L 4 KR 4993/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 935/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4993/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. August 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin erhebt Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Beschaffung einer Fingerepithese.

Die am 1961 geborene Klägerin ist Hausfrau. Sie ist bei der Beklagten versichert. Sie verlor 1970 das Endglied des rechten Mittelfingers. Aufgrund von Neuromknoten-Beschwerden fand später eine Nachoperation statt. Nach eigenen Angaben ist die Fingerkuppe extrem empfindlich und es kommt regelmäßig zu schmerzhaften Ereignissen bei Druck auf den Amputationsstumpf.

Arzt für Allgemeinmedizin Dr. U. verordnete am 11. Oktober 2004 eine Fingerendgliedprothese. Der Kostenvoranschlag des Sanitätshauses G. in L. vom 21. Dezember 2004 lautete auf einen Gesamtbetrag von EUR 2.039,14. Arzt für Chirurgie Dr. B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) nahm unter dem 11. Januar 2005 Stellung, es handele sich um keinen Behinderungsausgleich, sondern eine rein kosmetische Versorgung. Hiergegen wandte sich die Klägerin telefonisch mit dem Hinweis auf die starke Berührungsempfindlichkeit des Fingerstumpfs. Ohne die Epithese könne sie keine Hausarbeit verrichten oder den Computer bedienen. Dr. A. vom MDK nahm im sozialmedizinischen Gutachten vom 21. Januar 2005 Stellung, bei Schmerzen am Nervenende sei eine Wiedervorstellung bei einem Operateur bzw. Handchirurgen angezeigt. Haushaltsarbeiten und Nutzung des Computers seien keine von der Krankenversicherung zu befriedigenden Bedürfnisse; eine Deckung mit gepolsteter Fingerkappe, die wegen ihres geringen Preises vom Leistungskatalog ausgeschlossen sei, sei als ausreichend zu bezeichnen. Die Beklagte gab der Klägerin das Ergebnis des Gutachtens telefonisch am 31. Januar 2005 zur Kenntnis. Die Klägerin kündigte nach Vorstellung bei einem Handchirurgen einen Widerspruch an.

Laut Rechnung des Sanitätshauses G. vom 09. Februar 2005 erwarb die Klägerin die Fingerepithese zum Gesamtpreis von EUR 1.512,11. Sie legte das Attest des Ärztlichen Direktors Prof. Dr. G. vom Zentrum für Plastische Chirurgie des M.-hospitals S. vom 06. April 2005 vor, die Epithesenversorgung werde weiterhin unterstützt. Das Hilfsmittel gewährleiste einen wirkungsvollen Schutz des Fingerstumpfes. Beratender Arzt Dr. O. vom MDK verwies in der Stellungnahme vom 17. Mai 2005 auf die vorangehenden ärztlichen Äußerungen. Die Klägerin wies darauf hin, die Beklagte habe zweimal die Leistung übernommen. Durch Bescheid vom 30. Mai 2005 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf die ärztlichen Stellungnahmen die Versorgung mit dem Hilfsmittel Fingerepithese ab. Die Klägerin erhob Widerspruch mit der Begründung, Prof. Dr. G. verfüge über einen weltweiten Ruf als Operateur. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2006. Gemäß den Darlegungen der gehörten Ärzte lasse das von der Beklagten zu beachtende Wirtschaftlichkeitsgebot keine Leistung zu.

Mit der am 10. März 2006 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage trug die Klägerin vor, der Fingerstumpf sei sehr berührungsempfindlich. Prof. Dr. G. habe im Attest vom 06. April 2005 die Beschaffung der Fingerepithese befürwortet. Es handele sich nicht um eine rein kosmetische Versorgung. Der Verweis auf einen Fingerling werde der Behinderung und dem Schutzbedürfnis nicht gerecht.

Die Beklagte trat unter Bezugnahme auf ihren bisherigen Vortrag der Klage entgegen.

Das SG hörte Prof. Dr. G. als sachverständigen Zeugen. Er bestätigte in der schriftlichen Zeugenaussage vom 10. Juli 2006 die Berührungsempfindlichkeit. Durch die Epithese werde ein gewisser Schutz gegen Berührung und Anstoßen erreicht. Zugleich werde auch eine erhebliche ästhetische Besserung des Körperbildes erzielt. Die Einschränkungen könnten auch durch eine gepolsterte Fingerkappe ausgeglichen werden, jedoch bei einem sichtbaren Körperteil wie der Hand wäre die begehrte Versorgung sinnvoll.

Durch Gerichtsbescheid vom 24. August 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, auch Prof. Dr. G. habe eingeräumt, die Einschränkungen könnten durch eine gepolsterte Fingerkappe ausgeglichen werden. Die ästhetisch bessere Versorgung begründe keinen Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse. Es handele sich nicht um eine abstoßend wirkende Verletzung.

Gegen den am 01. September 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21. September 2006 beim SG Berufung eingelegt. Sie hat - erstmals - die Rechnung des Sanitätshauses G. vom 09. Februar 2005 vorgelegt und zur Begründung vorgetragen, die Aussage von Prof. Dr. G. unterstütze nach wie vor ihren Wunsch. Durch die Epithese werde ein Schutz gegen Berührung und Anschlagen erzielt sowie eine ästhetische Besserung des Körperbildes.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Februar 2006 zu verurteilen, ihr EUR 1.512,11 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Fingerepithese hat und deshalb durch den ablehnenden Bescheid vom 30. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Februar 2006 nicht in ihren Rechten verletzt wird.

Gemäß § 13 Abs. 3 Satz des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) sind Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nur soweit, wie die selbstbeschaffte Leistung zu denjenigen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen haben. Bei der selbstbeschafften Fingerepithese handelt es sich um ein Hilfsmittel im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.

Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Versorgung mit der Fingerepithese hatte. Insoweit folgt der Senat den Darlegungen des SG und nimmt hierauf gemäß § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in vollem Umfang Bezug. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren keine neuen Argumente vorgebracht, mit denen sich das SG nicht auseinandergesetzt hätte. Auch Prof. Dr. G. hat in der schriftlichen Zeugenaussage vom 10. Juli 2006 eingeräumt, die Funktionseinschränkungen könnten auch durch eine gepolsterte Fingerkappe ausgeglichen werden, wobei freilich durch die Fingerepithese bei einem exponierten Körperteil wie der Hand ein ästhetisch erfreulicherer Zustand herbeigeführt wäre. Der gesetzlichen Krankenversicherung obliegt allein die medizinische Rehabilitation (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 46). Vorrangig ästhetische Gesichtspunkte sind jedoch seitens der Krankenkasse nicht zu befriedigen (vgl. das vom SG zitierte Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. November 2004 - L 9 KR 53/04 - mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BSG).

Aus dem Vorbringen der Klägerin, die Beklagte habe bereits zweimal die Versorgung mit der Fingerepithese erbracht, lässt sich ein Anspruch nicht ableiten. Bei dem Ersatz eines Hilfsmittels ist grundsätzlich stets erneut zu prüfen, ob das begehrte Hilfsmittel weiterhin notwendig, geeignet und wirtschaftlich ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 45).

Da die Klägerin keinen Anspruch auf Versorgung mit der Fingerepithese hatte, kann der Senat offenlassen, ob dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch entgegenstünde, dass sich die Klägerin die Fingerepithese bereits vor dem schriftlichen Bescheid der Beklagten vom 30. Mai 2005 selbst beschaffte, oder ob durch die von der Beklagten gegenüber der Klägerin am 31. Januar 2005 telefonisch ausgesprochene Ablehnung der Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel dem nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zwingenden Verfahrenserfordernis für eine Kostenerstattung, dass die Krankenkasse zuvor Gelegenheit hatte, über ihre Leistungspflicht zu entscheiden (vgl. zum Ganzen in BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R- veröffentlicht in juris, m.w.N.), Genüge getan ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved