L 20 B 1137/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 59 AS 2009/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 B 1137/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2007 abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 24. Januar 2007 wird in vollem Umfang abgelehnt. Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2007, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller monatlich für Unterkunft und Heizung insgesamt 327 EUR zu gewähren.

Der Antragsgegner hat zu Recht dem 1984 geborenen Antragsteller nach dessen Umzug im September 2006 aus einer Ofenheizungswohnung in seine jetzige Wohnung, die über eine Zentralheizung verfügt, Leistungen für Kosten der Unterkunft weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen (289,15 EUR) erbracht. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht, § 22 Abs. 1 Satz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Umzug des Antragstellers war nicht erforderlich.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts genügt insoweit nicht ein "plausibler Grund" für den Umzugswunsch. Der Umzug muss vielmehr nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II "erforderlich" sein. Ob ein Umzug erforderlich ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Erforderlichkeit kann sich aus unterschiedlichen Aspekten herleiten und weist sowohl objektive als auch subjektive Komponenten auf (vgl. Beispiele bei Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, Komm. 2005, § 22 Rdnr. 73, 74). Die Erforderlichkeit ist dabei nach einem grundsicherungsrechtlichen Maßstab zu bemessen, der strenger ist als das, was den Erwartungen der mit durchschnittlichem bzw. gehobenem Einkommen ausgestatteten Bevölkerungskreise entspricht (Wieland in Estelmann, SGB II, Stand Mai 2007, § 22 Rdnr. 52; zur vergleichbaren Vorschrift des Sozialhilferechts: VGH BW, Urteil v. 2. September 1996 – 6 S 314/96FEVS 47, 325). Ein Umzug ist hiernach nicht bereits dann im Sinne der §§ 22 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 Satz 2 SGB II erforderlich, wenn die Gründe hierfür verständlich erscheinen. Der Auffassung, dass nur ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund für den Umzug vorzuliegen braucht, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde (Berlin in LPK a.a.O. Rdnr. 76), kann nicht gefolgt werden (ebenso VGH BW a.a.O.).

Zwar mögen im Einzelfall auch die mit einer Ofenheizung verbundenen Belastungen - etwa für einen älteren, gesundheitlich angeschlagenen Leistungsbezieher - den Umzug in eine zentralbeheizte Wohnung erforderlich machen (vgl. OVG Niedersachsen vom 12.7.1994 – FEVS 45, S. 386; OVG Hamburg vom 16.1.1990 - FEVS 39, 356). Derartige gewichtige Gründe lagen aber bei dem zum Zeitpunkt des Umzugs jährigen, körperlich gesunden Leistungsempfänger nicht vor. Dass psychische Gründe den Umzug erforderlich erscheinen lassen, hat der Antragsteller in keiner Form glaubhaft gemacht.

Lediglich mehr oder minder nachvollziehbare Umzugsgründe, wie hier der Wunsch nach bequemeren Wohnverhältnissen, rechtfertigen unterhalb der Erforderlichkeitsschwelle auch geringfügige Mehrkosten (hier in Höhe von ca. 38 EUR monatlich) nicht (vgl. Berlin in LPK-SGB II, 2. Aufl., 2007, § 22 Rdnr. 45).

Im Hinblick auf den nicht glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch kann letztlich dahinstehen, dass dem Erlass einer einstweiligen Anordnung - nunmehr - auch die Bestandskraft des Bescheids vom 9. März 2007 entgegenstehen dürfte, mit dem der Antragsgegner für den Leistungszeitraum ab 1. April 2007 bis 30. September 2007 u. a. Kosten der Unterkunft lediglich in Höhe von 289,15 EUR gewährt und den der Antragsteller nicht angegriffen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Antrag des Antragsgegners vom 19. Juli 2007, die Vollstreckung des Beschlusses des Sozialgerichts einstweilen auszusetzen (§ 199 Abs. 2 SGG), sowie der Vollstreckungsantrag des Antragstellers vom 23. Juli 2007 sind damit gegenstandslos geworden.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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