L 9 R 1897/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 RA 3484/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1897/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2004 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin und Berufungsbeklagte (künftig: Klägerin) wendet sich gegen die Feststellung ihrer Versicherungspflicht als Tagesmutter in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 30. November 2002.

Die 1967 geborene Klägerin betreute seit Januar 2000 ein 1999 geborenes Kind an fünf Wochentagen als Tagesmutter. Ab Oktober 2000 bis März 2002 kam ein weiteres, ebenfalls 1999 geborenes Kind an drei Wochentagen zur Betreuung hinzu. Von April bis August 2002 betreute die Klägerin dann wieder nur ein Kleinkind und schließlich von September bis November 2002 wieder zwei Kleinkinder.

Am 30. August 2001 zeigte die Klägerin der Beklagten und Berufungsklägerin (künftig: Beklagte) ihre Tätigkeit als Tagesmutter an und beantragte unter Hinweis darauf, dass ihre Arbeitszeit wöchentlich 15 Stunden überschreite, die Beitragserhebung bis zur anstehenden Gesetzesänderung auszusetzen, ihre seit Dezember 2000 bestehende private Rentenversicherung als Maßnahme der Alterssicherung anzuerkennen und ihr nicht verjährte Beiträge für die Zeit vor dem 1. Januar 2001 zu erlassen.

Unter dem 28. Oktober 2001 teilte die Klägerin der Beklagten im "Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige" das Folgende mit: Ihre Tätigkeit als Tagesmutter habe sie seit dem 1. Januar 2000 aufgenommen. Sie betreue derzeit zwei zwei- bzw. zweieinhalbjährige Kinder, das eine Kind an fünf Wochentagen, das andere an drei Wochentagen, jeweils in der Zeit zwischen 7:30 und 13:30 Uhr. Sie bereite den Kindern das Frühstück, eine Zwischenmahlzeit und das Mittagsessen zu. Die Betreuungszeit könne sich ständig ändern; zur Zeit betrage die wöchentliche Betreuungszeit ca. 30 Stunden. Für die Betreuung erhalte sie keine Zuwendungen aus öffentlichen Kassen; die Aufwandsentschädigungen zahlten die Eltern der betreuten Kinder selbst.

Auf die Aufforderung der Beklagten vom 3. Januar 2002, ihr tatsächliches Arbeitseinkommen aus ihrer Tätigkeit als Tagesmutter zur Festlegung eines einkommensgerechten Versicherungsbeitrags mitzuteilen, erklärte die Klägerin unter dem 18. Januar 2002, sie schätze den Gewinn ihrer Tätigkeit für das Jahr 2000 auf etwa 2.700 DM; der Einkommensteuerbescheid 2000 liege ihr noch nicht vor.

Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 31. Januar 2002 die Versicherungspflicht der Klägerin für die Zeit ab dem 1. Januar 2000 fest. Zugleich forderte sie von der Klägerin monatliche Versicherungsbeiträge in Höhe von 121,59 DM ab dem 1. Januar 2000, 120,33 DM ab dem 1. Januar 2001 und 62,08 Euro ab dem 1. Januar 2002. Die für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Januar 2002 aufgelaufene Gesamtbeitragsforderung setzte sie mit 1.546,36 Euro fest.

Zur Begründung des dagegen am 28. Februar 2002 erhobenen Widerspruchs ließ die Klägerin vortragen, als Tagesmutter keiner versicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen. Sie sei insbesondere weder als Lehrerin oder Erzieherin noch als selbständige Pflegeperson in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- und Kinderpflege beschäftigt. Auch gehe sie keiner Tätigkeit als Hebamme oder Entbindungspflegerin nach. Tagesmütter ließen sich den in § 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - aufgezählten versicherungspflichtigen Selbständigen nicht zuordnen. Im Übrigen sei sie durch die Ansprüche auf Altersversorgung über ihren Ehemann und einer zusätzlichen privaten Altersversorgung abgesichert, so dass der angefochtene Bescheid nicht nur zur Übersicherung führe, sondern sie auch doppelt belaste.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2002 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Personen, die sich - wie die Klägerin - als Tagesmütter der Erziehung von Kindern und Jugendlichen widmeten und Tagespflegepersonen, die in der Säuglings- oder Kinderpflege tätig seien, d.h. überwiegend Kinder im Alter von unter drei Jahren betreuten, gehörten nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI zum Personenkreis der versicherungspflichtig selbständig tätigen Pflegepersonen, die in der Säuglings- oder Kinderpflege tätig seien.

In der dagegen am 29. November 2002 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage (S 11 RA 3484/02) ließ die Klägerin ausführen, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, weil darin verkannt werde, dass sie als Tagesmutter keine Pflegetätigkeit i.S.v. § 2 SGB VI ausübe. Versicherungspflichtige Pflegeperson sei danach nur, wer aufgrund ärztlicher Anweisung pflegerische Tätigkeit verrichte. Daran fehle es bei ihr. Außerdem sei ihre Beschäftigung als Tagesmutter auch nicht mit den Tätigkeiten eines Lehrers oder Erziehers vergleichbar.

Mit Bescheid vom 28. November 2002 stellte die Beklagte die Klägerin hinsichtlich der Beitragshöhe ab dem 1. Dezember 2002 mit der Begründung auf den monatlichen Regelbeitrag von 447,90 Euro um, sie habe ihr Arbeitseinkommen trotz wiederholter Aufforderung nicht nachgewiesen. Mit weiterem Bescheid vom 19. November 2003 stellte die Beklagte sodann für die Zeit vom 1. Dezember 2002 bis zum 31. März 2003 zugunsten der Klägerin Versicherungsfreiheit fest, weil sie während dieses Zeitraums nur eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt habe. Als Rechtsbehelfsbelehrung zu diesem Bescheid hieß es: Der hiermit erteilte Bescheid wird nach § 96 Sozialgerichtsgesetz Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens.

Mit weiterem Bescheid vom 22. September 2003 befreite die Beklagte die Klägerin auf deren Antrag vom 30. März 2003 ab dem 1. April 2003 von der Versicherungspflicht, weil ihr regelmäßiges Arbeitseinkommen aus der versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit als Tagesmutter ab März 2003 monatlich 400 Euro nicht übersteige.

Mit Urteil vom 26. Februar 2004 hob das SG sodann den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2002 sowie die Bescheide der Beklagten vom 28. November 2002 und vom 19. November 2003 auf. Zur Begründung führte das SG aus: Die Tätigkeit der Klägerin als Tagesmutter falle unter keinen die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung begründenden Tatbestand. Die Klägerin sei weder Lehrerin oder Erzieherin noch Pflegeperson im Sinn von § 2 SGB VI noch sei diese Tätigkeit mit anderen versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeiten vergleichbar. Zweck ihrer Tätigkeit sei nicht die Erziehung, sondern die Betreuung der Kinder während der berufsbedingten Abwesenheit der Eltern. Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 21. April 2004 und der Beklagten am 23. April 2004 zugestellt.

Am 18. Mai 2004 hat die Beklagte Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Die Beklagte vertritt nunmehr in Anschluss an die jüngste Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und unter Aufgabe ihres bisherigen Standpunkts - demzufolge die Klägerin als Pflegeperson im Sinn von § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI anzusehen gewesen sei - die Auffassung, die Klägerin erfülle als Tagesmutter den Begriff der Erzieherin im Sinn von § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Als solche habe sie für die Zeit bis zum Eintritt der Geringfügigkeit ihrer Tätigkeit - also vom 1. Januar 2000 bis zum 30. November 2002 - Versicherungsbeiträge an die Rentenversicherung zu entrichten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise ein Gutachten eines Sachverständigen aus dem Arbeitsleistungsmessungsbereich einzuholen zum Beweis der Tatsache, dass bei Aufnahme eines Kindes in die Betreuung der Klägerin als Tagesmutter nur bis 25 % der erzieherischen Kapazität der Klägerin in Anspruch genommen wird, dass bei Aufnahme von 2 Kindern nur bis 50 % der erzieherischen Kapazität, dass bei Aufnahme von 3 Kindern nur bis 75 % der erzieherischen Kapazität in Anspruch genommen wird.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Darüber hinaus ist sie der Auffassung, während des gesamten Beitragszeitraums nur Arbeitseinkommen unterhalb der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage von monatlich 325 Euro erzielt zu haben. Seit Dezember 2002 liege auch die Wochenarbeitszeit immer unter 14,5 Stunden. Soweit die tatsächliche zeitliche Anwesenheit der betreuten Kinder im noch streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 30. November 2002 bei ihr mehr als 15 Stunden ausgemacht habe, sei zu berücksichtigen, dass die tatsächlich erzieherische Tätigkeit einen Umfang von deutlich unter 15 Stunden wöchentlich betragen habe. So dürften etwa Zeiten, während derer die betreuten Kleinkinder schliefen, nicht als Arbeitszeit angesetzt werden. Auch habe sie mit Erlaubnis der Eltern während der Betreuungszeit eigenwirtschaftliche Tätigkeiten verrichtet. Jedenfalls deshalb sei sie lediglich geringfügig und deshalb versicherungsfrei als selbständige Tagesmutter tätig gewesen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Freiburg im erstinstanzlichen Verfahren (S 11 RA 3484/02) sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2004 ist rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Dagegen sind der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2002 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheid vom 28. November 2002 - ebenso wie die Folgebescheide - rechtmäßig. Die Beklagte hat die Tätigkeit der Klägerin als Tagesmutter im Ergebnis zu Recht als nach § 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit bewertet (1.) und für den vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 30. November 2002 eine die Versicherungspflicht ausschließende nur geringfügige selbständige Tätigkeit im Sinn von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV a.F. verneint (2.).

1. Die Tätigkeit als Tagesmutter entspricht nach der für den Senat maßgeblichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 22. Juni 2005, B 12 RA 12/04 R, juris-dok) dem Beruf einer nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtigen Erzieherin im hier allein maßgeblichen rechtlichen Sinn der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Einzelnen hat das Bundessozialgericht in der vorgenannten Entscheidung zur Begründung ausgeführt:

"Der Kreis der Rentenversicherungspflichtigen wird grundsätzlich und in aller Regel dadurch bestimmt, dass diejenigen kraft Gesetzes in das System einbezogen werden, die ihrer Erwerbstätigkeit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung nachgehen (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Soweit über diese Anknüpfung an Modalitäten der Ausübung hinaus durch § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 8 SGB VI Personen - wie hier Erzieher - auf Grund der selbstständigen Ausübung bestimmter Berufe in die Versicherung einbezogen werden, findet dies seine Rechtfertigung grundsätzlich darin, dass bei typisierender Betrachtung gerade hierin eine dem Kreis der versicherungspflichtigen Arbeitnehmer vergleichbare Schutzbedürftigkeit zum Ausdruck kommt. Wie diese sind auch Erzieher, soweit sie nicht ausnahmsweise einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, allein auf den Einsatz ihrer eigenen Arbeitskraft angewiesen und werden deshalb nahezu vom Beginn der staatlich organisierten Rentenversicherung an in den Fällen der geminderten Erwerbsfähigkeit und des Alters ebenfalls als einer Kompensation entfallenen Erwerbseinkommens bedürftig angesehen (vgl. zur Einbeziehung Selbstständiger allgemein bereits Entwurf des Gesetzes zur Alters- und Invaliditätsversicherung, RT-Drucks 1888/89 Nr. 10 S 73, speziell zur erstmaligen Einbeziehung der Lehrer und Erzieher im Rahmen des Invalidenversicherungsgesetzes (IVG) Entwurf eines IVG vom 19. Januar 1899, RT-Drucks Nr. 93 S 240, 241). Dass sich dies seit der erstmaligen Begründung von Versicherungspflicht bis heute geändert hätte, ist nicht erkennbar (vgl. insofern zur Versicherungspflicht von selbstständigen Lehrern bereits Urteile des Senats vom 11. Dezember 1987, 12 RK 58/85 , SozR 2400 § 2 Nr. 24 S 37 und vom 12. Oktober 2000, B 12 RA 2/99 R , SozR 3-2600 § 2 Nr. 5 S 28, 32).

Wie der Senat zur Versicherungspflicht selbstständiger Lehrer ebenfalls bereits entschieden hat, ist die wegen der vermuteten Schutzbedürftigkeit der Betroffenen angeordnete Versicherungspflicht unter diesen Umständen weder davon abhängig, ob eine besondere pädagogische Ausbildung durchlaufen wurde (Urteil vom 12. Oktober 2000 aaO S 29), noch ob es ein etwa durch Ausbildungsordnungen geregeltes Berufsbild gibt (Urteil vom 12. Oktober 2000 aaO S 30), noch kommt es darauf an, ob die Erwerbstätigkeit innerhalb eines eigenen Betriebes ausgeübt wird (Urteil vom 19. Dezember 1979, 12 RK 52/78 , SozR 2200 § 166 Nr. 5 S 8; ebenso für den Bereich der Künstlersozialversicherung Urteil vom 14. Dezember 1994, 3/12 RK 80/92 , SozR 3-5425 § 1 Nr. 4 S 15). Auch ist aus der Sicht des an der Schutzbedürftigkeit der Ausübenden orientierten Sozialversicherungsrechts selbst im Sonderfall des Lehrens von Kunst (§ 2 Künstlersozialversicherungsgesetz) grundsätzlich unerheblich, welche Geisteshaltung der Lehrtätigkeit zu Grunde liegt (vgl. zur Versicherungspflicht einer Eurythmie-Lehrerin BSG Urteil vom 14. Dezember 1994, 3/12 RK 62/93, SozR 3-5425 § 2 Nr. 2 S 9), welches Niveau die ausgeübte Tätigkeit hat und ob sich der Unterricht nur an Laien wendet ( BSG Urteil vom 14. Dezember 1994, 3/12 RK 80/92 , SozR 3-5425 § 1 Nr. 4 S 17 mwN). Für selbstständige Erzieher gilt nichts anderes. Ihre Gleichbehandlung steht zudem in der Tradition der durchgehenden gemeinsamen Rechtsentwicklung, wie sie der Senat im Urteil in der Streitsache B 12 RA 6/04 R vom heutigen Tage (zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) ausführlich dargelegt hat.

Den Anforderungen des Begriffs des Erziehers genügt demgemäß auch, wer - wie die Klägerin - als "Tagesmutter" ständig wechselnde Kinder bis zum Kindergartenalter betreut, dh sie beaufsichtigt und ihre Primärbedürfnisse wie Essen, Schlafen, Spielen etc, befriedigt oder unterstützt. Bereits eine derartige Betätigung genügt dem - subjektiv - formalen Begriff der Erziehung, wie er von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung auch ansonsten im Zusammenhang der gesetzlichen Rentenversicherung zu Grunde gelegt wird, ohne dass er im Gesetz eine ausdrückliche Bestimmung gefunden hat. Ihm ist die Gesamtheit des tatsächlichen Verhaltens zugeordnet, das nach dem Verständnis und den Vorstellungen der Handelnden dazu bestimmt und darauf gerichtet ist, die körperliche, geistige, seelische, sittliche und charakterliche Entwicklung des Kindes zu beeinflussen ( BSG Urteil vom 28. Februar 1991, 4 RA 76/90, BSGE 68, 171 = SozR 3-2200 § 1227a Nr. 7 mwN). In diesem umfassenden Sinne, der die Voraussetzungen der Erziehung grundsätzlich bereits als gegeben ansieht, wenn sich der Erziehende und das Kind in einem gemeinsamen Haushalt aufhalten (Dederer/Krusemark, DRV 1985, 524 , 525), werden zunächst Eltern(teile) bestimmt, die durch die Erziehung von Kindern von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abgehalten werden und deshalb im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung (vgl. etwa BSG Urteil vom 26. November 1970, 12 RJ 368/68, BSGE 32, 117 = SozR RVO zu § 1268 Nr. 18) oder durch Begründung einer Pflichtversicherung für Erziehungszeiten (vgl. BSG Urteil vom 28. Februar 1991 aaO) des Schutzes der Versichertengemeinschaft für bedürftig erachtet werden. Nichts anderes gilt indes, wenn Eltern - auch insofern in Ausübung ihrer verfassungsrechtlich durch Art 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) geschützten Entscheidungsfreiheit (vgl. BSG Urteil vom 28. Februar 1991 aaO S 176 mwN) - die Erziehung ihrer Kinder ganz oder teilweise auf andere übertragen und es nunmehr um deren Schutzbedürftigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Grund der Übernahme dieser Aufgabe im Rahmen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit geht. Auch hier ist in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch und in Ermangelung einer spezialgesetzlichen Einengung des Begriffs davon auszugehen, dass alles Verhalten der Erziehung dient, das Eltern selbst zur Förderung eines der vorstehend genannten Aspekte der Entwicklung ihres Kindes erbringen und nunmehr teilweise durch Dritte erbringen lassen. Dies gilt jedenfalls ohne weiteres dann, wenn es sich - wie hier - allein um Kinder im Vorschulalter handelt. Nahezu jede länger dauernde Beschäftigung mit Kindern hat nämlich zugleich deren Erziehung zum Gegenstand (insofern zutreffend BFH Urteil vom 17. Mai 1990, IV R 14/87, BFHE 161, 361 ). Dementsprechend sieht auch der Bundesfinanzhof (BFH) die stundenweise Betreuung von Kindern als Erziehung an (vgl. BFH, Urteil vom 19. Juni 1997, IV R 26/96, BFHE 183, 488).

Soweit gleichwohl insbesondere das Steuerrecht den umfassenden Begriff der Erziehung trotz der unlösbaren Verflochtenheit des einheitlichen Lebensvorgangs (vgl. ausdrücklich BFH Urteil vom 25. April 1974, VIII R 229/71, BFHE 112, 499 ) einschränkt bzw. von Unterbringung, Verköstigung, Beaufsichtigung sowie sonstiger Betreuung abspaltet, ist dies im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Erkennbar orientiert sich die Rechtsprechung des BFH insoweit nämlich an Differenzierungsbedürfnissen, die sich isoliert im Zusammenhang besonderer steuerrechtlicher Problemlagen wie der Abgrenzung gewerblicher von selbstständiger freiberuflicher Tätigkeit zur Bestimmung der Einkommensart (vgl. BFH Urteile vom 25. April 1974 a.a.O. und vom 27. Juni 1974, IV R 204/70 , BFHE 114, 95 und vom 19. Juni 1997, IV R 26/96 , BFHE 183, 488 ) oder der Festlegung des Umfangs der Einkommensteuer- (vgl. BFH Urteil vom 17. Mai 1990, IV R 14/87, BFHE 161, 361 ) bzw. der Umsatzsteuerpflicht (vgl. BFH Urteil vom 21. Dezember 1965, V 24/62 U, BFHE 84, 503 ) ergeben ...

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine evtl. Versicherungspflicht bestehen nicht. Der Senat hat im Urteil vom 12. Oktober 2000 ( B 12 RA 2/99 R , SozR 3-2600 § 2 Nr. 5 S 31 f) zur Einbeziehung selbstständiger Lehrer bereits entschieden, dass - das Grundrecht der Betroffenen aus Art 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit durch die Anordnung der Rentenversicherungspflicht nicht verletzt ist und - in die Rentenversicherungspflicht einbezogene selbstständige Lehrer weder gegenüber sonstigen - von der abstrakt-generellen Regelung des Gesetzes nicht betroffenen - Personengruppen noch gegenüber denjenigen gleichheitswidrig benachteiligt sind, die auf Grund mangelhafter Umsetzung des Gesetzes im Einzelfall tatsächlich nicht erfasst und zu Beiträgen herangezogen werden."

2. Nach der für den vorliegend streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 30. November 2002 geltenden Gesetzeslage kann die selbständige Tätigkeit der Klägerin als Tagesmutter auch nicht als geringfügig und deshalb versicherungsfrei im Sinn von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV a.F. beurteilt werden. Nach diesen Vorschriften hat eine geringfügige Beschäftigung bis zum 31. März 2003 vorausgesetzt, dass sie regelmäßig weniger als fünfzehn Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt monatlich 630 DM = 322, 11 Euro (ab 1. April 1999) bzw. 325 Euro (ab 1. Januar 2002) nicht übersteigt. Erst durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4622) wurde die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI a.F. enthaltene zeitliche Grenze von weniger als 15 Stunden wöchentlich für die Zeit ab dem 1. April 2003 gestrichen und die Entgelt-Geringfügigkeitsgrenze auf 400 Euro angehoben.

Während die Klägerin dem Senat die reine Entgeltgeringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV a.F. ihrer selbständigen Tätigkeit als Tagesmutter für den streitigen Zeitraum auf der Grundlage der vorgelegten Einnahmen-/Ausgabenrechnungen für die Jahre 2000, 2001 und 2002 hat detailliert und schlüssig belegen können, ist ihr dies für das weitere nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV a.F. maßgebliche Kriterium der Zeitgeringfügigkeit nicht gelungen. Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats im Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 30. November 2002 als Tagesmutter regelmäßig mehr als 15 Stunden wöchentlich tätig geworden. Dies legen schon die Erstangaben der Klägerin vom 28. Oktober 2001 im "Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige" ausgesprochen nahe. Dort hat die Klägerin mitgeteilt, seit Januar 2000 an fünf Wochentagen ein Kleinkind und seit Oktober 2000 ein weiteres Kleinkind an drei Wochentagen jeweils von 7:30 bis 13:30 Uhr (= 6 Stunden täglich) zu betreuen. Zusammenfassend hat die Klägerin in diesem Fragebogen in sich schlüssig ihre wöchentliche "Arbeits- bzw. Betreuungszeit" - wenn auch unter Hinweis auf die Möglichkeit ständiger Änderung - weiter mit ca. 30 Wochenstunden angegeben. Diese Angaben hat die Klägerin in an ihren Bevollmächtigtem gerichteten - dem Senat vorliegenden - Schriftsatz vom 20. März 2006 im Wesentlichen bestätigt und weiter konkretisiert, wenn sie nunmehr von einem wöchentlichen Betreuungszeitkontingent für die von ihr zwischen Januar 2000 und November 2002 betreuten Kleinkinder von 25 bis 30 Wochenstunden spricht.

Die daran anknüpfende und durch den im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag bekräftigte Überlegung der Klägerin, gleichwohl liege eine zeitgeringfügige, d.h. regelmäßig weniger als 15 Stunden betragende Arbeitszeit als erzieherisch tätige Tagesmutter im Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI vor, vermag der Senat nicht zu teilen. Die ursprüngliche These, nur knapp die Hälfte der tatsächlichen Betreuungs- oder Aufenthaltszeit der Kinder sei als Beschäftigungszeit im Sinn von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV a.F. zu verstehen, weil die Klägerin auch nur während dieses knapp hälftigen Aufenthaltszeitraums der Kleinkinder erzieherische Leistungen im Sinn von § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erbracht habe, bzw. die mit dem Beweisantrag vertretene These, ein Kind beanspruche nur 25 % der erzieherischen Kapazität der Klägerin und jedes weitere Kind weitere 25 %, geht erkennbar an der vom Senat geteilten Argumentation des Bundessozialgerichts im unter 1. zitierten Urteil vom 22. Juni 2005 vorbei und berücksichtigt zudem die in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltende Wertentscheidung zugunsten des elterlichen Erziehungsauftrags nicht hinreichend. Auch der Erziehungsauftrag des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG trifft die Klägerin als Tagesmutter hinsichtlich der in Obhut gegebenen Kleinkinder unmittelbar. Denn in welchem Ausmaß und mit welcher Intensität die Eltern sich selbst der Pflege und Erziehung ihrer Kinder widmen oder Dritten - etwa einer Tagesmutter - deren Pflege und Erziehung teilweise überlassen, entscheiden die Beteiligten vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Erziehungsauftrags in eigener Verantwortung (vgl. näher Bundesverfassungsgericht - BVerfG - Zweiter Senat, Beschluss vom 10. November 1998, 2 BvR 1957/91 u.a., BVerfGE 99, 216 (234)). Wörtlich formuliert das Bundesverfassungsgericht in der vorgenannten Entscheidung:

"Die Erziehungspflicht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) trifft die Eltern als höchstpersönliche Verantwortung, die von ihnen jedoch nicht ausschließlich in eigener Person wahrgenommen werden muß. Art. 6 Abs. 1 GG garantiert als Abwehrrecht die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden (vgl. BVerfGE 61, 319 (347) m.w.N.). Deshalb hat der Staat die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer jeweiligen eigenständigen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu respektieren ( BVerfGE 61, 319 (347) m.w.N.). Demgemäß dürfen die Eltern ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen planen und verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll. Die Eltern bestimmen, vorbehaltlich des Art. 7 GG, in eigener Verantwortung insbesondere, ob und inwieweit sie andere zur Erfüllung ihres Erziehungsauftrags heranziehen wollen (vgl. BVerfGE 47, 46 (70))."

Dies alles verkennt die Klägerin, wenn sie etwa Zeiten der eigenen Haushaltsführung und des Schlafens der bei ihr in Tagesmutterpflege gegebenen Kleinkindern von der tatsächlich erbrachten Arbeits- und Betreuungszeit als Tagesmutter abziehen will. Sie verkennt außerdem die vom Bundessozialgericht in Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzhof erkannte Definition des Begriffs des Erziehers im Sinn von § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, wonach Erziehung sowohl die Beaufsichtigung als auch die Erfüllung der Primärbedürfnisse (Essen, Schlafen, Spielen) der einer Tagesmutter in Obhut gegebenen Kleinkinder umfasst. Mit anderen Worten auch das während der Betreuungszeit schlafende Kind bedarf der erzieherischen Obhut und des Schutzes durch die Tagesmutter, die sich dieser Schutzpflicht auch während der nebenbei möglichen Beschäftigung mit anderen Aufgaben - z.B. Führen des eigenen Haushalts oder Erledigen von Bürotätigkeiten - stets bewusst sein muss. Nichts anderes gilt, wenn sich die Klägerin als Tagesmutter mit den betreuten Kindern im Einverständnis mit deren Eltern außer Haus begibt, um Einkäufe und Besorgungen zu erledigen. All diese nicht zuvörderst der Kindesbetreuung gewidmeten Tätigkeiten im Eigeninteresse der Tagesmutter sind "Nebenbeschäftigungen", die an ihren Betreuungs- und Beaufsichtigungspflichten als Tagesmutter während der gesamten Betreuungszeit nicht das Geringste ändern. Diese Pflichten entstehen dem Grunde nach und in vollem zeitlichen Umfang bereits bei der Übernahme der Betreuung nur eines Kindes und dehnen sich durch die Übernahme der Betreuung eines zweiten Kindes in zeitlicher Hinsicht nicht aus. Aus diesem Grund sah sich der Senat auch nicht veranlasst, zu der von der Klägerin aufgeworfenen These eine sachverständige Äußerung im Sinne des im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags einzuholen. Im Übrigen wird die Klägerin von den Eltern der von ihr betreuten Kleinkinder auch während des streitbefangenen Zeitraums regelmäßig für die umfassende Versorgung, Betreuung und Beaufsichtigung dieser Kinder - und nicht etwa nur für deren vorübergehende - "Verwahrung" - vergütet worden sein.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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