Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 J 83/76
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 19. Dezember 1975 geändert und die Klage in vollem Umfange abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, von welchem Zeitpunkt ab der Klägerin Kinderzuschüsse zur Versichertenrente zustehen.
Die 1928 geborene Klägerin, die mit dem 1. März 1959 eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit – Bescheid vom 8. Februar 1960 – bezieht, beantragte am 11. Oktober 1974 die Gewährung von Kinderzuschüssen für ihren am 14. November 1952 geborenen Sohn G. und ihre am 10. November 1957 geborene Tochter G ...
Die Beklagte gewährte die Zuschüsse mit Bescheid vom 24. Oktober 1974 unter Beachtung der Verjährungsvorschrift – § 29 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) – vom 1. Oktober 1970 ab.
Mit ihrem Widerspruch hat die Klägerin gegenüber der Einrede der Verjährung den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erhoben und ausgeführt, im Zeitpunkt der Rentengewährung habe ihr nach der geltenden Gesetzesvorschrift kein Kinderzuschuß zugestanden. Aufgrund der Entscheidung den Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1963 (BGBl. I S. 693), wonach auch einer versicherten Ehefrau ein Kinderzuschuß zustehe, hätte die Beklagte nach der neuen Rechtslage entscheiden oder aber sie davon unterrichten müssen. Durch diese Untätigkeit habe sie ihre Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht ihr gegenüber verletzt.
Dem Widerspruch ist mit Bescheid der Widerspruchsstelle von 23. April 1975 nicht abgeholfen worden. Auf die hiergegen erhobene Klage verurteilte das Sozialgericht Darmstadt die Beklagte mit Urteil vom 19. Dezember 1975, der Klägerin vom 1. Februar 1965 ab Kinderzuschüsse zu gewähren; im übrigen wies es jedoch die Klage ab.
In den Gründen wird die Gewährung der Kinderzuschüsse für geboten erachtet, weil die Beklagte anläßlich der Überprüfung der Erwerbsunfähigkeit dem Nachuntersuchungsgutachten vom 27. November 1964 hätte entnehmen müssen, daß Kinder vorhanden sind. Die Vorgeschichte enthalte nämlich Angaben über zwei Entbindungen, eine Fehlgeburt und einen Vierpersonenhalt. Dies hätte die Beklagte zu Rückfragen bzw. zur Aufforderung, Geburtsurkunden vorliegen, veranlassen müssen. Unter Einräumung einer Bearbeitungszeit von zwei Monaten sei die Beklagte deshalb zur Zahlung von Kinderzuschüssen ab 1. Februar 1965 zu verurteilen gewesen; das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.
Gegen dieses der Beklagten mittels Empfangsbekenntnis am 15. Januar 1976 zugestellte Urteil richtet sich ihre mit Schriftsatz vom 5. Februar 1976 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 9. Februar 1976 – eingelegte Berufung.
Sie weist auf den Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 21. Dezember 1971 (GS 4/71) hin, wonach Leistungen aus der Rentenversicherung gemäß § 29 Abs. 3 RVO in vier Jahren nach der Fälligkeit verjähren, die Fälligkeit aber in dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Möglichkeit zur sofortigen, aussichtsreichen Geltendmachung beim Versicherungsträger besteht. Mit der Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1963 habe sich die Rechtslage geändert, so daß die vierjährige Verjährungsfrist erst von diesem Zeitpunkt abgelaufen sei. Da die Klägerin ihren Antrag jedoch erst im Oktober 1974 gestellt habe, sei der Anspruch für die Zeit vor Oktober 1970 verjährt. Die Verjährungseinrede sei nicht rechtsmißbräuchlich erhoben worden, weil der Sachbearbeiter keine Veranlassung gehabt habe, das Nachuntersuchungsgutachten aus dem Jahre 1964 auf einen evtl. bestellenden Anspruch auf Kinderzuschuß zu überprüfen, zumal aus der Vorgeschichte des Gutachtens vom 4. November 1959 hervorgehe, daß die Klägerin verheiratet und kinderlos sei. Die vom Sozialgericht vertretene Auffassung werde als eine überspitzte Anforderung an die Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht eines Versicherungsträgers angesehen.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Darmstadt vom 19. Dezember 1975 die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf ihr Vorbringen im Widerspruchs- und im Klageverfahren. Sie ist der Meinung, die Urteile des Bundessozialgerichts vom 22. März 1956 (Bd. 2 S. 284) und 23. März 1972 (NJW 1972, S. 1389) stützten ihre Ansicht. Die Beklagte dürfe sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen, sie räume jedoch ein, ebenso wie der Versicherungsträger eine Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht gehabt zu haben. Bei vergleichender Wertung dieser Pflichten müsse aber ihre Rechtsunkenntnis berücksichtigt werden, während der Versicherungsträger genaue Kenntnis von den Rechtsfolgen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gehabt habe.
Auf das Vorbringen der Beteiligten, den Akteninhalt sowie den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, im einzelnen wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt; sie ist, da sie das Sozialgericht zugelassen hat, auch zulässig (§§ 143, 146, 150 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Sachlich mußte auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen werden. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Gewährung der Kinderzuschüsse für die Zeit vor Oktober 1970 nicht zu, denn ihre Ansprüche sind vor diesem Zeitpunkt gemäß § 29 Abs. 3 RVO verjährt. Nach dieser Vorschrift in der bis zum 31. Dezember 1975 geltenden Fassung verjährt der Anspruch auf Leistungen der Versicherungsträger in vier Jahren nach der Fälligkeit, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt. In Ermangelung einer entgegenstehenden gesetzlichen Vorschrift war deshalb die Beklagte berechtigt, die Einrede der Verjährung zu erheben, ohne daß der von der Klägerin erhobene Einwand der unzulässigen Rechtsausübung durchgreift. Die Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem öffentlich-rechtlichen Versicherungsverhältnis nach dem Grundsatz von Treu und Glauben – vgl. § 242 BGB – obliegende Dienstleistungspflicht verletzt. Er verletzt seine Obliegenheiten, wenn er gegen Mitwirkungs- oder Aufklärungspflichten verstößt oder wenn sein Handeln nicht der gesetzlichen Zweckbestimmung entspricht (vgl. PALANDT, Kommentar zum BGB, 29. Aufl., Anm. 4 b und c zu § 242). Die Klägerin stellte es auf eine Verletzung dieser Pflichten durch die Beklagte ab, wenn sie vorträgt, nach der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1963 hätte sich die Beklagte veranlaßt sehen müssen, die Versichertenrente um die Kinderzuschüsse zu erhöhen oder sie zumindest von der neuen Rechtslage zu unterrichten. Das Bundesverfassungsgericht hat mit dieser Entscheidung (BVerfGE 17, 1) § 1262 Abs. 5 RVO a.F. als mit Art. 3 Abs. 2 und 3 und mit Art. 6 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt mit der Folge, daß § 1262 Abs. 5 RVO mit der Veröffentlichung der Entscheidung im Bundesgesetzblatt als nicht bestehend anzusehen ist. Die aufgehobene Fassung des § 1262 Abs. 5 RVO a.F. sah vor, daß die Rente einer versicherten Ehefrau nur dann um den Kinderzuschuß zu erhöhen war, wenn die Ehefrau vor Eintritt des Versicherungsfalles den Unterhalt der Kinder überwiegend bestritten hat. Da der Kinderzuschuß nach § 1262 Abs. 7 RVO Bestandteil der Rente ist, hätten der Klägerin mithin die Kinderzuschüsse bereits mit der Gewährung ihrer Versichertenrente – 1. März 1959 – zugestanden, ohne daß es eines besonderen Antrages bedurft hätte. Allerdings setzt dies voraus, daß die Klägerin den Versicherungsträger von dem Vorhandensein bezugsberechtigter Kinder in Kenntnis gesetzt hätte. Dies hat sie jedoch unterlassen, denn in ihrem Rentenantragsformular vom März 1959 ist von ihr in der Rubrik der Anspruchsberechtigten Kinder vermerkt worden "entfällt”. Wenn sie hierzu vorträgt, vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts habe ihr kein Kinderzuschuß zugestanden, so daß sie auch nicht ihre Kinder in dem Formular habe angehen müssen, so verkennt sie, daß ein Versicherungsträger nur dann Leistungen gewähren kann, wenn ihm die leistungsberechtigenden Tatsachen bekannt und die Voraussetzungen für die Gewährung – hier der Kinderzuschüsse – erfüllt sind. Nach der Veröffentlichung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung im Bundesgesetzblatt ist die Bevölkerung durch Presse und Rundfunk sowie durch sonstige Publikationen mehrfach auf die geänderte Rechtslage hingewiesen worden. Die Klägerin kann sich deshalb nicht darauf berufen, in Unkenntnis gewesen zu sein oder wie sie vorträgt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in ihren rechtlichen Auswirkungen nicht verstanden zu haben.
Gerade dies hätte der Klägerin Veranlassung geben sollen, sich an die Beklagte oder an eine andere Behörde – wie das Versicherungsamt – zu wenden. Der behafteten Unkenntnis von dem Bestehen des Anspruchs auf Kinderzuschuß steht die Verjährungseinrede der Beklagten nicht als ermessensfehlerhaft entgegen, denn nach dem Beschluss des Großen Senats vom 21. Dezember 1971 (GS 4/71) ist es ein fundamentaler Grundsatz des Verjährungsrechts, daß Unkenntnis von dem Bestehen des Anspruchs grundsätzlich unbeachtet bleiben muß, vgl. auch Urteil des BSG vom 26. Januar 1973 – 5 RJ 161/71 –.
Gegen eine Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht hat die Beklagte nicht verstoßen. Allein aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestand für die Beklagte keine Verpflichtung, tätig zu worden oder Ermittlungen anzustellen, denn die Nichtigkeit der Vorschrift schließt die Einrede der Verjährung nicht aus. Die Klägerin hatte in ihrem Rentenantrag keine Angaben über ihre Kinder gemacht und ihr Einwand, den auch das Sozialgericht für rechtserheblich gehalten hat, daß nämlich die Beklagte spätestens mit der Erstellung des Nachuntersuchungsgutachtens vom 27. November 1964 hätte wissen müssen, daß Kinder vorhanden sind, geht fehl. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, daß der Sachbearbeiter dieses Gutachten nur daraufhin zu überprüfen hatte, ob weiterhin Erwerbsunfähigkeit besteht oder ob aufgrund eines gebesserten Gesundheitszustandes die Rente hätte umgewandelt oder entzogen werden müssen. Abgesehen davon, daß für den Sachbearbeiter kein hinreichender Grund bestand, die Vorgeschichte des Gutachtens zu lesen, er sich vielmehr nur mit der Beurteilung der bei der Klägerin festgestellten Gesundheitsschäden zu befassen hatte, wird in dieses Gutachten zur Vorgeschichte auf das Gutachten der Universitäts-Nervenklinik H. vom 4. November 1959 verwiesen, worin die Klägerin zu den "eigenen Angaben” erklärt hat, verheiratet und kinderlos zu sein. Diese Angaben hat die Klägerin gemacht, obwohl beide Kinder bereits geboren waren. Darüber hinaus enthält aber auch das von der Klägerin angesprochene Gutachten aus dem Jahre 1964 keinen Hinweis auf die beiden lebenden Kinder. Hier ist nämlich zur Vorgeschichte angegeben worden: "2 Entbindungen, 1 Fehlgeburt, Haushalt von 4 Personen, Ehemann 40 Jahre alt, Straßenbahnführer.” Sicherlich hätte eine Rückfrage bei der Klägerin ergeben, daß sie zwei Kinder hat und daß diese nicht verstorben sind, was aus der Angabe "2 Entbindungen” ebenfalls gefolgert werden könnte. Indes ist eine Rückfrage aus den bereits dargelegten Gründen nicht zwingend und deshalb nicht erforderlich gewesen. Nach § 1324 RVO ist den Versicherungsträgern zwar eine Aufklärungspflicht auferlegt worden, wobei sie jedoch nur eine allgemeine Aufklärung der versicherten Bevölkerung und der Rentner über ihre Rechte und Pflichten haben. Eine persönliche Aufklärung, wie sie die Klägerin verstanden haben wissen will, hieße, an einen Versicherungsträger übermäßige und nicht gerechtfertigte Anforderungen zu stellen. Die dem Versicherungsträger obliegende Aufklärungspflicht verpflichtete die Beklagte demnach nicht, Ermittlungen bezüglich der Kinder anzustellen. Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I, 3015), mit dem die soziale Gerechtigkeit und die soziale Sicherheit verwirklicht werden sollen. Obwohl hier nicht anwendbar, könnten die Rechtsgedanken dieses neuen Sozialgesetzes die Entscheidung beeinflussen. Die Aufklärungspflicht nach § 13 SGB verpflichtet die Leistungsträger und die sonstigen in dem Sozialgesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären. Während die Aufklärung der Bevölkerung nach § 1324 RVO den Trägern der Rentenversicherung oblag, sind sie nunmehr hierzu verpflichtet. Von einer Einzelaufklärung hat der Gesetzgeber mithin auch im Sozialgesetzbuch abgesehen. Allerdings hat nach § 14 jeder einen Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten und nach § 15 sind die zuständigen Stellen verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten Auskünfte zu erteilen, für eine Beratung oder eine Auskunft muß jedoch eine Anfrage eines Leistungsberechtigten vorliegen. Diese Anfrage hat die Klägerin erst zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem ihr Anspruch auf die Kinderzuschüsse bereits für mehrere Jahre verjährt gewesen ist. In Fortentwicklung der sozialen Rechte der Versicherten hat nun die Rechtsprechung in der Sozialgerichtsbarkeit die Mitwirkungspflichten der Versicherungsträger über den Grundsatz von Treu und Glauben erweitert. So hat das BSG in seinem Urteil vom 23. Oktober 1975 – 11 RA 152/74 – entschieden, daß der Versicherungsträger von der Verjährungseinrede abzusehen habe, wenn sie im Einzelfalle zu grober Unbilligkeit oder zur besonderen Härte führt. In dem zu entscheidenden Fall hatte die Klägerin vom Sozialamt ihrer Gemeindebehörde eine falsche Auskunft erhalten. Von einer groben Unbilligkeit oder einer besonderen Härte kann im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden, denn die Klägerin hat keine unrichtige Auskunft erhalten, vielmehr hat ihr eigenes Verhalten dazu beigetragen, daß die Kinderzuschüsse erst ab Oktober 1970 haben gewährt werden können. In einer weiteren Entscheidung des BSG vom 18. Dezember 1975 – 12 RJ 88/75 – hat der Versicherungsträger die ihm obliegende Dienstleistungspflicht zur Beratung über die bestmögliche Gestaltung des Versicherungsverhältnisses verletzt, weil ihm, das Versicherungsverhältnis in allen Einzelheiten bekannt war.
Die Versicherte hatte ein Altersruhegeld beantragt, jedoch anstelle von 180 Kalendermonaten nur eine Versicherungszeit von 171 Monaten zurückgelegt. In einem solchen Falle hätte der Versicherungsträger die Verpflichtung gehabt, die Versicherte auf die Möglichkeit der freiwilligen Beitragsnachentrichtung hinzuweisen. Im Gegensatz zu der zitierten Entscheidung ist den Verwaltungs- und Versicherungsunterlagen der Klägerin nicht zu entnehmen gewesen, daß sie zwei anspruchsberechtigte Kinder hat.
Die von der Klägerin angeführten Entscheidungen des BSG vom 22. März 1956 (BSGE 2, 284) und vom 23. März 1972 (NJW 1972, 1389) betreffen einmal den Einwand der Verwirkung des Rechts auf Entziehung einer Rente und berühren somit nicht – wie die Klägerin meint – die Einrede der Verjährung und zum anderen hat sich der Versicherte im Vertrauen auf eine unrichtige, mißverständliche oder unvollständige Auskunft des Versicherungsträgers verlassen und somit die rechtzeitige Antragstellung versäumt. In diesem Falle ist es dem Versicherungsträger versagt, die Einrede der Verjährung zu erheben. Wie bereits dargelegt, ist der Klägerin weder eine unrichtige noch eine mißverständliche und auch keine unvollständige Auskunft erteilt worden, so daß die Beklagte die Einrede der Verjährung hat erheben können.
Da nach alledem weder eine unzulässige Rechtsausübung und damit auch kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben noch eine Verletzung der Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht der Beklagten festzustellen ist, mußte auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der Rechtssache hinsichtlich des Umfangs der Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht eines Versicherungsträgers grundsätzliche Bedeutung beimißt.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, von welchem Zeitpunkt ab der Klägerin Kinderzuschüsse zur Versichertenrente zustehen.
Die 1928 geborene Klägerin, die mit dem 1. März 1959 eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit – Bescheid vom 8. Februar 1960 – bezieht, beantragte am 11. Oktober 1974 die Gewährung von Kinderzuschüssen für ihren am 14. November 1952 geborenen Sohn G. und ihre am 10. November 1957 geborene Tochter G ...
Die Beklagte gewährte die Zuschüsse mit Bescheid vom 24. Oktober 1974 unter Beachtung der Verjährungsvorschrift – § 29 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) – vom 1. Oktober 1970 ab.
Mit ihrem Widerspruch hat die Klägerin gegenüber der Einrede der Verjährung den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erhoben und ausgeführt, im Zeitpunkt der Rentengewährung habe ihr nach der geltenden Gesetzesvorschrift kein Kinderzuschuß zugestanden. Aufgrund der Entscheidung den Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1963 (BGBl. I S. 693), wonach auch einer versicherten Ehefrau ein Kinderzuschuß zustehe, hätte die Beklagte nach der neuen Rechtslage entscheiden oder aber sie davon unterrichten müssen. Durch diese Untätigkeit habe sie ihre Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht ihr gegenüber verletzt.
Dem Widerspruch ist mit Bescheid der Widerspruchsstelle von 23. April 1975 nicht abgeholfen worden. Auf die hiergegen erhobene Klage verurteilte das Sozialgericht Darmstadt die Beklagte mit Urteil vom 19. Dezember 1975, der Klägerin vom 1. Februar 1965 ab Kinderzuschüsse zu gewähren; im übrigen wies es jedoch die Klage ab.
In den Gründen wird die Gewährung der Kinderzuschüsse für geboten erachtet, weil die Beklagte anläßlich der Überprüfung der Erwerbsunfähigkeit dem Nachuntersuchungsgutachten vom 27. November 1964 hätte entnehmen müssen, daß Kinder vorhanden sind. Die Vorgeschichte enthalte nämlich Angaben über zwei Entbindungen, eine Fehlgeburt und einen Vierpersonenhalt. Dies hätte die Beklagte zu Rückfragen bzw. zur Aufforderung, Geburtsurkunden vorliegen, veranlassen müssen. Unter Einräumung einer Bearbeitungszeit von zwei Monaten sei die Beklagte deshalb zur Zahlung von Kinderzuschüssen ab 1. Februar 1965 zu verurteilen gewesen; das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.
Gegen dieses der Beklagten mittels Empfangsbekenntnis am 15. Januar 1976 zugestellte Urteil richtet sich ihre mit Schriftsatz vom 5. Februar 1976 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 9. Februar 1976 – eingelegte Berufung.
Sie weist auf den Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 21. Dezember 1971 (GS 4/71) hin, wonach Leistungen aus der Rentenversicherung gemäß § 29 Abs. 3 RVO in vier Jahren nach der Fälligkeit verjähren, die Fälligkeit aber in dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Möglichkeit zur sofortigen, aussichtsreichen Geltendmachung beim Versicherungsträger besteht. Mit der Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1963 habe sich die Rechtslage geändert, so daß die vierjährige Verjährungsfrist erst von diesem Zeitpunkt abgelaufen sei. Da die Klägerin ihren Antrag jedoch erst im Oktober 1974 gestellt habe, sei der Anspruch für die Zeit vor Oktober 1970 verjährt. Die Verjährungseinrede sei nicht rechtsmißbräuchlich erhoben worden, weil der Sachbearbeiter keine Veranlassung gehabt habe, das Nachuntersuchungsgutachten aus dem Jahre 1964 auf einen evtl. bestellenden Anspruch auf Kinderzuschuß zu überprüfen, zumal aus der Vorgeschichte des Gutachtens vom 4. November 1959 hervorgehe, daß die Klägerin verheiratet und kinderlos sei. Die vom Sozialgericht vertretene Auffassung werde als eine überspitzte Anforderung an die Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht eines Versicherungsträgers angesehen.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Darmstadt vom 19. Dezember 1975 die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf ihr Vorbringen im Widerspruchs- und im Klageverfahren. Sie ist der Meinung, die Urteile des Bundessozialgerichts vom 22. März 1956 (Bd. 2 S. 284) und 23. März 1972 (NJW 1972, S. 1389) stützten ihre Ansicht. Die Beklagte dürfe sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen, sie räume jedoch ein, ebenso wie der Versicherungsträger eine Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht gehabt zu haben. Bei vergleichender Wertung dieser Pflichten müsse aber ihre Rechtsunkenntnis berücksichtigt werden, während der Versicherungsträger genaue Kenntnis von den Rechtsfolgen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gehabt habe.
Auf das Vorbringen der Beteiligten, den Akteninhalt sowie den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, im einzelnen wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt; sie ist, da sie das Sozialgericht zugelassen hat, auch zulässig (§§ 143, 146, 150 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Sachlich mußte auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen werden. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Gewährung der Kinderzuschüsse für die Zeit vor Oktober 1970 nicht zu, denn ihre Ansprüche sind vor diesem Zeitpunkt gemäß § 29 Abs. 3 RVO verjährt. Nach dieser Vorschrift in der bis zum 31. Dezember 1975 geltenden Fassung verjährt der Anspruch auf Leistungen der Versicherungsträger in vier Jahren nach der Fälligkeit, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt. In Ermangelung einer entgegenstehenden gesetzlichen Vorschrift war deshalb die Beklagte berechtigt, die Einrede der Verjährung zu erheben, ohne daß der von der Klägerin erhobene Einwand der unzulässigen Rechtsausübung durchgreift. Die Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem öffentlich-rechtlichen Versicherungsverhältnis nach dem Grundsatz von Treu und Glauben – vgl. § 242 BGB – obliegende Dienstleistungspflicht verletzt. Er verletzt seine Obliegenheiten, wenn er gegen Mitwirkungs- oder Aufklärungspflichten verstößt oder wenn sein Handeln nicht der gesetzlichen Zweckbestimmung entspricht (vgl. PALANDT, Kommentar zum BGB, 29. Aufl., Anm. 4 b und c zu § 242). Die Klägerin stellte es auf eine Verletzung dieser Pflichten durch die Beklagte ab, wenn sie vorträgt, nach der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1963 hätte sich die Beklagte veranlaßt sehen müssen, die Versichertenrente um die Kinderzuschüsse zu erhöhen oder sie zumindest von der neuen Rechtslage zu unterrichten. Das Bundesverfassungsgericht hat mit dieser Entscheidung (BVerfGE 17, 1) § 1262 Abs. 5 RVO a.F. als mit Art. 3 Abs. 2 und 3 und mit Art. 6 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt mit der Folge, daß § 1262 Abs. 5 RVO mit der Veröffentlichung der Entscheidung im Bundesgesetzblatt als nicht bestehend anzusehen ist. Die aufgehobene Fassung des § 1262 Abs. 5 RVO a.F. sah vor, daß die Rente einer versicherten Ehefrau nur dann um den Kinderzuschuß zu erhöhen war, wenn die Ehefrau vor Eintritt des Versicherungsfalles den Unterhalt der Kinder überwiegend bestritten hat. Da der Kinderzuschuß nach § 1262 Abs. 7 RVO Bestandteil der Rente ist, hätten der Klägerin mithin die Kinderzuschüsse bereits mit der Gewährung ihrer Versichertenrente – 1. März 1959 – zugestanden, ohne daß es eines besonderen Antrages bedurft hätte. Allerdings setzt dies voraus, daß die Klägerin den Versicherungsträger von dem Vorhandensein bezugsberechtigter Kinder in Kenntnis gesetzt hätte. Dies hat sie jedoch unterlassen, denn in ihrem Rentenantragsformular vom März 1959 ist von ihr in der Rubrik der Anspruchsberechtigten Kinder vermerkt worden "entfällt”. Wenn sie hierzu vorträgt, vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts habe ihr kein Kinderzuschuß zugestanden, so daß sie auch nicht ihre Kinder in dem Formular habe angehen müssen, so verkennt sie, daß ein Versicherungsträger nur dann Leistungen gewähren kann, wenn ihm die leistungsberechtigenden Tatsachen bekannt und die Voraussetzungen für die Gewährung – hier der Kinderzuschüsse – erfüllt sind. Nach der Veröffentlichung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung im Bundesgesetzblatt ist die Bevölkerung durch Presse und Rundfunk sowie durch sonstige Publikationen mehrfach auf die geänderte Rechtslage hingewiesen worden. Die Klägerin kann sich deshalb nicht darauf berufen, in Unkenntnis gewesen zu sein oder wie sie vorträgt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in ihren rechtlichen Auswirkungen nicht verstanden zu haben.
Gerade dies hätte der Klägerin Veranlassung geben sollen, sich an die Beklagte oder an eine andere Behörde – wie das Versicherungsamt – zu wenden. Der behafteten Unkenntnis von dem Bestehen des Anspruchs auf Kinderzuschuß steht die Verjährungseinrede der Beklagten nicht als ermessensfehlerhaft entgegen, denn nach dem Beschluss des Großen Senats vom 21. Dezember 1971 (GS 4/71) ist es ein fundamentaler Grundsatz des Verjährungsrechts, daß Unkenntnis von dem Bestehen des Anspruchs grundsätzlich unbeachtet bleiben muß, vgl. auch Urteil des BSG vom 26. Januar 1973 – 5 RJ 161/71 –.
Gegen eine Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht hat die Beklagte nicht verstoßen. Allein aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestand für die Beklagte keine Verpflichtung, tätig zu worden oder Ermittlungen anzustellen, denn die Nichtigkeit der Vorschrift schließt die Einrede der Verjährung nicht aus. Die Klägerin hatte in ihrem Rentenantrag keine Angaben über ihre Kinder gemacht und ihr Einwand, den auch das Sozialgericht für rechtserheblich gehalten hat, daß nämlich die Beklagte spätestens mit der Erstellung des Nachuntersuchungsgutachtens vom 27. November 1964 hätte wissen müssen, daß Kinder vorhanden sind, geht fehl. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, daß der Sachbearbeiter dieses Gutachten nur daraufhin zu überprüfen hatte, ob weiterhin Erwerbsunfähigkeit besteht oder ob aufgrund eines gebesserten Gesundheitszustandes die Rente hätte umgewandelt oder entzogen werden müssen. Abgesehen davon, daß für den Sachbearbeiter kein hinreichender Grund bestand, die Vorgeschichte des Gutachtens zu lesen, er sich vielmehr nur mit der Beurteilung der bei der Klägerin festgestellten Gesundheitsschäden zu befassen hatte, wird in dieses Gutachten zur Vorgeschichte auf das Gutachten der Universitäts-Nervenklinik H. vom 4. November 1959 verwiesen, worin die Klägerin zu den "eigenen Angaben” erklärt hat, verheiratet und kinderlos zu sein. Diese Angaben hat die Klägerin gemacht, obwohl beide Kinder bereits geboren waren. Darüber hinaus enthält aber auch das von der Klägerin angesprochene Gutachten aus dem Jahre 1964 keinen Hinweis auf die beiden lebenden Kinder. Hier ist nämlich zur Vorgeschichte angegeben worden: "2 Entbindungen, 1 Fehlgeburt, Haushalt von 4 Personen, Ehemann 40 Jahre alt, Straßenbahnführer.” Sicherlich hätte eine Rückfrage bei der Klägerin ergeben, daß sie zwei Kinder hat und daß diese nicht verstorben sind, was aus der Angabe "2 Entbindungen” ebenfalls gefolgert werden könnte. Indes ist eine Rückfrage aus den bereits dargelegten Gründen nicht zwingend und deshalb nicht erforderlich gewesen. Nach § 1324 RVO ist den Versicherungsträgern zwar eine Aufklärungspflicht auferlegt worden, wobei sie jedoch nur eine allgemeine Aufklärung der versicherten Bevölkerung und der Rentner über ihre Rechte und Pflichten haben. Eine persönliche Aufklärung, wie sie die Klägerin verstanden haben wissen will, hieße, an einen Versicherungsträger übermäßige und nicht gerechtfertigte Anforderungen zu stellen. Die dem Versicherungsträger obliegende Aufklärungspflicht verpflichtete die Beklagte demnach nicht, Ermittlungen bezüglich der Kinder anzustellen. Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I, 3015), mit dem die soziale Gerechtigkeit und die soziale Sicherheit verwirklicht werden sollen. Obwohl hier nicht anwendbar, könnten die Rechtsgedanken dieses neuen Sozialgesetzes die Entscheidung beeinflussen. Die Aufklärungspflicht nach § 13 SGB verpflichtet die Leistungsträger und die sonstigen in dem Sozialgesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären. Während die Aufklärung der Bevölkerung nach § 1324 RVO den Trägern der Rentenversicherung oblag, sind sie nunmehr hierzu verpflichtet. Von einer Einzelaufklärung hat der Gesetzgeber mithin auch im Sozialgesetzbuch abgesehen. Allerdings hat nach § 14 jeder einen Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten und nach § 15 sind die zuständigen Stellen verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten Auskünfte zu erteilen, für eine Beratung oder eine Auskunft muß jedoch eine Anfrage eines Leistungsberechtigten vorliegen. Diese Anfrage hat die Klägerin erst zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem ihr Anspruch auf die Kinderzuschüsse bereits für mehrere Jahre verjährt gewesen ist. In Fortentwicklung der sozialen Rechte der Versicherten hat nun die Rechtsprechung in der Sozialgerichtsbarkeit die Mitwirkungspflichten der Versicherungsträger über den Grundsatz von Treu und Glauben erweitert. So hat das BSG in seinem Urteil vom 23. Oktober 1975 – 11 RA 152/74 – entschieden, daß der Versicherungsträger von der Verjährungseinrede abzusehen habe, wenn sie im Einzelfalle zu grober Unbilligkeit oder zur besonderen Härte führt. In dem zu entscheidenden Fall hatte die Klägerin vom Sozialamt ihrer Gemeindebehörde eine falsche Auskunft erhalten. Von einer groben Unbilligkeit oder einer besonderen Härte kann im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden, denn die Klägerin hat keine unrichtige Auskunft erhalten, vielmehr hat ihr eigenes Verhalten dazu beigetragen, daß die Kinderzuschüsse erst ab Oktober 1970 haben gewährt werden können. In einer weiteren Entscheidung des BSG vom 18. Dezember 1975 – 12 RJ 88/75 – hat der Versicherungsträger die ihm obliegende Dienstleistungspflicht zur Beratung über die bestmögliche Gestaltung des Versicherungsverhältnisses verletzt, weil ihm, das Versicherungsverhältnis in allen Einzelheiten bekannt war.
Die Versicherte hatte ein Altersruhegeld beantragt, jedoch anstelle von 180 Kalendermonaten nur eine Versicherungszeit von 171 Monaten zurückgelegt. In einem solchen Falle hätte der Versicherungsträger die Verpflichtung gehabt, die Versicherte auf die Möglichkeit der freiwilligen Beitragsnachentrichtung hinzuweisen. Im Gegensatz zu der zitierten Entscheidung ist den Verwaltungs- und Versicherungsunterlagen der Klägerin nicht zu entnehmen gewesen, daß sie zwei anspruchsberechtigte Kinder hat.
Die von der Klägerin angeführten Entscheidungen des BSG vom 22. März 1956 (BSGE 2, 284) und vom 23. März 1972 (NJW 1972, 1389) betreffen einmal den Einwand der Verwirkung des Rechts auf Entziehung einer Rente und berühren somit nicht – wie die Klägerin meint – die Einrede der Verjährung und zum anderen hat sich der Versicherte im Vertrauen auf eine unrichtige, mißverständliche oder unvollständige Auskunft des Versicherungsträgers verlassen und somit die rechtzeitige Antragstellung versäumt. In diesem Falle ist es dem Versicherungsträger versagt, die Einrede der Verjährung zu erheben. Wie bereits dargelegt, ist der Klägerin weder eine unrichtige noch eine mißverständliche und auch keine unvollständige Auskunft erteilt worden, so daß die Beklagte die Einrede der Verjährung hat erheben können.
Da nach alledem weder eine unzulässige Rechtsausübung und damit auch kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben noch eine Verletzung der Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht der Beklagten festzustellen ist, mußte auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der Rechtssache hinsichtlich des Umfangs der Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht eines Versicherungsträgers grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Rechtskraft
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