L 15 SO 161/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 SO 311/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 161/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juli 2007 wird als unzulässig verworfen.

Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Anrechnung von Ausbildungsgeld als Einkommen auf die dem Kläger gewährten Leistungen der Grundsicherung bei dauerhafter Erwerbsminderung.

Der 1979 geborene Kläger leidet an einer hebephrenen Schizophrenie. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 60 anerkannt. Seit Februar 2005 arbeitet er im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für Behinderte und erhielt hierfür von der Bundesagentur für Arbeit Ausbildungsgeld, und zwar für die Zeit vom 01. Februar 2005 bis zum 31. Januar 2006 in Höhe von 57,- EUR und für die Zeit vom 01. Februar 2006 bis 30. April 2007 in Höhe von 67,- EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger ab August 2005 bis auf weiteres, zunächst bis einschließlich Dezember 2005, Grundsicherungsleistungen nach §§ 42 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – SGG XII -, wobei er das Ausbildungsgeld in voller Höhe als Einkommen anrechnete und an den Kläger persönlich 244,38 EUR zur Auszahlung brachte. Diesen Betrag erhielt der Kläger am 27. Dezember 2005 auch für den Folgemonat ausgezahlt. Seinen gegen die Anrechnung des Ausbildungsgeldes am 22. Juli 2005 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04. Januar 2006 mit der Begründung zurück, dass zum anrechenbaren Einkommen nach § 82 Abs. 1 SGB XII alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert gehörten und damit auch das Ausbildungsgeld. Mit "Änderungsbescheid" vom 02. Februar 2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger ab 01. Februar 2006 bis auf weiteres wiederum laufende Leistungen der Grundsicherung in gleicher Höhe und mit unveränderter Anrechnung des Ausbildungsgeldes. Die Entscheidung über den vom Kläger auch dagegen eingelegten Widerspruch wurde im Hinblick auf das von ihm inzwischen eingeleitete Klageverfahren zurückgestellt.

Das Sozialgericht Berlin hat den Beklagten mit Gerichtsbescheid vom 11. Juli 2007 antragsgemäß verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 11. Juli 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04. Januar 2006 Leistungen der Grundsicherung ohne Berücksichtigung des Ausbildungsgeldes zu zahlen. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, dass das von der Bundesagentur für Arbeit nach §§ 104 Abs. 1 Nr. 2, 107 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – SGB III – gezahlte Ausbildungsgeld gemäß § 83 Abs. 1 SGB XII nicht als Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu berücksichtigen sei, da es nicht dem gleichen Zweck diene wie die unterhaltssichernde Sozialhilfe, sondern als Prämie für die Teilnahme an einem in einer Werkstatt für Behinderte durchgeführten Arbeitstraining gewährt werde (Hinweis auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu § 77 Bundessozialhilfegesetz als der wortgleichen Vorgängernorm zu § 83 SGB XII). Dem Gerichtsbescheid war eine Rechtsmittelbelehrung angefügt, ausweislich der er mit der Berufung angefochten werden kann.

Dem entsprechend hat der Beklagte am 25. Juli 2007 Berufung eingelegt, mit der er sinngemäß beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bereits anhängigen "Musterfälle" betreffend die in Berlin praktizierte Anrechnung von nach § 107 SGB III geleistetem Ausbildungsgeld und hält die Rechtssache für grundsätzlich klärungsbedürftig.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt verwiesen. Die den Kläger betreffenden Sozialhilfeakten des Beklagten haben dem Senat vorgelegen.

II.

Der Senat konnte die Berufung gemäß § 158 Sozialgerichtsgesetz – SGG – durch Beschluss verwerfen, weil sie nicht statthaft und damit unzulässig ist. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil (bzw. entsprechend in dem urteilsersetzenden Gerichtsbescheid) des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,- EUR nicht übersteigt. Streitgegenstand ist vorliegend die leistungsmindernde Berücksichtigung von Ausbildungsgeld in Höhe von monatlich 57,- EUR in der Zeit von August 2005 bis – allenfalls – Januar 2006, womit der Wert des Beschwerdegegenstandes offensichtlich unter 500,- EUR liegt. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist seine Berufung auch nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulässig, denn die Berufung betrifft keine laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr. Die Bewilligung der Grundsicherung erfolgt jeweils durch einen Verwaltungsakt, der ausdrücklich oder zumindest konkludent auch den Zeitraum regelt, für den er Leistungen zuerkennt. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII werden Leistungen der Grundsicherung in der Regel für 12 Monate bewilligt. Im vorliegenden Fall erfolgte die Bewilligung der Grundsicherungsleistungen mit der streitigen Anrechnung des Ausbildungsgeldes mit Bescheid vom 11. Juli 2005 für die Zeit vom 01. August 2005 bis einschließlich Dezember 2005. Die entsprechende Bewilligung für Januar 2006 erging konkludent bei Vorsprache des Klägers am 27. Dezember 2005 und wurde noch Gegenstand des durch den Widerspruchsbescheid vom 04. Januar 2006 abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens. Der "Änderungsbescheid" vom 02. Februar 2006 ist dem gegenüber zu Recht vom Sozialgericht nicht gemäß § 96 SGG in das anschließende Klageverfahren einbezogen worden, weil dieser Bescheid die vorherige, angefochtene Leistungsbewilligung weder ersetzt noch geändert hat, sondern eine "Neubewilligung" von Grundsicherungsleistungen für den anschließenden Bewilligungszeitraum darstellt.

Die Berufung war deshalb nur nach Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Das Sozialgericht hat die Berufung in dem angefochtenen Gerichtsbescheid nicht zugelassen, denn in der nach dem oben besagten fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung liegt keine "Zulassung" der Berufung im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. die Hinweise in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, Rdnr. 40 ff. zu § 144). Ob der Beklagte der Sache zu Recht grundsätzliche Bedeutung beimisst, bedarf hier keiner Prüfung, denn das Landessozialgericht kann über die Zulassung der Berufung außerhalb des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) nicht entscheiden. Eine Umdeutung der unzulässigen Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde kommt nicht in Betracht (vgl. BSG SozR 4-1500 § 158 Nr. 1).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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