L 32 B 1423/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 104 AS 14329/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 B 1423/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juli 2007 wird der Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zu 1) für September und Oktober 2007 vorläufig Leistungen in Höhe von jeweils monatlich 167,05 EUR (statt 117,78 EUR) und dem Antragsteller zu 2) 157,62 EUR (statt 94,79 EUR) zu zahlen. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

Das Aktivrubrum war zu ändern. Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist bereits nach dem Vorbringen der Antragsteller sowie bei sachgerechter Auslegung der Antrag beider in einer Bedarfsgemeinschaft lebender Antragsteller auf Gewährung von höheren Leistungen nach dem Zweiten Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – des Sozialgesetzbuches (SGB II). Die Antragstellerin zu 1) kann als Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft nicht im eigenen Namen die Ansprüche des Antragstellers zu 2) mit einer Klage oder, wie im vorliegenden Verfahren, mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgen. Jedes Mitglied muss vielmehr seine Ansprüche im eigenen Namen geltend machen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 - L 7b AS 8/06 R – und bereits Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Mai 2006 – L 10 AS 102/06 - ).

Die zulässige Beschwerde vom 10. August 2007, der das SG nicht abgeholfen hat, ist teilweise begründet.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Hierfür sind grundsätzlich das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erforderlich. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird, die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

Hier besteht ein Anordnungsanspruch. Es spricht viel dafür, dass der Antragsgegner jedenfalls im aktuellen Bewilligungszeitraum von den tatsächlichen Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II von 569,67 EUR auszugehen hat. Die Antragsteller dürften zutreffend darauf hinweisen, dass der Antragsteller zu 2) vor Abschluss des Mietvertrages nicht nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II eine Zusicherung des Antragsgegners einholen musste, weil er -nach Aktenlage- weder aus einer Bedarfsgemeinschaft ausgezogen ist, noch zum damaligen Zeitpunkt Hilfebedürftiger gewesen ist, auch nicht als Mitglied der jetzigen Bedarfsgemeinschaft (vgl. zur Auslegung des Zusicherungserfordernis Berlit in LPK-SGB II , 2. A. 2007 Rdnr. 82). Weiter haben die Antragsteller zutreffend ausgeführt, dass sich für die Antragstellerin zu 1) die Unterkunftskosten nicht erhöht haben dürften, weil sie nicht mehr alleine und deshalb preisgünstiger wohnt. Dass auch für sie -entgegen § 68 Abs. 2 SGB II- der § 22 Abs. 2a SGB II einschlägig sein könnte, trägt auch der Antragsgegner nicht vor und ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Schließlich spricht viel dafür, dass die Umzüge erforderlich waren, weil den Antragstellern ein Zusammenziehen und Gründung einer eigenen Familie nicht verwehrt werden konnte.

Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Es ist gerade angesichts der guten Erfolgschancen in der Hauptsache, der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung und dem Umstand, dass die Antragstellerin zu 1) mittlerweile hochschwanger ist, davon auszugehen, dass es den Antragstellerin zu 2) unzumutbar ist, das Hauptsacheverfahren abzuwarten, selbst wenn eine existenzielle Bedrohung im engeren Sinne nicht glaubhaft gemacht wurde.

Der Betrag von insgesamt 125,67 EUR mehr pro Monat ist jedoch nur für den laufenden Monat ab dem Zeitpunkt dieses Beschlusses zu gewähren, da nur für die Befriedigung des gegenwärtigen und zukünftigen Bedarfes die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung gegeben ist. Für eine rückwirkende Gewährung für die Zeit vor dem jetzt laufenden Monat fehlt es an einer entsprechenden Begründung. Der Anspruch ist auf den aktuellen Bewilligungszeitraum, das heißt bis zum 31. Oktober 2007, zu begrenzen (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II).

Zum selben Ergebnis gelangte auch eine reine Folgenabwägung, welche vorzunehmen ist, wenn eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (so bereits zutreffend LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 29.09.2006 –L 19 B 199/06 ASER mit Bezug auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -; Beschluss des Senats vom 21.02.2007 -L 32 B 123/07 AS ER-).

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Da die Antragsteller nur wegen des Zeitablaufes teilweise unterliegen, wäre es unbillig, dem Antragsgegner nicht die volle Kostentragungslast aufzuerlegen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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