L 4 B 48/77

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 48/77
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Kostenübernahme eines nach § 109 SGG zunächst auf Kosten des Klägers eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse muss dann erfolgen, wenn dieses Gutachten für die Entscheidung des Rechtsstreites oder seinen sonstigen Ausgang von Bedeutung gewesen ist.
2. Die Frage, ob das Gutachten für die Entscheidung des Rechtsstreites von Bedeutung gewesen ist, muss objektiv beurteilt werden.
3. Ist der Rechtsstreit durch rechtskräftiges Urteil beendet worden, so bilden die Gründe dieses Urteils den Maßstab für diese objektive Beurteilung. Die Gründe eines Kostenübernahmen-(Verweigerungs-)Beschlusses des gleichen Gerichtes sind dann unbeachtlich, wenn sie zur Begründung seines rechtskräftigen Urteils in Widerspruch stehen.
4. Die Beurteilung der Kostenübernahmepflicht kann nicht allein nach dem Ergebnis des Rechtsstreits für den Kläger erfolgen.
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 14. Juli 1977 aufgehoben.

Die für das Gutachten des Oberarztes Dr. K. vom 28. April 1977 entstandenen Kosten werden in gesetzlichem Umfang auf die Staatskasse übernommen.

Gründe:

Auf Antrag des Klägers holte das Sozialgericht Fulda in dessen Rechtsstreit S-3 a/V-58/76 ein Gutachten bei Oberarzt Dr. L. K. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein, das Dr. K. zusammen mit dem Facharzt für Orthopädie, Dr. Ku., am 28. April 1977 erstattete, Der Rechtsstreit endete mit dem rechtskräftig gewordenen Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 14. Juli 1977, sich dem die Klage abgewiesen wurde. In den Entscheidungsgründen führt das Sozialgericht nach Prüfung der formellen Klagevoraussetzungen aus, daß eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die für die frühere Feststellung des Versorgungsanspruches maßgebend gewesen sind, nicht eingetreten ist. Es führt hierfür ausschließlich die Feststellungen in dem Gutachten "Dr. K./Dr. Ku.” an und erwähnt lediglich an einer Stelle, dass sich dieses Gutachten "in Übereinstimmung mit Dr. S.” hinsichtlich der Zusammenhangsfrage befindet.

Den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für das Gutachten des Dr. K. lehnte das Sozialgericht Fulda mit Beschluss vom 14. Juli 1977 mit der Begründung ab, das Gutachten bestätige den Sachverhalt, den der Beklagte der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt hatte. Es habe keine neuen Erkenntnisse gebracht und das Verfahren nicht "positiv” beeinflusst.

Die Beschwerde des Klägers gegen diesen ihm am 5. August 1977 zugestellten Beschluss ging am 12. August 1977 beim Sozialgericht Fulda ein, das der Beschwerde mit Beschluss vom 18. August 1977 nicht abhalf.

Die fristgerecht (§ 173 SGG) erhobene Beschwerde ist statthaft (§ 172 Abs. 1 SGG), da ihr Ausschließungsgründe nach § 172 Abs. 2 SGG nicht entgegenstehen. Der erkennende Senat ist auch der Auffassung, dass eine Entscheidung des Gerichtes über das endgültige Tragen von Kosten gemäß § 109 Abs. 1 SGG durch Beschluss (vgl. Beschluss des Hess. Landessozialgerichts vom 19. August 1966 – L-3/B-5/66 – in Breithaupt 1967, S. 622) und nicht nur im Urteil ergehen kann, wenn das betreffende Verfahren durch ein Urteil beendet wurde.

Insoweit gibt der Senat seine bisherige Rechtsprechung auf.

Die Kostenübernahme eines nach § 109 SGG zunächst auf Kosten des Klägers eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse muß dann erfolgen, wenn dieses Gutachten für die Entscheidung des Rechtsstreites oder seinen sonstigen Ausgang von Bedeutung gewesen ist (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Auflage, 21. Nachtrag, Anm. 5 zu § 109 SGG) bzw. es zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hat (vgl. Schieren-Beuster, Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage, Ergänzung November 1975, Anm. 2 zu § 109 SGG). Demgemäß kann eine Beurteilung der Kostenübernahmepflicht allein nach dem Ergebnis des Rechtsstreites für den Kläger nicht erfolgen (vgl. auch Beschluss des Bay. Landessozialgerichts vom 31. März 1963 in Bay.AMBl. 1963 S. B 53). Die Frage, ob das Gutachten für die Entscheidung des Rechtsstreites von Bedeutung gewesen ist, muss objektiv beurteilt werden und nicht etwa aus der Sicht des Klägers (vgl. Peters-Sautter-Wolff a.a.O.).

In Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze waren die Kosten für das Gutachten des Dr. K. vom 28. April 1977 in gesetzlichem Umfang auf die Staatskasse zu übernehmen.

Die Frage, ob das nach § 109 SGG erstattete Gutachten des Dr. K. für die Entscheidung des Rechtsstreites objektiv von Bedeutung gewesen ist, muss hier anhand der Begründung des Urteils getroffen werden, das den Rechtsstreit beendet hat, also des Urteils des Sozialgerichts Fulda vom 14. Juli 1977. Es ist nicht prozessökonomisch und wegen der Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts auch nicht möglich, dass der Senat wie in einem Berufungsverfahren prüft, ob es des Gutachtens von Dr. K. für die Entscheidung des Rechtsstreites bedurft hätte. Maßgebend für die Prüfung dieser Frage kann allein nur sein, ob das den Rechtsstreit beendende rechtskräftige Urteil sich wesentlich auf die Begutachtung durch Dr. K. stützt. Dies ist aber schon deshalb der Fall, weil das Urteil in seiner Auseinandersetzung mit dem ihm zugrunde liegenden medizinischen Tatbestand sich nahezu ausschließlich auf das von Dr. K. nach § 109 SGG erstattete Gutachten gründet und lediglich hierzu noch erwähnt, dass sich dieses Gutachten "in Übereinstimmung mit Dr. S.” befindet.

Das Sozialgericht konnte nicht in der Begründung seines Beschlusses eine andere Auffassung vertreten als in der Begründung seines Urteils. Wenn das Sozialgericht auch bei der Begründung des Urteils die Auffassung wie in seinem Beschluss gehabt hätte, dass das Gutachten des Dr. K. lediglich "den Sachverhalt bestätigte, den der Beklagte der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt hatte”, so hätte es dies auch in dieser Form in dem Urteil herausstellen müssen und dann die Kostenübernahme ablehnen können.

Bei diesem Widerspruch zwischen der Begründung des Urteils und der Begründung des Beschlusses ist die Begründung des Urteils, wie schon dargelegt, maßgebend, weil das Urteil den Rechtsstreit entschieden hat.

Bei dieser Sachlage musste auf die Beschwerde des Klägers hin der angefochtene Beschluss aufgehoben werden. Die für das Gutachten nach § 109 SGG entstandenen Kosten waren in gesetzlichem Umfang auf die Staatskasse zu übernehmen.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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