Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 V 886/79
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Juli 1979 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 42-jährige Kläger erlitt als Kind in der DDR einen Unfall beim Umgang mit amerikanischer Munition. Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 21. Juli 1955 Beschädigtenrente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 100 v.H. unter Anerkennung des Verlusts des linken Auges, sowie Schrumpfung und Erblindung des rechten Auges nach Splitterverletzung, Verlusts der Finger 1–3 der linken Hand als Schädigungsfolgen im Sinne von § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Der Kläger leidet an einem Halswirbelsyndrom mit Kopfschmerzen und Ischiasbeschwerden. Er hatte sich im März 1975 einer Akupunkturbehandlung in der Schmerzambulanz der Chirurgischen Poliklinik Gießen unterzogen. Die Allgemeine Ortskrankenkasse MB. hatte beim Beklagten um Genehmigung zur Übernahme der Fahrtkosten zur Akupunkturbehandlung in Gießen gebeten. Der Beklagte hatte am 16. April 1975 der Allgemeinen Ortskrankenkasse mitgeteilt, daß die Akupunktur nicht unter die kassenüblichen Leistungen falle, so daß keine Kostenübernahme möglich sei. Der Kläger unterzog sich erneut am 5. April, 7. April, 12. April, 14. April und 20. April 1978 bei Prof. Dr. L., Marburg, einer Akupunkturbehandlung. Er beantragte beim Beklagten die Übernahme der Kosten in Höhe von 290,– DM. Zur Begründung führte er aus, daß Prof. H. von der Universitätsklinik Gießen 1975 die ersten erfolgreichen Akupunkturbehandlungen durchgeführt habe. Kosten seien im hierdurch deshalb nicht entstanden, weil die Aufwendungen im Rahmen der Pauschale mit der Krankenkasse abgerechnet worden seien. Er habe sich von Prof. Dr. L., Marburg, akupunktieren lassen. Die Allgemeine Ortskrankenkasse MB. habe eine Kostenübernahme abgelehnt.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. Juli 1978 die Erstattung der Kosten für die Akupunkturbehandlung ab. Zur Begründung führte er aus, die Kosten könnten deshalb nicht erstattet werden, weil der Kläger im Besitz eines gültigen Bundesbehandlungsscheines sei und unvermeidbare Gründe, die die Inanspruchnahme der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde unmöglich machten, nicht vorgelegen hätten. Selbst wenn man unterstelle, daß unvermeidbare Umstände vorgelegen hätten, könnten die Kosten auch dann nicht erstattet werden, weil die gewählte Behandlung nicht zu den medizinischen Leistungen der Krankenkasse zählten. Sowohl der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung als auch der Hessische Sozialminister (HSM § 11 Abs. 1, Erlaß des Hessischen Sozialministers vom 4. November 1974, S. 20, Rundschreiben Bundesminister für Arbeit vom 28. Juli 1977, S. 32) hätten diese Auffassung vertreten.
Der Kläger erhob dagegen beim Sozialgericht Marburg Klage. Zur Begründung führte er u.a. aus, daß 1977 zusätzlich zu den Halswirbelsäulenbeschwerden Ischiasbeschwerden gekommen seien, weshalb er sich in der Universitätsklinik Marburg einer Akupunkturbehandlung durch Prof. Dr. L. unterzogen habe, die nach fünf Behandlungen die Schmerzen beseitigt hätten. Die Kosten der Akupunktur seien niedriger als die Kosten von Massagen in drei Behandlungsquartalen, die durch die gewählte Behandlung nicht nötig gewesen seien. Nach Auskünften der Allgemeinen Ortskrankenkasse MB. wurden entgegen der Behauptung des Klägers die Kosten für die Akupunkturbehandlung 1975 nicht ersetzt. Das Sozialgericht holte Auskünfte bei Dr. H., Prof. Dr. L., Dr. R., Prof. Dr. H., der Allgemeinen Ortskrankenkasse MB. ein, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Das Sozialgericht verurteilte den Beklagten am 16. Juli 1979 unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 1978, dem Kläger die für die im April 1978 durchgeführte Akupunkturbehandlung entstandenen Kosten in Höhe von 290,– DM zu erstatten. Es ließ die Berufung zu. Zur Begründung führte es aus, dem Kläger seien gemäß § 18 Abs. 2 S. 1 BVG die Kosten deshalb zu erstatten, weil unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde unmöglich machten. Als solche unvermeidbaren Umstände, die die Inanspruchnahme der Allgemeinen Ortskrankenkasse MB. und des Beklagten verhindert hätten, sei der Ausschluß von Akupunkturbehandlungen aus dem derzeitigen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Obwohl diese Behandlungsmethode nicht zu den kassenärztlichen Leistungen gehöre, sei der Beklagte zur Erstattung der Behandlungskosten verpflichtet. Maßstab für die der Versorgungsverwaltung auferlegte Effektivitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung sei der Grundsatz des sparsamen Einsatzes öffentlicher Mittel. Bei der Frage der Kostenübernahme für eine nach der herrschenden Schulmedizin umstrittene Behandlungsmethode sei die Wirksamkeit der Behandlung ausschlaggebend. Nach den Akupunkturen habe der Kläger wegen des Cervicalsyndroms keine kostspieligen Massagebehandlungen benötigt.
Gegen das am 30. Juli 1979 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 7. August 1979 Berufung ein. Zur Begründung führte er aus, daß für die Übernahme der Kosten der Akupunkturbehandlung keine Anspruchsgrundlage bestehe. Es handele sich um eine selbst gewählte Heilbehandlung im Sinne von § 18 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz, denn die Allgemeine Ortskrankenkasse habe den Anspruch abgelehnt, weil Akupunkturen keine Kassenleistungen seien. Die Auffassung des Gerichts, die Inanspruchnahme der Kasse oder Versorgungsverwaltung sei ausgeschlossen gewesen, sei unzutreffend, denn es sei nicht ersichtlich, warum der Antrag beim Versorgungsamt nicht hätte vor der Behandlung gestellt werden können. Leistungen, die bei rechtzeitigem Antrag abgelehnt werden mußten, könnten auch nicht nachträglich gewährt werden. Die Verwaltungsbehörde könne nicht über die Kassenleistungen hinausgehen (§ 18 c Abs. 3 BVG). Für ambulante Behandlungen gelte § 11 Abs. 1 S. 3 BVG. Akupunktur sei weder als diagnostische noch als therapeutische Methode wissenschaftlich anerkannt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Juli 1979 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Der Kläger hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Der Senat lud mit Beschluss vom 20. Februar 1980 die Allgemeine Ortskrankenkasse für den Landkreis MB. bei. Diese erklärte, daß sie Leistungen an den Kläger nur als Auftragsleistung für den Beklagten erbringe. Hierfür gewähre ihr der Beklagte vollen Ersatz. Auch bei Ablehnung des Anspruchs komme sie nicht als leistungspflichtig in Betracht, da der Kläger bei ihr kein Mitglied sei.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten und die Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist wegen der Zulassung durch das Sozialgericht statthaft (§ 150 Ziffer 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Unrecht zur Zahlung von 290,– DM verurteilt. Dem Kläger steht als Schwerbeschädigtem (§ 31 Abs. 3 Bundesversorgungsgesetz – BVG –) Heilbehandlung auch für Gesundheitsstörungen zu, die nicht als Folge einer Schädigung anerkannt sind. Ihm ist daher für das Cervicalsyndrom und die Ischiasbeschwerden, die bei ihm vorliegen, Heilbehandlung zu gewähren. Diese kann der Beklagte selbst gewähren oder sie von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen lassen. So leistet der Beklagte Zahnersatz, Krankenhausbehandlung für tuberkulös Erkrankte, Heilstättenbehandlung, orthopädische Versorgung und eine große Anzahl weiterer Behandlungen selbst (§ 18 c Abs. 1 BVG), während die übrigen Leistungen von den Allgemeinen Ortskrankenkassen des Wohnsitzes des Schwerbeschädigten erbracht werden (§ 18 Abs. 2 BVG). Diese erhalten gem. § 20 BVG vollen Ersatz für ihre Leistungen und zusätzlich 8 v.H. dieser Kosten als Ersatz für Verwaltungskosten. Da die Akupunkturbehandlung keine der im § 18 c Abs. 1 BVG aufgeführten Leistungen ist, war für die etwaige Übernahme der Kosten nicht der Beklagte, sondern die Allgemeine Ortskrankenkasse MB. zuständig (§ 18 c Abs. 2 BVG).
Die Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 18 Abs. 2 BVG. Denn der Beklagte wäre nur dann zur Erstattung der Heilbehandlungskosten verpflichtet, wenn der Kläger durch unvermeidbare Umstände verhindert gewesen wäre, die Allgemeine Ortskrankenkasse (§ 18 c Abs. 2 BVG) in Anspruch zu nehmen.
Gedacht ist hier an Unfälle und sonstige Notfälle, die es verhindern, sich an die Krankenkasse zu wenden. Solche unvermeidbaren Umstände liegen nicht vor, wenn die Allgemeine Ortskrankenkasse aus rechtlichen Gründen die Übernahme von Behandlungskosten ablehnt. Soweit die Allgemeine Ortskrankenkasse die Heilbehandlung gewährt, geschieht dies im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung allen ihren Mitgliedern gegenüber. Eine über den Leistungskatalog der Krankenkassen hinausgehende weitere Leistungspflicht gegenüber Schwerbeschädigten nach dem Bundesversorgungsgesetz ergibt sich, entgegen der Ansicht des Sozialgerichtes, aus der gesetzlichen Regelung nicht. Dabei ist es unerheblich, ob die Akupunkturbehandlung mehrere kostspieligere Massagebehandlungen während weiterer Behandlungszeiträume überflüssig gemacht hat, wie das Sozialgericht annimmt. Maßgebend ist allein, ob die Behandlung von den Krankenkassen erstattet würde. Eine Akupunkturbehandlung ist noch nicht als eine den Regeln der ärztlichen Kunst im Sinne des § 368 e Reichsversicherungsordnung –RVO– entsprechende Behandlung anzusehen. Mit Rücksicht auf die Forderung nach zweckmäßigen und ausreichenden Maßnahmen können nur erprobte Methoden angewendet werden. Die Akupunktur ist als eine wissenschaftlich noch nicht anerkannte Behandlungsmethode anzusehen, weil ein Beweis für die Richtigkeit ihrer Methode von den diese Behandlungsweise anwendenden Ärzte noch nicht erbracht worden ist (vgl. Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 29. Juli 1977 – L – 5/Kr-5/76, abgedruckt in Breihaupt 1977 Seite 399, 401, Urteil Landessozialgericht Celle vom 8. November 1978 L-4/Kr-64/78, abgedruckt in Ersatzkasse 1979 Seite 123–125) (Urteil des BSG v. 28. November 1979 – 3 RK 9/78).
Zu Unrecht beruft sich der Kläger zum Ausschluß der Bestimmung des § 18 Abs. 2 S. 1 BVG auf den S. 2 dieser Vorschrift. Der Kläger ist nicht "Mitglied einer Krankenkasse”, sondern genießt den Krankenschutz als Kriegsblinder nach §§ 11 und 18 BVG.
Eine Verneinung der Leistungspflicht durch die Allgemeine Ortskrankenkasse kann nicht zu einem direkten Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten führen.
Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Juli 1979 mußte aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 42-jährige Kläger erlitt als Kind in der DDR einen Unfall beim Umgang mit amerikanischer Munition. Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 21. Juli 1955 Beschädigtenrente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 100 v.H. unter Anerkennung des Verlusts des linken Auges, sowie Schrumpfung und Erblindung des rechten Auges nach Splitterverletzung, Verlusts der Finger 1–3 der linken Hand als Schädigungsfolgen im Sinne von § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Der Kläger leidet an einem Halswirbelsyndrom mit Kopfschmerzen und Ischiasbeschwerden. Er hatte sich im März 1975 einer Akupunkturbehandlung in der Schmerzambulanz der Chirurgischen Poliklinik Gießen unterzogen. Die Allgemeine Ortskrankenkasse MB. hatte beim Beklagten um Genehmigung zur Übernahme der Fahrtkosten zur Akupunkturbehandlung in Gießen gebeten. Der Beklagte hatte am 16. April 1975 der Allgemeinen Ortskrankenkasse mitgeteilt, daß die Akupunktur nicht unter die kassenüblichen Leistungen falle, so daß keine Kostenübernahme möglich sei. Der Kläger unterzog sich erneut am 5. April, 7. April, 12. April, 14. April und 20. April 1978 bei Prof. Dr. L., Marburg, einer Akupunkturbehandlung. Er beantragte beim Beklagten die Übernahme der Kosten in Höhe von 290,– DM. Zur Begründung führte er aus, daß Prof. H. von der Universitätsklinik Gießen 1975 die ersten erfolgreichen Akupunkturbehandlungen durchgeführt habe. Kosten seien im hierdurch deshalb nicht entstanden, weil die Aufwendungen im Rahmen der Pauschale mit der Krankenkasse abgerechnet worden seien. Er habe sich von Prof. Dr. L., Marburg, akupunktieren lassen. Die Allgemeine Ortskrankenkasse MB. habe eine Kostenübernahme abgelehnt.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. Juli 1978 die Erstattung der Kosten für die Akupunkturbehandlung ab. Zur Begründung führte er aus, die Kosten könnten deshalb nicht erstattet werden, weil der Kläger im Besitz eines gültigen Bundesbehandlungsscheines sei und unvermeidbare Gründe, die die Inanspruchnahme der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde unmöglich machten, nicht vorgelegen hätten. Selbst wenn man unterstelle, daß unvermeidbare Umstände vorgelegen hätten, könnten die Kosten auch dann nicht erstattet werden, weil die gewählte Behandlung nicht zu den medizinischen Leistungen der Krankenkasse zählten. Sowohl der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung als auch der Hessische Sozialminister (HSM § 11 Abs. 1, Erlaß des Hessischen Sozialministers vom 4. November 1974, S. 20, Rundschreiben Bundesminister für Arbeit vom 28. Juli 1977, S. 32) hätten diese Auffassung vertreten.
Der Kläger erhob dagegen beim Sozialgericht Marburg Klage. Zur Begründung führte er u.a. aus, daß 1977 zusätzlich zu den Halswirbelsäulenbeschwerden Ischiasbeschwerden gekommen seien, weshalb er sich in der Universitätsklinik Marburg einer Akupunkturbehandlung durch Prof. Dr. L. unterzogen habe, die nach fünf Behandlungen die Schmerzen beseitigt hätten. Die Kosten der Akupunktur seien niedriger als die Kosten von Massagen in drei Behandlungsquartalen, die durch die gewählte Behandlung nicht nötig gewesen seien. Nach Auskünften der Allgemeinen Ortskrankenkasse MB. wurden entgegen der Behauptung des Klägers die Kosten für die Akupunkturbehandlung 1975 nicht ersetzt. Das Sozialgericht holte Auskünfte bei Dr. H., Prof. Dr. L., Dr. R., Prof. Dr. H., der Allgemeinen Ortskrankenkasse MB. ein, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Das Sozialgericht verurteilte den Beklagten am 16. Juli 1979 unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juli 1978, dem Kläger die für die im April 1978 durchgeführte Akupunkturbehandlung entstandenen Kosten in Höhe von 290,– DM zu erstatten. Es ließ die Berufung zu. Zur Begründung führte es aus, dem Kläger seien gemäß § 18 Abs. 2 S. 1 BVG die Kosten deshalb zu erstatten, weil unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde unmöglich machten. Als solche unvermeidbaren Umstände, die die Inanspruchnahme der Allgemeinen Ortskrankenkasse MB. und des Beklagten verhindert hätten, sei der Ausschluß von Akupunkturbehandlungen aus dem derzeitigen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Obwohl diese Behandlungsmethode nicht zu den kassenärztlichen Leistungen gehöre, sei der Beklagte zur Erstattung der Behandlungskosten verpflichtet. Maßstab für die der Versorgungsverwaltung auferlegte Effektivitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung sei der Grundsatz des sparsamen Einsatzes öffentlicher Mittel. Bei der Frage der Kostenübernahme für eine nach der herrschenden Schulmedizin umstrittene Behandlungsmethode sei die Wirksamkeit der Behandlung ausschlaggebend. Nach den Akupunkturen habe der Kläger wegen des Cervicalsyndroms keine kostspieligen Massagebehandlungen benötigt.
Gegen das am 30. Juli 1979 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 7. August 1979 Berufung ein. Zur Begründung führte er aus, daß für die Übernahme der Kosten der Akupunkturbehandlung keine Anspruchsgrundlage bestehe. Es handele sich um eine selbst gewählte Heilbehandlung im Sinne von § 18 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz, denn die Allgemeine Ortskrankenkasse habe den Anspruch abgelehnt, weil Akupunkturen keine Kassenleistungen seien. Die Auffassung des Gerichts, die Inanspruchnahme der Kasse oder Versorgungsverwaltung sei ausgeschlossen gewesen, sei unzutreffend, denn es sei nicht ersichtlich, warum der Antrag beim Versorgungsamt nicht hätte vor der Behandlung gestellt werden können. Leistungen, die bei rechtzeitigem Antrag abgelehnt werden mußten, könnten auch nicht nachträglich gewährt werden. Die Verwaltungsbehörde könne nicht über die Kassenleistungen hinausgehen (§ 18 c Abs. 3 BVG). Für ambulante Behandlungen gelte § 11 Abs. 1 S. 3 BVG. Akupunktur sei weder als diagnostische noch als therapeutische Methode wissenschaftlich anerkannt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Juli 1979 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Der Kläger hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Der Senat lud mit Beschluss vom 20. Februar 1980 die Allgemeine Ortskrankenkasse für den Landkreis MB. bei. Diese erklärte, daß sie Leistungen an den Kläger nur als Auftragsleistung für den Beklagten erbringe. Hierfür gewähre ihr der Beklagte vollen Ersatz. Auch bei Ablehnung des Anspruchs komme sie nicht als leistungspflichtig in Betracht, da der Kläger bei ihr kein Mitglied sei.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten und die Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist wegen der Zulassung durch das Sozialgericht statthaft (§ 150 Ziffer 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Unrecht zur Zahlung von 290,– DM verurteilt. Dem Kläger steht als Schwerbeschädigtem (§ 31 Abs. 3 Bundesversorgungsgesetz – BVG –) Heilbehandlung auch für Gesundheitsstörungen zu, die nicht als Folge einer Schädigung anerkannt sind. Ihm ist daher für das Cervicalsyndrom und die Ischiasbeschwerden, die bei ihm vorliegen, Heilbehandlung zu gewähren. Diese kann der Beklagte selbst gewähren oder sie von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen lassen. So leistet der Beklagte Zahnersatz, Krankenhausbehandlung für tuberkulös Erkrankte, Heilstättenbehandlung, orthopädische Versorgung und eine große Anzahl weiterer Behandlungen selbst (§ 18 c Abs. 1 BVG), während die übrigen Leistungen von den Allgemeinen Ortskrankenkassen des Wohnsitzes des Schwerbeschädigten erbracht werden (§ 18 Abs. 2 BVG). Diese erhalten gem. § 20 BVG vollen Ersatz für ihre Leistungen und zusätzlich 8 v.H. dieser Kosten als Ersatz für Verwaltungskosten. Da die Akupunkturbehandlung keine der im § 18 c Abs. 1 BVG aufgeführten Leistungen ist, war für die etwaige Übernahme der Kosten nicht der Beklagte, sondern die Allgemeine Ortskrankenkasse MB. zuständig (§ 18 c Abs. 2 BVG).
Die Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 18 Abs. 2 BVG. Denn der Beklagte wäre nur dann zur Erstattung der Heilbehandlungskosten verpflichtet, wenn der Kläger durch unvermeidbare Umstände verhindert gewesen wäre, die Allgemeine Ortskrankenkasse (§ 18 c Abs. 2 BVG) in Anspruch zu nehmen.
Gedacht ist hier an Unfälle und sonstige Notfälle, die es verhindern, sich an die Krankenkasse zu wenden. Solche unvermeidbaren Umstände liegen nicht vor, wenn die Allgemeine Ortskrankenkasse aus rechtlichen Gründen die Übernahme von Behandlungskosten ablehnt. Soweit die Allgemeine Ortskrankenkasse die Heilbehandlung gewährt, geschieht dies im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung allen ihren Mitgliedern gegenüber. Eine über den Leistungskatalog der Krankenkassen hinausgehende weitere Leistungspflicht gegenüber Schwerbeschädigten nach dem Bundesversorgungsgesetz ergibt sich, entgegen der Ansicht des Sozialgerichtes, aus der gesetzlichen Regelung nicht. Dabei ist es unerheblich, ob die Akupunkturbehandlung mehrere kostspieligere Massagebehandlungen während weiterer Behandlungszeiträume überflüssig gemacht hat, wie das Sozialgericht annimmt. Maßgebend ist allein, ob die Behandlung von den Krankenkassen erstattet würde. Eine Akupunkturbehandlung ist noch nicht als eine den Regeln der ärztlichen Kunst im Sinne des § 368 e Reichsversicherungsordnung –RVO– entsprechende Behandlung anzusehen. Mit Rücksicht auf die Forderung nach zweckmäßigen und ausreichenden Maßnahmen können nur erprobte Methoden angewendet werden. Die Akupunktur ist als eine wissenschaftlich noch nicht anerkannte Behandlungsmethode anzusehen, weil ein Beweis für die Richtigkeit ihrer Methode von den diese Behandlungsweise anwendenden Ärzte noch nicht erbracht worden ist (vgl. Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 29. Juli 1977 – L – 5/Kr-5/76, abgedruckt in Breihaupt 1977 Seite 399, 401, Urteil Landessozialgericht Celle vom 8. November 1978 L-4/Kr-64/78, abgedruckt in Ersatzkasse 1979 Seite 123–125) (Urteil des BSG v. 28. November 1979 – 3 RK 9/78).
Zu Unrecht beruft sich der Kläger zum Ausschluß der Bestimmung des § 18 Abs. 2 S. 1 BVG auf den S. 2 dieser Vorschrift. Der Kläger ist nicht "Mitglied einer Krankenkasse”, sondern genießt den Krankenschutz als Kriegsblinder nach §§ 11 und 18 BVG.
Eine Verneinung der Leistungspflicht durch die Allgemeine Ortskrankenkasse kann nicht zu einem direkten Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten führen.
Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Juli 1979 mußte aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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