L 9 R 3735/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3305/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3735/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. März 2006 und die Bescheide der Beklagten vom 17. Juli 2000 und 30. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2003 abgeändert. Die Beklagte wird entsprechend ihrem Teilanerkenntnis vom 15. Mai 2007 verurteilt, dem Kläger ausgehend von einem Leistungsfall am 21. September 2004 ab 1. Oktober 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer zu gewähren.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit anstelle der gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der 1955 in Plymouth im Vereinigten Königreich geborene und verheiratete Kläger, ein griechischer Staatsangehöriger, absolvierte bei den britischen Streitkräften, bei denen er von 1973 bis 1981 beschäftigt gewesen war, eine Ausbildung zum Facheinrichter. Vom 4. August 1981 bis zum 31. Juli 1999 war der Kläger anschließend in der Bundesrepublik Deutschland als Einrichter und zuletzt - von März 1992 bis Juli 1999 - bei der H. KG in Lippstadt als Industriemechaniker/Fachrichtung Produktionstechnik versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend kehrte der Kläger nach Griechenland zurück.

Am 9. Dezember 1999 beantragte der Kläger mit vom griechischen Versicherungsträger IKA unter dem 10. April 2000 weitergeleitetem Antrag bei der Beklagten unter Hinweis auf ein aktuell operiertes Dickdarmadenokarzinom mittlerer Differenzierung, ihm Rente wegen Erwerbs-, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Zur Begründung bezog er sich auch auf den ihm von der griechischen Gesundheitskommission zuerkannten Invaliditätsgrad von 80 v. H ...

Nach Einholung einer prüfärztlichen Stellungnahme (Dr. G., 6. Juli 2000) lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 17. Juli 2000 unter Hinweis auf fortbestehende Erwerbs- und Berufsfähigkeit ab.

Den dagegen am 4. Oktober 2000 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger unter Hinweis auf sein Darmkrebsleiden (Darmresektion im Januar 2000) und eine bestehende spastische Tetraparese mit progressiver Entwicklung, die ihm seit drei Jahren Schwierigkeiten beim Gehen und seit zwei Jahren Beschwerden an den Kniescheiben bereite sowie neuroophthalmologische Störungen zur Folge habe. Die Diagnose - tetraspastisches Syndrom - sei während eines stationären Aufenthalts im Krankenhaus der Stadt Kavala in der Zeit vom 16. - 25. August 2000 gestellt worden. Darüber hinaus sei während eines weiteren Krankenhausaufenthalts im September 2000 die Diagnose "multiple Sklerose" gestellt und eine Interferontherapie eingeleitet worden.

Daraufhin veranlasste die Beklagte die Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Neurologen Dr. G., Thessaloniki. Im Gutachten vom 25. März 2001 teilte Dr. G. für den damals 175 cm großen und 60 kg schweren Kläger folgenden Diagnosen mit: - Darmkrebs, operativ und chemotherapeutisch behandelt, unter regelmäßiger Beobachtung, - Verschleißerscheinungen der Hüftgelenke, besonders links, - Angabe von Schmerzen am Nacken, am Rücken, am rechten Arm und linken Bein sowie - Ausschluss einer multiplen Sklerose. Das vom Kläger geltend gemachte Doppeltsehen habe sich bei der Augenuntersuchung nicht bestätigt. Mit geschlossenen Augen könne der Kläger Stehen ohne zu schwanken; er gehe normal und bewege sich zügig. Es lägen lediglich lebhafte Reflexe vor, aber keine Zeichen von Tetraparese oder Tetraspastik. Magnetresonanz-Tomographien des Kopfes und der Halswirbelsäule seien ebenso wie die somatosensiblen Potentiale ohne Befund geblieben. Unter Berücksichtigung sämtlicher Gesundheitsstörungen seien dem Kläger körperliche leichte Wechseltätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zumutbar.

Auf der Grundlage der Beweiserhebung half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 30. August 2001 Rente wegen Berufsunfähigkeit rückwirkend beginnend ab dem 1. Januar 2000. Den vom Kläger betreffend die fortbestehende Ablehnung einer Erwerbsunfähigkeitsrente aufrechterhaltenden Widerspruch wies die Beklagte sodann mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2003 unter Hinweis darauf, der Kläger sei weiterhin in der Lage, körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeitstäglich vollschichtig zu verrichten und auch sechs und mehr Stunden täglich zu arbeiten, als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 23. Juni 2003 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (S 11 RJ 3305/03), in der er darauf hinwies, dass nach der Krebsoperation vom Januar 2000 eine Zweitoperation Ende Oktober/Anfang November 2002 mit totaler Kolektomie und Ileostomie durchgeführt worden sei. Das Sozialgericht veranlasste in der Folge internistische, orthopädische und neurologisch-psychiatrische Untersuchungen und Begutachtungen des Klägers.

Der Internist S., Thessaloniki, teilte in dem von ihm unter dem 20. Dezember 2003 verfassten Gutachten folgende Diagnosen mit: - Zustand nach operativer Entfernung eines Dickdarmadenokarzinoms mittlerer Differenzierung (Januar 2000), - Zustand nach totaler Koletomie mit ständiger Ileostomie wegen einer familiären Dickdarmpolyposis (November 2002), - Coxarthrose der Hüftgelenke beidseitig, besonders links und - bis heute nicht sicher abgeklärte neurologische Erscheinungen. Durch ein EKG sei ein regelmäßiger Sinusrhythmus bei unauffälligem Stromkurvenverlauf nachzuweisen gewesen. Auch die laborchemischen und röntgenologischen Untersuchungen sowie die Oberbauchsonographie hätten keine Auffälligkeiten zu Tage gefördert. Die Untersuchungen wiesen auf eine Stabilisierung der Erkrankung ohne körperliche Komplikationen hin. Aus internistischer Sicht sei der Kläger in der Lage ohne Gefährdung seiner Gesundheit körperlich leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel von Stehen und überwiegendem Sitzen arbeitstäglich vollschichtig nachzugehen. Qualitative Leistungsausschlüsse bestünden für folgende Tätigkeiten: Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Arbeiten in überwiegendem Gehen bzw. Stehen, Arbeiten in körperlichen Zwangshaltungen, Arbeiten, die Bücken, Treppensteigen und Leiter- oder Gerüstnutzung erfordern, Akkord- und Fließbandarbeiten, Nacht- und Wechselschichtarbeiten, Arbeiten im Freien und unter Hitze-, Kälte-, Nässe- oder Zugluftexposition sowie Arbeiten unter besonderem Zeitdruck und mit besonderer Verantwortung. Im Übrigen müsse es dem Kläger möglich sein, den Auffangbeutel in einem Zeitintervall von jeweils zwei bis drei Stunden zu wechseln und das Stoma unter guten hygienischen Bedingungen zu versorgen und zu pflegen. Dazu sei eine Toilette mit ausreichendem Waschraum nötig.

Der Orthopäde Dr. G., Thessaloniki, stellte in seinem unter dem 17. Mai 2004 erstatteten Gutachten auf seinem Fachgebiet folgende Diagnosen: - Abnutzungserscheinungen an beiden Hüftgelenken mit geringer Bewegungseinschränkung und - Leichte Verschleißerscheinungen der Hals- und Lendenwirbelsäule bei Bandscheibenvorwölbung im Segment C5/C6, ohne neurologische Ausfallserscheinungen. Die Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule schlössen Arbeiten aus, die mit schwerem Heben, Tragen von Lasten über 5 kg oder häufigem Bücken oder Verharren in einer Körperhaltung verbunden seien. Die leichten Verschleißerscheinungen an den Hüftgelenken stünden einer ständig stehend oder gehend auszuübenden Tätigkeit entgegen. Die beim Kläger festzustellenden lebhaften Reflexe besäßen keinen Krankheitswert, wie schon der Vorgutachter Dr. G. zutreffend erkannt habe. Deshalb sei der Kläger aus orthopädischer Sicht in der Lage alle leichten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit Wechsel der Körperhaltung und ohne schweres Heben und Tragen oder häufiges Bücken vollschichtig auszuüben. Besonderer Arbeitsbedingungen bedürfe der Kläger nicht. Außerdem sei der Kläger auch in der Lage täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen.

Im neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 4. Oktober 2004 gab Prof. Dr. K., Thessaloniki, an, folgende Gesundheitsstörungen beim Kläger festgestellt zu haben: - Spastische Tetraparese, - LWS-Bandscheibenschädigung, - Neurose verbunden mit phobischen und pschosomatischen Störungen bei Zustand nach Proktokoletomie und - Neurotische Depression mit psychosomatischen und phobischen Störungen. Das EEG habe keinen pathologischen Befund zu Tage gefördert. Die Ergebnisse der durchgeführten neuropsychologischen und neuropsychiatrischen Tests wiesen auf keine gravierende Depression oder Psychose hin. Ein vom Kläger zur Untersuchung mitgebrachtes Bauch-CT vom 9. März 2004 habe keine pathologischen Befunde erkennen lassen. Das Gangbild des Klägers habe paraparetische Gangstörungen gezeigt. Psychisch habe sich der vom Grundantrieb und den Willensfunktionen her regelgerecht auftretende Kläger wach, bewusstseinsklar, kooperativ und allseitig orientiert präsentiert. Denk-, Merkfähigkeits- oder Gedächtnisstörungen seien nicht festzustellen gewesen. Die festgestellten Gesundheitsstörungen schlössen mittelschwere und schwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus. Der Kläger sei aber noch in der Lage körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einer normalen täglichen Arbeitszeit von drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Eine Besserung des Gesundheitszustands sei nicht zu erwarten. Der Kläger sei wegen der erstmals 2000 nachgewiesenen Spastizität und der LWS-Bandscheibenschädigung auch nicht in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern binnen jeweils 20 Minuten zurückzulegen und zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen.

In der daraufhin ergangenen prüfärztlichen Stellungnahme der Beklagten vom 16. Dezember 2004 widersprach Dr. G. den Feststellungen von Prof. Dr. K ... Die von Prof. Dr. K. diagnostizierte spastische Tetraparese sei mit den von ihm erhobenen klinischen Untersuchungsbefunden nicht in Einklang zu bringen und stehe im Widerspruch zu den Ausführungen der Vorgutachter Dres. G., S. und G., die allesamt nur lebhafte Reflexe aber keine Tetraparese festgestellt hätten. Außerdem sei es versäumt worden neue apparative Untersuchungen durchzuführen. Widersprüchlich sei es im Übrigen bei einer spastischen Tetraparese nur von einer zeitlichen Leistungseinschränkung von drei bis sechs Stunden arbeitstäglich auszugehen. Bestünde das diagnostizierte Krankheitsbild tatsächlich, so wäre ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden arbeitstäglich zu erwarten.

In der vom Sozialgericht daraufhin eingeholten ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme nach Aktenlage führte Prof. Dr. K. unter dem 2. März 2005 aus, alle mit dem Fall des Klägers befassten Gutachter hätten gesteigerte Reflexe gefunden. An einer Tetraspastizität sei auf der Grundlage der vorliegenden Gutachten, der Untersuchungsergebnisse der den Kläger behandelnden Ärzte und der von ihm durchgeführten klinischen Untersuchung des Klägers nicht zu zweifeln. Deshalb halte er neuerliche apparative Untersuchungen für nicht erforderlich. Aus neurologischer Sicht liege das Leistungsvermögens des Klägers an der Grenze zwischen halb- und vollschichtig. Uneingeschränkt vollschichtige Leistungsfähigkeit bestehe allenfalls für eine behindertengerechte Tätigkeit oder Arbeitsstelle.

Nach weiterer prüfärztlicher Stellungnahme durch Dr. G. vom 13. Mai 2005, mit der dieser den Feststellungen in der ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme von Prof. Dr. Kapinas widersprach, wies das Sozialgericht die Klage durch Urteil vom 15. März 2006 unter Auseinandersetzung mit dem Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme als unbegründet ab. Das Urteil wurde dem Kläger am 8. Juli 2006 zugestellt.

Am 24. Juli 2006 hat der Kläger Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Der Kläger ist der Auffassung, aufgrund einer bei ihm vorliegenden multiplen Sklerose gar keine Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr verrichten zu können. Zur Stützung seines Vortrags hat er dem Senat folgende Unterlagen vorgelegt: - Ärztliches Attest des Generalkrankenhauses Thessaloniki, Chirurgische Klinik, vom 8. September 2006 mit der Mitteilung, der Kläger leide an ständiger Ileostomie wegen Analkolonektomie (1/2002). Bei ihm sei im Jahre 2000 eine Transversektomie wegen Polypose mit nachfolgender Chemotherapie druchgeführt worden. Die Ileostomie werde lebenslang bestehen bleiben; eine Ersetzung der Darmfortsetzung sei nicht vorgesehen. - Ärztliches Attest des Generalkrankenhauses Thessaloniki, Neurologische Klinik, vom 2. Oktober 2006 mit den Feststellungen, der Kläger leide seit 1998 an in Deutschland anlässlich eines stationären Krankenhausaufenthalts festgestellter multipler Sklerose, die sich in Erschöpfung, Unstabilität, Paraesthesie der Extremitäten, Schwindel, Diplopie, Sehminderung rechts, Gedächtnisminderung, geminderter Pallästhesie der unteren Extremitäten und spastischer Paraparese äußere. Der EDSS-Grad (Expanded disabilitiy status scale nach Kurtzke, 1982, der das Ausmaß der Behinderung bei multipler Sklerose beschreibt) liege bei 3,5. - IKA-Gesundheitsbuch mit Eintragungen im Zeitraum vom 3. April 2002 bis zum 18. Juli 2006.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. März 2006 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 17. Juli 2000 und 30. August 2001 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 27. März 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit an Stelle der gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit ab Antragstellung (1. Januar 2000) zu gewähren.

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2007 das Vorliegen von voller Erwerbsminderung ausgehend vom einem Leistungsfall am 21. September 2004 (Untersuchungsdatum, Prof. Dr. K.) anerkannt und sich bereit erklärt, dem Kläger ab 1. Oktober 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

Der Senat hat eine prüfärztliche Stellungnahme bei der Beklagten eingeholt, die Dr. G. unter dem 15. November 2006 verfasst hat.

Des Weiteren hat der Kläger dem Senat folgende weiteren medizinischen Unterlagen vorgelegt: - Rezeptbucheintragungen aus dem Jahre 2000 über eine damals durchgeführte Interferontherapie, - Bericht über eine im Krankenhaus Papageorgiou am 14. September 2006 durchgeführte Liquor-Untersuchung.

Hierzu hat die Beklagte eine weitere prüfärztliche Stellungnahme durch Dr. G. vom 19. Januar 2007 vorgelegt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Stuttgart im erstinstanzlichen Verfahren (S 11 R 3305/03) sowie auf diejenigen des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2007 den Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der gewährten Rente wegen Berufunfähigkeit auf Dauer für den Zeitraum ab Oktober 2004 anerkannt. Der Senat hat die Beklagte entsprechend ihrem Teilanerkenntnis verurteilt, sodass das Urteil insoweit keiner weiteren Begründung bedarf (§ 202 SGG i. V. m. §§ 307 Abs. 1, 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet, soweit er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung für die Zeit vor dem 1. Oktober 2004 begehrt.

Durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) wurde das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit neu geordnet. Wesentlicher Inhalt der Neuregelung ist die Abschaffung der Rente wegen Berufsunfähigkeit für nach dem 1. Januar 1961 geborene Versicherte und die Einführung einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente mit einer vollen Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden und halber Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von drei bis unter sechs Stunden.

Nach § 300 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - sind jedoch aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird.

Da der Kläger am 9. Dezember 1999 Rentenantrag gestellt hat, sind vorrangig die bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften noch anzuwenden, wenn bis zum 31. Dezember 2000 ein Anspruch bestanden hat. Rechtsgrundlage für den noch geltend gemachten Anspruch sind danach die §§ 44, 240, 241 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (im Folgenden §§ 44, 240, 241 SGB VI a.F.).

Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F.).

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (bzw. ab 01. April 1999 monatlich 630,- Deutsche Mark) übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbständige Tätigkeit ausübt oder eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz und Satz 2 SGB VI a.F.).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, denn er ist bis zum 31. Dezember 2000 und auch bis zum Zeitpunkt des von der Beklagten anerkannten Eintritts voller Erwerbsminderung nach neuem Rentenrecht zum 1. Oktober 2004 nicht erwerbsunfähig oder voll erwerbsgemindert gewesen.

Bis zum 30. September 2004 sind für den Senat auf der Grundlage der medizinischen Beweiserhebung im Verwaltungs- und im erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Verfahren folgende, für seine körperliche Leistungsfähigkeit bedeutsame Gesundheitsstörungen beim Kläger nachgewiesen: - Zustand nach operativer Entfernung eines Dickdarmadenokarzinoms mittlerer Differenzierung (Januar 2000), - Zustand nach totaler Koletomie mit ständiger Ileostomie wegen einer familiären Dickdarmpolyposis (November 2002), - Abnutzungserscheinungen an beiden Hüftgelenken mit geringer Bewegungseinschränkung, - Leichte Verschleißerscheinungen der Hals- und Lendenwirbelsäule bei Bandscheibenvorwölbung im Segment C5/C6, ohne neurologische Ausfallserscheinungen,

Die bis September 2004 nachgewiesenen Gesundheitsstörungen schließen - wie von der Beklagten zu recht anerkannt - eine weitere Berufstätigkeit des Klägers als Industriemechaniker und Facheinrichter aus. Für die dem Kläger bis dahin noch zumutbaren und möglichen körperlich leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes lösen sie aber keine Einschränkung der ihm zumutbaren vollschichtigen Arbeitszeit von arbeitstäglich acht Stunden aus. Der Senat stützt sich bei dieser Beurteilung auf die fundierten und in sich schlüssigen Ausführungen und Feststellungen der Gutachter Dres. G., S. und G. sowie die diese Ausführungen bestätigenden Erläuterungen von Dr. G., die er sich zu eigen macht.

Aus internistischer Sicht ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger nach den nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen S. nach der erfolgreichen totalen Dickdarmresektion im Jahre 2002 und des dadurch erforderlichen Anlegen eines Anus praeter im Mittelbauchbereich - gute hygienische Verhältnisse in den Toiletten- und Waschräumen vorausgesetzt - im allgemeinen Befinden und der körperlichen Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für sich genommen bis September 2004 noch nicht erheblich eingeschränkt gewesen ist (für einen vergleichbaren Fall ebenso: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. August 2003, L 6 RJ 457/01, JURIS). Die alle zwei bis drei Stunden erforderlichen individuellen Arbeitspausen für die Stomaversorgung sind - wie bei insulinpflichtigen Diabetes-Patienten (vgl. Sächsisches Landessozialgericht 5. Senat, Urteil vom 22. Mai 2001, L 5 RJ 25/01, JURIS und Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 3. Senat, Urteil 10. Juli 2000, L 3 RJ 53/98, JURIS sowie Landessozialgericht Berlin 8. Senat, Urteil vom 25. Oktober 1990, L 8 J 55/89 SGb 1991, 21-22) - jedenfalls grundsätzlich in den persönlichen Verteil- und Pausenzeiten möglich. Nach § 4 des Arbeitszeitgesetzes vom 6. Juni 1994 (BGBl. I Seite 1170) ist bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden mindestens eine halbstündige bzw. zwei viertelstündige Ruhepausen zu gewähren.

Die von Dr. G. im Gutachten vom 17. Mai 2004 auf orthopädischem Gebiet nachgewiesenen Gesundheitsstörungen - Abnutzungserscheinungen an beiden Hüftgelenken mit geringer Bewegungseinschränkung und leichte Verschleißerscheinungen der Hals- und Lendenwirbelsäule bei Bandscheibenvorwölbung im Segment C5/C6, ohne neurologische Ausfallserscheinungen - beeinträchtigen das Geh- und Stehvermögen sowie die Fähigkeit Treppen, Leitern und Gerüste zu besteigen oder in körperlichen Zwangshaltungen, insbesondere in gebückter Haltung, zu agieren. Sie hindern den Kläger aber nicht daran, körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts, die bei wechselnder Körperhaltung überwiegend im Sitzen ausgeübt werden, über eine Dauer von acht Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Das von Dr. G. festgestellte Gang- und Stehbild des Klägers - leicht watschelnd, ohne orthopädische Hilfsmittel, Stehen bleiben während der Anamneseerhebung -, das mit den erhobenen klinischen Untersuchungsbefunden korreliert, spricht dafür den Kläger für arbeitstäglich acht Stunden mit leichten, überwiegend im Sitzen zu verrichtenden Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für belastbar zu halten.

Die bis September 2004 nachgewiesenen Gesundheitsstörungen haben zwar die Leistungsfähigkeit des Klägers in der gebotenen Gesamtschau in qualitativer Hinsicht bis zu diesem Zeitpunkt eingeschränkt, ohne aber der Ausübung leichter Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit einer Dauer von arbeitstäglich acht Stunden entgegen zu stehen. Dazu hat der Kläger bis September 2004 auch keiner besonderen Arbeitsbedingungen, etwa durch betriebsunübliche Pausen bedurft. Die festgestellten Funktionsstörungen haben den Kläger bis zu diesem Zeitpunkt des Weiteren auch nicht daran gehindert, zumindest viermal täglich eine einfache Wegstrecke von über 500 m jeweils binnen 15 bis höchstens 20 Minuten ohne Hilfsmittel zurückzulegen (Gutachten Dr. G.); er ist voll wegefähig gewesen. Dem Kläger nicht mehr zumutbar gewesen sind allein mittelschwere und schwere Arbeiten, das Heben und Tragen von schweren Lasten über 5 kg, kniend oder hockend auszuübende Arbeiten, Arbeiten, die häufiges Treppensteigen erfordern, Arbeiten auf Gerüsten und Leitern sowie Arbeiten mit längerem Stehen und Gehen (Gutachten S. und Dr. G ...

Zusammenfassend ist der Kläger nach alledem bis September 2004 noch in der Lage gewesen, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen acht Stunden täglich auszuüben. Der Kläger ist somit bis zu diesem Zeitpunkt weder erwerbsunfähig noch voll erwerbsgemindert gewesen, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als acht Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsunfähigkeit bei vollschichtig leistungsfähigen Versicherten - anders als bei Teilzeitkräften - weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Angelernte des unteren Bereichs sowie Ungelernte geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Dem Kläger ist somit keine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für ihn zuständige Agentur für Arbeit einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).

Ausgehend hiervon sind - wie bereits im Einzelnen ausgeführt - keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar. Auch benötigt der Kläger keine betriebsunüblichen Pausen. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.

Darüber hinaus liegt bis einschließlich September 2004 auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den genannten Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die dem Kläger noch zumutbaren körperlich leichten Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen von vorn herein nicht mit Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, kniend oder bückend verrichteten Tätigkeiten, Arbeiten in körperlichen Zwangshaltungen oder Arbeiten, die häufiges Treppensteigen erfordern, verbunden. Die benannten Leistungs- und Funktionsausschlüsse führen bis September 2004 zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, da die dem Kläger bis dahin noch zumutbaren Arbeiten (z.B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten) überwiegend in geschlossen wohltemperierten Räumen durchgeführt werden und auch nicht regelmäßig mit besonderem Zeitdruck oder Schichtarbeiten verbunden sind.

Schließlich ist die Festlegung eines Invaliditätsgrades von 80 % im Jahre 2000 durch den griechischen Rentenversicherungsträger für die Beurteilung durch den deutschen Rentenversicherungsträger bzw. die Gerichte nicht bindend. Die Feststellung von Invalidität durch einen Rentenversicherungsträger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union ist nur insoweit für den Träger eines anderen Mitgliedstaates verbindlich, als die Übereinstimmung von Tatbestandsmerkmalen der Invalidität im Verhältnis zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 40 Abs. 4 der EG-Verordnung Nr. 1408/71 anerkannt worden ist. Eine solche Übereinstimmungserklärung liegt im Verhältnis zwischen der griechischen Invaliditätsregelung und den Bestimmungen des deutschen Rechts über Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bisher nicht vor (vgl. Beschluss des BSG vom 9. Juli 2002 - B 13 RJ 61/01 B - und BSG SozR 3 - 6050 Art. 40 Nr. 3).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das von der Beklagten abgegebene Teilanerkenntnis.

Für die Zulassung der Revision bestand keinen Anlass.
Rechtskraft
Aus
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