Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 Vb 1020/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 24/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die vom Sozialgericht getroffene Kostenentscheidung nach billigem Ermessen ist durch das Beschwerdegericht im Hinblick auf die Ermessenserwägungen in vollem Umfang überprüfbar.
2. Das Kriterium des „abgrenzbaren Mehraufwandes” stellt keine geeignete Ermessenserwägung im Rahmen des § 193 SGG dar.
3. Geeignete Ermessenserwägungen sind der Ausgang des Rechtsstreits und die potentielle Erfolgsaussicht sowie die Veranlassung zur Klageerhebung.
2. Das Kriterium des „abgrenzbaren Mehraufwandes” stellt keine geeignete Ermessenserwägung im Rahmen des § 193 SGG dar.
3. Geeignete Ermessenserwägungen sind der Ausgang des Rechtsstreits und die potentielle Erfolgsaussicht sowie die Veranlassung zur Klageerhebung.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 14. Februar 1995 abgeändert. Der Beschwerdeführer ist entsprechend seinem Angebot im Schriftsatz vom 2. März 1994 verpflichtet, der Beschwerdegegnerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand:
I.
Streitig war die Erhöhung des Grades der Behinderung – GdB – nach dem Schwerbehindertengesetz – SchwbG – von 30 auf 60. Die 1968 geborene Klägerin erlitt 1986 einen Autounfall. Infolgedessen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 7. Juni 1989 bei ihr als Behinderung:
Wirbelsäulenveränderungen nach Unfall
mit einem GdB von 30 fest. Auf ihren Antrag auf Erhöhung des GdB vom 14. Februar 1992 holte der Beklagte einen Befundbericht bei (praktischer Arzt, ) vom 15. März 1992 ein, dem diverse weitere Berichte beigefügt waren. Mit Bescheid vom 16. November 1992 stellte der Beklagte fest, daß eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 7. Juni 1989 zugrunde gelegen haben, nicht eingetreten sei. Die Behinderungen der Klägerin bezeichnete er wie folgt neu:
Wirbelsäulenveränderungen nach Unfall und Versteifungsoperation im Beckenwirbelsäulen-/Lendenwirbelsäulenbereich.
Auf den Widerspruch der Klägerin vom 14. Dezember 1992 zog der Beklagte Unterlagen von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte – BfA – über ein Verfahren der Klägerin wegen der Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit bei. Unter diesen Unterlagen befindet sich u.a. auch ein orthopädisches Rentengutachten des vom 1. September 1992. Unter Berücksichtigung dessen sowie einer Stellungnahme der Dr. vom 20. April 1993 für den Beklagten wies dieser mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1993 den Widerspruch zurück. Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt vom 24. August 1993 machte die Klägerin die Erhöhung des GdB von 30 auf 60 geltend. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht bei Dr. vom 30. Oktober 1993 beigezogen, dem diverse weitere medizinische Unterlagen, u.a. ein Bericht über eine Operation am 20. April 1993 in der Orthopädischen Universitätsklinik H., beigefügt waren. Des weiteren gelangte ein Privatgutachten des Dr. (Universitätsklinik H./Orthopädie) vom 10. November 1993 und ein Befundbericht zu den Akten. Nach einer Stellungnahme der Dr. (F.) vom 6. Januar 1994 für den Beklagten gab dieser am 11. Januar 1994 ein Anerkenntnis dahingehend ab, daß er nunmehr bereit sei, den GdB insgesamt mit 40 zu bewerten. Die Klägerin erklärte sich hiermit einverstanden, und der Beklagte bot mit Schriftsatz vom 2. März 1994 an, der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten nach der Mittelgebühr zu erstatten. Dem stimmte die Klägerin nicht zu. Mit Beschluss vom 14. Februar 1995 hatte das Sozialgericht Darmstadt den Beklagten/Beschwerdeführer verpflichtet, der Klägerin/Beschwerdegegnerin die vollen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Gegen diesen dem Beklagten am 23. Februar 1995 zugestellten Beschluss hat er am 21. März 1995 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Entscheidungsgründe:
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG) und begründet.
Gemäß § 193 SGG hat das Gericht, wenn das Verfahren anders als durch Urteil endet, auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Die Entscheidung über die Kostentragungsverpflichtung erfolgt nach billigem Ermessen. Das Beschwerdegericht ist dabei befugt, die Ermessenserwägungen des Vordergerichts in vollem Umfang zu überprüfen und seine eigenen Ermessenserwägungen an die Stelle derjenigen des Vordergerichts zu setzen (vgl. hierzu Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl., München 1986, Vorb § 124 Rdnr. 63; LSG Berlin, vom 17. November 1964 – Az.: L 12/An-S 199/64 in Breithaupt 1965, S. 440; LSG Bremen, vom 29. März 1982 – Az.: L 2 BR 1/82 S, in SGb 82, 557, andere Auffassung: LSG Bremen, vom 15. November 1985 – Az.: L 5 BR 13/85, Breithaupt 1987, 523; wohl auch LSG Bayern, vom 23. September 1955 – Az.: 5B Ar 79/55, m. zustimmender Anm. v. Brocke in SGb 56, 127 ff). Dies ergibt sich bereits daraus, daß anderenfalls die Überprüfungskompetenz des Beschwerdegerichts auf einen Ermessensmißbrauch, Willkür bei der Ermessensausübung, Verstoß gegen den Gleichheitssatz oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bzw. auf Fälle der Ermessensreduktion auf Null beschränkt wäre. Dies ist unter zwei Gesichtspunkten unzweckmäßig. Zum einen mangelt es dem Beschwerdegericht, anders als in Fällen der Entscheidung über einen nicht gebundenen Verwaltungsakt an der Möglichkeit der Aufhebung der Entscheidung des Vordergerichts mit der Auflage, eine neue Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts zu treffen. Zum zweiten handelt es sich bei der nach § 193 SGG zu treffenden Entscheidung um eine einheitliche gerichtliche Entscheidung und nicht um eine Überprüfung des Verwaltungshandelns. Soweit die Auffassung vertreten wird, daß deswegen, weil Streitgegenstand des angefochtenen Beschlusses, einzig die Ermessensentscheidung über die Kostentragungsverpflichtung anders als beim angefochtenen Urteil sei, diese Entscheidung auch nur hinsichtlich eines Ermessensfehlgebrauchs überprüft werden könne, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Bereits aus dem Wortlaut des § 193 Abs. 1 SGG ergibt sich, daß der Maßstab der Kostenentscheidung im Urteil und im Beschluss kein unterschiedlicher sein kann. Die Entscheidung durch Beschluss im Falle der Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil ist dem Wortlaut nach nur eine alternative Entscheidungsform. Ansonsten ist im Urteil ebenso wie im Beschluss über das "Ob” und den Umfang der Kostenerstattung zu entscheiden. Einen Maßstab für den Inhalt der Entscheidung bietet das SGG selbst nicht. Dieser ist vielmehr bereits sehr früh durch das BSG als Entscheidung nach "sachgemäßem Ermessen” festgelegt worden (vgl. Entscheidung des BSG vom 18. Januar 1957 – Az.: 6 RKa 7/56 in SozR Nr. 3 zu § 193 SGG, Da 1 und vom 25. Mai 1957 – Az.: 6 RKa 16/54 in SozR Nr. 42 zu § 193 SGG, Da 2). Wenn aber der Maßstab für den Inhalt der Kostenentscheidung in Form der Ausübung sachgemäßen oder billigen Ermessens nicht einmal vom Gesetzgeber vorgegeben ist, sondern es sich um einen von der Rechtsprechung entwickelten handelt, dann muß erst recht eine vollständige Überprüfung der Ermessenserwägungen durch das Beschwerdegericht möglich sein.
Nach Auffassung des Senats ist das zur Ausfüllung des Begriffs des billigen Ermessens vom erstinstanzlichen Gericht gewählte Kriterium des "abgrenzbaren Mehraufwandes” nicht geeignet. Insbesondere im Schwerbehindertenrecht wird sich speziell bei reinen "Streitigkeiten um die Höhe des GdB” selten ein abgrenzbarer Mehraufwand im Verhältnis zwischen Klageantrag und letztendlich ohne Urteil erreichtem Ziel feststellen lassen. In der Konsequenz würde dies bedeuten, daß bei fast jeder vergleichsweisen Regelung in diesem Bereich bzw. Beendigung des Verfahrens durch Anerkenntnis der Beklagte kostenpflichtig würde. Dies entspricht jedoch nicht mehr einem billigen Ermessen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Gesetzestext des § 193 SGG ganz eindeutig, daß nicht nur das Ob der Kostentragung, sondern auch der Umfang der Kostentragung durch die Gerichte festzustellen ist. Der Umfang der Kostentragung ist aber immer nur dann von Bedeutung, wenn die Klage nicht vollständig erfolgreich war. Angesichts dessen hält der Senat daran fest, daß Kriterien des "billigen Ermessens” sowohl der Ausgang des Rechtsstreits und die potentielle Erfolgsaussicht, als auch die Frage, der Veranlassung unter Berücksichtigung der ordnungsgemäßen Ausfüllung der Amtsermittlungsverpflichtung durch den Beklagten sind.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die hälftige Kostenübernahme durch den Beklagten angemessen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin einen GdB von 60 begehrte und der Rechtsstreit nunmehr bei einem Gesamt-GdB von 40 in der Hauptsache erledigt wurde. Dieser Gesamt-GdB von 40 hätte sich auch ohne weitere Ermittlungen im sozialgerichtlichen Verfahren bereits aus dem Verwaltungsverfahren selbst heraus ergeben. Eine Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin ist zwischen Beendigung des Verwaltungsverfahrens durch Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1993 und Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache im Februar 1994 nämlich nicht eingetreten. Die vom Sozialgericht eingeholten weiteren medizinischen Unterlagen mögen zwar den Beklagten bei der Abgabe seines Angebotes vom 11. Januar 1994 bestärkt haben. Dies ändert jedoch nichts daran, daß er durch seinen ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1993 unter Berücksichtigung der damaligen Sach- und Rechtslage Anlaß zur Erhebung der Klage gegeben hatte. Andererseits konnte die Klägerin unter Berücksichtigung der Ermittlungen im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren ihr Klageziel eines GdB von 60 nicht erreichen. Sie hat mithin nicht Anspruch auf die Erstattung der außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang. Bei einem zugestandenen GdB von 30, einem begehrten GdB von 60 und einem GdB von letztendlich 40 als verfahrensbeendend, ist die Erstattung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten nach Auffassung des Senats auf jeden Fall sach- und streitangemessen.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Tatbestand:
I.
Streitig war die Erhöhung des Grades der Behinderung – GdB – nach dem Schwerbehindertengesetz – SchwbG – von 30 auf 60. Die 1968 geborene Klägerin erlitt 1986 einen Autounfall. Infolgedessen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 7. Juni 1989 bei ihr als Behinderung:
Wirbelsäulenveränderungen nach Unfall
mit einem GdB von 30 fest. Auf ihren Antrag auf Erhöhung des GdB vom 14. Februar 1992 holte der Beklagte einen Befundbericht bei (praktischer Arzt, ) vom 15. März 1992 ein, dem diverse weitere Berichte beigefügt waren. Mit Bescheid vom 16. November 1992 stellte der Beklagte fest, daß eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 7. Juni 1989 zugrunde gelegen haben, nicht eingetreten sei. Die Behinderungen der Klägerin bezeichnete er wie folgt neu:
Wirbelsäulenveränderungen nach Unfall und Versteifungsoperation im Beckenwirbelsäulen-/Lendenwirbelsäulenbereich.
Auf den Widerspruch der Klägerin vom 14. Dezember 1992 zog der Beklagte Unterlagen von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte – BfA – über ein Verfahren der Klägerin wegen der Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit bei. Unter diesen Unterlagen befindet sich u.a. auch ein orthopädisches Rentengutachten des vom 1. September 1992. Unter Berücksichtigung dessen sowie einer Stellungnahme der Dr. vom 20. April 1993 für den Beklagten wies dieser mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1993 den Widerspruch zurück. Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt vom 24. August 1993 machte die Klägerin die Erhöhung des GdB von 30 auf 60 geltend. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht bei Dr. vom 30. Oktober 1993 beigezogen, dem diverse weitere medizinische Unterlagen, u.a. ein Bericht über eine Operation am 20. April 1993 in der Orthopädischen Universitätsklinik H., beigefügt waren. Des weiteren gelangte ein Privatgutachten des Dr. (Universitätsklinik H./Orthopädie) vom 10. November 1993 und ein Befundbericht zu den Akten. Nach einer Stellungnahme der Dr. (F.) vom 6. Januar 1994 für den Beklagten gab dieser am 11. Januar 1994 ein Anerkenntnis dahingehend ab, daß er nunmehr bereit sei, den GdB insgesamt mit 40 zu bewerten. Die Klägerin erklärte sich hiermit einverstanden, und der Beklagte bot mit Schriftsatz vom 2. März 1994 an, der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten nach der Mittelgebühr zu erstatten. Dem stimmte die Klägerin nicht zu. Mit Beschluss vom 14. Februar 1995 hatte das Sozialgericht Darmstadt den Beklagten/Beschwerdeführer verpflichtet, der Klägerin/Beschwerdegegnerin die vollen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Gegen diesen dem Beklagten am 23. Februar 1995 zugestellten Beschluss hat er am 21. März 1995 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Entscheidungsgründe:
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG) und begründet.
Gemäß § 193 SGG hat das Gericht, wenn das Verfahren anders als durch Urteil endet, auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Die Entscheidung über die Kostentragungsverpflichtung erfolgt nach billigem Ermessen. Das Beschwerdegericht ist dabei befugt, die Ermessenserwägungen des Vordergerichts in vollem Umfang zu überprüfen und seine eigenen Ermessenserwägungen an die Stelle derjenigen des Vordergerichts zu setzen (vgl. hierzu Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl., München 1986, Vorb § 124 Rdnr. 63; LSG Berlin, vom 17. November 1964 – Az.: L 12/An-S 199/64 in Breithaupt 1965, S. 440; LSG Bremen, vom 29. März 1982 – Az.: L 2 BR 1/82 S, in SGb 82, 557, andere Auffassung: LSG Bremen, vom 15. November 1985 – Az.: L 5 BR 13/85, Breithaupt 1987, 523; wohl auch LSG Bayern, vom 23. September 1955 – Az.: 5B Ar 79/55, m. zustimmender Anm. v. Brocke in SGb 56, 127 ff). Dies ergibt sich bereits daraus, daß anderenfalls die Überprüfungskompetenz des Beschwerdegerichts auf einen Ermessensmißbrauch, Willkür bei der Ermessensausübung, Verstoß gegen den Gleichheitssatz oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bzw. auf Fälle der Ermessensreduktion auf Null beschränkt wäre. Dies ist unter zwei Gesichtspunkten unzweckmäßig. Zum einen mangelt es dem Beschwerdegericht, anders als in Fällen der Entscheidung über einen nicht gebundenen Verwaltungsakt an der Möglichkeit der Aufhebung der Entscheidung des Vordergerichts mit der Auflage, eine neue Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts zu treffen. Zum zweiten handelt es sich bei der nach § 193 SGG zu treffenden Entscheidung um eine einheitliche gerichtliche Entscheidung und nicht um eine Überprüfung des Verwaltungshandelns. Soweit die Auffassung vertreten wird, daß deswegen, weil Streitgegenstand des angefochtenen Beschlusses, einzig die Ermessensentscheidung über die Kostentragungsverpflichtung anders als beim angefochtenen Urteil sei, diese Entscheidung auch nur hinsichtlich eines Ermessensfehlgebrauchs überprüft werden könne, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Bereits aus dem Wortlaut des § 193 Abs. 1 SGG ergibt sich, daß der Maßstab der Kostenentscheidung im Urteil und im Beschluss kein unterschiedlicher sein kann. Die Entscheidung durch Beschluss im Falle der Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil ist dem Wortlaut nach nur eine alternative Entscheidungsform. Ansonsten ist im Urteil ebenso wie im Beschluss über das "Ob” und den Umfang der Kostenerstattung zu entscheiden. Einen Maßstab für den Inhalt der Entscheidung bietet das SGG selbst nicht. Dieser ist vielmehr bereits sehr früh durch das BSG als Entscheidung nach "sachgemäßem Ermessen” festgelegt worden (vgl. Entscheidung des BSG vom 18. Januar 1957 – Az.: 6 RKa 7/56 in SozR Nr. 3 zu § 193 SGG, Da 1 und vom 25. Mai 1957 – Az.: 6 RKa 16/54 in SozR Nr. 42 zu § 193 SGG, Da 2). Wenn aber der Maßstab für den Inhalt der Kostenentscheidung in Form der Ausübung sachgemäßen oder billigen Ermessens nicht einmal vom Gesetzgeber vorgegeben ist, sondern es sich um einen von der Rechtsprechung entwickelten handelt, dann muß erst recht eine vollständige Überprüfung der Ermessenserwägungen durch das Beschwerdegericht möglich sein.
Nach Auffassung des Senats ist das zur Ausfüllung des Begriffs des billigen Ermessens vom erstinstanzlichen Gericht gewählte Kriterium des "abgrenzbaren Mehraufwandes” nicht geeignet. Insbesondere im Schwerbehindertenrecht wird sich speziell bei reinen "Streitigkeiten um die Höhe des GdB” selten ein abgrenzbarer Mehraufwand im Verhältnis zwischen Klageantrag und letztendlich ohne Urteil erreichtem Ziel feststellen lassen. In der Konsequenz würde dies bedeuten, daß bei fast jeder vergleichsweisen Regelung in diesem Bereich bzw. Beendigung des Verfahrens durch Anerkenntnis der Beklagte kostenpflichtig würde. Dies entspricht jedoch nicht mehr einem billigen Ermessen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Gesetzestext des § 193 SGG ganz eindeutig, daß nicht nur das Ob der Kostentragung, sondern auch der Umfang der Kostentragung durch die Gerichte festzustellen ist. Der Umfang der Kostentragung ist aber immer nur dann von Bedeutung, wenn die Klage nicht vollständig erfolgreich war. Angesichts dessen hält der Senat daran fest, daß Kriterien des "billigen Ermessens” sowohl der Ausgang des Rechtsstreits und die potentielle Erfolgsaussicht, als auch die Frage, der Veranlassung unter Berücksichtigung der ordnungsgemäßen Ausfüllung der Amtsermittlungsverpflichtung durch den Beklagten sind.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die hälftige Kostenübernahme durch den Beklagten angemessen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin einen GdB von 60 begehrte und der Rechtsstreit nunmehr bei einem Gesamt-GdB von 40 in der Hauptsache erledigt wurde. Dieser Gesamt-GdB von 40 hätte sich auch ohne weitere Ermittlungen im sozialgerichtlichen Verfahren bereits aus dem Verwaltungsverfahren selbst heraus ergeben. Eine Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin ist zwischen Beendigung des Verwaltungsverfahrens durch Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1993 und Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache im Februar 1994 nämlich nicht eingetreten. Die vom Sozialgericht eingeholten weiteren medizinischen Unterlagen mögen zwar den Beklagten bei der Abgabe seines Angebotes vom 11. Januar 1994 bestärkt haben. Dies ändert jedoch nichts daran, daß er durch seinen ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1993 unter Berücksichtigung der damaligen Sach- und Rechtslage Anlaß zur Erhebung der Klage gegeben hatte. Andererseits konnte die Klägerin unter Berücksichtigung der Ermittlungen im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren ihr Klageziel eines GdB von 60 nicht erreichen. Sie hat mithin nicht Anspruch auf die Erstattung der außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang. Bei einem zugestandenen GdB von 30, einem begehrten GdB von 60 und einem GdB von letztendlich 40 als verfahrensbeendend, ist die Erstattung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten nach Auffassung des Senats auf jeden Fall sach- und streitangemessen.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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