S 11 R 188/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 11 R 188/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 R 142/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Altersrente streitig und zwar insbesondere unter Berücksichtigung von Versicherungszeiten von August 1941 bis April 1943 nach Maßgabe des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).

Der am 00.00.1922 in T/Polen geborene Kläger ist jüdischer Abstammung. Er war nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, weshalb er als Verfolgter im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt worden ist und Leistungen nach diesem Gesetz erhalten hat (Feststellungsbescheid C vom 31.07.1964). Nach der Befreiung im April 1944 hielt sich der Kläger zunächst in Ostgalizien (Polen) und ab 1946 in Deutschland auf, von wo aus er 1947 nach Israel auswanderte. Der Kläger lebt seither dort und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.

Am 21.05.2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Hinweis auf das ZRBG. Er machte dabei Beschäftigungszeiten im Ghetto Tluste von August 1941 bis April 1943 geltend. Er habe dort beim Straßenbau gearbeitet und schwere Arbeiten (wie Graben) geleistet. Er sei am Weg zur Arbeit bewacht worden. Die Tätigkeit habe er freiwillig aufgenommen, durch eigenes Bemühen durch den Judenrat. Entlohnt worden sei er mit wenig Geld und auch mit Lebensmittelkarten. Die Beklagte zog daraufhin die Entschädigungsakten des Klägers bei und wertete diese aus. Im Entschädigungsverfahren hatte der Kläger in einer eigenen Erklärung vom 20.10.1965 angegeben, dass er mit ca. 18 Jahren den antijüdischen Maßnahmen ausgesetzt gewesen sei. Er habe während seines Aufenthaltes im Ghetto Tluste Zwangsarbeit leisten müssen und zwar beim Straßenbau Tluste - Zaleszczyki. Er habe 10 bis 12 Stunden täglich gearbeitet bei unzureichender Verpflegung und sei sehr oft von den Aufsehern geschlagen worden, da er der schweren Arbeit nicht nachkommen konnte. Während der Herbst- und Winterzeit habe er in dünner Bekleidung ohne Schuhwerk sehr oft im strömenden Regen und bei Schneefall gearbeitet. Die Zeugin O hatte im Entschädigungsverfahren des Klägers in ihrer Erklärung vom 18.11.1962 angegeben, dass sie gemeinsam mit dem Kläger im Ghetto Tluste zu Zwangsarbeiten herangezogen worden sei, für welche sie nicht entlohnt worden seien. Der Aufenthalt des Klägers im Ghetto Tluste ab August 1941 und die Verrichtung von Zwangsarbeiten ist ebenfalls im Entschädigungsverfahren bestätigt worden durch den Zeugen S in seiner Erklärung vom 18.11.1962.

Mit Bescheid vom 26.07.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach Maßgabe des ZRBG ab. Sie führte zur Begründung aus, dass eine entgeltliche Beschäftigung in einem Ghetto nur dann vorliege, wenn hierfür im wesentlichen Umfang Entgelt gewährt worden sei. Dabei müsse das Entgelt nicht eine angemessene Gegenleistung darstellen, aber über das zum persönlichen Bedarf oder Überleben des Einzelnen und gegebenenfalls seiner Familie Notwendige hinausgehen. Nach den Angaben des Klägers im damaligen Entschädigungsverfahren habe er verschiedene Zwangsarbeiten verrichten müssen, für die er nicht entlohnt worden ist. Die geltend gemachte Beschäftigung könne somit nicht nach den Vorschriften des ZRBG berücksichtigt werden.

Der Kläger erhob dagegen unter dem 04.08.2004 Widerspruch. Er machte geltend, dass im Entschädigungsverfahren zwar von Zwangsarbeit die Rede gewesen sei, aber er habe im Ghetto gegen Entgelt, wenn auch ein geringes, gearbeitet habe. Dem Widerspruch des Klägers gab die Beklagte nicht statt, sondern wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2005 zurück. Wegen der Gründe wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen (Blatt 42 bis Blatt 44 der Verwaltungsakten).

Der Kläger hat dagegen am 27.05.2005 Klage erhoben und zur Begründung in einer eigenen eidesstattlichen Erklärung vom 27.06.2005 ergänzend angegeben, dass er im August 1941 in das Ghetto Tluste eingeliefert worden sei. Er habe sich sofort freiwillig an den Judenrat gewandt. Ihm sei jede Arbeit recht gewesen, denn er habe gewusst, dass er ohne Arbeit keine Verpflegung erhalten konnte. Es sei ihm die Arbeit beim Straßenbau vermittelt worden. Er habe eine abhängige Beschäftigung gegen Lohn ausgeübt, es sei sein eigener Willensentschluss gewesen. In seinem Antrag auf Entschädigung gebe es keine detaillierten Angaben, denn es sei nie danach gefragt worden. Für seine Arbeit habe er am Wochenende Geld erhalten, an die Höhe könne er sich nicht mehr erinnern. Der Judenrat hätte ihm auch Lebensmittelkarten gegeben. Er sei täglich in einer Gruppe zum Arbeitsplatz gebracht worden und abends zurückgekommen; die Arbeit selbst sei nicht bewacht worden. Im April 1943 sei er dann in das ZAL Lisowce gekommen.

Der Bevollmächtigte des Klägers ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 28.04.2007 ordnungsgemäß vom Termin zur mündlichen Verhandlung benachrichtigt worden.

Der im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.06.2007 nicht anwesende und nicht vertretene Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.07.2004 in Gestalt des Wi derspruchsbescheides vom 03.05.2005 zu verurteilen, die Tätigkeiten von August 1941 bis April 1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG an zuerkennen und Regelsaltersrente ab dem 01.07.1997 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass es aus ihrer Sicht nicht glaubhaft ist, dass es sich bei der von dem Kläger verrichteten Arbeit um eine freiwillige Beschäftigung gehandelt hat. Nach seinen Angaben sei er auf den Wegen von und zur Arbeit bewacht worden. Eine solche Bewachung sei als Zeichen von Zwangsarbeit zu werten. Auch die Angaben des Klägers im seinerzeitigen Entschädigungsverfahren sprächen nicht für ein freiwilliges Beschäftigungsverhältnis. So habe der Kläger angegeben, dass er 10 bis 12 Stunden täglich bei unzureichender Verpflegung habe arbeiten müssen. Darüber hinaus sei nicht glaubhaft, dass es sich um eine entgeltliche Beschäftigung gehandelt habe. Der Kläger habe angegeben, für seine Beschäftigung mit Lebensmittelcoupons entlohnt worden zu sein. Die Beklagte bezweifle, dass es sich hierbei um ein Entgelt im Sinne des ZRBG gehandelt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf den Inhalt der beigezogenen Entschädigungsakten vom Landesamt für Finanzen (Landesentschädigungsamt) München (Az.: 00000) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte die Sache verhandeln und entscheiden, obwohl weder der Kläger noch sein Prozessbevollmächtigter zum Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen sind. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist mit der ordnungsgemäß erfolgten Terminsbenachrichtigung auf diese zulässige Verfahrensweise (§§ 124 Abs. 1, 126 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) hingewiesen worden.

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 26.07.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2005 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Altersruhegeld gegenüber der Beklagten nach den §§ 35, 300 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab dem 01.07.1997. Die für den Rentenanspruch erforderliche Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§§ 35 Nr. 2, 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) ist nicht erfüllt, weil auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten nicht vorliegen. Die von dem Kläger behaupteten Beschäftigungszeiten im Ghetto Tluste von August 1941 bis April 1943 sind nicht als Beitragszeiten zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung dieser Zeiten als sogenannte "Ghettobeitragszeiten" nach den Vorschriften des ZRBG liegen nicht vor.

Nach § 2 Abs. 1 ZRBG gelten für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt und werden als sogenannte "Ghettobeitragszeiten" bei der Anrechnung auf die Wartezeit als Beitragszeiten berücksichtigt. Für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, gilt nach § 1 Abs. 1 das ZRBG, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, gegen Entgelt ausgeübt wurde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1) und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens handelt es sich bei der vom Kläger behaupteten Beschäftigung im Ghetto Tluste nicht um eine Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 ZRBG. Das für eine (fiktive) Beitragszeit nach dem ZRBG erforderliche Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in einem Ghetto ist nicht nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG), der auch im Rahmen der Vorschriften des ZRBG herangezogen werden kann, und nach dem eine Tatsache dann glaubhaft gemacht ist, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen überwiegend wahrscheinlich ist, d. h. wenn nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände mehr Faktoren für eine Tatsache als gegen diese sprechen.

Nach Gesamtwürdigung aller Umstände ist zwar glaubhaft gemacht, dass sich der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum (August 1941 bis April 1943) im Ghetto Tluste aufgehalten hat. Dieses hat er durchgängig im Renten- und Klageverfahren vorgetragen, und diese Angaben decken sich mit seinen zeitnahen Angaben im Entschädigungsverfahren. Auch von den damaligen Zeugen O und S ist ein Aufenthalt des Klägers im Ghetto Tluste für die Zeit seit August 1941 bis April 1943 bestätigt worden.

Nach weiterer Gesamtwürdigung aller Umstände ist auch glaubhaft gemacht, dass der Kläger im Ghetto Tluste im Zeitraum von August 1941 bis April 1943 Tätigkeiten ausgeübt hat. Dass der Kläger während seines Aufenthaltes im Ghetto jedenfalls Arbeiten ausübte, ergibt sich auch aus seinen früheren Erklärungen. Im BEG-Entschädigungsverfahren sprach der Kläger von der Verrichtung schwerer Zwangsarbeiten beim Straßenbau. Auch die Zeugen O und S hatten die Verrichtungen der verschiedenen Zwangsarbeiten, unter anderem beim Straßenbau (so insbesondere der Zeuge S), im Entschädigungsverfahren angegeben.

Nicht glaubhaft gemacht ist jedoch nach Gesamtwürdigung aller Umstände, dass der Kläger die von August 1941 bis April 1943 verrichtete Tätigkeit beim Straßenbau aus eigenem Willensentschluss - freiwillig - ausgeübt hat. Auch bei Arbeiten, die unter den allgemeinen Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verrichtet worden sind, ist nach der Rechtsprechung des BSG eine von den Merkmalen der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit bestimmte Beschäftigung, die grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegt, von nicht versicherungspflichtiger Zwangsarbeit abzugrenzen. Dabei ist das Vorliegen eines (freien) Beschäftigungsverhältnisses danach zu beurteilen, ob die Beschäftigung im Sinne des Arbeitsrechts aufgrund einer zweiseitigen Vereinbarung aufgenommen worden ist und den Austausch wirtschaftlicher Werte (Arbeit gegen Lohn) zum Inhalt gehabt hat. Die Ausübung einer Beschäftigung im Sinne von Zwangsarbeit genügt dazu nicht. Zwangsarbeit ist in Abgrenzung zur Versicherungspflicht eine Beschäftigung, die von Arbeit unter obrigkeitlichen (hoheitlichem) bzw. gesetzlichem Zwang geprägt ist, wie z. B. bei Strafgefangenen und Kriegsgefangenen oder in Zwangsarbeitslagern. Typisch ist dabei insbesondere die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeiten, ohne dass die Arbeiter selbst hierauf Einfluss haben. Weiter ist charakteristisch für Zwangsarbeit, dass ein Entgelt für individuell geleistete Arbeit nicht oder nur in geringem Maße an die Arbeiter ausgezahlt wird. Entsprechendes gilt für die Bewachung der Arbeiter während der Arbeit, um zu verhindern, dass diese sich aus dem obrigkeitlichen Gewahrsam entfernen können. Diese Kriterien zeigen, dass eine verrichtete Arbeit sich um so mehr von dem Typus des Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses entfernt und dem Typus der Zwangsarbeit annähert, als sie durch hoheitliche Eingriffe überlagert wird, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann. Diese Grundsätze gelten auch für Rentenansprüche, die - wie hier - auf das ZRBG gestützt werden. Mit § 1 Abs. 1 ZRBG, der die Zahlbarmachung einer Rente nur für aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene, gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigungen in einem Ghetto vorsieht, knüpft der Gesetzgeber erkennbar an die von der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto an. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG als auch aus der Gesetzesbegründung. Danach ist das ZRBG ausdrücklich in Reaktion (und Akzeptanz) der Rechtsprechung des BSG verabschiedet worden, um in vielen Fällen die daraus resultierenden Rentenansprüche in das Ausland erst zahlbar zu machen. Eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises über den von der "Ghettorechtsprechung" begünstigten hinaus ist hier hingegen nicht ersichtlich und vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen. (Vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R; LSG NRW, Urteil vom 06.03.2006 - L 3 (18) R 98/05 - mit weiteren Nachweisen, Urteil vom 27.01.2006, - L 4 RJ 126/04).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien zur Abgrenzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zu nichtversicherter Zwangsarbeit ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger im Ghetto Tluste einer aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen, entgeltlichen Beschäftigung nachgegangen ist. Die Kammer hat erhebliche Zweifel daran, dass den von ihm dort ausgeübten Arbeiten ein freier Willensentschluss zugrunde gelegen hat. Zwar ist es möglich, dass er seine Arbeit - entsprechend seinem Vortrag im Renten- und Klageverfahren - durch Vermittlung des Judenrates aufgenommen hat. Abgesehen davon, dass die Vermittlung der Arbeit durch den Judenrat allein kaum ausreicht, um die Freiwilligkeit der verrichteten Arbeit zu bejahen (BSG, a. a. O.), ist es aber jedenfalls ebenso gut möglich, dass es sich dabei um Arbeiten handelte, die dem Typus der Zwangsarbeit entsprachen, weil sie derart durch hoheitliche Eingriffe überlagert waren, dass sich der Kläger ihnen nicht entziehen konnte. Gegen das Bestehen eines freien Arbeitsverhältnisses des Klägers im Ghetto Tluste spricht auch der Umstand, dass der Kläger im Fragebogen zum ZRBG vom 05.12.2003 angegeben hatte, am Weg zur Arbeit bewacht worden zu sein. Auch der Umstand, dass der Kläger im Entschädigungsverfahren unter dem 20.10.1965 angegeben hatte, dass er sehr oft von den Aufsehern während seiner Arbeit geschlagen worden sei, spricht nicht für die Freiwilligkeit dieser Tätigkeit im Ghetto Tluste beim Straßenbau. All dies führt dazu, dass die Glaubhaftmachung einer Freiwilligkeit der Tätigkeit nicht gelingen kann. Dadurch konnte die Kammer nicht davon ausgehen, dass nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände mehr Faktoren für als gegen die Freiwilligkeit sprechen, § 3 Abs. 1 Satz 2 WGSVG.

Unabhängig von der fehlenden Glaubhaftmachung der Freiwilligkeit der behaupteten Arbeiten im Ghetto ist ebenfalls zweifelhaft, dass der Kläger diese gegen Entgelt ausgeübt hat. Zwar hat er im Renten- und Klageverfahren vorgetragen, für diese Tätigkeit Geld erhalten zu haben wie auch Lebensmittelkarten. Zu diesem Vorbringen steht jedoch im Widerspruch die Angabe der Zeugin O im Entschädigungsverfahren des Klägers, dass sie im Ghetto Tluste Zwangsarbeiten verrichtet hätte, für welche sie nicht entlohnt worden seien. Gegen eine entgeltliche Beschäftigung, für welche der Kläger Lebensmittelkarten erhalten haben will, sprechen auch seine eigenen Angaben im Entschädigungsverfahren, als er vorgetragen hatte, bei unzureichender Verpflegung 10 bis 12 Stunden täglich im Ghetto Tluste gearbeitet zu haben.

Da somit Beitragszeiten (nach dem ZRBG) nicht anerkannt werden können, können Ersatzzeiten nach § 250 SGB VI ebenfalls keine Berücksichtigung finden, da diese nur "Versicherten" zustehen.

Das Gericht verkennt nicht, dass dem Kläger durch die nationalsozialistische Verfolgung unermessliches Leid zugefügt worden ist. Es gibt jedoch keine gesetzliche Regelung, nach der der Kläger im Rahmen der deutschen Rentenversicherung für das erlittene Unrecht finanziell entschädigt werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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