Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 46/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 03.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2006 wird abgeändert.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 01.10.2006 Halbwaisenrente nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung mit einem monatlichen Erhöhungsbetrag zu zahlen.
III. Die Beklagte trägt 4/5 der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Klägers.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Zahlungsansprüche aus einem Recht auf Halbwaisenrente.
Der 1984 geborene Kläger ist der Sohn des im Januar 1989 verstorbenen bei der Beklagten versicherten K. S. Er bezog deshalb ab 11.01.1989 von der Beklagten eine Halbwaisenrente. Die Rentengewährung endete mit Ablauf der Zivildienstleistung zum 31.03.2006.
Am 25.09.2006 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung von Halbwaisenrente wegen Hochschulausbildung ab 01.10.2006. Er legte eine Studienbescheinigung der R.-Universität B. vor und eine Bestätigung dieser Universität, dass die Regelstudienzeit für Bachelor-Studiengänge sechs Fachsemester betrage. Da sich der Kläger im Wintersemester 2006/2007 eingeschrieben habe, werde er wohl mindestens noch sechs Semester für sein Studium benötigen.
Mit Rentenbescheid vom 03.11.2006 stellte die Beklagte fest, dass Halbwaisenrente dem Grunde nach vom 01.10.2006 bis zum 30.09.2009 zustehe. Wegen der Höhe der zu berücksichtigenden Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung sei eine Halbwaisenrente von der Beklagten nicht zu zahlen.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Schulausbildung habe er zum 30.06.2005 abgeschlossen. Anschließend habe er bis Ende März 2006 Zivildienst geleistet, der Studienbeginn sei der 15.10.2006. Auf die Unterbrechung von länger als vier Monate habe er keinen Einfluss gehabt, da er ordnungsgemäß seinen Zivildienst abgeleistet habe und der Studienbeginn erst zum Wintersemester 2006/07 möglich gewesen sei. Aufgrund der Neuberechnung der Rente wegen Unterbrechnung von länger als vier Monaten seien andere Beträge angesetzt als bei der Berechnung vom 13.10.2005 seiner Schwester V. Hier sei ein Erhöhungsbetrag von 96,41 Euro einberechnet worden, der bei seiner neuen Berechnung fehle. Auch sei in der früheren Berechnung ein anderer Grenzbetrag ermittelt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil zwischen dem Ende des Zivildienstes am 31.03.2006 und der Aufnahme des Studiums 01.10.2006 mehr als vier Kalendermonate lägen. Somit seien die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b SGB VI für die Zeit vom 01.04.2006 bis 30.09.2006 nicht erfüllt. Ein Anspruch auf Halbwaisenrente bestehe für diesen Zeitraum nicht. Dass die verspätete Aufnahme des gewählten Studiums aus hochschulorganisatorischen Gründen erst zum 01.10.2006 habe erfolgen können, sei für den Anspruch nach § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b SGB VI irrelevant. Die vorherige gezahlte Halbwaisenrente vom 11.01.1989 bis 30.06.2005 sei nach der Reichsversicherungsordnung - RVO - bewilligt worden, da der zugrundeliegende Leistungsfall und der entsprechende Rentenbeginn vor dem 01.01.1992 liege. Nach dem damaligen Recht sei nach der Anrechnung der Hinterbliebenenleistungen aus der Unfallversicherung auf die Halbwaisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung immer der Erhöhungsbetrag abgesetzt worden. Dies bedeute, auch beim vollständigen Ruhen der Halbwaisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sei der Erhöhungsbetrag, der in der Halbwaisenrente enthalten gewesen sei, ausgezahlt worden. Dieser Erhöhungsbetrag könne bei der wiedergewährten Halbwaisenrente ab 01.10.2006 nicht mehr gezahlt werden, da zwischen dem Ende des Zivildienstes und Beginn des Studiums eine rentenschädliche Unterbrechung liege.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (Eingang am 24.01.2007) erhoben. Er trägt vor, hochschulorganisatorisch seitens der Hochschule in B. sei ein früherer Studienbeginn als 01.10.2006 nicht möglich gewesen. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass er die Unterbrechung für den Zeitraum von fünf Monaten nicht zu verantworten habe. Er sei deshalb so zu stellen, dass sein Anspruch auf Halbwaisenrente unvermindert weiterlaufe.
Als Nachweis hat der Kläger eine Bestätigung der R.-Universität B. vom 10.05.2007 vorgelegt, dass der Studienbeginn für den Studiengang Sales Engineering and Product Management für das erste Fachsemester immer zum Wintersemester beginne. Eine Einschreibung ins erste Fachsemester zum Sommersemester sei an der R.-Universität B. nicht möglich, da die Vorlesungen jeweils nur in einem Semester des Studienjahres angeboten würden. Der Kläger hat außerdem Unterlagen der R.-Universität B. vorgelegt, wonach der Bachelor-/Masterstudiengang Sales Engineering and Product Management in dieser Form in der Bundesrepublik einzigartig sei.
Der Kläger stellt den Antrag:
Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Bescheides vom 03.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2006 verpflichtet, dem Kläger Halbwaisenrente monatlich zuzüglich des monatlichen Erhöhungsbetrages ab Antragstellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, mit Wirkung vom 01.08.2004 sei der § 48 Abs. 4 SGB VI neugefasst worden. Der Anspruch auf Halbwaisenrente bestehe längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befinde, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt unter Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes liege. Das Bundessozialgericht habe in einem Urteil vom 01.02.1995 festgestellt, dass die Zeit von sechs Monaten die Dauer der üblichen Schul- und Semesterferien von drei bis vier Monaten erheblich überschreite. Ein solcher Zeitraum sei nicht so kurz bemessen, dass er nicht sinnvoll durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung hätte ausgefüllt werden können. Da der Zeitraum vom 01.04.2006 bis 30.09.2006 mehr als vier Kalendermonate umfasse, liege keine waisenrentenanspruchsbegründende Übergangszeit nach § 48 Abs. 4 Satz 1 b SGB VI vor. Den vom Vorsitzenden vorgelegten Urteilen des Bundessozialgerichts werde über den Einzelfall hinaus nicht gefolgt.
Die Kammer hat zum Verfahren die Beklagtenakte beigezogen. Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Beklagtenakte und auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig. Sie ist auch im Wesentlichen begründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert, soweit die Beklagte hierin die Zahlung von Halbwaisenrente ab 01.10.2006 abgelehnt hat. Die Zeit nach Beendigung des Zivildienstes zum 31.03.2006 bis zum Beginn des Studiums an der R.-Universität B., das nur zum Wintersemester aufgenommen werden konnte, ist eine unvermeidbare Zwischenzeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes. Deshalb ist die nach dieser Zwischenzeit zu gewährende Halbwaisenrente nach der Vorschrift des § 311 SGB VI und somit nach den Vorschriften der bis zum 31.12.1991 geltenden RVO zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes besteht lediglich dann grundsätzlich kein Raum mehr für den durch § 311 SGB VI gesicherten Bestandsschutz, wenn der geschützte Rentenanspruch entfällt und zu einem späteren Zeitpunkt nach den Vorschriften des SGB V erneut entsteht und voll inhaltlich neu festgestellt wird (BSG vom 22.05.2002, B 8 KN 10/01 R).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist maßgebend für die Annahme einer unvermeidlichen Zwischen- bzw. Übergangszeit, dass diese Zeit von zwei Ausbildungsabschnitten umgeben ist. Es kann heute nicht mehr davon ausgegangen werden, dass z.B. Schul- und Berufsausbildung nahtlos ineinander übergehen. Dabei gehört nicht jede Ausbildungspause noch zur Ausbildung, sondern nur diejenige, für die einzustehen der Versichertengemeinschaft zumutbar ist. Gemeint sind diejenigen objektiv für jeden Betroffenen - unabhängig von in seinem jeweiligen Lebensbereich liegenden Umständen - unvermeidbaren - Zwangspausen, die sich daraus ergeben, dass die staatliche bzw. gesellschaftliche Organisation von Ausbildungsgängen und -abschnitten einen zeitlich "nahtlosen" Übergang zwischen diesen von vornherein und für alle Ausbildungswilligen nicht zulässt. Wird "Ausbildung" für eine Zwischenzeit organisationsbedingt typischerweise generell nicht angeboten, ist dies den Waisen nicht anzulasten. Zu berücksichtigen sind daher nicht sämtliche individuell "unverschuldeten", sondern nur generell unvermeidbare Zwangspausen, die der Ausbildungsorganisation eigentümlich und für sie typisch sind und im Wesentlichen auf (abstrakten) ausbildungsorganisatorischen Maßnahmen der Ausbildungsträger beruhen (BSG vom 27.02.1997, 4 RA 21/96).
Aufgrund der vom Kläger vorgelegten Unterlagen ist nachgewiesen, dass die R.-Universität B. als einzige Universität in Deutschland den vom Kläger gewählten Bachelor-/Masterstudiengang Sales Engineering and Product Management anbietet und das erste Fachsemester immer zum Wintersemester beginnt. Eine Einschreibung ins erste Fachsemester zum Sommersemester 2006 war an der R.-Universität B. nicht möglich. Daraus ergibt sich, dass die in § 48 Abs. 4 Nr. 2 b genannte Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten aus unvermeidlichen in organisationsbedingt typischer Weise und damit vom Kläger unverschuldet überschritten wurde.
Da die Ausbildungsunterbrechung vom Kläger nicht zu vertreten ist, ist mit dem erneuten Eintritt des Verlängerungstatbestandes für die Gewährung der Waisenrente (hier Aufnahme des Studiums) lediglich wieder die Eignung des - im Übrigen unverändert fortbestehenden - subjektiven Rechtes auf Halbwaisenrente entstanden. Deshalb ist für die Anrechnung der Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine nach der RVO berechneten und über den 31.12.1991 hinaus bewilligten Waisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch nach der Unterbrechung der Schul- bzw. Berufsausbildung aufgrund des Zivildienstes die Anrechnungsvorschrift des § 311 SGB VI zugrundezulegen (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26.04.2001, L 2 KN 220/00 und Landessozialgericht Rheinland-Pfalz vom 19.07.2001, L 5 KNR 11/00).
Eine Ermächtigungsgrundlage für das Vorgehen der Beklagten, wegen eines "neuen Rentenbeginns" bzw. "neuen Anspruchsbeginns" die Rente abweichend von § 306 Abs. 1 und 2 SGB VI neu festzustellen, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Voraussetzungen für eine originäre Neuberechnung der Halbwaisenrente liegen nicht vor. Als Ermächtigungsgrundlage für die Entziehung des anlässlich früherer Rentenfeststellungen gewährten Bestandsschutzes für Bestandsrentner kommt allein § 48 SGB X in Betracht. Eine wesentliche Änderung im Sinne dieser Vorschrift, die die zu Lasten des Klägers getroffene Feststellung rechtfertigen würde, ist nicht gegeben. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen lediglich insoweit vor, als zum 01.10.2006 eine Änderung zu Gunsten des Klägers eingetreten ist, die die erneute Zahlung der früher bereits gewährten Halbwaisenrente rechtfertigt. Die Beklagte durfte die Halbwaisenrente des Klägers nicht neu feststellen, weil von ihr weiterhin die vorrangigen übergangsrechtlichen Sondervorschrift der §§ 306, 311 SGB VI zu beachten waren. Danach steht dem Kläger weiterhin die Halbwaisenrente in Höhe des - geschützten - Erhöhungsbetrages zu, wie ihn das alte, bis zum 31.12.1991 für ihn maßgebliche Recht der RVO vorsah (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26.04.2001 a.a.O.).
Die von der Beklagten vorgelegten Urteile des Bundessozialgerichtes vom 09.02.1984 (11 RA 2/83) und 01.02.1995 (13 RJ 5/94) befassen sich jeweils mit der Frage, ob der Zeitraum zwischen zwei Ausbildungsabschnitten als Ausfallzeit bzw. als Anrechnungszeit anzuerkennen ist und treffen deshalb die hier vorliegende Problemstellung nicht. Im Übrigen ist diese Rechtsprechung überholt. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 27.02.1997, 4 RA 21/96 ein Recht auf Waisenrente bei wehr- oder ersatzdienstbedingter Zwangspause für die Dauer von vier Monaten auch dann anerkannt, wenn für den Berufsausbildungswilligen bei Entlassung aus dem Dienst feststeht, dass er seine Ausbildung erst nach mehr als vier Monaten aufnehmen oder fortsetzen kann.
Da der Kläger die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt hat und die erkennende Kammer lediglich eine Abänderung dieser Bescheide zugesprochen hat, weil die Waisenrente von der Beklagten dem Grunde nach anerkannt worden ist, war die Klage im Übrigen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz. Da der Kläger ursprünglich Weitergewährung der Halbwaisenrente über den 31.03.2006 hinaus begehrt hat, ist er nicht in vollem Umfang seines anfänglichen Klagebegehrens durchgedrungen. Die Kammer hält es deshalb für angemessen, der Beklagten lediglich 4/5 der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Klägers aufzuerlegen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 01.10.2006 Halbwaisenrente nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung mit einem monatlichen Erhöhungsbetrag zu zahlen.
III. Die Beklagte trägt 4/5 der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Klägers.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Zahlungsansprüche aus einem Recht auf Halbwaisenrente.
Der 1984 geborene Kläger ist der Sohn des im Januar 1989 verstorbenen bei der Beklagten versicherten K. S. Er bezog deshalb ab 11.01.1989 von der Beklagten eine Halbwaisenrente. Die Rentengewährung endete mit Ablauf der Zivildienstleistung zum 31.03.2006.
Am 25.09.2006 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung von Halbwaisenrente wegen Hochschulausbildung ab 01.10.2006. Er legte eine Studienbescheinigung der R.-Universität B. vor und eine Bestätigung dieser Universität, dass die Regelstudienzeit für Bachelor-Studiengänge sechs Fachsemester betrage. Da sich der Kläger im Wintersemester 2006/2007 eingeschrieben habe, werde er wohl mindestens noch sechs Semester für sein Studium benötigen.
Mit Rentenbescheid vom 03.11.2006 stellte die Beklagte fest, dass Halbwaisenrente dem Grunde nach vom 01.10.2006 bis zum 30.09.2009 zustehe. Wegen der Höhe der zu berücksichtigenden Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung sei eine Halbwaisenrente von der Beklagten nicht zu zahlen.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Schulausbildung habe er zum 30.06.2005 abgeschlossen. Anschließend habe er bis Ende März 2006 Zivildienst geleistet, der Studienbeginn sei der 15.10.2006. Auf die Unterbrechung von länger als vier Monate habe er keinen Einfluss gehabt, da er ordnungsgemäß seinen Zivildienst abgeleistet habe und der Studienbeginn erst zum Wintersemester 2006/07 möglich gewesen sei. Aufgrund der Neuberechnung der Rente wegen Unterbrechnung von länger als vier Monaten seien andere Beträge angesetzt als bei der Berechnung vom 13.10.2005 seiner Schwester V. Hier sei ein Erhöhungsbetrag von 96,41 Euro einberechnet worden, der bei seiner neuen Berechnung fehle. Auch sei in der früheren Berechnung ein anderer Grenzbetrag ermittelt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil zwischen dem Ende des Zivildienstes am 31.03.2006 und der Aufnahme des Studiums 01.10.2006 mehr als vier Kalendermonate lägen. Somit seien die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b SGB VI für die Zeit vom 01.04.2006 bis 30.09.2006 nicht erfüllt. Ein Anspruch auf Halbwaisenrente bestehe für diesen Zeitraum nicht. Dass die verspätete Aufnahme des gewählten Studiums aus hochschulorganisatorischen Gründen erst zum 01.10.2006 habe erfolgen können, sei für den Anspruch nach § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b SGB VI irrelevant. Die vorherige gezahlte Halbwaisenrente vom 11.01.1989 bis 30.06.2005 sei nach der Reichsversicherungsordnung - RVO - bewilligt worden, da der zugrundeliegende Leistungsfall und der entsprechende Rentenbeginn vor dem 01.01.1992 liege. Nach dem damaligen Recht sei nach der Anrechnung der Hinterbliebenenleistungen aus der Unfallversicherung auf die Halbwaisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung immer der Erhöhungsbetrag abgesetzt worden. Dies bedeute, auch beim vollständigen Ruhen der Halbwaisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sei der Erhöhungsbetrag, der in der Halbwaisenrente enthalten gewesen sei, ausgezahlt worden. Dieser Erhöhungsbetrag könne bei der wiedergewährten Halbwaisenrente ab 01.10.2006 nicht mehr gezahlt werden, da zwischen dem Ende des Zivildienstes und Beginn des Studiums eine rentenschädliche Unterbrechung liege.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (Eingang am 24.01.2007) erhoben. Er trägt vor, hochschulorganisatorisch seitens der Hochschule in B. sei ein früherer Studienbeginn als 01.10.2006 nicht möglich gewesen. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass er die Unterbrechung für den Zeitraum von fünf Monaten nicht zu verantworten habe. Er sei deshalb so zu stellen, dass sein Anspruch auf Halbwaisenrente unvermindert weiterlaufe.
Als Nachweis hat der Kläger eine Bestätigung der R.-Universität B. vom 10.05.2007 vorgelegt, dass der Studienbeginn für den Studiengang Sales Engineering and Product Management für das erste Fachsemester immer zum Wintersemester beginne. Eine Einschreibung ins erste Fachsemester zum Sommersemester sei an der R.-Universität B. nicht möglich, da die Vorlesungen jeweils nur in einem Semester des Studienjahres angeboten würden. Der Kläger hat außerdem Unterlagen der R.-Universität B. vorgelegt, wonach der Bachelor-/Masterstudiengang Sales Engineering and Product Management in dieser Form in der Bundesrepublik einzigartig sei.
Der Kläger stellt den Antrag:
Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Bescheides vom 03.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2006 verpflichtet, dem Kläger Halbwaisenrente monatlich zuzüglich des monatlichen Erhöhungsbetrages ab Antragstellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, mit Wirkung vom 01.08.2004 sei der § 48 Abs. 4 SGB VI neugefasst worden. Der Anspruch auf Halbwaisenrente bestehe längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befinde, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt unter Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes liege. Das Bundessozialgericht habe in einem Urteil vom 01.02.1995 festgestellt, dass die Zeit von sechs Monaten die Dauer der üblichen Schul- und Semesterferien von drei bis vier Monaten erheblich überschreite. Ein solcher Zeitraum sei nicht so kurz bemessen, dass er nicht sinnvoll durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung hätte ausgefüllt werden können. Da der Zeitraum vom 01.04.2006 bis 30.09.2006 mehr als vier Kalendermonate umfasse, liege keine waisenrentenanspruchsbegründende Übergangszeit nach § 48 Abs. 4 Satz 1 b SGB VI vor. Den vom Vorsitzenden vorgelegten Urteilen des Bundessozialgerichts werde über den Einzelfall hinaus nicht gefolgt.
Die Kammer hat zum Verfahren die Beklagtenakte beigezogen. Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Beklagtenakte und auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig. Sie ist auch im Wesentlichen begründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert, soweit die Beklagte hierin die Zahlung von Halbwaisenrente ab 01.10.2006 abgelehnt hat. Die Zeit nach Beendigung des Zivildienstes zum 31.03.2006 bis zum Beginn des Studiums an der R.-Universität B., das nur zum Wintersemester aufgenommen werden konnte, ist eine unvermeidbare Zwischenzeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes. Deshalb ist die nach dieser Zwischenzeit zu gewährende Halbwaisenrente nach der Vorschrift des § 311 SGB VI und somit nach den Vorschriften der bis zum 31.12.1991 geltenden RVO zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes besteht lediglich dann grundsätzlich kein Raum mehr für den durch § 311 SGB VI gesicherten Bestandsschutz, wenn der geschützte Rentenanspruch entfällt und zu einem späteren Zeitpunkt nach den Vorschriften des SGB V erneut entsteht und voll inhaltlich neu festgestellt wird (BSG vom 22.05.2002, B 8 KN 10/01 R).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist maßgebend für die Annahme einer unvermeidlichen Zwischen- bzw. Übergangszeit, dass diese Zeit von zwei Ausbildungsabschnitten umgeben ist. Es kann heute nicht mehr davon ausgegangen werden, dass z.B. Schul- und Berufsausbildung nahtlos ineinander übergehen. Dabei gehört nicht jede Ausbildungspause noch zur Ausbildung, sondern nur diejenige, für die einzustehen der Versichertengemeinschaft zumutbar ist. Gemeint sind diejenigen objektiv für jeden Betroffenen - unabhängig von in seinem jeweiligen Lebensbereich liegenden Umständen - unvermeidbaren - Zwangspausen, die sich daraus ergeben, dass die staatliche bzw. gesellschaftliche Organisation von Ausbildungsgängen und -abschnitten einen zeitlich "nahtlosen" Übergang zwischen diesen von vornherein und für alle Ausbildungswilligen nicht zulässt. Wird "Ausbildung" für eine Zwischenzeit organisationsbedingt typischerweise generell nicht angeboten, ist dies den Waisen nicht anzulasten. Zu berücksichtigen sind daher nicht sämtliche individuell "unverschuldeten", sondern nur generell unvermeidbare Zwangspausen, die der Ausbildungsorganisation eigentümlich und für sie typisch sind und im Wesentlichen auf (abstrakten) ausbildungsorganisatorischen Maßnahmen der Ausbildungsträger beruhen (BSG vom 27.02.1997, 4 RA 21/96).
Aufgrund der vom Kläger vorgelegten Unterlagen ist nachgewiesen, dass die R.-Universität B. als einzige Universität in Deutschland den vom Kläger gewählten Bachelor-/Masterstudiengang Sales Engineering and Product Management anbietet und das erste Fachsemester immer zum Wintersemester beginnt. Eine Einschreibung ins erste Fachsemester zum Sommersemester 2006 war an der R.-Universität B. nicht möglich. Daraus ergibt sich, dass die in § 48 Abs. 4 Nr. 2 b genannte Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten aus unvermeidlichen in organisationsbedingt typischer Weise und damit vom Kläger unverschuldet überschritten wurde.
Da die Ausbildungsunterbrechung vom Kläger nicht zu vertreten ist, ist mit dem erneuten Eintritt des Verlängerungstatbestandes für die Gewährung der Waisenrente (hier Aufnahme des Studiums) lediglich wieder die Eignung des - im Übrigen unverändert fortbestehenden - subjektiven Rechtes auf Halbwaisenrente entstanden. Deshalb ist für die Anrechnung der Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine nach der RVO berechneten und über den 31.12.1991 hinaus bewilligten Waisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch nach der Unterbrechung der Schul- bzw. Berufsausbildung aufgrund des Zivildienstes die Anrechnungsvorschrift des § 311 SGB VI zugrundezulegen (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26.04.2001, L 2 KN 220/00 und Landessozialgericht Rheinland-Pfalz vom 19.07.2001, L 5 KNR 11/00).
Eine Ermächtigungsgrundlage für das Vorgehen der Beklagten, wegen eines "neuen Rentenbeginns" bzw. "neuen Anspruchsbeginns" die Rente abweichend von § 306 Abs. 1 und 2 SGB VI neu festzustellen, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Voraussetzungen für eine originäre Neuberechnung der Halbwaisenrente liegen nicht vor. Als Ermächtigungsgrundlage für die Entziehung des anlässlich früherer Rentenfeststellungen gewährten Bestandsschutzes für Bestandsrentner kommt allein § 48 SGB X in Betracht. Eine wesentliche Änderung im Sinne dieser Vorschrift, die die zu Lasten des Klägers getroffene Feststellung rechtfertigen würde, ist nicht gegeben. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen lediglich insoweit vor, als zum 01.10.2006 eine Änderung zu Gunsten des Klägers eingetreten ist, die die erneute Zahlung der früher bereits gewährten Halbwaisenrente rechtfertigt. Die Beklagte durfte die Halbwaisenrente des Klägers nicht neu feststellen, weil von ihr weiterhin die vorrangigen übergangsrechtlichen Sondervorschrift der §§ 306, 311 SGB VI zu beachten waren. Danach steht dem Kläger weiterhin die Halbwaisenrente in Höhe des - geschützten - Erhöhungsbetrages zu, wie ihn das alte, bis zum 31.12.1991 für ihn maßgebliche Recht der RVO vorsah (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26.04.2001 a.a.O.).
Die von der Beklagten vorgelegten Urteile des Bundessozialgerichtes vom 09.02.1984 (11 RA 2/83) und 01.02.1995 (13 RJ 5/94) befassen sich jeweils mit der Frage, ob der Zeitraum zwischen zwei Ausbildungsabschnitten als Ausfallzeit bzw. als Anrechnungszeit anzuerkennen ist und treffen deshalb die hier vorliegende Problemstellung nicht. Im Übrigen ist diese Rechtsprechung überholt. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 27.02.1997, 4 RA 21/96 ein Recht auf Waisenrente bei wehr- oder ersatzdienstbedingter Zwangspause für die Dauer von vier Monaten auch dann anerkannt, wenn für den Berufsausbildungswilligen bei Entlassung aus dem Dienst feststeht, dass er seine Ausbildung erst nach mehr als vier Monaten aufnehmen oder fortsetzen kann.
Da der Kläger die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt hat und die erkennende Kammer lediglich eine Abänderung dieser Bescheide zugesprochen hat, weil die Waisenrente von der Beklagten dem Grunde nach anerkannt worden ist, war die Klage im Übrigen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz. Da der Kläger ursprünglich Weitergewährung der Halbwaisenrente über den 31.03.2006 hinaus begehrt hat, ist er nicht in vollem Umfang seines anfänglichen Klagebegehrens durchgedrungen. Die Kammer hält es deshalb für angemessen, der Beklagten lediglich 4/5 der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Klägers aufzuerlegen.
Rechtskraft
Aus
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