 zwar eine erhebliche Verschlechterung der kardiopulmonalen Gesamtsituation beschrieben hat, die sogar zu einer sofortigen Bewilligung der dann im Februar/März 2004 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme geführt habe, in dem entsprechenden Entlassungsbericht der Reha-Klinik K. vom 19. März 2004 diesbezüglich jedoch keinerlei Beeinträchtigungen beschrieben werden, ein Asthma bronchiale vielmehr lediglich als letzte Ziffer von neun Diagnosen mit dem Hinweis Erwähnung fand, zur Zeit beschwerdefrei. Auch vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht von der von Dr. S. angegebenen schweren Lungenfunktioneinschränkung an mehr als der Hälfte der Tage eines Monats auszugehen. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil sich die Klägerin lediglich in ca. vierwöchigem Abstand in seiner Praxis vorstellt, so dass die angegebene Häufigkeit der Ruhedyspnoe allein auf den Angaben der Klägerin beruhen kann.
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass der Beklagte bei der Bemessung des GdB das Bronchialasthma und die Allergie sogar selbst mit einem Teil-GdB von 70 bewertet habe, ist darauf hinzuweisen, dass die bei der Ermittlung des Gesamt-GdB zu Grunde gelegten Einzel-GdB nicht in Bindungswirkung erwachsen und daraus somit auch für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen für die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nichts hergeleitet werden kann.
Letztlich schränken auch die Funktionsbehinderungen von orthopädischer Seite, soweit sie sich auf die Gehfähigkeit auswirken, die Klägerin nicht so schwerwiegend in ihrer Fortbewegungsmöglichkeit ein, wie dies bei einem Doppeloberschenkelamputierten der Fall ist, so dass sich die Feststellung des geltend gemachten Nachteilsausgleichs auch damit nicht begründen lässt. Anlässlich ihrer Antragstellung hat die Klägerin selbst angegeben, sich noch mit dem Rollator fortbewegen zu können, was auch von Prof. Dr. M. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft bestätigt wurde.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren eine Verschlimmerung dahingehend geltend gemacht hat, dass nunmehr ein weiterer Bandscheibenvorfall eingetreten sei, handelt es sich, da insoweit die HWS betroffen ist, nicht um eine Erkrankung, die sich auf die Gehfähigkeit auswirkt. Entsprechendes gilt auch für den angegebenen Bruch des 7. Brustwirbels.
Entgegen den Darstellungen des Klägers im Rahmen der Berufungsbegründung wurde der Klägerin im Hinblick auf ihre Beeinträchtigung der Gehfähigkeit auch kein elektrischer Rollstuhl seitens ihrer Krankenkasse bewilligt. Dies hat die Klägerin, nachdem der Senat sich diesbezüglich an die AOK gewandt hat, nachträglich auch eingeräumt. Damit sind im Hinblick auf dieses Vorbringen, das der Senat zunächst als rechtserheblichen Gesichtspunkt gewertet hat, keine weiteren Ermittlungen angezeigt.
Da die Berufung der Klägerin nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Zuerkennung des Nachteilsausgleich "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) streitig.
Bei der 1935 geborenen Klägerin stellte das frühere Versorgungsamt F. (VA) mit Neufeststellungsbescheid vom 26. Mai 1997 den Grad der Behinderung (GdB) seit 12. März 1997 mit 100 fest. Dieser Bewertung lagen die folgenden Funktionsbehinderungen zu Grunde: Asthma bronchiale, Allergie, Diabetes mellitus, Adipositas, Wirbelsäulenleiden, Osteoporose, Kniegelenksarthrose rechts, Polyneuropathie der Beine. Die mit dem zugrunde liegenden Neufeststellungsantrag gleichfalls geltend gemachte Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" lehnte das VA darüber hinaus ab. Bereits zuvor hatte das VA entsprechende Anträge der Klägerin mit Bescheiden vom 22. März 1988 und 2. Juni 1993 abgelehnt. Weitere Anträge auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" lehnte das VA in der Folgezeit mit Bescheiden vom 11. November 1998, 25. April 2001 und 15. Februar 2002 ab.
Am 3. März 2004 beantragte die Klägerin erneut die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG". In dem Antragsformular des VA gab sie an, sie sei in der Bewegung völlig beeinträchtigt und könne sich nicht mehr ohne "rollende Gehhilfe" fortbewegen. Sie machte die Verschlimmerung eines Leberkarzinoms geltend sowie als neu aufgetretene Gesundheitsstörungen Brüche im Oberbauch und in der Leiste, einen Anus praeter sowie eine Osteoporose. Das VA zog bei der Pflegekasse der AOK - Die Gesundheitskasse O. (AOK) das von der Ärztin S. unter dem 6. Mai 2002 aufgrund häuslicher Untersuchung vom selben Tag erstattete Pflegegutachten bei, von dem behandelnden Facharzt für Orthopädie Dr. D. verschiedene Arztbriefe sowie von der Reha-Klinik K., wo die Klägerin vom 24. Februar bis 16. März 2004 stationär behandelt worden war, den Entlassungsbericht vom 19. März 2004. Im Rahmen der sodann veranlassten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 7. April 2004 legte Dr. B. ihrer Beurteilung die nachfolgend genannten Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde: - Enddarmerkrankung, Anus praeter, funktionelle Reststörungen nach Verlust der Gallenblase, Lebererkrankung (in Heilungsbewährung) - Teil-GdB 100, - Bronchialasthma, Allergie - Teil-GdB 70 - Diabetes mellitus, Adipositas permagna - Teil-GdB 30 - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) - Teil-GdB 30 - Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks, Polyneuropathie - Teil-GdB 20 - Sehminderung - Teil-GdB 20 - Bauchnarbenbruch - Teil-GdB 10 Die Voraussetzungen für die Feststellung des geltend gemachten Nachteilsausgleichs sah sie nicht erfüllt.
Mit Bescheiden vom 21. April 2004 lehnte das VA zum einen den Antrag auf Neufeststellung der Klägerin mit der Begründung ab, ein Feststellungsinteresse für eine höhere Bewertung des GdB bestehe nicht, da bereits der höchstmögliche GdB mit 100 festgestellt sei; zum anderen lehnte es den Antrag auf Feststellung des Merkzeichens "aG" mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht den Personen gleichzustellen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen könnten, wie u.a. Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte. Gegen den am 22. April 2004 zur Post gegebenen Bescheid legte die Klägerin am 16. Juni 2004 mit der Begründung Widerspruch ein, sie sei in den letzten sechs Wochen erneut zweimal operiert worden und auf fremde Hilfe angewiesen. Sie gehe an Gehhilfen und mit Begleitung. Auf den Ablauf der Widerspruchsfrist hingewiesen, legte die Klägerin die handschriftliche Notiz des Dr. S., Chirurgische Ambulanz des Klinikums L., vom 23. Juni 2004 vor, wonach sie sich vom 3. bis 19. Mai 2004 und vom 27. Mai bis 8. Juni 2004 jeweils zu Notfalleingriffen in stationärer Behandlung befunden habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2004 wurde der Widerspruch mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht entsprochen werden, weil es der Klägerin sowohl vor der ersten Notfalleinlieferung am 3. Mai 2004 als auch in der Zeit zwischen den beiden stationären Aufenthalten möglich gewesen sei, eventuell auch formlos Widerspruch zu erheben.
Am 14. Juli 2004 erhob die Klägerin dagegen zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Sozialgericht Freiburg (SG) mit der Begründung Klage, die bei ihr festgestellten Behinderungen seien nicht ausreichend bewertet worden. Die Gewährung des Merkzeichens "aG" sei gerechtfertigt. Ihr sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie aufgrund zweier Klinikaufenthalte mit zwei Notoperationen nicht in der Lage gewesen sei, während der Widerspruchsfrist Widerspruch zu erheben. Gegen das vom SG erhobene Gutachten des Prof. Dr. W., Chefarzt der Medizinischen Klinik I im Klinikum O., erhoben die von der Klägerin sodann beauftragten Bevollmächtigten zahlreiche Einwendungen, insbesondere gegen dessen Beurteilung, ein schweres Bronchialasthma liege nicht vor. Diese Behinderung sei mit dem entsprechenden GdB zudem bindend festgestellt; eine Änderung der Verhältnisse lasse sich dem Gutachten nachvollziehbar entnehmen. Der Beklagte trat der Klage unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes und Vorlage seiner Verwaltungsakten sowie der versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. Franke vom 21. Dezember 2004 und des Medizinaldirektors D. vom 28. Juni 2005 entgegen. Das SG hörte den Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie Dr. S. unter dem 1. September 2004 und 9. März 2005, der von einer Ruhedyspnoe an der Mehrzahl der Tage eines Monats berichtete, Dr. D. unter dem 15. Februar 2005, Prof. Dr. M., Leitender Arzt in der Medizinischen Klinik im Klinikum L., unter dem 18. Februar 2005 sowie Prof. Dr. M., Chirurgische Klinik im Klinikum L., unter dem 8. März 2005 schriftlich als sachverständige Zeugen und erhob das Gutachten des Prof. Dr. W. vom 7. Februar 2006. Dieser sah die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin von internistischem Fachgebiet in erster Linie durch die Adipositas eingeschränkt und verneinte das Vorliegen des von Dr. S. angegebenen schwersten Asthma bronchiale. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege von internistischer Seite nicht vor. Mit Urteil vom 29. September 2006 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin sei weder von internistischer noch von orthopädischer Seite in einem für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" erforderlichen Ausmaß eingeschränkt. Das von Dr. S. angegebene schwerste Bronchialasthma, das an der Mehrzahl der Tage im Monat bereits zu einer Ruhedyspnoe führe, sei nicht feststellbar. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten der Klägerin am 29. Dezember 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 19. Januar 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung gewandt, mit der sie geltend macht, das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die schwerwiegenden Einschränkungen der Lungenfunktion nicht an der überwiegenden Mehrzahl der Tage eines Jahres vorhanden seien. Der Akte seien umfangreiche Feststellungen zur Schwere des Grades der Lungenfunktionseinschränkung zu entnehmen. Unabhängig davon, dass der Beklagte diese selbst bestandskräftig festgestellt habe, lägen Auskünfte des Klinikums L. und des behandelnden Arztes Dr. S. vor, die dies bestätigten. Das SG habe zwar zutreffend dargelegt, dass nicht auf die Wegstrecke abzustellen sei, die sie noch zu Fuß zurücklegen könne, gleichwohl argumentiere das SG aber gerade mit den Wegstreckenangaben des Prof. Dr. M. und der Dres. D. und S., um die außergewöhnliche Gehbehinderung aus orthopädischer Sicht zu verneinen. Dass sie die angegebenen Wegstrecken - wenn überhaupt - nur mit einem Rollator zurückzulegen vermöge, sei ein erster Anhaltspunkt dafür, dass sie diese nur unter großer Anstrengung bewältigen könne. Die Einschätzung des Dr. D. vom 15. Februar 2005 beruhe im Übrigen nicht auf ihrem aktuellen Gesundheitszustand, so wie er bei der mündlichen Verhandlung vor dem SG vorgelegen habe. Mittlerweile habe sie nämlich einen dritten Bandscheibenvorfall erlitten, und zwar im Bereich der Halswirbelsäule (HWS), der nicht operabel sei. Bedingt durch ihr Wirbelsäulenleiden habe sie insbesondere auch starke Schmerzen in den Armen und Schultern beim Gehen mit dem Gehwägelchen. Wohl mitverursacht durch die starke ausgeprägte Osteoporose habe sie sich zudem im Jahr 2006 bei einer Fahrt mit dem Bus in L. den 7. Brustwirbel gebrochen; ein Teil der Schmerzen rühre auch davon. Unzureichend berücksichtigt habe das SG im Übrigen die Adipositas permagna, wodurch die vorhandenen Beeinträchtigungen verstärkt würden, so die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks, das Wirbelsäulenleiden, der Schwielenulcus rechts, die starke Osteoporose sowie der Bauchnarbenbruch. Aufgrund dieser gesundheitlichen Situation sei sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Krankenkasse habe ihr einen elektrischen Rollstuhl bewilligt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. September 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2004 zu verurteilen, das Vorliegen der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und vertritt weiterhin die Auffassung, dass die bei der Klägerin vorliegenden und sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Beeinträchtigungen nicht den Ausprägungsgrad erreichten, der eine Gleichstellung mit dem Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten zuließe.
Der Senat hat beabsichtigt, die der Bewilligung des elektrischen Rollstuhls zu Grunde liegenden medizinischen Unterlagen beizuziehen und sich deshalb an die AOK gewandt, die mit Schreiben vom 26. April 2007 mitgeteilt hat, dass sie der Klägerin keinen elektrischen Rollstuhl zur Verfügung gestellt habe. Auf die an die Klägerin gerichtete Aufforderung, den Bewilligungsbescheid über die Gewährung des elektrischen Rollstuhls vorzulegen, hat diese mitgeteilt, der behandelnde Arzt Dr. E. habe einen solchen verschreiben wollen. Sie habe diese medizinische Hilfe bisher jedoch nicht angenommen, weil sie befürchte, dass der Rollstuhl dazu führe, dass sie das Laufen überhaupt nicht mehr trainiere. Derzeit werde eine Schmerztherapie durchgeführt, da bedingt durch die Osteoporose eine Operation im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule nicht möglich sei.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 16. Juli 2007 darauf hingewiesen worden, dass der Senat erwäge, über die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu entscheiden. Hierzu haben sich diese nicht geäußert.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "aG".
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung eine außergewöhnliche Gehbehinderung der Klägerin im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) verneint, weil die Klägerin den in Abschnitt II Nr. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) beispielhaft aufgeführten Personengruppen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können, mithin Querschnittgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten, Doppelunterschenkelamputierten, Hüftexartikulierten und einseitig Oberschenkelamputierten, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, nicht gleichzustellen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.
Zutreffend hat das SG auch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Ausgabe 2004 (AHP) herangezogen, die ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge darstellen und vom Senat deshalb in ständiger Rechtssprechung im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung herangezogen werden. Danach darf die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden (vgl. Nr. 31 Abs. 4 Satz 1). Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist dabei zu beachten, dass das Gehvermögen auf das schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt auch dann, wenn Gehbehinderte einen Rollstuhl benutzen. Es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde. Vielmehr muss der Betroffene ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil er sich sonst nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung fortbewegen kann (Sätze 2 und 3). Nach Satz 4 dieser Bestimmung sind als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades, wie unter Nr. 26.8 der AHP beschrieben, anzusehen.
Der Senat teilt die Auffassung des SG, wonach die Klägerin weder von internistischer noch von orthopädischer Seite in dem für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" erforderlichen schweren Ausmaß in ihrer Fortbewegungsmöglichkeit außerhalb ihres Kraftfahrzeugs eingeschränkt ist. Die oben aufgeführten Funktionsbeeinträchtigungen führen in ihrer Gesamtheit zwar zu einem GdB von 100, was die Schwere der gesamtgesundheitlichen Situation der Klägerin deutlich macht. Jedoch stehen dabei nicht die sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Gesundheitsstörungen im Vordergrund, weder von internistischer, noch von orthopädischer Seite.
So lässt sich bei der Klägerin auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. W. insbesondere keine Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades oder eine entsprechende Herzschädigung feststellen. Der Sachverständige vermochte anlässlich seiner Untersuchung im Sinne der Nr. 26.8 der AHP weder eine Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe zu objektivieren, noch bei der Lungenfunktionsprüfung statische oder dynamische Messwerte, die um mehr als 2/3 niedriger als die Sollwerte sind, oder eine respiratorische Globalinsuffizienz. Der Sachverständige beschreibt vielmehr Normalbefunde, die sich mit dem von Dr. S. in seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge angegebenen schwersten Bronchialasthma nicht in Einklang bringen lassen. Hinweise auf eine schwerste Beeinträchtigung der von Dr. S. beschriebenen Art finden sich auch nicht in den Ausführungen der gleichfalls als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte oder in den beigezogenen Arztbriefen bzw. aktenkundigen sonstigen Unterlagen. Lediglich im vorläufigen Arztbericht des Klinikums L. vom 26. Juni 2004 wird von einer stationären Aufnahme der Klägerin vom selben Tag unter der Diagnose einer Atemnot bei Asthma bronchiale berichtet; seinerzeit trat nach medikamentöser Behandlung jedoch rasch Beschwerdefreiheit ein, so dass die Klägerin noch am selben Tag wieder hat entlassen werden können. Prof. Dr. M. erwähnte in seiner Auskunft vom 18. Februar 2005 zwar ebenfalls ein Bronchialasthma, weshalb sich die Klägerin seit März 1997 bei infektbedingter Exazerbation wiederholt vorgestellt habe, über eine schwergradige Einschränkung der Lungenfunktion bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe berichtete er jedoch nicht. Lediglich die Klägerin hatte seinen Angaben zufolge anamnestisch über teils schwere Anfälle mehrmals pro Monat berichtet. Prof. Dr. M. aus dem Klinikum L., wo die Klägerin zuletzt am 28. Februar 2005 untersucht wurde, erwähnte im Rahmen seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge keinerlei Störung der Lungenfunktion und bezog in seine Beurteilung der Fortbewegungsfähigkeit der Klägerin lediglich die orthopädischen Beeinträchtigungen sowie die erhebliche Adipositas mit ein. Nach Auffassung des Senats wäre eine Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe anlässlich dieser Untersuchung, die auch die Bewegungsfähigkeit der unteren Extremitäten mit einschloss, aber sicher nicht unbeachtet geblieben. Zweifel an dem von Dr. S. beschriebenen schweren Ausmaß der Lungenfunktionsstörung ergeben sich für den Senat auch daraus, dass er für das Jahr 2003 zwar eine erhebliche Verschlechterung der kardiopulmonalen Gesamtsituation beschrieben hat, die sogar zu einer sofortigen Bewilligung der dann im Februar/März 2004 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme geführt habe, in dem entsprechenden Entlassungsbericht der Reha-Klinik K. vom 19. März 2004 diesbezüglich jedoch keinerlei Beeinträchtigungen beschrieben werden, ein Asthma bronchiale vielmehr lediglich als letzte Ziffer von neun Diagnosen mit dem Hinweis Erwähnung fand, zur Zeit beschwerdefrei. Auch vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht von der von Dr. S. angegebenen schweren Lungenfunktioneinschränkung an mehr als der Hälfte der Tage eines Monats auszugehen. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil sich die Klägerin lediglich in ca. vierwöchigem Abstand in seiner Praxis vorstellt, so dass die angegebene Häufigkeit der Ruhedyspnoe allein auf den Angaben der Klägerin beruhen kann.
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass der Beklagte bei der Bemessung des GdB das Bronchialasthma und die Allergie sogar selbst mit einem Teil-GdB von 70 bewertet habe, ist darauf hinzuweisen, dass die bei der Ermittlung des Gesamt-GdB zu Grunde gelegten Einzel-GdB nicht in Bindungswirkung erwachsen und daraus somit auch für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen für die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nichts hergeleitet werden kann.
Letztlich schränken auch die Funktionsbehinderungen von orthopädischer Seite, soweit sie sich auf die Gehfähigkeit auswirken, die Klägerin nicht so schwerwiegend in ihrer Fortbewegungsmöglichkeit ein, wie dies bei einem Doppeloberschenkelamputierten der Fall ist, so dass sich die Feststellung des geltend gemachten Nachteilsausgleichs auch damit nicht begründen lässt. Anlässlich ihrer Antragstellung hat die Klägerin selbst angegeben, sich noch mit dem Rollator fortbewegen zu können, was auch von Prof. Dr. M. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft bestätigt wurde.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren eine Verschlimmerung dahingehend geltend gemacht hat, dass nunmehr ein weiterer Bandscheibenvorfall eingetreten sei, handelt es sich, da insoweit die HWS betroffen ist, nicht um eine Erkrankung, die sich auf die Gehfähigkeit auswirkt. Entsprechendes gilt auch für den angegebenen Bruch des 7. Brustwirbels.
Entgegen den Darstellungen des Klägers im Rahmen der Berufungsbegründung wurde der Klägerin im Hinblick auf ihre Beeinträchtigung der Gehfähigkeit auch kein elektrischer Rollstuhl seitens ihrer Krankenkasse bewilligt. Dies hat die Klägerin, nachdem der Senat sich diesbezüglich an die AOK gewandt hat, nachträglich auch eingeräumt. Damit sind im Hinblick auf dieses Vorbringen, das der Senat zunächst als rechtserheblichen Gesichtspunkt gewertet hat, keine weiteren Ermittlungen angezeigt.
Da die Berufung der Klägerin nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
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