Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AY 3/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 13/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 03.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2005 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 01.02.2005 bis zum 31.12.2005 Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Kläger beanspruchen Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG).
Die Kläger stammen nach eigenen Angaben aus Aserbaidschan. Sie reisten am 15.10.1999 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 19.10.1999 Asylanträge. Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gaben sie an, bis 1989 in Aserbaidschan gelebt zu haben und Ende 1989 nach Moskau gezogen zu sein, wo der Kläger zu 1) als Blumenverkäufer gearbeitet habe. Nachdem sie dort aufgrund ihrer kaukasischen Herkunft Probleme bekommen hätten, seien sie im Oktober 1999 mit dem Flugzeug zurück nach Baku gereist. Die vorhandenen Identitätspapiere habe man während der Reise auf der Flugzeugtoilette vernichtet. Von Baku aus seien sie mit gefälschten Reisedokumenten mit einem Bus über Georgien in die Türkei gefahren. Danach habe man eine bestimmte Wegstrecke mit dem Schiff zurückgelegt und sei schließlich mit einem Bus über Österreich nach Deutschland eingereist. Mit Bescheid vom 15.11.1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Asylanträge als unbegründet ab. Gegen diesen Bescheid gerichtete Rechtsmittel blieben erfolglos. Den Klägern wurden wegen fehlender Heimreisedokumente fortlaufend befristete Duldungen erteilt. Die Kläger erhielten seit 1999 Leistungen nach § 3 AsylbLG. Im November 2001 erhielt die Beklagte eine telefonische Mitteilung, wonach die Kläger ausreisepflichtig seien, jedoch keine Pässe hätten und auch keine Passersatzpapiere (PEP) beantragen wollten. Bei einer Anhörung am 05.10.2001 hätten sie angegeben, einen Asylfolgeantrag stellen zu wollen. Mit Bescheid vom 26.11.2001 kürzte die Beklagte die Leistungen nach § 1 a AsylbLG. Nachdem der dagegen erhobene Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2002 als unbegründet zurückgewiesen wurde, haben die Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Minden erhoben. Das Gericht hob die Bescheide mit Urteil vom 02.07.2004 (AZ 10 K 826/02) auf. Auf das Urteil wird Bezug genommen. Am 04.04.2002 unterschrieben die Kläger einen Antrag an die aserbaidschanische Botschaft auf Ausstellung von PEP. Die Botschaft teilte daraufhin mit, eine Identifizierung der Kläger sei nicht möglich. Im April 2003 wurde erneut ein PEP Verfahren eingeleitet, ein Ergebnis liegt bislang nicht vor. Der Kläger zu 1) überreichte seinen russischen Führerschein, sowie die Geburtsurkunde seines Sohnes und behauptet die Echtheit dieser Dokumente. Die Beklagte bat die zentrale Ausländerbehörde, die Geburtsurkunde zu überprüfen. Der Kläger zu 1) verstieß mehrere Male gegen die räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung.
Den Antrag der Kläger aus Februar 2005 auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.05.2005 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Ausreise und auch die Abschiebung der Kläger sei aus Gründen nicht möglich, die sie selbst zu vertreten hätten. Sie seien nicht im Besitz ihrer Pässe, weil sie diese weggeworfen hätten. Die Ausstellung von PEP sei nicht möglich, da auf Grund falscher Angaben die Identität nicht habe festgestellt werden können. Damit liege eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts vor.
Ab dem Monat Mai 2005 kürzte die Beklagte die Leistungen nach §1 a AsylbLG.
Mit ihrem gegen den Bescheid vom 03.05.2005 einlegten Widerspruch machten die Kläger geltend, die Beklagte habe zu beweisen, dass sie falsche Angaben zur Identität gemacht hätten. Ohne Beweis sei eine derartige Behauptung üble Nachrede. Sie seien wegen diverser Schwierigkeiten von Moskau nach Aserbaidschan zurück gekehrt. Aus den Passunterlagen der Klägerin zu 2) habe sich ihre armenische Herkunft ergeben, daher seien die Papiere bei der Wiedereinreise vernichtet worden. Die Passkontrollen seien durch Bestechung umgangen worden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2005 als unbegründet zurück: die Kläger hätten sich in die Bundesrepublik begeben, ohne im Besitz der erforderlichen Einreisedokumente zu sein und ohne dass asylrelevante Gründe vorgelegen hätten. Sie seien auf ihrer Reise nach Deutschland mit einem Bus durch Österreich gefahren und hätten sich dort bereits in einem sicheren Staat befunden, die Weiterreise nach Deutschland sei nicht notwendig gewesen, um Asyl beantragen zu können. Das Verwaltungsgericht Minden habe in seiner Entscheidung vom 02.07.2004 ausdrücklich die Einschätzung des Bundesamtes und der Beklagten bestätigt, dass die Kläger nicht einmal ansatzweise ein asylrelvantes Verfolgungsschicksal dargelegt hätten. Pässe seien gezielt vernichtet und neue beschafft worden. Sie seien damit bewusst illegal nach Deutschland eingereist. Ihre Ausreise oder Abschiebung sei wegen des Fehlens der Pässe nicht möglich gewesen und sie hätten geduldet werden müssen. Schon allein aus diesen Gründen hätten sie die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst und den Leistungsanspruch nach § 2 AsylbLG verwirkt. In der Anhörung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 05.10.2001 hätten sie mitgeteilt, dass sie trotz ihrer Ausreiseverpflichtung nicht bereits seien, Deutschland zu verlassen und angekündigt, einen Asylfolgeantrag stellen zu wollen. Durch die Ankündigung hätten sie das Ausreisegeschehen hinausgezögert, den Asylfolgeantrag letztlich aber nicht gestellt. Durch verschiedene nachgewiesene Diebstahlsdeklikte habe der Kläger zu 1) sich bzw. seine Familie bereichert, um den Aufenthalt angenehmer zu gestalten. Der Kläger zu 1) habe mehrfach gegen Bestimmungen des Ausländergesetzes verstoßen in dem er sich nicht an die räumliche Beschränkung seiner Duldung gehalten habe.
Die Kläger haben am 11.01.2006 Klage erhoben und tragen im Wesentlichen vor, es sei davon auszugehen, dass sie gar keine Staatsangehörigkeit mehr hätten. Es liege daher nicht in ihrem Verantwortungsbereich, wenn eine Botschaft keine Pass – oder Passersatzpapiere ausstelle. Der Kläger zu 1) habe einen gültigen Führerschein vorgelegt, aus dem sich seine Identität eindeutig ergebe, sowie die Geburtsurkunde seines Sohnes. Zu einer Anklage oder einem Gerichtsverfahren sei es bislang nicht gekommen, nach dem die Beklagte die Staatsanwaltschaft Bielefeld um Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gebeten habe. Die dort u.a. behauptete Identitätstäuschung sei also nicht haltbar.
Die Kläger beantragen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2005 zu verurteilen, ihnen für die Zeit von Februar 2005 bis einschließlich Dezember 2005 Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen
und verweist zur Begründung auf den Bescheid vom 03.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2005. Weiter trägt sie vor, es komme schon deshalb eine Gewährung erhöhter Leistungen nicht in Betracht, weil an Stelle der Regelleistungen nur die unabweisbar notwendigen Leistungen gewährt würden. Die Vernichtung des Passes oder die Angabe einer falschen Identität stelle eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Leistungs- und Ausländerakten der Beklagten und auf die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kläger sind durch den Bescheid der Beklagten vom 03.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2005 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Bescheide sind rechtswidrig. Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG.
Der Entscheidungszeitraum des Gerichts beschränkt sich hier auf die Zeit bis zum Ende des Monates der Erteilung des Widerspruchsbescheides (BVerwG, Urteil vom 30.04.1992, NvwZ 1993, 995) und entspricht dem Antrag der Kläger.
Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
Die Kläger erfüllen den von § 2 Abs. 1 AsylbLG vorausgesetzten Leistungszeitraum von 36 Monaten. Sie erhalten bereits seit 1999 Leistungen nach § 3 AsylbLG. Der Bescheid der Beklagten vom 26.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2002 mit welchem sie die Leistungen nach § 1 a AsylbLG gekürzt hat, ist durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 02.07.2004 (AZ 10 K 826/02) aufgehoben worden. Die Erfüllung des Leistungszeitraumes ist im übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Nach Auffassung der Kammer haben die Kläger die Dauer ihres Aufenthalts auch nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist auszugehen, wenn ein in der Ausübung eines subjektiven Rechts bestehendes oder darauf bezogenes, von der Rechtsordnung missbilligtes subjektiv vorwerfbares Verhalten eines Ausländers vorliegt, welches ursächlich für seinen tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet war oder ist (vgl. dazu: GK Kommentar Band III § 2 Rn. 87 m.w.N.). Selbst wenn man darin, dass die Kläger, wie von ihnen vorgetragen, ihre Pässe während der Reise auf der Flugzeugtoilette vernichtet haben, ein von der Rechtsordnung missbilligtes subjektiv vorwerfbares Verhalten sehen mag, so mangelt es an der Kausalität. Die Vernichtung der Pässe erfolgte zur Überzeugung der Kammer nicht, um den Aufenthalt in Deutschland zu verlängern, sondern vielmehr deshalb, um überhaupt nach Deutschland (ein-)reisen zu können. Zwar ist davon auszugehen, wie die Beklagte richtig ausführt, dass die Kläger in den von ihnen betriebenen Asylverfahren nicht einmal ansatzweise ein asylrelevantes Verfolgungsschicksal dargelegt haben. Sie haben aber im Asylverfahren angegeben, dass sie in Moskau aufgrund ihrer kaukasischen Herkunft Probleme bekommen haben und daher nach Deutschland geflohen sind. Andere Beweggründe sind weder ersichtlich noch nachgewiesen. Die Beweislast obliegt insoweit der Beklagten (a.a.O. § 1 a Rn. 81). Auch das Verwaltungsgericht Minden hat in seinem Urteil vom 02.07.2004 (AZ 10 K 826/02) diesbezüglich gewichtige Zweifel am Vorliegen einer leistungsmissbräuchlichen Einreiseabsicht geäußert.
Dass die Ausstellung von PEP bislang, wie die Beklagte behauptet, allein darauf zurückzuführen ist, dass falsche Angaben zur Identität gemacht wurden, ist nicht ersichtlich. Zwar hat die aserbaidschanische Botschaft auf den unter dem 04.04.2002 gestellten Passersatzpapierantrag hin mitgeteilt, dass eine Identifizierung der Kläger nicht möglich ist. Ob dies auf falsche Angaben zurückzuführen ist oder man davon ausgehen muss, dass die Kläger gar keine Staatsangehörigkeit mehr haben, steht nicht fest. Von einer Identitätstäuschung ist auszugehen, wenn der Leistungsempfänger falsche Tatsachen vorspiegelt oder wahre Umstände gezielte unterdrückt. Dies ist den Klägern nicht nachzuweisen. Sie haben sowohl den Passersatzpapierantrag ausgefüllt und unterschrieben, als auch den Führerschein des Klägers zu 1) und die Geburtsurkunde des Sohnes vorgelegt. Dass die Ausländerbehörde die Echtheit dieser Dokumente noch nicht überprüft hat, ist den Klägern ebenso wenig anzulasten wie die Tatsache, dass ein Ergebnis des im April 2003 eingeleiteten PEP Verfahrens bislang nicht vorliegt.
Der mehrmalige Verstoß gegen die räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung stellt ebenso wenig ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 AsylbLG dar, wie der Vorwurf der Beklagten, der Kläger zu 1) habe durch verschiedene Diebstahlsdeklikte sich bzw. seine Familie bereichert. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es allein darauf an, dass das vorwerfbare Verhalten gerade auf die Verlängerung der Aufenthaltsdauer gerichtet ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der Klägers zu 1) dies mit seinem Verhalten bezweckt hat. Sanktioniert wird sein Verhalten nicht aufgrund leistungsrechtlicher Vorschriften, sondern ggf. nach dem Strafgesetzbuch oder den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes.
Soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen keine Änderung eintritt, bzw. eingetreten ist, geht die Kammer davon aus, dass den Klägern auch über den Entscheidungszeitraum hinaus Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Kläger beanspruchen Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG).
Die Kläger stammen nach eigenen Angaben aus Aserbaidschan. Sie reisten am 15.10.1999 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 19.10.1999 Asylanträge. Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gaben sie an, bis 1989 in Aserbaidschan gelebt zu haben und Ende 1989 nach Moskau gezogen zu sein, wo der Kläger zu 1) als Blumenverkäufer gearbeitet habe. Nachdem sie dort aufgrund ihrer kaukasischen Herkunft Probleme bekommen hätten, seien sie im Oktober 1999 mit dem Flugzeug zurück nach Baku gereist. Die vorhandenen Identitätspapiere habe man während der Reise auf der Flugzeugtoilette vernichtet. Von Baku aus seien sie mit gefälschten Reisedokumenten mit einem Bus über Georgien in die Türkei gefahren. Danach habe man eine bestimmte Wegstrecke mit dem Schiff zurückgelegt und sei schließlich mit einem Bus über Österreich nach Deutschland eingereist. Mit Bescheid vom 15.11.1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Asylanträge als unbegründet ab. Gegen diesen Bescheid gerichtete Rechtsmittel blieben erfolglos. Den Klägern wurden wegen fehlender Heimreisedokumente fortlaufend befristete Duldungen erteilt. Die Kläger erhielten seit 1999 Leistungen nach § 3 AsylbLG. Im November 2001 erhielt die Beklagte eine telefonische Mitteilung, wonach die Kläger ausreisepflichtig seien, jedoch keine Pässe hätten und auch keine Passersatzpapiere (PEP) beantragen wollten. Bei einer Anhörung am 05.10.2001 hätten sie angegeben, einen Asylfolgeantrag stellen zu wollen. Mit Bescheid vom 26.11.2001 kürzte die Beklagte die Leistungen nach § 1 a AsylbLG. Nachdem der dagegen erhobene Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2002 als unbegründet zurückgewiesen wurde, haben die Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Minden erhoben. Das Gericht hob die Bescheide mit Urteil vom 02.07.2004 (AZ 10 K 826/02) auf. Auf das Urteil wird Bezug genommen. Am 04.04.2002 unterschrieben die Kläger einen Antrag an die aserbaidschanische Botschaft auf Ausstellung von PEP. Die Botschaft teilte daraufhin mit, eine Identifizierung der Kläger sei nicht möglich. Im April 2003 wurde erneut ein PEP Verfahren eingeleitet, ein Ergebnis liegt bislang nicht vor. Der Kläger zu 1) überreichte seinen russischen Führerschein, sowie die Geburtsurkunde seines Sohnes und behauptet die Echtheit dieser Dokumente. Die Beklagte bat die zentrale Ausländerbehörde, die Geburtsurkunde zu überprüfen. Der Kläger zu 1) verstieß mehrere Male gegen die räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung.
Den Antrag der Kläger aus Februar 2005 auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.05.2005 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Ausreise und auch die Abschiebung der Kläger sei aus Gründen nicht möglich, die sie selbst zu vertreten hätten. Sie seien nicht im Besitz ihrer Pässe, weil sie diese weggeworfen hätten. Die Ausstellung von PEP sei nicht möglich, da auf Grund falscher Angaben die Identität nicht habe festgestellt werden können. Damit liege eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts vor.
Ab dem Monat Mai 2005 kürzte die Beklagte die Leistungen nach §1 a AsylbLG.
Mit ihrem gegen den Bescheid vom 03.05.2005 einlegten Widerspruch machten die Kläger geltend, die Beklagte habe zu beweisen, dass sie falsche Angaben zur Identität gemacht hätten. Ohne Beweis sei eine derartige Behauptung üble Nachrede. Sie seien wegen diverser Schwierigkeiten von Moskau nach Aserbaidschan zurück gekehrt. Aus den Passunterlagen der Klägerin zu 2) habe sich ihre armenische Herkunft ergeben, daher seien die Papiere bei der Wiedereinreise vernichtet worden. Die Passkontrollen seien durch Bestechung umgangen worden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2005 als unbegründet zurück: die Kläger hätten sich in die Bundesrepublik begeben, ohne im Besitz der erforderlichen Einreisedokumente zu sein und ohne dass asylrelevante Gründe vorgelegen hätten. Sie seien auf ihrer Reise nach Deutschland mit einem Bus durch Österreich gefahren und hätten sich dort bereits in einem sicheren Staat befunden, die Weiterreise nach Deutschland sei nicht notwendig gewesen, um Asyl beantragen zu können. Das Verwaltungsgericht Minden habe in seiner Entscheidung vom 02.07.2004 ausdrücklich die Einschätzung des Bundesamtes und der Beklagten bestätigt, dass die Kläger nicht einmal ansatzweise ein asylrelvantes Verfolgungsschicksal dargelegt hätten. Pässe seien gezielt vernichtet und neue beschafft worden. Sie seien damit bewusst illegal nach Deutschland eingereist. Ihre Ausreise oder Abschiebung sei wegen des Fehlens der Pässe nicht möglich gewesen und sie hätten geduldet werden müssen. Schon allein aus diesen Gründen hätten sie die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst und den Leistungsanspruch nach § 2 AsylbLG verwirkt. In der Anhörung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 05.10.2001 hätten sie mitgeteilt, dass sie trotz ihrer Ausreiseverpflichtung nicht bereits seien, Deutschland zu verlassen und angekündigt, einen Asylfolgeantrag stellen zu wollen. Durch die Ankündigung hätten sie das Ausreisegeschehen hinausgezögert, den Asylfolgeantrag letztlich aber nicht gestellt. Durch verschiedene nachgewiesene Diebstahlsdeklikte habe der Kläger zu 1) sich bzw. seine Familie bereichert, um den Aufenthalt angenehmer zu gestalten. Der Kläger zu 1) habe mehrfach gegen Bestimmungen des Ausländergesetzes verstoßen in dem er sich nicht an die räumliche Beschränkung seiner Duldung gehalten habe.
Die Kläger haben am 11.01.2006 Klage erhoben und tragen im Wesentlichen vor, es sei davon auszugehen, dass sie gar keine Staatsangehörigkeit mehr hätten. Es liege daher nicht in ihrem Verantwortungsbereich, wenn eine Botschaft keine Pass – oder Passersatzpapiere ausstelle. Der Kläger zu 1) habe einen gültigen Führerschein vorgelegt, aus dem sich seine Identität eindeutig ergebe, sowie die Geburtsurkunde seines Sohnes. Zu einer Anklage oder einem Gerichtsverfahren sei es bislang nicht gekommen, nach dem die Beklagte die Staatsanwaltschaft Bielefeld um Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gebeten habe. Die dort u.a. behauptete Identitätstäuschung sei also nicht haltbar.
Die Kläger beantragen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2005 zu verurteilen, ihnen für die Zeit von Februar 2005 bis einschließlich Dezember 2005 Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen
und verweist zur Begründung auf den Bescheid vom 03.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2005. Weiter trägt sie vor, es komme schon deshalb eine Gewährung erhöhter Leistungen nicht in Betracht, weil an Stelle der Regelleistungen nur die unabweisbar notwendigen Leistungen gewährt würden. Die Vernichtung des Passes oder die Angabe einer falschen Identität stelle eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Leistungs- und Ausländerakten der Beklagten und auf die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kläger sind durch den Bescheid der Beklagten vom 03.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2005 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Bescheide sind rechtswidrig. Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG.
Der Entscheidungszeitraum des Gerichts beschränkt sich hier auf die Zeit bis zum Ende des Monates der Erteilung des Widerspruchsbescheides (BVerwG, Urteil vom 30.04.1992, NvwZ 1993, 995) und entspricht dem Antrag der Kläger.
Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
Die Kläger erfüllen den von § 2 Abs. 1 AsylbLG vorausgesetzten Leistungszeitraum von 36 Monaten. Sie erhalten bereits seit 1999 Leistungen nach § 3 AsylbLG. Der Bescheid der Beklagten vom 26.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2002 mit welchem sie die Leistungen nach § 1 a AsylbLG gekürzt hat, ist durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 02.07.2004 (AZ 10 K 826/02) aufgehoben worden. Die Erfüllung des Leistungszeitraumes ist im übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Nach Auffassung der Kammer haben die Kläger die Dauer ihres Aufenthalts auch nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist auszugehen, wenn ein in der Ausübung eines subjektiven Rechts bestehendes oder darauf bezogenes, von der Rechtsordnung missbilligtes subjektiv vorwerfbares Verhalten eines Ausländers vorliegt, welches ursächlich für seinen tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet war oder ist (vgl. dazu: GK Kommentar Band III § 2 Rn. 87 m.w.N.). Selbst wenn man darin, dass die Kläger, wie von ihnen vorgetragen, ihre Pässe während der Reise auf der Flugzeugtoilette vernichtet haben, ein von der Rechtsordnung missbilligtes subjektiv vorwerfbares Verhalten sehen mag, so mangelt es an der Kausalität. Die Vernichtung der Pässe erfolgte zur Überzeugung der Kammer nicht, um den Aufenthalt in Deutschland zu verlängern, sondern vielmehr deshalb, um überhaupt nach Deutschland (ein-)reisen zu können. Zwar ist davon auszugehen, wie die Beklagte richtig ausführt, dass die Kläger in den von ihnen betriebenen Asylverfahren nicht einmal ansatzweise ein asylrelevantes Verfolgungsschicksal dargelegt haben. Sie haben aber im Asylverfahren angegeben, dass sie in Moskau aufgrund ihrer kaukasischen Herkunft Probleme bekommen haben und daher nach Deutschland geflohen sind. Andere Beweggründe sind weder ersichtlich noch nachgewiesen. Die Beweislast obliegt insoweit der Beklagten (a.a.O. § 1 a Rn. 81). Auch das Verwaltungsgericht Minden hat in seinem Urteil vom 02.07.2004 (AZ 10 K 826/02) diesbezüglich gewichtige Zweifel am Vorliegen einer leistungsmissbräuchlichen Einreiseabsicht geäußert.
Dass die Ausstellung von PEP bislang, wie die Beklagte behauptet, allein darauf zurückzuführen ist, dass falsche Angaben zur Identität gemacht wurden, ist nicht ersichtlich. Zwar hat die aserbaidschanische Botschaft auf den unter dem 04.04.2002 gestellten Passersatzpapierantrag hin mitgeteilt, dass eine Identifizierung der Kläger nicht möglich ist. Ob dies auf falsche Angaben zurückzuführen ist oder man davon ausgehen muss, dass die Kläger gar keine Staatsangehörigkeit mehr haben, steht nicht fest. Von einer Identitätstäuschung ist auszugehen, wenn der Leistungsempfänger falsche Tatsachen vorspiegelt oder wahre Umstände gezielte unterdrückt. Dies ist den Klägern nicht nachzuweisen. Sie haben sowohl den Passersatzpapierantrag ausgefüllt und unterschrieben, als auch den Führerschein des Klägers zu 1) und die Geburtsurkunde des Sohnes vorgelegt. Dass die Ausländerbehörde die Echtheit dieser Dokumente noch nicht überprüft hat, ist den Klägern ebenso wenig anzulasten wie die Tatsache, dass ein Ergebnis des im April 2003 eingeleiteten PEP Verfahrens bislang nicht vorliegt.
Der mehrmalige Verstoß gegen die räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung stellt ebenso wenig ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 AsylbLG dar, wie der Vorwurf der Beklagten, der Kläger zu 1) habe durch verschiedene Diebstahlsdeklikte sich bzw. seine Familie bereichert. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es allein darauf an, dass das vorwerfbare Verhalten gerade auf die Verlängerung der Aufenthaltsdauer gerichtet ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der Klägers zu 1) dies mit seinem Verhalten bezweckt hat. Sanktioniert wird sein Verhalten nicht aufgrund leistungsrechtlicher Vorschriften, sondern ggf. nach dem Strafgesetzbuch oder den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes.
Soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen keine Änderung eintritt, bzw. eingetreten ist, geht die Kammer davon aus, dass den Klägern auch über den Entscheidungszeitraum hinaus Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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