L 9 R 3246/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 4323/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3246/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1955 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben von August 1970 bis Juli 1972 Verkäuferin gelernt. Zuletzt war sie von 1995 bis 1998 als Bandarbeiterin, von 1999 bis 2000 im Bereich Telemarketing und abends in der Gaststätte ihres damaligen Lebenspartners beschäftigt. Seit 2000 war sie bis zu ihrer Arbeitsunfähigkeit ab 10. September 2002 ganztags als Köchin in einer Gaststätte tätig. Vom 29.10. bis 26.11.2002 befand sie sich zu einem Heilverfahren in der M.-Klinik in Bad B. Die dortigen Ärzte diagnostizierten bei der Klägerin im Entlassungsbericht vom 26.11.2002 folgende Gesundheitsstörungen: 1. Impingementsymptomatik beider Schultern, rechts stärker als links, bei Bursitis subacromialis 2. Peripatelläres Schmerzsyndrom, rechts stärker als links, Retropatellararthrose und Ansatztendopathie der Quadrizepssehnen 3. Coxygodynie nach Steißbeinfraktur vor zwei Jahren 4. Nikotinabusus 5. Psychovegetatives Erschöpfungssyndrom. Die Klägerin wurde als arbeitsunfähig entlassen. Die Ärzte führten aus, als Köchin sei die Klägerin unter drei Stunden täglich einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Sitzen oder in wechselnder Körperhaltung könne die Klägerin sechs Stunden und mehr verrichten. Unterbleiben müssten Überkopftätigkeiten mit den Armen, Tätigkeiten mit forciertem Krafteinsatz der Arme, Anheben von Gegenständen über 10 kg über Brusthöhe, häufiges Ersteigen von Treppen und Leitern, Tätigkeiten, die mit häufigem Stehen und Gehen verbunden sind, sowie Tätigkeiten in der tiefen Hocke oder im Knien.

Am 13.2.2003 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin von der Ärztin für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. L. gutachterlich untersuchen. Diese stellte im Gutachten vom 9.4.2003 bei der Klägerin folgende Diagnosen: 1. Belastungsschmerzen, derzeit rechtsbetont, in beiden Hüftgelenken bei Zustand nach Umstellungsosteotomie 1985 mit endgradigen Funktionseinbußen 2. Belastungsschmerz rechtes Kniegelenk bei Innenmeniskusschaden und Knorpelschaden 3. Schulter-Arm-Syndrom beidseits mit rechtsbetonter Schmerzsymptomatik und endgradigen Funktionseinschränkungen rechts 4. Persistierende Schmerzen nach Kreuzbeinfraktur 2000 5. Zustand nach HWS-Distorsion, derzeit leichtgradiges HWS-Syndrom ohne wesentliche Funktionseinschränkungen. Als Köchin sei die Klägerin unter drei Stunden täglich einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges Treppensteigen, insbesondere unter Gewichtsbelastung, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in kniender oder hockender Position, in L. dauernder oder häufig gebückter Stellung sowie ohne L. dauernde Überkopfarbeiten mit rechts könne die Klägerin sechs Stunden und mehr verrichten.

Mit Bescheid vom 15.4.2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.

Hiergegen legte die Klägerin am 13.5.2003 Widerspruch ein. Die Beklagte zog daraufhin den Operationsbericht über eine diagnostische Arthroskopie sowie Innenmeniskushinterhornresektion und Knorpelglättung am rechten Kniegelenk vom 16.7.2003 bei und wies den Widerspruch nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme bei Dr. L. vom 12.9.2003 mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2003 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 26.11.2003 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte. Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen und beauftragte auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz Prof. Dr. H., Leitender Arzt der Abteilung Orthopädie-Traumatologie I Wirbelsäulenchirurgie am Klinikum Karlsbad-L.ensteinbach, mit der Erstattung eines Gutachtens.

Der Orthopäde Dr. S. vertrat in der schriftlichen Zeugenaussage vom 1.6.2004 die Ansicht, die Klägerin könne eine Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung in geschlossenen Räumen ohne Witterungseinflüsse vollschichtig verrichten. Der praktische Arzt Holzapfel führte in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.6.2004 aus, eine vollschichtige leichte körperliche Tätigkeit könne nur nach Konsultationen mit dem behandelnden Orthopäden ausgeschlossen werden. Der Neurologe und Psychiater Schn. erklärte unter dem 6.7.2004, die Klägerin habe ihn am 23.2.2000, 5.12.2002 und 21.2.2003 aufgesucht. Sie habe am 5.12.2002 über einen anhaltenden occipital betonten Kopfschmerz geklagt. Er habe ein abklingendes Schleudertrauma der HWS diagnostiziert. Die von ihm erhobenen Befunde schlössen die vollschichtige Verrichtung einer körperlich leichten Tätigkeit nicht aus.

Professor Dr. H. stellte im Gutachten vom 16.3.2005, eingegangen beim SG am 1.6.2005, bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Subacromiales Impingement-Syndrom rechte Schulter bei Verdacht auf Tendinosis calcarea 2. Beckenschiefstand rechts ) links 1,5 cm 3. Insertionstendopathie rechter Trochanter major und initiale Coxarthrose beidseits bei Zustand nach varisierender Umstellungsosteotomie Femur 4. Zustand nach Arthroskopie und Innenmeniskushinterhornresektion sowie Knorpelglättung am rechten Kniegelenk mit momentan unauffälliger Funktionalität 5. Muskelhypotrophie des rechten Beines. Leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg könne die Klägerin noch mindestens vier Stunden pro Tag verrichten. Zu vermeiden seien schwere oder mittelschwere körperliche Arbeiten, überwiegendes Stehen, Gehen, gleichförmige Körperhaltungen, Überkopfarbeiten sowie Arbeiten in Kälte. Die Klägerin könne noch Strecken von 500 m bei einem Zeitaufwand von 15 bis 18 Minuten zurücklegen. Gesundheitliche Beeinträchtigungen bei der Benutzung öffentlicher oder privater Verkehrsmittel bestünden nicht. Der Gesundheitszustand habe sich im Vergleich zu 2002 nicht wesentlich geändert.

Durch Gerichtsbescheid vom 11.7.2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei noch in der Lage, eine leichte körperliche Arbeit mehr als sechs Stunden täglich auszuüben. Das SG schließe sich der nachvollziehbaren Einschätzung der Gutachterin Dr. L. sowie der sachverständigen Zeugen Dr. S. und Schn. ein. Auch der Sachverständige Prof. Dr. H. halte eine Tätigkeit von mindestens vier Stunden pro Tag für möglich. Der orthopädische Befund sei nicht derart schwer wiegend, dass sich hieraus eine quantitative Einschränkung ableiten ließe. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Als allenfalls angelernte Arbeiterin des unteren Bereichs sei sie auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 14.7.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 5.8.2005 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, das Gutachten von Prof. Dr. H. entspreche nicht den Tatsachen. Ihr Leistungsvermögen sei durch Schmerzen in den Hüftgelenken, im rechten Knie und durch das Schulter-Arm-Syndrom beeinträchtigt. Nach dem Schlaganfall mit Rechtsseitensymptomatik vor dreieinhalb Jahren liege eine Umfangsminderung an der gesamten rechten unteren Extremität und nunmehr auch an der oberen Extremität vor. Sie bitte um Überprüfung des Sachverhalts und gegebenenfalls um Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens.

Die Klägerin hat nach Terminierung des Rechtsstreits Arztbriefe des Orthopäden Dr. D. vom 9.3.2006, der Augenärztin Viereck vom 8.5.2006, des Radiologen Dr. W. vom 23.5. und 19.6.2006, des Internisten Dr. R. vom 7. und 8. sowie 22.6.2006 (schwere generalisierte Arteriosklerose, Verschluss der Iliaca auf beiden Seiten, Verschluss der Arterie carotis communis rechts, Notwendigkeit einer Y-Prothesenoperation) vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. April 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, die Y-Prothesenoperation stehe unmittelbar bevor. Eine Verzögerung sei durch den Ärztestreik eingetreten. Die Beklagte hat sich unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme vom 17.07.2006 bereit erklärt auf der Grundlage der im Mai 2006 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin über deren Rentenanspruch zu entscheiden.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats derzeit nicht erwerbsgemindert.

Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich auf nicht absehbare Zeit i. S. d. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung des Entlassungsberichts der M.-Klinik vom 26.11.2002, des von Dr. L. erstellten Gutachtens vom 9.4.2003 nebst ergänzender Stellungnahme vom 16.7.2003, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, der vom SG erhobenen sachverständigen Zeugenaussagen des Orthopäden Dr. S., des praktischen Arztes Holzapfel, des Neurologen und Psychiaters Schn. sowie des auf Antrag der Klägerin eingeholten Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. H ...

Die Klägerin leidet zur Überzeugung des Senats, die auf den oben genannten ärztlichen Unterlagen beruht, unter folgenden ihre gesundheitliche Leistungsfähigkeit einschränkenden Gesundheitsstörungen: • Muskelhypotrophie des rechten Beines • Insertionstendopathie des rechten Trochanter major und initiale Coxarthrose beidseits bei Zustand nach Umstellungsosteotomie beidseits • Zustand nach Arthroskopie und Innenmeniskushinterhornresektion sowie Knorpelglättung am rechten Kniegelenk • Impingement-Syndrom der rechten Schulter. Diese Gesundheitsstörungen führen zwar zu qualitativen Einschränkungen, schließen jedoch eine sechsstündige Tätigkeit nicht aus. Im klinischen Untersuchungsbefund ist neben einer im Seitenvergleich deutlich schwächer ausgeprägten Muskulatur im Bereich des rechten Beines eine freie Beweglichkeit des rechten Kniegelenks sowie eine gute Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks vorhanden, auch wenn die Klägerin bei fast allen Bewegungen im rechten Hüftgelenk Schmerzen angibt. Im Bereich der Hüften fällt neben dem Beinlängenunterschied von 1,5 cm, links länger als rechts, eine muskuläre Schwäche im Bereich der hüftumgreifenden Muskulatur auf. Rechtsseitig findet sich ein Leistendruck- und Trochanterdruckschmerz. Von Seiten der Kniegelenke war bei der Untersuchung durch Prof. Dr. H. weder eine Ergussbildung noch eine größere Schmerzhaftigkeit bei Bewegung nachweisbar. Die linke Schulter ist frei beweglich. Rechtsseitig besteht eine ausgeprägte, schmerzüberlagerte Bewegungseinschränkung mit schmerzhaften Impingement-Zeichen und druckschmerzhaftem Tuberculum majus. Bei passiver Bewegung findet sich eine sehr gute Beweglichkeit bei der Außen- und Innenrotation, wobei von der Klägerin ein starker Schmerz bei nahezu jeder Bewegung geäußert wird. Folgen einer vom Arztes Holzapfel genannten Apoplexie links (nach Angaben der Klägerin am 8.3.2005: vor drei Jahren) sind nicht feststellbar und wurden vom Arzt Holzapfel nicht beschrieben. Auch im Entlassungsbericht der Rehaklinik vom 26.11.2002, im Gutachten von Dr. L. vom 9.4.2003, in den sachverständigen Zeugenaussagen des Orthopäden Dr. S. vom 1.6.2004 sowie des Neurologen und Psychiaters Schn. vom 6.7.2004 finden sich keine Befunde, die auf einen Schlaganfall zurückzuführen wären. Dementsprechend hat der Arzt Holzapfel auch ausgeführt, dass die Beurteilung des Leistungsvermögen der Klägerin von Seiten des orthopädischen Fachgebiets zu erfolgen habe. Professor Dr. H. hat ebenfalls keine Befunde festgestellt, die auf einen Schlaganfall zurückzuführen wären. Er vermutet lediglich, dass die Hypotrophie des rechten Beines auf einen von der Klägerin angegebenen Schlaganfall zurückzuführen sein könnte. Da der Neurologe und Psychiater Schn., den die Klägerin dreimal aufgesucht hat, bei dieser jedoch keinen auffälligen Befund erhoben und die zeitweilig angegebenen Missempfindungen der linken Hand auf eine Nervus medianus-Druckirritation zurückgeführt hat, hat der Senat keine Notwendigkeit gesehen, von Amts wegen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten einzuholen.

Auch aus den nach der Terminierung des Rechtsstreits vorgelegten ärztlichen Unterlagen lässt sich derzeit noch keine Erwerbsminderung ableiten. Der Orthopäde Dr. D. hat bei der Klägerin lediglich einen Druckschmerz im Iliosacralgelenk (ISG) rechts und lumbosakral sowie eine endgradig positive Blockierung des ISG rechts festgestellt. Periphere neurologische Ausfälle hat er nicht gefunden, die Hüften waren frei beweglich und das rechte Knie reizlos. Die seit Mai 2006 bei der Klägerin diagnostizierte arterielle Verschlusskrankheit führt zwar seit Mai 2006 zur Arbeitsunfähigkeit der Klägerin, eine Erwerbsminderung auf nicht absehbare Zeit, d. h. von mehr als 6 Monaten, resultiert daraus derzeit noch nicht, zumal sie einer Behandlung (Y-Prothesenoperation) zugänglich ist und daher abzuwarten bleibt, wie das Behandlungsergebnis, gegebenenfalls nach medizinischer Rehabilitation, sein wird. Zudem hat sich die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung bereit erklärt, sodann über den Rentenanspruch der Klägerin auf der Grundlage der im Mai 2006 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit zu entscheiden.

Zusammenfassend ist die Klägerin unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihr diagnostizierter Gesundheitsstörungen nach alledem noch bis Mai 2006 in der Lage gewesen, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Die Klägerin ist somit derzeit nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen bis Mai 2006 kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten - anders als bei Teilzeitkräften - weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Der Klägerin ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Arbeitsagentur einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).

Ausgehend hiervon waren bis Mai 2006 keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar, wie Prof. Dr. H. ausdrücklich festgestellt hat. Auch benötigte die Klägerin keine betriebsunüblichen Pausen. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.

Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den genannten Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die der Klägerin noch zumutbaren körperlich leichten bis mittelschweren Arbeiten überwiegend im Sitzen nicht mit überwiegendem Stehen und Gehen, häufigem Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in kniender oder hockender Position, in häufig gebückter Stellung, mit L. anhaltenden Überkopfarbeiten sowie mit Arbeiten in Kälte verbunden. Die benannten Leistungs- und Funktionsausschlüsse führen zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, da die der Klägerin noch zumutbaren Arbeiten (z. B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten) überwiegend sitzend zu ebener Erde in geschlossenen normaltemperierten Räumen durchgeführt werden und nicht mit Zwangshaltungen (kniender und hockender Position, häufig gebückter Haltung, L. andauernden Überkopfarbeiten) und mit Kälte verbunden sind. Schließlich liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor.

Zu Recht hat das SG und auch einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verneint. Die Klägerin, die zuletzt als Bandarbeiterin, im Bereich Telemarketing und als Gaststättengehilfin/Köchin tätig war, hat für diese Tätigkeit keine über einjährige Ausbildung benötigt. Als allenfalls angelernte Arbeiterin des unteren Bereichs ist sie auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts breit verweisbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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