L 8 R 763/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 11 RA 1951/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 763/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung unter Zulassung des Klägers zur Nachentrichtung von Beiträgen und zur Entrichtung von Beiträgen zur freiwilligen Versicherung. Der Kläger ist 1949 in Rumänien geboren worden. Er ist israelischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Israel. Im Jahr 1983 beantragte er die Nachentrichtung von Beiträgen zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach Art. 12 der Durchführungsvereinbarung (DV) zum Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA). Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zu diesem Antrag erging mit Datum des 10. Oktober 1989 eine "Zahlungsaufforderung" durch die Beklagte, nachdem der Kläger zuvor den Zeitraum der Nachentrichtung auf die Zeit vom 1. Januar 1965 bis zum 30. Juni 1980 und die Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge auf 224,- DM (entsprechend einer Summe von 41.664,- DM für 186 Monate) konkretisiert hatte. In der Zahlungsaufforderung wies die Beklagte auf die Möglichkeit hin, die Beiträge in Teilzahlungen zu entrichten sowie darauf, dass die Teilzahlung spätestens drei Jahre nach Zugang des Schreibens abgeschlossen sein müsse. Das Schreiben ging den damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 16. Oktober 1989 zu. Der Kläger leistete innerhalb der Dreijahresfrist und auch danach nicht die Zahlungen entsprechend seiner Konkretisierung. Im Januar 1997 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Klägers ein, in dem er erklärte, dass er kein Geld gehabt habe, um "für eine Pension" einzuzahlen. Er sei aber immer ein kranker Mensch gewesen und sein Zustand habe sich verschlechtert. Als Kind von Eltern, die von den Nazis verfolgt worden seien, ersuche er die Beklagte, ihm eine "Pension" zu gewähren. Die Beklagte sah das Schreiben des Klägers als Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an. Sie lehnte ihn durch Bescheid vom 4. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 1998 ab. Er erfülle nicht die allgemeine Wartezeit als eine der Voraussetzungen für den Rentenanspruch, da er in Deutschland nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und keine Beiträge nachentrichtet habe. Mit Schreiben vom Januar 2003 bat der Kläger nochmals um Prüfung eines Rentenanspruchs und erklärte sich bereit, Beiträge nachzuentrichten. Die Beklagte sah das Schreiben als Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 4. Dezember 1997 an, den sie durch Bescheid vom 29. Januar 2003 ablehnte. Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er ausdrücklich nochmals bat, ihn "in die Versicherung aufzunehmen". Durch weiteren Bescheid vom 11. August 2003 lehnte die Beklagte darauf hin den Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 12 DV-DISVA mit der Begründung ab, dass die Teilzahlungsfrist abgelaufen sei. Mit Ablauf der Frist erlösche die Berechtigung zur Nachentrichtung von Beiträgen. Zur freiwilligen Versicherung könne der Kläger nicht zugelassen werden, weil er die Voraussetzungen dafür nicht erfülle. Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 29. Januar und 11. August 2003 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2003 zurück. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht hat der Kläger, wie bereits im Widerspruchsverfahren, geltend gemacht, dass er 1983 eine erste Anzahlung auf die Beiträge geleistet habe und danach krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, weitere Beiträge nachzuentrichten. Durch Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung zunächst auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Darüber hinaus hat es ausgeführt, dass die Nachentrichtung von Beiträgen nicht mehr in Betracht komme, weil die Teilzahlungsfrist von drei Jahren abgelaufen sei. Die Frist habe bereits gesetzt werden dürfen, noch bevor über den Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen abschließend entschieden worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist könne nicht gewährt werden. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter und verweist erneut auf seinen Gesundheitszustand. Zum Beleg für die Zahlung von Beiträgen hat er ein undatiertes Schreiben der "Organisation für die Durchführung des Sozialversicherungsabkommens Israel-Deutschland" in hebräischer Sprache eingereicht, ausweislich dessen er zur Zahlung von 35,- DM aufgefordert wurde. Von dem Schreiben hat das Gericht eine Übersetzung in die deutsche Sprache fertigen lassen. Der Kläger beantragt der Sache nach, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2006 und die Bescheide der Beklagten vom 29. Januar und 11. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn zur Nachentrichtung von Beiträgen zuzulassen, die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung festzustellen und ihm nach erfolgter Nachentrichtung von Beiträgen unter Rücknahme des Bescheides vom 4. Dezember 1997 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den Bescheid vom 4. Dezember 1997 zurücknimmt, durch den die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit abgelehnt worden war. Gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Der Verwaltungsakt ("Bescheid") vom 4. Dezember 1997 war rechtmäßig. Der Kläger erfüllt bereits deshalb nicht die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, weil er kein "Versicherter" im Sinne der Vorschriften über diese Renten ist (§§ 43 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]). Damit liegen erst recht nicht die besonderen "versicherungsrechtlichen Voraussetzungen" für die begehrten Renten vor (Erfüllung der "Wartezeit" von sechzig Monaten mit Pflichtbeitragszeiten und "3/5-Belegung" der letzten sechzig Monate vor Eintritt eines Versicherungsfalls der verminderten Erwerbsfähigkeit mit Pflichtbeitragszeiten, §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 und § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI). Um Versicherter zu sein, müsste der Kläger wenigstens einen Beitrag zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung wirksam entrichtet haben. Das ist nicht der Fall, selbst wenn unterstellt würde, dass der Betrag von 35,- DM, der in der Zahlungsaufforderung der "Organisation für die Durchführung des Sozialversicherungsabkommens Israel-Deutschland" genannt wird, vom Kläger an diese Organisation gezahlt worden ist und von dieser Organisation – die in keiner Verbindung zur Beklagten steht – auch an die Beklagte weitergeleitet worden ist (wofür es keinen Beleg gibt). Der Kläger, der nie in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war, könnte den Status eines Versicherten nur durch die wirksame Nachentrichtung von Beiträgen oder die wirksame Entrichtung von Beiträgen zur freiwilligen Versicherung erwerben. Für beide Alternativen erfüllt er nicht die Voraussetzungen. Das 1983 vom Kläger beantragte Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 12 DV-DISVA ist von der Beklagten (erstmals) mit dem Bescheid vom 11. August 2003 zutreffend abgelehnt worden. Denn der Kläger hatte die von der Beklagten gemäß Art. 12 Satz 6 DV-DISVA gesetzte Teilzahlungsfrist von drei Jahren, die am 15. Oktober 1992, 24 Uhr geendet hatte, verstreichen lassen, ohne einen einzigen Monatsbeitrag (224,- DM) auf den von ihm selbst "konkretisierten" Nachentrichtungsbetrag vollständig gezahlt zu haben. Damit war das Nachentrichtungsrecht unabhängig davon erloschen, ob die sonstigen Voraussetzungen dafür vorlagen (Bundessozialgericht, Urteil vom 07. November 1996 – Aktenzeichen 12 RK 10/96 – in Entscheidungssammlung Sozialrecht, 3-5364 § 6 Nr. 1). Ob der Kläger krankheitsbedingt daran gehindert war, die Frist einzuhalten, hat keine rechtliche Bedeutung. Die von der Beklagten eingeräumte Teilzahlungsfrist von drei Jahren ist eine gesetzliche Frist (Bundessozialgericht, wie oben zitiert). Gegen die Versäumung dieser Frist hätte dem Kläger allenfalls die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden können. Das hätte aber wenigstens vorausgesetzt, dass binnen eines Jahres nach dem Ende der Frist entweder ein Antrag auf Gewährung der Wiedereinsetzung gestellt oder die versäumte Handlung nachgeholt wird (§ 27 Abs. 3 SGB X). Das ist aber nicht geschehen, vielmehr war die Jahresfrist schon mehr als vier Jahre abgelaufen, als der Kläger sich 1997 erstmals seit 1989 wieder an die Beklagte gewandt hatte. Der Kläger kann den Status des Versicherten auch nicht durch die Zahlung freiwilliger Beiträge erwerben. Denn der Zugang zur freiwilligen Versicherung setzt für ihn als in Israel lebenden israelischen Staatsangehörigen voraus, dass bereits ohne die Beitragsleistungen zur freiwilligen Versicherung ein Beitrag in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung anrechnungsfähig war (Nr. 2 Buchstabe c des Schlussprotokolls zum DISVA). Daran fehlt es. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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