L 11 KR 3284/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2995/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3284/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Sterbegeld streitig.

Die Klägerin ist die Tochter der am 9. Juni 2004 verstorbenen F. M. B., die (zuletzt) bei der Beklagten krankenversichert war. Die Klägerin trug die Bestattungskosten.

Den Antrag der Klägerin auf Auszahlung des Sterbegeldes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2006 mit der Begründung ab, der Anspruch auf Sterbegeld sei durch das Gesetz zur Modernisierung zur gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (GKV - Modernisierungsgesetz - GMG -) mit Wirkung zum 1. Januar 2004 entfallen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Streichung des Sterbegeldes aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gegen das Grundgesetz (GG) verstoße. Hierbei sei es unerheblich, wie lange eine Versicherung bereits bestehe oder in welcher Höhe in der Vergangenheit Beiträge entrichtet worden seien.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Freiburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2007, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 21. Juni 2007, ab, da die Vorschriften über die Gewährung eines Sterbegeldes (bisherige §§ 58, 59 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -) durch das GMG mit Wirkung ab 01.01.2004 aus dem Gesetz gestrichen worden wären. Der bisherige 7. Abschnitt des SGB V, der aus den Sterbegeldparagraphen bestanden habe, sei durch einen völlig neuen 7. Abschnitt des SGB V ersetzt worden, der die Überschrift "Zahnersatz" trage und die neuen §§ 55 bis 59 SGB V beinhalte. Damit sei der gesetzgeberische Wille, den bisherigen 7. Abschnitt des SGB V zum 01.01.2004 entfallen zu lassen, genügend klar dokumentiert worden. Ob einzelne Absätze des neuen § 58 SGB V erst zum 01.01.2005 in Kraft getreten wären, sei demgegenüber ohne Belang, denn der gesamte 7. Abschnitt des SGB V sei zum 01.01.2004 ausgetauscht worden und dies sei allein entscheidend. Was verfassungsrechtliche Bedenken gegen die ersatzlose Streichung des bisherigen Sterbegeldes betreffe, so würden diese ebenso wenig wie vom BSG geteilt.

Mit ihrer dagegen am 3. Juli 2007 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, es könne nicht nachvollzogen werden, wie in der BRD zwischenzeitlich mit Vertrauensschutzgesichtspunkten umgegangen werde. Das aufgrund entsprechender fehlender Strukturreformen der letzten 30 Jahre marode gewordene Gesamtsystem der Sozialversicherung könne nicht durch Einsparung von ein paar 100.000,- Euro an Sterbegeld aufrecht erhalten werden. Wenn das BSG ausführe, der Sterbegeldbetrag sei ohnehin nicht so hoch, nachdem er begrenzt sei, dass er existenziell betroffen machen würde, sei es den Krankenkassen ohne weiteres zumutbar, diesen "Kleckerlesbetrag" zu zahlen. Die Betroffenen hätten sich auch auf die Zahlung des Sterbegeldes eingestellt.

Die Klägerin beantragt (- teilweise sinngemäß -),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Juni 2007 sowie den Bescheid vom 4. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Sterbegeld in Höhe von 525,- EUR zu zahlen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf die Urteile des BSG vom 13.12.2005 und 13.06.2006 für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da die erforderliche Berufungssumme von 500,- EUR überschritten wird und damit insgesamt zulässig.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung von Sterbegeld.

Zu Unrecht stützt die Klägerin ihren Anspruch auf §§ 58, 59 SGB V a.F ... Nach § 58 SGB V a.F. wurde beim Tode eines Versicherten ein Zuschuss zu den Bestattungskosten (Sterbegeld) gezahlt, wenn der Verstorbene am 1. Januar 1989 versichert war, wobei das Sterbegeld an denjenigen bezahlt wurde, der die Bestattungskosten getragen hatte. Das Sterbegeld betrug beim Tod eines Mitglieds nach § 59 SGB V a.F. 525,- EUR.

Zwar trug die Klägerin die Bestattungskosten ihrer verstorbenen Mutter, die im Todeszeitpunkt versichertes Mitglied der Beklagten war. Die gesetzliche Grundlage für die Zahlung von Sterbegeld ist indessen bereits mit dem 1. Januar 2004 entfallen. Auch der erkennende Senat ist der Auffassung, dass schon nach dem Wortlaut des Art. 1 Nr. 36 GMG i. V. m. Art. 37 GMG keinem Zweifel unterliegt, dass der gesamte Abschnitt im Siebten Kapitel des SGB V mit Wirkung ab 1. Januar 2004 neu "gefasst" worden ist und die Regelung des "Zahnersatzes" seither vollständig den bis dahin geltenden Abschnitt "Sterbegeld" ersetzt. Dies wird auch durch die Gesetzesmaterialien verdeutlicht, wonach der Anspruch auf Sterbegeld zum 1. Januar 2004 entfallen sollte (vgl. Bt-Drucks. 15/1170 S. 10, 72; Bt-Drucks. 15/1525 S. 77, 171). Dass einzelne Vorschriften (§§ 55, 58 Abs. 1, 2 und 4 sowie § 59 SGB V) des zum 1. Januar 2004 neu gefassten 7. Abschnitts erst zum 1. Januar 2005 in Kraft treten sollten (Art. 37 Abs. 8 GMG), ändert nichts daran, dass der bisherige 7. Abschnitt mit den §§ 58, 59 SGB V über das Sterbegeld mit Wirkung vom 1. Januar 2004 aufgehoben worden war (BSG SozR 4 - 2500 § 58 Nr. 1).

Durch den Wegfall des Sterbegeldes wird zur Überzeugung des erkennenden Senats auch nicht in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen der Klägerin eingegriffen (so auch Urteile des BSG vom 13.12.2005, B 1 KR 2/05 R, B 1 KR 3/05 R und B 1 KR 4/05 R sowie vom 13.06.2006, B 8 KN 1/05 KR R, B 8 KN 2/05 KR R und B 8 KN 3/05 KR R). Die Gesetzesänderung verletzt weder die Klägerin in ihrem grundgesetzlich geschützten Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) noch verstößt sie gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem rechtstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes.

Die Anwartschaft auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung auf Sterbegeld, wie sie bis zum Ende des Jahres 2003 in den §§ 58 und 59 SGB V normiert war, unterliegt nicht der Eigentumsgarantie, weil sie weder auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruhte noch dessen Existenzsicherung diente. Es handelte sich vielmehr um eine Zuschussleistung, die die wirtschaftliche Belastung durch die Begräbniskosten mildern sollte.

Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes ist ebenfalls nicht verletzt. Zwar setzte der Anspruch nach § 58 Abs. 1 SGB V a.F. voraus, dass der verstorbene Versicherte bereits am 1. Januar 1989 versichert war, so dass der Gesetzgeber trotz des bereits auslaufenden Charakters der Sterbegeldregelung damit keine Übergangsregelung geschaffen hatte. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die historische Entwicklung und die Ausgestaltung des Sterbegeldes, das nicht zu den Kernleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zählte, nicht geeignet waren, bei dem Betroffenen einen besonderen Vertrauensschutz dahingehend zu begründen, dass jedenfalls mit der langfristigen Übergangsregelung eine nicht mehr veränderbare gesetzliche Rechtsposition erlangt war. Hiergegen spricht die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Gewährung von solchen Sozialleistungen, die keine nachhaltige und keine erhebliche Bedeutung für den Versicherten und seine Angehörigen haben, des weiteren der Umstand, dass bereits in der Vergangenheit eine stufenweise Absenkung der Höhe des Sterbegeldes aus Gründen der finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt war.

Nichts anderes gilt für die Abwägung zwischen dem Interesse des einzelnen Betroffenen an einer zusätzlichen Übergangsregelung und dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung der finanziellen Leistungskraft der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Ausmaß der den Einzelnen treffenden Nachteile war begrenzt, da es um eine eher systemfremde, nicht den Versicherten selbst berechtigende, der Höhe nach eingeschränkte, nicht existenzsichernde, aufgrund ihres Auslaufcharakters - Anknüpfung an den Versichertenstatus am 1. Januar 1989 - Ungleichheit begründende Leistung ging, die die Rechtsordnung auch durch den Anspruch aus § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und notfalls denjenigen auf Sozialhilfe abgesichert hat. Der Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung der Finanzierbarkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung überwiegt hier das nur eingeschränkt schutzwürdige Vertrauen der Klägerin in die Aufrechterhaltung des unveränderten Bestandes der gesetzlich normierten Leistungsansprüche beim Tod eines Versicherten auf Sterbegeld (so insbesondere BSG SozR 4 - 2500 § 58 Nr. 1). Dieser Eingriff verletzt weder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch das Sozialstaatsprinzip.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen angesichts der inzwischen als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung des BSG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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