L 6 J 171/74

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 J 171/74
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. Dezember 1973 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin der Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO zusteht.

Die 1941 geborene Klägerin ist Postobersekretärin. Ihrem Antrag auf Hinterbliebenenrente nach dem Ehemann N. C. wurde mit Bescheid vom 20. März 1969 entsprochen. Die Bundespost-Betriebskrankenkasse entschied mit Bescheid vom 16. Mai 1972, daß die Klägerin gemäß § 169 RVO von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner befreit sei und bezog sich dabei auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. Dezember 1971. Außerdem bescheinigte die Bundespost-Betriebskrankenkasse, daß die Klägerin ihr Mitglied seit dem 1. Dezember 1964 sei.

Die Klägerin beantragte am 26. Mai 1972, ihr den Beitragszuschuß gemäß § 381 Abs. 4 RVO zu gewähren. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30. August 1972 diesen Antrag ab, da die Klägerin nicht nach § 173 a RVO von der Versicherungspflicht befreit sei.

Dagegen erhob die Klägerin Klage und berief sich darauf, daß sie nach dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. Dezember 1971 von der Versicherungspflicht befreit sei und daher Anspruch auf den Beitragszuschuß habe. Mit Urteil vom 10. Dezember 1973 hob das Sozialgericht Darmstadt den Bescheid vom 30. August 1972 auf und verurteilte die Beklagte dem Grunde nach, der Klägerin für deren Krankenversicherung bei der Postbeamtenkrankenkasse den gesetzlichen Beitragszuschuß zu gewähren. Das Sozialgericht war der Auffassung, daß die Klägerin, da sie die Voraussetzungen für den Bezug einer Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung für Arbeiter erfülle, grundsätzlich zum Personenkreis des § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO gehöre. Da sie aber im Hinblick auf § 169 Abs. 1 RVO kraft Gesetzes von der Krankenversicherungspflicht der Rentner befreit sei, wohl aber gegen Krankheit versichert, ohne daß ihr ein Anspruch auf Arbeitnehmerzuschuß zustehe, habe sie auch Anspruch auf den Beitragszuschuß seitens der Beklagten. Das Sozialgericht ging von der Versicherungsfreiheit der Klägerin in ihrer Eigenschaft als aktive Lebenszeitbeamtin aus. Dabei sei kein Grund ersichtlich, ihre Anspruchsberechtigung nach § 381 Abs. 4 RVO von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen, die in dieser Vorschrift nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Insbesondere komme es nicht darauf an, ob hier durch Verwaltungsentscheidung eine Befreiung von der Versicherungspflicht stattgefunden habe, was im Falle der Klägerin allein schon aus logischen Gründen nicht denkbar wäre. Der Klägerin stehe der Zuschuß daher zu.

Gegen dieses der Beklagten am 18. Februar 1974 zugestellte Urteil richtet sich deren am 1. März 1974 schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung. Mit ihr bringt die Beklagte zum Ausdruck, daß das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. Dezember 1971 vom Bundessozialgericht nicht gebilligt worden sei. Die Beklagte wies auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 4. Oktober 1973 (3 RK 91/72) hin.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. Dezember 1973 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen, der Versichertenrentenakte des Ehemannes der Klägerin, die Akte des Sozialgerichts Darmstadt Az.: S-7/Kr – 25/69 und die Personalakte der Klägerin bei der Deutschen Bundespost, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und an sich statthaft ist (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG).

In der Sache ist die Berufung auch begründet.

Der Klägerin steht entgegen der Auffassung des angefochtenen Urteils ein Anspruch auf Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO nicht zu. Nach dieser Vorschrift erhalten Personen, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente oder einer Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Angestellten erfüllen, aber nicht zu den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO bezeichneten Personen gehören, auf ihren Antrag von dem zuständigen Träger der Rentenversicherung zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag einen Betrag der dem Durchschnitt der von den Rentenversicherungsträgern für die Pflichtversicherten zur Verfügung gestellten Beiträge entspricht, wenn sie nachweisen, daß sie als freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Der gleiche Anspruch steht den Empfängern von Renten und Hinterbliebenenrenten aus dem Versicherungen der Arbeiter und Angestellten auch denn zu, wenn sie bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert sind.

Zu Unrecht geht das angefochtene Urteil davon aus, daß die Klägerin gemäß § 169 RVO als lebenszeitig angestellte Postbeamtin von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung befreit ist. Zwar hat dies das Hessische Landessozialgericht (8. Senat) im Urteil vom 16. Dezember 1971 entschieden. Dieses im Verfahren der Klägerin gegen die Bundespostbetriebskrankenkasse ergangene Urteil bindet jedoch in der Sache nur die an dem damaligen Verfahren Beteiligten, also die Klägerin in ihrem Verhältnis zur Bundespostbetriebskrankenkasse, nicht jedoch die an dem damaligen Verfahren nicht beteiligte Beklagte. Die Beklagte wäre also aufgrund dieses Urteils nicht verpflichtet, einen Beitragszuschuß zu gewähren.

Darüber hinaus hat aber das Bundessozialgericht in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 4. Oktober 1973 (3 RK – 91/72) entschieden, das Beamte versicherungsfrei nur in Hinblick auf ihre Beamtentätigkeit seien, nicht aber als Bezieher von Renten oder Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung. Der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts hat sich dieser Auffassung des Bundessozialgerichts nach erneuter eigener Prüfung im Urteil vom 12. Juni 1974 (L-8 Kr – 672/72) auch angeschlossen. Danach ist eine auf Lebenszeit angestellte Beamtin nur insoweit von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit, als es sich um ihre eigentliche beamtete Tätigkeit handelt, nicht jedoch in einer daneben ausgeübten Tätigkeit und ebenfalls nicht als Bezieherin einer eigenen oder einer Hinterbliebenenrente.

Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß die zuständige Kasse (§ 173 a Abs. 2 RVO) die Befreiung ausspricht. Die Kasse kann nur die Mitgliedschaft bei ihr regeln, nicht aber Ansprüche auf Regelleistungen (hier den Beitragszuschuß) aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Nach § 381 Abs. 4 RVO kommt es nicht auf die Befreiung durch eine Krankenkasse, sondern auf die Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO an. Der Senat verkennt nicht die Nachteile für den Versicherten, wenn einerseits eine gesetzwidrige Befreiung nach § 173 a RVO ausgesprochen wird und andererseits kein Anspruch nach § 381 Abs. 4 RVO besteht. Hierbei verliert der Versicherte den Krankenversicherungsschutz als Rentner nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO, ohne den im Prinzip vorgesehenen finanziellen Ausgleich nach § 381 Abs. 4 RVO zu erhalten. Der Senat sieht jedoch keine Möglichkeit, diese Lücke aus dem Gesetz heraus zu schließen.

Daraus ergibt sich für dieses Verfahren, daß die Klägerin keinen Anspruch auf den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO hat, denn sie ist als zum Personenkreis des § 165 Abs. 1 Ziff. 3 RVO gehörig zu betrachten. Einen Antrag auf Befreiung von dieser Versicherungspflicht, der nach § 173 a RVO für die Klägerin möglich gewesen wäre, hat die Klägerin nicht gestellt. Sie ist daher im Verhältnis zur Beklagten als versicherungspflichtig in der Rentnerkrankenversicherung anzusehen, so daß ihr der Beitragszuschuß nicht gewährt werden kann.

Das angefochtene Urteil war daher auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Frage der Wirkung eines Befreiungsbescheides für den Anspruch auf Beitragszuschuß von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Rechtskraft
Aus
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