L 28 B 1066/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 91 AS 8620/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 1066/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß § 172 und § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) Berlin nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist unbegründet.

Der Antragsgegner war nicht im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zu verpflichten, die begehrten – nicht näher aufgeschlüsselten – Mehrbedarfe für "Privatrezepte" und für kostenaufwändige Ernährung bei Osteoporose zu gewähren und die Kosten für die Anschaffung einer bandscheibengerechten Matratze zu übernehmen. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Dabei sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Ein solcher Anordnungsgrund fehlt zunächst für den geltend gemachten Bedarf für Arzneimittel (Schmerzmittel) auf "Privatrezept". Der Bezug von Arbeitslosengeld II vermittelt die (für den Hilfebedürftigen kostenfreie) Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn nicht bereits eine vorrangige Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V]). Damit hat die Antragstellerin Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung, soweit diese ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§§ 11, 12 SGB V). In diesem Rahmen ist auch die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln gewährleistet (§ 31 SGB V). Zwar sind für Versicherte apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungs-pflichtige Arzneimittel im Regelfall bzw. verschreibungspflichtige Schmerzmittel für die Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten von der Versorgung nach § 31 SGB V im Grundsatz ausgeschlossen (§ 34 Abs. 1 SGB V). Dieser Ausschluss bestimmter Arzneimittel aus der Versorgung ist aber verfassungsgemäß, da aus Art. 2 Abs. 1 und 2 Grundgesetz kein Anspruch auf Versorgung mit allen erdenklichen Leistungen und Medikamenten abgeleitet werden kann (vgl BSG vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 10/05 R, juris RdNr. 13), zumal nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkasse über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien) für eine Reihe von Fallgruppen bei schwerwiegenden Erkrankungen Ausnahmeregelungen getroffen worden sind. Dies gilt grundsätzlich auch für Bezieher von Alg II. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin durch die Versorgung mit solchen Arzneimitteln auf eigene Kosten finanziell in nicht hinnehmbarer Weise überfordert ist, ergeben sich nicht, da jeder Vortrag zu Art und Kosten der benötigten Arzneimittel fehlt.

Auch einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung haben Antragsgegner und SG zu Recht abgelehnt. Nach § 21 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch [SGB II] erhalten Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Die Erkrankung, die die Antragstellerin anführt (Osteoporose), verursacht zur Überzeugung des Senats keinen entsprechenden Mehrbedarf. Eine ausreichende, calciumreiche Ernährung (vor allem also durch den Verzehr von Milchprodukten) ist Grundlage der Osteoporosebehandlung. Für den Transport von Calcium aus der Nahrung hin zu den Knochen sorgt Vitamin D (enthalten zB in Fisch, Eiern, Milch und Butter). Dabei ist in den Monaten von April bis September ein täglicher, 30 Minuten langer Aufenthalt im Freien ausreichend für die Vitamin D-Zufuhr (vgl. zum Ganzen etwa die Empfehlungen des Kuratoriums Knochengesundheit e.V., www.osteoporose.org). Eine diesen Kriterien gerecht werdende Ernährung und Lebensweise erfordert keinen erhöhten Ernährungsaufwand, weil sie bereits durch richtige Auswahl "gewöhnlicher" Lebensmittel, d.h. ohne spezielle Lebensmittel möglich ist. Calciumverbindungen (mind. 300 mg Calcium-Ion/Dosiereinheit) und Vitamin D (freie oder fixe Kombination) sind daneben zur Behandlung einer manifesten Osteoporose verschreibungsfähig nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V in Verbindung mit den Arzneimittel-Richtlinien, so dass in Fällen, in denen eine ausgewogene Ernährung allein nicht genügend ist, eine ausreichende Versorgung wiederum durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sichergestellt ist. Weitere Leistungen nach dem SGB II sind damit für an Osteoporose erkrankte Hilfesuchende nicht notwendig.

Der Anordnungsanspruch kann sich wegen der begehrten Kostenübernahme für eine "Bandscheibenmatratze" nur aus § 23 Abs. 1 SGB II ergeben. Kann danach im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Ein Anordnungsanspruch ist auch insoweit nicht glaubhaft gemacht, unabhängig davon, dass die Antragstellerin eine darlehnsweise Gewährung nicht anstrebt. Es sind keinerlei Unterlagen vorgelegt worden, aus denen hervorgeht, dass die bisher benutzte Matratze aus gesundheitlichen Gründen nicht weiterhin verwendet werden kann. Der Senat schließt sich wegen der Einzelheiten der Begründung des SG an, die er nach eigener Prüfung für zutreffend hält, und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen darauf (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin auch nicht dargelegt hat, welche Matratze zu welchem Preis aus ihrer Sicht beschafft werden muss. Bei "Bandscheibenmatratzen" handelt es sich in der Sache lediglich um Matratzen mit einer bestimmten, hochwertigeren Ausstattung. Sie sollten punktelastisch sein, das heißt das Körpergewicht gleichmäßig verteilen und an Schultern und Hüfte, wo der Auflagedruck am stärksten ist, nachgeben. Solche Matratzen sind Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, zumal nahezu alle Anbieter ihre Matratzen mit der Auszeichnung "punktelastisch und Wirbelsäule stützend” versehen und solche Matratzen in allen Preislagen angeboten werden. Vorliegend kann ohne entsprechenden Vortrag durch die Antragstellern nicht überprüft werden, ob der Bedarf, wenn er denn unabweisbar wäre, nicht ohnehin aus der laufenden Leistung oder dem Freibetrag für notwendige Anschaffungen gezahlt werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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