S 19 AS 1343/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 AS 1343/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25.10.2005, geändert durch Bescheid vom 10.05.2006, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2006 verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.11.2005 bis zum 30.04.2006 unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 408,25 EUR monatlich zu gewähren.

II. Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die angemessenen Kosten der Unterkunft bei Anmietung von Teilen einer Wohnung niedriger sind als bei Anmietung einer abgeschlossenen Wohnung für einen Einpersonenhaushalt.

Der Kläger bewohnt zwei möblierte Räume in der Wohnung seiner Vermieterin. Die Wohnfläche der beiden von ihm allein genutzten Räume beträgt laut Angaben der Beklagten 48 qm, laut Angaben des Klägers 40,02 qm. Laut "Untermietvertrag" vom 24.09.2003 steht ihm darüber hinaus das Recht zu, Küche und Bad mitzubenutzen. Der Mietzins beträgt monatlich 380 EUR zuzüglich einer Abschlagszahlung für die Betriebskosten für Heizung und Warmwasser, Strom und die übrigen Betriebskosten in Höhe von 50 EUR, insgesamt also 430 EUR monatlich. Das Haus, in dem sich die Wohnung befindet, ist über 100 Jahre alt. Die Vermieterin befindet sich in hohem Alter, und das Vorliegen einer Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft zwischen dem am 26.04.1970 geborenen Kläger und seiner Vermieterin wurde von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt thematisiert.

Die Kosten, die der Vermieterin des Klägers für die gesamte Wohnung entstehen, sind nicht bekannt.

Der Kläger bezieht seit dem 01.01.2005 von der Beklagten Arbeitslosengeld II.

Mit Schreiben vom 09.05.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seine Kaltmiete derzeit um einen Betrag von 100,80 EUR über der für seine Haushaltsgröße angemessenen Miet- obergrenze von 279,20 EUR liege. Unter Belehrung über die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung forderte die Beklagte den Kläger dazu auf, sich ab sofort intensiv um die Senkung seiner Unterkunftskosten zu bemühen, z.B. durch Untervermietung oder Wohnungswechsel, und diese Bemühungen zu dokumentieren, um zu vermeiden, dass ab dem 01.11.2005 die Unterkunftskosten nur noch in Höhe der angemessenen Mietobergrenze von 279,20 EUR berücksichtigt würden.

Mit Bescheid vom 25.10.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 590 EUR monatlich für den Zeitraum vom 01.11.2005 bis zum 30.04.2006. Der bewilligte Betrag teilte sich auf in die Regelleistung in Höhe von 345 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 245 EUR.

Dem gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch half die Beklagte durch Bescheid vom 10.05.2006 teilweise ab, indem sie ihren Bewilligungsbescheid vom 25.10.2005 dahingehend abänderte, dass die monatlich bewilligten Leistungen auf 597,20 EUR erhöht wurden. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Abzug für Warmwasserkosten in Höhe von 7,20 EUR versehentlich doppelt vorgenommen worden sei. Die Kosten für Unterkunft und Heizung wurden dementsprechend auf 252,20 EUR erhöht.

Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 24.07.2006 als unbegründet zurück. Dagegen erhob der Kläger am 25.08.2006 beim Sozialgericht München Klage.

Mit Schriftsatz vom 19.05.2007 hat der Kläger neben Zinsen auch die Übernahme seiner vollen Kosten für Unterkunft und Heizung seit dem 01.11.2005, also auch über den 30.04.2006 hinaus, beantragt.

Der Kläger beantragt zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 25.10.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2006 für die Zeit vom 01.11.2005 bis zum 30.04.2006 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 408,25 EUR monatlich zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf ihre Richtlinien zur Höhe der angemessenen Unterkunftskosten. Diese Richtlinien legen die Obergrenzen für die angemessene Kaltmiete in Abhängigkeit von der Anzahl der Personen und von der Baualtersklasse fest und sehen bei Einpersonenhaushalten zusätzlich eine besondere Mietobergrenze für möblierte Untermietzimmer vor. So beträgt bei einem Einpersonenhaushalt die Mietobergrenze in der Baualtersklasse 1 (bis einschließlich 1966) 397,30 EUR, in der Baualtersklasse 2 (1967 bis 1977) 413,40 EUR und in der Baualtersklasse 3 (ab 1978) 429,50 EUR. Die Mietobergrenze für ein möbliertes Untermietzimmer - ausgestattet mit Bett, Schrank, Tisch, Sitzgelegenheit, Vorhängen, Lampe und mit Küchen- und Badbenutzung - beträgt inklusive aller Nebenkosten 279,20 EUR.

Von der Mietobergrenze in Höhe von 279,20 EUR sei allerdings noch ein Betrag von pauschal 27 EUR abzuziehen, der üblicherweise für Energie, Möbel, Haushaltsgeräte, Instandsetzung und Renovierung vorgesehen sei, so dass sich ein Betrag von nur 252,20 EUR ergebe, der als angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung anzusehen sei.

Hilfsweise hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung das Argument vorgebracht, wenn das Gericht eine gesonderte Angemessenheitsgrenze für möblierte Zimmer nicht akzeptiere, müsse wenigstens die Angemessenheit anhand der Grenzen für einen Zwei-Personen-Haushalt geprüft werden, da der Kläger mit seiner Vermieterin Küche und Bad teile.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Für die Entscheidung über die zulässige Klage war das Sozialgericht München örtlich (§ 57 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und sachlich (§ 8 SGG) zuständig. Die Klage wurde gemäß §§ 87, 90, 92 SGG form- und fristgerecht erhoben.

Die Klage war - soweit die ursprünglich wesentlich weiter gehenden Klageanträge in der mündlichen Verhandlung beschränkt wurden - begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger im Zeitraum vom 01.11.2005 bis zum 30.04.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einbeziehung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 408,25 EUR zu bewilligen. Soweit durch die angefochtenen Bescheide Leistungen in dieser Höhe abgelehnt wurden, waren sie aufzuheben.

Der Anspruch des Klägers auf Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung in der genannten Höhe ergibt sich sowohl aus § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung (= § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der seit dem 01.08.2006 geltenden Fassung) als auch aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

1. Der Anspruch des Klägers ergibt sich bereits aus § 22 Abs. 1 Satz 2 in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung, da die darin genannte Sechsmonatsfrist, bis zu deren Ablauf die Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe übernommen werden, auch soweit sie unangemessen sind, mangels korrekter Aufklärung des Klägers über seine Obliegenheit, sich um angemessenen Wohnraum zu bemühen, während des streitgegenständlichen Bewilligungszeitraums noch nicht zu laufen begonnen hatte. Gemäß der genannten Vorschrift sind auch unangemessene Unterkunftskosten so lange als Bedarf zu berücksichtigen, wie es den Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Sechsmonatsfrist, die in der Regel für die Wohnungssuche zur Verfügung steht, beginnt erst dann zu laufen, wenn der Hilfebedürftige über seine Obliegenheit, sich um angemessenen Wohnraum zu bemühen, aufgeklärt worden ist (BayLSG, Urteil vom 17.03.2006 Az. L 7 AS 20/05). Das Bundessozialgericht hat zwar in seinem Urteil vom 07.11.2006 Az. B 7b AS 10/06 R die Anforderungen an die "Kostensenkungsaufforderung" durch die Behörde auf ein Minimum reduziert, jedoch die Information über den noch als angemessen anzusehenden Mietpreis als das entscheidende Moment der behördlichen Aufklärung angesehen (a.a.O. Rdnr. 29).

An dieser Information über die Obergrenze der angemessenen Mietkosten fehlte es im vorliegenden Fall aus zwei Gründen: Erstens wurde der Kläger in der Kostensenkungsaufforderung vom 09.05.2005 nicht korrekt über die später von der Beklagten tatsächlich angewandte Mietobergrenze von 252,20 EUR informiert, vielmehr war von einem höheren Betrag von 279,20 EUR die Rede. Zweitens war es nicht zulässig, den Kläger ausschließlich auf Wohnraum zu verweisen, dessen Kosten weniger als 279,20 EUR betrugen. Denn derartig niedrige Kosten konnte der Kläger - wenn überhaupt - nur dadurch erreichen, dass er sich weiterhin ein Zimmer in Untermiete suchte. Dem Kläger stand es aber selbstverständlich offen, sich im Rahmen der von der Beklagten anerkannten Angemessenheitsgrenzen eine abgeschlossene Wohnung zu suchen, bei der die Beklagte in der Baualtersklasse 3 (ab 1978) eine Nettokaltmiete von 429,50 EUR als angemessen angesehen hätte, zuzüglich Heizungs- und sonstiger Betriebskosten. Über diese Möglichkeit, zu - auch aus Sicht der Beklagten angemessenen - Wohnungskosten zu gelangen, hätte der Kläger belehrt werden müssen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass er diese Möglichkeit auch ohne Belehrung kannte. Es handelte sich dabei auch um keine unwesentliche Ungenauigkeit, vielmehr war diese Information für seine Chancen, Wohnraum innerhalb der von der Beklagten zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenzen zu finden, wesentlich, da Wohnraum für weniger als 279,20 EUR warm in München - außer in Untermietverhältnissen - kaum zur Verfügung steht.

Die Höhe der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung richtet sich ausschließlich danach, was zwischen dem Kläger und seiner (Unter-)Vermieterin rechtsverbindlich vereinbart wurde, abzüglich etwaiger Anteile für Kosten, die bereits von der Regelleistung umfasst sind. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG), wonach die Kosten der Unterkunft der gesamten Wohnung zwischen den Mitbewohnern auch dann nach der Zahl der Mitbewohner aufzuteilen ist, wenn zwischen den Mitbewohnern andere Kostenanteile rechtswirksam vereinbart worden sind (BVerwG, Beschluss vom 21.01.1988 Az. 5 C 68/85), ist schon von ihren eigenen Voraussetzungen her im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da sie ausdrücklich auf den Fall der Haushaltsgemeinschaft zwischen Verwandten oder Verschwägerten im Sinne des § 16 Satz 1 BSHG (der dem § 9 Abs. 5 SGB II entspricht) beschränkt war und nach den Gründen des genannten Beschlusses gerade nicht für den Fall gelten sollte, dass ein Hilfebedürftiger ein möbliertes Zimmer bei einem Dritten anmietet und dabei einen eigenständigen Haushalt gründet (BVerwG, a.a.O., Rdnrn. 8 und 9 bei juris). Auch die seit Inkrafttreten des SGB II ergangene Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts und des Bundessozialgerichts betraf, soweit sie sich auf den genannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes berief, ausschließlich solche Fälle, in denen es um die Kostenaufteilung zwischen Verwandten oder Verschwägerten ging, die in Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 5 SGB II lebten (BayLSG, Urteil vom 04.04.2006 Az. L 11 AS 81/05 Rdnr. 14 bei juris; BayLSG, Urteil vom 29.09.2006 Az. L 7 AS 91/06, Revision beim BSG anhängig unter Az. B 14/11b AS 55/06 R; BSG, Urteil vom 23.11.2006 Az. B 11b AS 1/06 R Rdnrn. 28 f., die Pro-Kopf-Aufteilung einschränkend für den Fall, dass nicht alle Bewohner bei Bedürftigkeit eigene Ansprüche nach dem SGB II geltend machen könnten). Im Übrigen war es in den der zitierten sozialgerichtlichen Rechtsprechung zugrunde liegenden Fällen - anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall - nicht notwendig, eine zwischen den Mitbewohnern rechtswirksam vereinbarte Kostenaufteilung für unbeachtlich zu erklären, weil eine solche Kostenaufteilung nicht vorlag. Es ist deshalb in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden, ob der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit zu folgen ist, als sie über die Grenzen einer Bedarfsgemeinschaft hinweg die Kosten der Unterkunft durch Pro-Kopf-Aufteilung der Gesamtkosten der Wohnung selbst dann ermitteln will, wenn eine andere Aufteilung rechtswirksam vereinbart ist. Jedenfalls außerhalb von Haushaltsgemeinschaften unter Verwandten oder Verschwägerten kann eine solche Pro-Kopf-Aufteilung der Gesamtkosten entgegen einer rechtswirksam vereinbarten anderweitigen Kostenaufteilung nicht akzeptiert werden: Sie würde den Hilfesuchenden in seinem verfassungsmäßig garantierten Existenzminimum gefährden und möglicherweise auch vor unlösbare praktische Schwierigkeiten stellen, da die Gesamtkosten der Wohnung dem Untermieter eines Zimmers in der Regel nicht bekannt sein und auch weder für ihn noch für die Behörde zu ermitteln sein werden, da weder dem Hilfebedürftigen noch der Behörde gegen den (Unter-)Vermieter ein Auskunftsanspruch hinsichtlich des vom (Unter-)Vermieter zu tragenden Anteils der Gesamtkosten einer Wohnung zusteht. Etwas anderes ist es freilich, wenn zwischen Mitbewohnern einer Wohnung keine Vereinbarung über die Kostenaufteilung existiert. Dann bestehen auch außerhalb einer Haushaltsgemeinschaft zwischen Verwandten und Verschwägerten im Sinne des § 9 Abs. 5 SGB II keine Bedenken dagegen, die Kosten für Unterkunft und Heizung als Pro-Kopf-Anteil der Gesamtkosten der Wohnung zu bestimmen; diese Methode ist völlig unproblematisch für den Mitbewohner, der die Kosten im Außenverhältnis nicht selbst trägt, da er ansonsten gar keine Kosten der Unterkunft beanspruchen könnte; nachteilig wirkt sich die Pro-Kopf-Aufteilung in diesen Fällen möglicherweise nur für die Bewohner aus, die im Außenverhältnis die gesamten Wohnungskosten tragen und diese insgesamt für sich als Bedarf in Anspruch nehmen, insbesondere dann, wenn ein hilfebedürftiger Mitbewohner von Ansprüchen nach dem SGB II und SGB XII ausgeschlossen ist (etwa nach § 7 Abs. 5 SGB II und § 22 Abs. 1 SGB XII). Jedenfalls ist die Frage, mit welchem Anteil Kosten für Unterkunft und Heizung bei jedem Mitbewohner einer Wohnung zu berücksichtigen sind, streng von der auf einer anderen Ebene liegenden Frage zu trennen, ob diese Kosten als angemessen anzuerkennen sind und wie die für die als angemessen anzusehende Wohnungsgröße maßgebliche Personenzahl zu ermitteln ist, ob also dabei jeder Mitbewohner für sich zu betrachten und mit seinem Anteil der Wohnungskosten zu beurteilen ist oder ob die angemessene Wohnungsgröße für die Gesamtzahl der Bewohner zu ermitteln und auf deren Basis die Angemessenheit der gesamten Wohnungskosten zu beurteilen ist (siehe dazu unten 2.b).

2. Der streitgegenständliche Anspruch kann auch auf § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gestützt werden, weil die Kosten für Unterkunft und Heizung in der zuletzt geltend gemachten Höhe als angemessen zu betrachten sind.

Zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungskosten im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II hat sich das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 07.11.2006 Az. B 7b AS 18/06 R unter Rdnrn. 19 bis 23 der Produkttheorie angeschlossen, die bereits vom Bundesverwaltungsgericht zu § 12 Bundessozialhilfegesetz in Verbindung mit § 3 Regelsatzverordnung entwickelt worden war (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28.04.2005 Az. 5 C 15/04). Danach sind die angemessenen Kosten der Unterkunft als Produkt aus der nach der Personenzahl angemessenen Wohnungsgröße und dem durchschnittlichen Quadratmeterpreis zu bilden, der für solche Wohnungen zu ermitteln ist, die einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen und keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen und die deshalb im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet.

a. Bei der Ermittlung des zweiten Faktors des zur Ermittlung der angemessenen Wohnungskosten zu bildenden Produkts, nämlich des durchschnittlichen Quadratmeterpreises von einfachen Wohnungen im unteren örtlichen Marktsegment, bietet die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keinen Anhaltspunkt, der die von der Beklagten durchgeführte Differenzierung nach Baualtersklassen auf der einen Seite und abgeschlossenen Wohnungen und möblierten Untermietzimmern auf der anderen Seite rechtfertigen würde. Es handelt sich dabei nämlich um eine Differenzierung der Mietobergrenzen nach Beschaffenheits- oder wertbildenden Faktoren der konkret bewohnten Unterkunft. Das Bundessozialgericht hat der Kombinationstheorie, die solche einzelnen wertbildenden Faktoren berücksichtigt, mit der Begründung eine Absage erteilt, dass nicht alle berücksichtigungsfähigen Faktoren jeweils im Bereich der Angemessenheit liegen müssten und der Hilfebedürftige daher nicht ohne sachlichen Grund in der Wohnungswahl beschränkt werden dürfe (BSG, Urteil vom 07.11.2006 Az. B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 21). Wenn es einem Hilfebedürftigen nicht zum Nachteil gereichen darf, dass er eine Wohnung wählt, die hinsichtlich einzelner Faktoren (z.B. Lage, Größe, Ausstattung) einen höheren Standard aufweist, als es dem unteren Marktsegment entspräche, solange das Produkt aus angemessener Wohnfläche und angemessenem Quadratmeterpreis nicht überschritten wird, darf es ihm erst recht nicht zum Nachteil gereichen, wenn er eine Wohnung wählt, die hinsichtlich eines einzelnen Faktors sogar unterhalb des Standards liegt, der als angemessen angesehen würde, wie nämlich hier, wenn anstelle einer baulich abgeschlossenen Wohnung einfachen Standards nur ein nicht abgeschlossener Wohnungsteil angemietet wird. Auch das Baujahr der Wohnung stellt einen derartigen wertbildenden Faktor dar, für dessen Berücksichtigung im Rahmen der Produkttheorie kein Raum ist.

Die Berücksichtigung von wertbildenden Faktoren bei der Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten im Sinne des § 22 SGB II steht auch in Widerspruch zur Freiheit der Hilfebedürftigen, ihre Wohnung im Rahmen der angemessenen Kosten frei zu wählen. Die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten, die gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auch bei tatsächlich höheren Unterkunftskosten noch zu übernehmen wären, erfolgt völlig losgelöst von der konkret bewohnten Unterkunft, so dass erst recht einzelne Merkmale der konkret bewohnten Unterkunft unberücksichtigt bleiben müssen: Bei der Frage, in welcher Höhe die Kosten einer insgesamt unangemessenen Wohnung noch als angemessen zu betrachten und damit bei der Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen sind, geht es nicht nur um die Verneinung oder Bejahung der Angemessenheit der Kosten der konkret bewohnten Wohnung, sondern um die Ermittlung der Kosten, die zu übernehmen wären, wenn der Hilfebedürftige eine für ihn angemessene Wohnung gewählt hätte. Maßstab für diese als noch angemessen anzuerkennenden Kosten kann schon von der Logik her nicht die konkret bewohnte Wohnung sein, denn sie ist ja gerade nicht angemessen. Maßstab für die Angemessenheit der Wohnungskosten können also bei tatsächlich unangemessen hohen Wohnungskosten logisch nur solche Wohnungen sein, die vom Hilfebedürftigen gerade nicht bewohnt werden, die ihm aber - gemessen an der Anzahl der zu berücksichtigenden Personen - von der Größe her zumutbar wären. Wenn nun bei der Bestimmung der angemessenen Wohnungskosten eines Hilfebedürftigen, der in einer Altbauwohnung oder in einem möblierten Zimmer wohnt, nur die durchschnittlichen Kosten von Altbauwohnungen bzw. von möblierten Zimmern berücksichtigt werden, setzt diese Berechnung die unausgesprochene Überlegung voraus, dass der Kreis der zumutbaren Wohnungen ausschließlich aus Altbauwohnungen bzw. aus möblierten Zimmern zu bestimmen sei. Diese Überlegung ist jedoch unzulässig, da auch der Bewohner einer Altbauwohnung oder eines möblierten Zimmers bei der Auswahl seiner aktuellen Wohnung das Recht gehabt hätte und auch noch hat, statt der Altbauwohnung oder des möblierten Zimmers eine Neubauwohnung zu nehmen, und deshalb auch diese Wohnungen bei der Ermittlung der Kosten einer angemessenen Wohnung zu berücksichtigen sind.

Ganz in diesem Sinne liegen die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu § 3 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 Regelsatzverordnung in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung. Nach dieser Vorschrift, die mit Wirkung vom 01.08.1996 eingefügt worden war und damit die frühere Rechtsprechung, wonach die Kosten einer unangemessen teuren Wohnung sozialhilferechtlich nicht einmal anteilig zu übernehmen waren (zuletzt BVerwGE 101, 194), überholte, waren die unangemessen hohen Aufwendungen für eine neue Wohnung jedenfalls in Höhe angemessener Aufwendungen zu übernehmen. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, jedenfalls die nach § 3 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 Regelsatzverordnung gebotene Betrachtung löse "sich von einer bestimmten, von den Hilfebedürftigen genutzten Unterkunft (und damit einer objektbezogenen Angemessenheit)" und stelle stattdessen darauf ab, welche Aufwendungen nach den maßgeblichen örtlichen Verhältnissen für eine nach Wohnfläche und Mietzins zur Bedarfsdeckung geeignete Unterkunft entstehen würden, wobei Ausgangspunkt die - abstrakt zu ermittelnde - personenzahlabhängige Wohnungsgröße sei (BVerwG, Urteil vom 28.04.2005 Az. 5 C 15/04 Rdnr. 12).

Nicht überzeugen kann auch das von der Beklagten vorgebrachte Argument, ohne die Staffelung nach der Baualtersklasse könnten sich die Empfänger von Leistungen nach dem SGB II keine Neubauwohnungen leisten. Denn erstens trifft das Argument nicht zu, da bei Anwendung der Produkttheorie auch die Kosten von Neubauwohnungen angemessen sein können, wenn die Hilfebedürftigen entsprechende Abstriche bei der Wohnungsgröße oder sonstigen wertbildenden Faktoren (wie etwa Lage) in Kauf nehmen und sich damit die Kosten insgesamt noch im angemessenen Rahmen handeln. Zweitens gehört die Förderung des Wohnungsbaus nicht zu den Zwecken des SGB II.

b. Hinsichtlich des ersten im Rahmen der Produkttheorie anzusetzenden Faktors, nämlich der nach der Personenzahl angemessenen Wohnungsgröße, hat das Bundessozialgericht auf die Richtlinien verwiesen, die von den einzelnen Ländern in Vollzug des § 10 Gesetz über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) erlassen werden (Urteil vom 07.11.2006 Az. B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 19). In Bayern sind die Verwaltungsvorschriften zum Vollzug des Wohnungsbindungsrechts (VVWoBindR) durch Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 10.12.2004 Nr. IIC4-4702-003/04 ergangen. Diese bestimmen unter Nr. 6.7.1 folgende Wohnungsgrößen als angemessen: - für einen Alleinstehenden bis zu 50 qm Wohnfläche - für zwei Haushaltsangehörige bis zu 65 qm Wohnfläche - für drei Haushaltsangehörige bis zu 75 qm Wohnfläche - für vier Haushaltsangehörige bis zu 90 qm Wohnfläche und für jeden weiteren Haushaltsangehörigen jeweils 15 qm Wohnfläche zusätzlich. In einem ebenfalls am 07.11.2006 verkündeten Urteil mit dem Az. B 7b AS 10/06 R hat das Bundessozialgericht unter Rdnr. 24 festgestellt, dass die landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus nur "typisierend (mit der Möglichkeit von Ausnahmen)" für die Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungskosten heranzuziehen sind. Diese Einschränkung ist auch erforderlich, da eine verbindliche Interpretation bundesrechtlicher Rechtsbegriffe durch landesrechtliche Verwaltungsvorschriften nicht möglich und vom Bundessozialgericht sicher nicht gemeint war. Infolgedessen tendiert die Kammer dazu, die unter Nr. 6.7.1 VVWoBindR genannten Wohnungsgrößen dadurch zu modifizieren, dass die angemessene Wohnungsgröße für einen Alleinstehenden auf nur 45 qm und die für zwei Haushaltsangehörige auf nur 60 qm begrenzt wird. Maßgeblich sind dafür zwei Überlegungen: - Der Lebensstandard wird in weiten Teilen des Bezirks des Sozialgerichts München durch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Landeshauptstadt München geprägt, in der aufgrund der hohen Immobilienpreise Wohnungsgrößen von unter 50 qm für Alleinstehende und von unter 65 qm für Paare selbst bei guten Einkommen keine Seltenheit und ohne Weiteres zumutbar sind. - Vermieden wird auf diese Weise die sonst nicht zu erklärende Inkonsequenz, dass der Abstand in der angemessenen Wohnungsgröße zwischen zwei und drei Haushaltsangehörigen nur 10 qm, bei allen anderen Erhöhungen der Haushaltsgröße um einen Angehörigen aber jeweils 15 qm beträgt.

Bei der für die angemessene Wohnungsgröße maßgeblichen Personenzahl ist im vorliegenden Fall nur der Kläger zu berücksichtigen, nicht aber seine Vermieterin, mit der er innerhalb der Wohnung Küche und Bad teilt. Aus der Rechtsprechung geht nicht eindeutig hervor, ob nur die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II oder darüber hinaus auch die Mitglieder einer Haushaltsgemeinschaft unter Verwandten oder Verschwägerten im Sinne des § 9 Abs. 5 SGB II oder sogar alle Bewohner einer baulich nicht teilbaren Wohnung bei der Ermittlung der im Sinne des § 22 SGB II angemessenen Wohnungsgröße zu berücksichtigen sind. Dabei braucht im vorliegenden Fall die Frage, inwieweit Personen, die zu einer Haushaltsgemeinschaft unter Verwandten oder Verschwägerten im Sinne des § 9 Abs. 5 SGB II gehören, bei der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße mitzuzählen sind, nicht entschieden zu werden. Die folgenden Überlegungen sparen deshalb diesen Spezialfall aus und konzentrieren sich auf die Frage, ob nur die Mitglieder der jeweiligen Bedarfsgemeinschaft oder alle Bewohner bei der Bestimmung der für die angemessene Wohnungsgröße maßgeblichen Personenzahl mitzuzählen sind. Für die Berücksichtigung sämtlicher Bewohner einer baulich nicht teilbaren Wohnung spräche zwar die Überlegung, dass in solchen Fällen alle Bewohner, auch soweit sie nicht über eine Bedarfsgemeinschaft verbunden sind, von den "Synergieeffekten" infolge der Nutzung gemeinsamer Räume wie Küche, Bad und Gänge profitieren, so dass der bei höheren Personenzahlen degressive Anstieg der angemessenen Mietkosten zu rechtfertigen wäre. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Berücksichtigung von Personen, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft eines Hilfebedürftigen gehören, bei der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße im Sinne der Produkttheorie zu Ergebnissen führen würde, die mit den Grundgedanken des Sozialgesetzbuchs II nicht zu vereinbaren wären; eine Ausnahme ist nur für die in § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II genannten im Haushalt lebenden Kinder anzuerkennen, soweit sie wegen eigenen Einkommens oder Vermögens nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören. Würde man nämlich bei der Bestimmung der für die angemessene Wohnungsgröße maßgeblichen Personenzahl auch Personen, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, berücksichtigen, so müssten den nach der Produkttheorie als angemessen ermittelten Wohnungskosten diejenigen tatsächlichen Wohnungskosten gegenübergestellt werden, die für die gesamte Wohnung - und nicht nur für einen Teil der Wohnung - entstehen. Damit wären die tatsächlichen Unterkunftskosten verschiedener Personen, die nicht durch eine Bedarfsgemeinschaft verbunden sind, zu addieren. Dies würde aus folgenden Gründen zu unsachgemäßen Ergebnissen führen:

- Auf der einen Seite würden Hilfebedürftige durch niedrige Unterkunftskosten von Mitbewohnern bei der Angemessenheitsprüfung entlastet, ohne dass sich die niedrigen Unterkunftskosten der Mitbewohner bedarfs- und damit anspruchsmindernd bei den Hilfebedürftigen auswirken würden.

Wären beispielsweise im vorliegenden Fall die Wohnungskosten der Vermieterin des Klägers vernachlässigbar gering, etwa weil sie schuldenfrei Wohnungseigentum innehätte, so wären allein die Wohnungskosten des Klägers der für zwei Personen geltenden Mietobergrenze gegenüberzustellen, die nach den Richtlinien der Beklagten für Altbauwohnungen bei immerhin 590,60 EUR läge. Für diese Bevorzugung eines Hilfebedürftigen allein aufgrund der Tatsache, dass er die Wohnung mit einer - möglicherweise vermögenden - Person teilt, bei der selbst keine Wohnungskosten anfallen, ließe sich keine Rechtfertigung finden.

- Auf der anderen Seite würden Hilfebedürftige durch hohe Unterkunftskosten von Mitbewohnern bei der Angemessenheitsprüfung belastet, obwohl sie für den Bedarf ihrer Mitbewohner rechtlich nicht einzustehen hätten.

Wären beispielsweise im vorliegenden Fall die Wohnungskosten der Vermieterin des Klägers so hoch, dass sie zusammen mit der vom Kläger gezahlten Miete (ohne Doppeltzählung, d. h. unter gleichzeitigem Abzug der vom Kläger gezahlten Miete von den Wohnungsgesamtkosten der Vermieterin) die von der Beklagten für zwei Personen festgelegte Mietobergrenze von 590,60 EUR überstiegen, so wären die Gesamtkosten auf diese Mietobergrenze zu kürzen. Dies bedeutet, dass auch der Anteil des Klägers an den Wohnungsgesamtkosten selbst dann nicht in vollem Umfang zu übernehmen wäre, wenn dieser gemessen an den für eine Person geltenden Mietobergrenzen angemessen wäre. Für diese Benachteiligung des Klägers gäbe es keine Rechtfertigung, zumal wenn die Wohnungskosten der Vermieterin von dieser selbst finanziert werden und die Beklagte nicht belasten.

- Schließlich würde man bei der Anwendung der Produkttheorie in unzulässiger Weise unterstellen, dass sich alle Mitbewohner gemeinsam um angemessenen Wohnraum zu bemühen hätten, obwohl davon außerhalb von Bedarfsgemeinschaften nicht ausgegangen werden kann. Wie oben unter 2.a erörtert, geht es bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft nach der Produkttheorie um die Ermittlung der Kosten, die zu übernehmen wären, wenn der Hilfebedürftige eine für ihn angemessene Wohnung gewählt hätte oder wählen würde, wobei die konkret bewohnte Unterkunft - sofern ihre Kosten unangemessen sind - gerade nicht zu berücksichtigen ist. Wenn man nun bei der Ermittlung des Kreises der von der Größe her zumutbaren Wohnungen angemessenen Standards auf die Zahl aller Mitbewohner abstellen würde, würde man gleichzeitig unterstellen, dass sich alle Mitbewohner nur gemeinsam eine Unterkunft suchen durften bzw. dürfen. Eine solche Unterstellung ist aber zwischen Mitbewohnern, die unter einander in keiner Bedarfsgemeinschaft und damit weder in einer rechtlichen noch in einer rechtlich zu erwartenden Verantwortung stehen, nicht möglich.

Ebenso verbietet sich die Überlegung, die Mietobergrenzen für mehrere, nicht durch eine Bedarfsgemeinschaft verbundene Bewohner einer Wohnung dadurch zu bestimmen, dass die für die Gesamtzahl der Bewohner ermittelte Mietobergrenze durch die Anzahl der Bewohner geteilt und jedem Bewohner ein gleicher Anteil zugewiesen wird. Ausgehend von einer Mietobergrenze von 590,60 EUR für zwei Personen ergäbe sich bei dieser Überlegung eine Mietobergrenze von 295,30 EUR für den Kläger, allerdings nur bezogen auf die Kaltmiete, so dass die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung schätzungsweise zwischen 300 und 350 EUR lägen. Ein solcher Ansatz würde bereits insofern gegen die Produkttheorie verstoßen, als er die Gegebenheiten der konkret bewohnten Unterkunft in die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze einbezöge, was nach den oben unter 2.a gemachten Ausführungen gerade nicht zulässig wäre: Durch den beschriebenen Ansatz wird nämlich die Angemessenheitsgrenze nur scheinbar für die Gesamtkosten aller Bewohner ermittelt; in Wahrheit wird die Angemessenheitsgrenze für jeden einzelnen Bewohner isoliert ermittelt, allerdings in Abhängigkeit von der Anzahl seiner Mitbewohner in der konkreten Wohnung. Die Anzahl der Mitbewohner ist aber ebenso ein wertbildender Faktor der konkret zu beurteilenden Unterkunft wie beispielsweise das Baujahr der Wohnung oder die Frage, ob um ein Zimmer innerhalb einer Wohnung handelt. Bei isolierter Bestimmung der Angemessenheitsgrenze für jeden einzelnen Mitbewohner kann die Anzahl der Mitbewohner nach der Produkttheorie keine Rolle spielen, weil bei der Bestimmung der Durchschnittskosten der noch angemessenen Unterkünfte, auf die sich der einzelne Mitbewohner verweisen lassen müsste, selbstverständlich nur von solchen Unterkünften ausgegangen werden kann, die von der Größe her für eine einzige Person angemessen sind, da der einzelne Mitbewohner, der mit den übrigen Mitbewohnern nicht durch eine Bedarfsgemeinschaft verbunden ist, seine Unterkunft unabhängig von den Mitbewohnern wählen kann. Schließlich könnte die Auffassung, dass die angemessenen Unterkunftskosten für jeden einzelnen Mitbewohner mit zunehmender Gesamtzahl der Mitbewohner - unabhängig von einer Bedarfsgemeinschaft - abnimmt, zu geradezu paradoxen Ergebnissen führen: Vermietet etwa ein Wohnungseigentümer zwei von ihm nicht benutzte Zimmer seiner Wohnung, so könnten die höheren Unterkunftskosten desjenigen Mieters, der gleich beide Zimmer anmietet, angemessen sein, die geringeren Unterkunftskosten eines Mieters, der nur ein Zimmer anmietet, so dass das zweite Zimmer an einen Dritten vermietet werden kann, dagegen nicht.

Hinzunehmen ist als unvermeidbare Konsequenz der hier vertretenen Auffassung, dass einer reinen Wohngemeinschaft von erwachsenen Empfängern von Arbeitslosengeld II insgesamt wesentlich mehr Unterkunftskosten zustehen können als einer Bedarfsgemeinschaft gleicher Mitgliederzahl. Leben etwa vier nicht mit einander verwandte oder in eheähnlichen Beziehungen stehende Erwachsene in einer reinen Wohngemeinschaft zusammen, so stehen im Falle ihrer Hilfebedürftigkeit nach den Richtlinien der Beklagten in der Baualtersklasse 2 jedem Einzelnen von ihnen Kosten für Unterkunft und Heizung bis zu einer Mietobergrenze von 413,40 EUR zu, so dass die vier zusammen eine Wohnung mit einer Kaltmiete von bis zu 1.653,50 EUR finanzieren könnten. Bei einer Bedarfsgemeinschaft mit vier Mitgliedern ergäbe sich jedoch unter Zugrundelegung derselben Richtlinien eine Mietobergrenze von nur 753,70 EUR. Diese Konsequenz mag auf den ersten Blick schwer verständlich wirken, bei näherer Betrachtung erweist sie sich jedoch als unvermeidbare Folge der Produkttheorie: Die Kernaussage der Produkttheorie besteht schließlich darin, dass es für die Angemessenheit von Unterkunftskosten nicht darauf ankommt, ob einzelne wertbildende Faktoren der Unterkunft angemessen sind, d. h. einem einfachen Standard entsprechen, oder nicht, sondern allein darauf, ob sich die Gesamtkosten der Unterkunft im Rahmen der als abstraktes Produkt ermittelten Kosten halten. Es steht also jedem Hilfebedürftigen frei, bei der Wahl seiner Wohnung bezüglich einzelner Faktoren den Standard, der ihm eigentlich zumutbar wäre, noch zu unterschreiten, um bezüglich anderer Faktoren, auf die er persönlich größeren Wert legt, einen höheren Standard wählen zu können. Dies muss im Übrigen nicht nur persönlichen Vorlieben zugute kommen, sondern kann auch ganz praktische und die öffentliche Hand von Folgekosten entlastende Vorteile haben, etwa wenn Hilfebedürftige eine kleinere Wohnung wählen, als es für sie angemessen wäre, um dafür eine besonders gute, zentrale Lage zu erhalten, um so bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben oder medizinische Einrichtungen leichter erreichen zu können. Nichts anderes, nämlich auf einen bestimmten wertbildenden Faktor zu verzichten, tut ein Hilfebedürftiger, der sich freiwillig entscheidet, keine Wohnung für sich allein anzumieten, obwohl ihm eine solche zustünde, sondern mit anderen Personen zusammen eine größere Wohnung zu beziehen. Der damit verbundene Verzicht auf Privatsphäre sowie die aus der gemeinsamen Nutzung von Küche oder Bad sich ergebenden Einschränkungen stellen erhebliche Nachteile dar, die die Bewohner von Wohngemeinschaften in Kauf nehmen, die jedoch im Rahmen der Produkttheorie nicht anders zu bewerten sind als die Entscheidung, eine besonders kleine Wohnung wählen, so dass die sich daraus ergebenden finanziellen Spielräume den Hilfebedürftigen zugute kommen.

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei der für die angemessene Wohnungsgröße maßgeblichen Personenzahl nur Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen sind, ist - außer möglicherweise in dem hier nicht zu entscheidenden Fall einer Haushaltsgemeinschaft unter Verwandten oder Verschwägerten - im Fall der im Haushalt lebenden unverheirateten Kinder von unter 25 Jahren zu machen, die gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Die Beantwortung der Frage, ob diese Kinder die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können und damit zur Bedarfsgemeinschaft gehören oder nicht, setzt nämlich erst einmal die Ermittlung ihres Bedarfs voraus. Zur Bedarfsermittlung gehört auch die Prüfung der Angemessenheit von Kosten für Unterkunft und Heizung. Da also ohne die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze bei den Unterkunftskosten die Frage nach der Mitgliedschaft zur Bedarfsgemeinschaft bei diesem Personenkreis nicht beantwortet werden kann, ergibt sich aus Gründen der Logik, dass die in § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II genannten Kinder auch dann bei der Ermittlung der für die angemessene Wohnungsgröße maßgeblichen Personenzahl zu berücksichtigen sind, wenn sie über Einkommen oder Vermögen verfügen, aus dem sie ihren Bedarf decken können, und deshalb nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören.

Demnach ist die Vermieterin des Klägers bei der für die angemessene Wohnungsgröße maßgeblichen Personenzahl nicht zu berücksichtigen.

Nach den dargestellten Grundsätzen ist die angemessene Wohnungsmiete für den Kläger unabhängig davon, ob er nur Teile einer Wohnung in Untermiete oder eine Alt- oder Neubauwohnung bewohnt, aus dem Produkt von wenigstens 45 qm mit dem durchschnittlichen Quadratmeterpreis einfacher Wohnungen im unteren Segment innerhalb des als Vergleichsmaßstab dienenden räumlichen Bereichs zu ermitteln. Welcher Wert sich daraus ergibt, konnte das Gericht nicht exakt ermitteln, jedoch ist der zuletzt eingeklagte Betrag von 408,25 EUR sicher als angemessen anzusehen. Die Kammer hat bereits in den Gründen ihres Urteils vom 19.09.2006 Az. S 19 AS 548/06 ausgeführt, dass die Art und Weise der Berechnung der Mietobergrenzen durch die Beklagte mit der Produkttheorie methodisch nicht zu vereinbaren ist. Während nämlich nach der Produkttheorie das Produkt aus der für die Personenzahl höchstens angemessenen Wohnungsgröße (bei 1 Person 45 qm) und dem durchschnittlichen Quadratmeterpreis einfacher Wohnungen im unteren Segment zu bilden ist, berechnet die Beklagte die Mietobergrenze als Produkt aus der durchschnittlichen Größe der Wohnungen, deren Wohnfläche kleiner oder gleich der maximal angemessenen Wohnungsgröße ist (bei 1 Person: 32 qm), und einem mittleren bis überdurchschnittlichen Quadratmeterpreis, der nicht nur das untere Marktsegment, sondern auch höherwertige Wohnungen einbezieht. Da der zu niedrig angesetzte erste Faktor durch den zu hoch angesetzten zweiten Faktor kompensiert wird, hat die Kammer in dem eben zitierten Urteil unter Berücksichtigung weiterer eigener Ermittlungen trotz der methodischen Unzulänglichkeiten im Ergebnis die von der Beklagten für die Baualtersklasse 2 angenommene Mietobergrenze von 413,40 EUR für 1 Person als jedenfalls nicht zu niedrig eingeschätzt. Dessen ungeachtet zeigt die methodische Abweichung der Beklagten gerade im Fall des Untermietzimmers ihre volle Wirkung: Hier geht die Beklagte offenbar von noch weit geringeren Wohnungsgrößen aus. Teilt man nämlich die von der Beklagten angenommene Mietobergrenze für möblierte Zimmer von 279,20 EUR durch 45 qm, so kommt man auf einen Quadratmeterpreis von 6,20 EUR, für den möblierte Zimmer in München unter Einbeziehung sämtlicher Energie- und sonstiger Nebenkosten mit Sicherheit nicht zu erlangen sind. Der erste im Rahmen der Produkttheorie zu berücksichtigende Faktor wird also von der Beklagten bei Untermietzimmern so stark unter die von der Rechtsprechung definierte angemessene Wohnungsgröße abgesenkt, dass dieser Fehler nicht mehr durch die Überhöhung des zweiten Faktors ausreichend kompensiert wird, um im Ergebnis noch hinnehmbar zu sein.

Da sich die von der Beklagten bei Einpersonenhaushalten angewandten Mietobergrenzen in den verschiedenen Baualtersklassen zwischen 397,30 EUR und 429,50 EUR bewegen, konnte das Gericht ohne weitere Ermittlungen davon ausgehen, dass die unter Einbeziehung aller Wohnungen - und aller Untermietzimmer, die von zahlenmäßig geringer Bedeutung sein dürften - zu berechnende Mietobergrenze jedenfalls nicht unter 397,30 EUR liegt, worin die Nebenkosten aber nicht enthalten sind, so dass eine Warmmiete von 408,25 EUR völlig eindeutig noch im Bereich des Angemessenen liegt. Dieses Ergebnis ist so eindeutig, dass auch vernachlässigt werden kann, dass die Beklagte keine Unterteilung in kleinere Vergleichsgebiete vorgenommen hat, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in größeren Städten geboten sein kann (BSG, Urteil vom 07.11.2006 Az. B 7b AS 18/06 R Rdnr. 21).

Zu übernehmen sind die Wohnungskosten des Klägers jedoch nur in der Höhe, in der sie als Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II anzuerkennen sind. Da die vom Kläger nach dem Mietvertrag geschuldeten monatlichen Zahlungen in Höhe von 430 EUR auch den Verbrauch an Warmwasser und Elektrizität abdecken, die jedoch von der Regelleistung umfasst sind, war insoweit ein Abschlag vorzunehmen. Der Abschlag wurde anhand des nach der Regelsatzverordnung 2006 in Verbindung mit der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 2003 sich für Haushaltsenergie ergebenden Anteils am sozialhilferechtlichen Regelsatz geschätzt auf 21,75 EUR, wodurch sich der als Kosten für Unterkunft und Heizung anzuerkennende Betrag von 408,25 EUR ergibt. Ein Abzug für die Möblierung der Unterkunft ist nicht vorzunehmen (BayLSG, Urteil vom 17.02.2006 Az. L 7 AS 6/06).

In diesem Zusammenhang sei auch bemerkt, dass die Kammer nicht nachvollziehen kann, warum die Beklagte den Abzug für Energie und Möblierung von der nach ihren Richtlinien vorgesehenen Mietobergrenze und nicht von den tatsächlichen Wohnungskosten vornimmt. Methodisch korrekt sind zunächst die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu ermitteln, was es erfordern kann, von den im Mietvertrag ausgewiesenen Kosten einen Abzug für solche Kosten vorzunehmen, die von der Regelleistung erfasst sind. Nur der verbleibende, als Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 SGB II anzuerkennende Betrag ist dann überhaupt erst auf seine Angemessenheit hin zu überprüfen. Wenn die Beklagte dagegen davon ausgeht, dass ihre als angemessen anzuerkennende Mietobergrenze Kosten enthält, die nicht unter § 22 Abs. 1 SGB II fallen, dann bedeutet dies, dass sie ihre Mietobergrenze auch in dieser Hinsicht unzutreffend ermittelt hat. Korrigiert werden kann dies aber keinesfalls dadurch, dass die im konkreten Einzelfall nicht unter § 22 Abs. 1 SGB II fallenden Wohnungskosten von der Mietobergrenze abgezogen werden, da die Mietobergrenze abstrakt und losgelöst vom Einzelfall zu ermitteln ist.

Abschließend sei bemerkt, dass die hier vertretene Rechtsauffassung keineswegs zwangsläufig zu Mehrausgaben der Beklagten in Bezug auf die Gesamtheit der Hilfeempfänger führen muss. Zum einen könnte es sein, dass durch die Gleichbehandlung von Untermietzimmern und allen Baualtersklassen bei der Berechnung der Mietobergrenzen nicht nur die Mehrausgaben für die modernste Baualtersklasse wegfallen, sondern auch die Ausgaben für die mittlere Baualtersklasse leicht gesenkt werden. Zum anderen hätte der Kläger unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten gemäß § 22 Abs. 2 und 3 Satz 2 SGB II das Recht, von der Beklagten die Zustimmung zum Umzug in eine Wohnung seiner Wahl und unter Umständen die Übernahme der Umzugskosten zu verlangen, solange für die neue Wohnung die Angemessenheitsgrenzen nicht überschritten werden, da ein Umzug von einer unangemessenen in eine angemessene Wohnung immer als erforderlich anzusehen ist. Jedenfalls wären die höheren Kosten einer neuen Unterkunft von der Beklagten bis zur Angemessenheitsgrenze zu übernehmen, auch wenn dem Kläger auf dem Wohnungsmarkt günstigere Wohnungen unterhalb der Angemessenheitsgrenze zur Verfügung stünden. Sieht man dagegen die derzeitigen Unterkunftskosten des Klägers als angemessen an, könnte der Kläger im Fall eines Umzugs höhere Wohnungskosten gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit 01.08.2006 geltenden Fassung nur dann verlangen, wenn der Umzug erforderlich war. Erforderlich ist der Umzug dann jedenfalls nicht wegen der Unangemessenheit der bisher gezahlten Miete. Auf diese Weise ist die Beklagte im Falle eines Wohnungswechsels jedenfalls nicht zwangsläufig dazu verpflichtet, jede noch angemessene Miete einer baulich abgeschlossenen Wohnung bis zur Mietobergrenze zu übernehmen, vielmehr könnte der Kläger beispielsweise auch auf geeignete Objekte unterhalb der Mietobergrenzen verwiesen werden.

Die Nichtdiskriminierung von Wohngemeinschaften unter nicht verwandten Hilfebedürftigen gegenüber getrennt lebenden Hilfebedürftigen eröffnet weitere Einsparpotentiale für die öffentliche Hand: So wird der oben konstruierte Fall einer Vierer-Wohngemeinschaft, deren Bewohner nach den Richtlinien der Beklagten in der Baualtersklasse 2 bis zu 4 mal 413,40 EUR = 1.653,50 EUR Kaltmiete beanspruchen könnten, während einer Bedarfsgemeinschaft von vier Personen maximal 753,70 EUR als angemessen zuerkannt würden, nicht den Regelfall darstellen. Viel häufiger werden die Gesamtkosten bei einer solchen Wohngemeinschaft etwa zwischen 1000 und 1.200 EUR liegen. Das ist zwar immer noch erheblich mehr, als einer vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft zugestanden würde, aber weitaus weniger, als die öffentliche Hand insgesamt zu zahlen hätte, wenn sie zunächst die Auflösung der Wohngemeinschaft durch vier Einzel-Umzüge und dann die Kosten von vier Zwei-Zimmer-Wohnungen zu finanzieren hätte, die dann die vierfache Obergrenze von je 413,40 EUR mit Sicherheit kaum unterschreiten würden, zuzüglich der bei vier Einzelwohnungen insgesamt wesentlich höheren Neben- und Heizkosten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Das Teilunterliegen des Klägers ergibt sich daraus, dass er im Laufe des Klageverfahrens wesentlich weitergehende Anträge gestellt hat, die sich auch auf die Zeit über den 30.04.2006 hinaus erstreckten, für die die Klage mangels Durchführung von Widerspruchsverfahren aber nicht zulässig war. Die für die Folgezeiträume ergangenen Bescheide wurden nicht in analoger Anwendung des § 96 SGG Gegenstand des laufenden Klageverfahrens (BSG, Urteil vom 07.11.2006 Az. B 7b AS 10/06 R Rdnr. 11). Die reduzierte Antragstellung des Klägers in der mündlichen Verhandlung war insoweit als teilweise Klagerücknahme anzusehen.
Rechtskraft
Aus
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