Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 6 KNK 67/04
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KNK 1/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für Sondennahrung gilt nicht der normale, sondern der ermäßigte Umsatzsteuersatz.
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 7.12.2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten beider Instanzen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, auf die von der Klägerin an Versicherte der Beklagten gelieferte Sondennahrung, abweichend von dem bis zum 30.6.2003 berechneten ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 vH, ab dem 1.7.2003 den Regelsteuersatz von 16 vH an die Klägerin zu zahlen.
Die Klägerin versorgt auf entsprechende ärztliche Verordnung Versicherte der Beklagten mit Sondennahrung und stellt diese der Beklagten in Rechnung. Grundlage ist der zwischen den Beteiligten am 19.06.2000 geschlossene Vertrag.
Darin ist ua geregelt:
...
§ 5
Die Vergütung richtet sich nach den vereinbarten Preisen (Anlage 1), höchstens jedoch nach den Festbeträgen (§ 33 Abs 2 SGB V). Die vereinbarten Preise sind Höchstpreise. Grundlage der Vergütung ist der Apothekeneinkaufspreis zuzüglich einem Aufschlag von 4 % ...
Anlage 1
Höchstpreisvereinbarung
...
Die vorstehenden Preise enthalten sämtliche Nebenkosten, wie zB Beratung, Einweisung und Lieferung in die Wohnung. Die jeweils gültige Mehrwertsteuer kann zusätzlich berechnet werden.
Bis zum 30.6.2003 berechnete die Klägerin den ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Im Laufe des Jahres 2003 vertraten das Bundesministerium der Finanzen und die unteren Finanzbehörden die Auffassung, für flüssige Lebensmittelzubereitungen wozu auch Sondennahrung zähle gelte der ermäßigte Umsatzsteuersatz nicht, außer wenn die Sondennahrung wegen ihrer sensorischen Eigenschaften nicht unmittelbar trinkbar sei; die bisherige Praxis, für Sondennahrung nur den ermäßigten Steuersatz zu berechnen, könne nur im Rahmen einer Nichtbeanstandungsregelung für Medizinhändler bis zum 31.12.2002 geduldet werden; die nach diesem Zeitpunkt erzielten Umsätze aus der Lieferung von Sondennahrung seien mit dem Regelsatz von damals 16 vH zu versteuern.
Unter Berufung hierauf stellte die Klägerin der Beklagten ab dem 1.7.2003 für Sondennahrung den um den höheren Mehrwertsteuersatz erhöhten Preis in Rechnung. Die Beklagte zahlte jeweils nur den um den Differenzbetrag zwischen dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz und dem Regelmehrwertsteuersatz gekürzten Rechnungsbetrag.
Mit der am 5.7.2004 beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen und von diesem an das SG Koblenz verwiesenen Klage hat die Klägerin die von der Beklagten in der Zeit vom 22.7.2003 bis zum 10.12.2003 gekürzten Rechnungsbeträge in Höhe von insgesamt 1.322,70 EUR geltend gemacht. Das Finanzamt A hat mit Bescheid vom 3.2.2005 den Einspruch der Klägerin gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer auf 16 % zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist bindend. Das SG hat eine Auskunft der Oberfinanzdirektion (OFD) Koblenz vom Mai 2005 eingeholt, welche die Rechtsauffassung der Finanzbehörden wiederholt hat.
Durch Urteil vom 7.12.2005 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin sei berechtigt, bei der Lieferung von Sondennahrung den von den Finanzbehörden für zutreffend gehaltenen Regelmehrwertsteuersatz zu berechnen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei es der Klägerin nicht zuzumuten, wegen des Steuersatzes einen Prozess vor dem zuständigen Gericht der Finanzgerichtsbarkeit gegen die Finanzverwaltung zu führen.
Gegen dieses ihr am 21.12.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 20.1.2006 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie trägt vor: Die von der Klägerin gelieferte Sondennahrung sei mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 vH zu besteuern. Da sie, die Beklagte, nach dem mit der Klägerin geschlossenen Vertrag die "gültige" Mehrwertsteuer zu zahlen habe, habe die Klägerin Anspruch auf Vergütung der Mehrwertsteuer nach dem Steuersatz, der nach den steuerrechtlichen Bestimmungen maßgebend sei. Sie, die Beklagte, habe keine Möglichkeit, an die Klägerin ergehende Umsatzsteuerbescheide anzufechten, da sie nicht deren Adressatin sei. Als Endverbraucherin sei sie jedoch wirtschaftlich von der steuerlichen Festlegung betroffen. Das zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit habe in einem Fall wie dem vorliegenden ohne Bindung an die erlassenen Umsatzsteuerbescheide und die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung über den zutreffenden Umsatzsteuersatz zu entscheiden. Es stelle sich auch die Frage, ob die Klägerin nicht ihr gegenüber im Rahmen einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet gewesen sei, gegen die Steuerfestsetzung gerichtlich vorzugehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 7.12.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen weiteren Vergütungsanspruch. Das Urteil des SG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Vergütung für die von ihr an Versicherte der Beklagten gelieferte Sondennahrung ergibt sich aus § 5 Abs 1 des zwischen ihr und der Beklagten geschlossenen Vertrages vom 19.6.2000 gemäß § 127 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) über die Abgabe von Produkten der künstlichen Nahrung in Verbindung mit den als Anlage zu dem Vertrag geschlossenen Höchstpreisvereinbarungen. Es handelt sich dabei um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl § 69 Satz 1 SGB V; Bundessozialgericht BSG 3.8.2006 B 3 KR 6/06 R), für den die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entsprechend gelten (§ 61 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch SGB X ). Die in diesem Vertrag enthaltene Klausel "Die jeweils gültige Mehrwertsteuer kann zusätzlich berechnet werden." konstituiert eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der für eine Leistung vereinbarte Preis auch die Aufwendung für die von dem Leistenden zu entrichtende Mehrwertsteuer abgilt (vgl Bundesgerichtshof BGH 28.2.2002 I ZR 318/99, juris Rn 11); insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von demjenigen, der dem Urteil des Senats vom 2.8.2007 im Verfahren L 5 KR 200/05 zugrunde liegt. Gegen eine solche vom "Bruttopreisprinzip" abweichende vertragliche Vereinbarung bestehen keine rechtlichen Bedenken (BGH aaO).
Der Begriff "jeweils gültige Mehrwertsteuer" iS der Anlage zu den Höchstpreisvereinbarungen kann nicht so ausgelegt werden, einschränkungslos sei die vom Finanzamt festgesetzte Mehrwertsteuer maßgebend. Gegen eine solche Auslegung spricht bereits der Wortlaut der Vereinbarung. Das Wort "gültig" deutet darauf hin, dass nicht ohne weiteres die Meinung der Finanzverwaltung entscheidend ist. Entscheidend ist aber, dass die Vorschrift nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht so interpretiert werden kann, dass die Beklagte als Endverbraucherin den normalen Umsatzsteuersatz zu zahlen hätte, auch wenn die Klägerin mögliche gerichtliche Schritte gegen die Umsatzsteuerfestsetzung unterlässt. Die Beklagte kann selbst keine Klage zum Finanzgericht gegen einen an die Klägerin ergangenen Umsatzsteuerbescheid erheben. Diese Möglichkeit hat lediglich die Klägerin als im Verhältnis zum Finanzamt unmittelbare Schuldnerin der Umsatzsteuer (vgl Bundesfinanzhof BFH 27.7.1983 II R 21/83; von Groll in Gräber FGO, 6. Auflage § 40 Rz 57; zu Abtretungsfällen vgl aaO Rn 119). Bei dieser Sachlage könnte die steuerrechtliche Festsetzung der Umsatzsteuerhöhe nur dann unabhängig von der zutreffenden Beurteilung nach materiellem Steuerrecht einen zivilrechtlichen Anspruch auf eine entsprechende Vergütung zu Lasten der Beklagten auslösen, wenn die Klägerin alle Möglichkeiten einer finanzgerichtlichen Klärung ausgeschöpft hätte. Beschreitet die Klägerin den Klageweg gegen die Finanzverwaltung nicht, obwohl sie wie vorliegend weiß, dass es sich um eine bisher nicht geklärte, grundsätzliche steuerrechtliche Frage handelt und die Beklagte mit ausführlicher und nachvollziehbarer Begründung die im Verhältnis zur Finanzverwaltung gegenteilige Auffassung vertritt, entspricht es dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass sie letztlich das Risiko trägt, wenn sich im vorliegenden Verfahren herausstellt, dass bei richtiger Auslegung der steuerrechtlichen Vorschriften der ermäßigte Steuersatz Anwendung findet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf höhere Mehrwertsteuer als nach einem Steuersatz von 7 %, weil dies bei zutreffender Auslegung der steuerrechtlichen Vorschriften die "gültige Mehrwertsteuer" ist. Nach der maßgebenden umsatzsteuerrechtlichen Rechtslage gilt für Sondennahrung der ermäßigte Steuersatz, dh der Steuersatz von 7 %; der gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Nach § 12 Abs 2 Nr 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) ermäßigt sich die Steuer auf sieben Prozent für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb der in der Anlage 2 zum UStG bezeichneten Gegenstände. Die Abgrenzung, ob die dort für die einzelnen Regelungsgegenstände aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind, richtet sich gemäß der Anlage 2 nach dem Zolltarif. Der ermäßigte Steuersatz kommt nach der Anlage 2 zur Anwendung, wenn es sich um eine "verschiedene Lebensmittelzubereitung" nach Kapitel 21 des Zolltarifs handelt (lfd Nr 33 der Anlage 2). Insoweit bedarf es einer Abgrenzung gegenüber dem Kapitel 22 des Zolltarifs ("Getränke, alkoholhaltige Flüssigkeiten und Essig"). Entgegen der Meinung der Finanzverwaltung ist die Sondennahrung auch dann nicht dem Bereich der "Getränke" iSd Kapitels 22 des Zolltarifs, sondern dem Kapitel 21 des Zolltarifs zuzuordnen, wenn nicht die Ausnahme eingreift, dass die Sondennahrung wegen ihrer sensorischen Eigenschaften einschränkungslos nicht unmittelbar trinkbar ist. Ob letzteres der Fall ist, muss daher nicht festgestellt werden.
Unter "Getränken" im zolltariflichen Sinne hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung vom 26.3.1981 (C 114/80, EuGHE 1981, 895; "Bierhefe") alle zum menschlichen Genuss geeigneten und bestimmten Flüssigkeiten, unabhängig von der Art und Weise, wie sie eingenommen werden, vom Zweck der Einnahme (zB Löschung des Durstes; Förderung der Gesundheit) und von den verwendeten Ausgangsstoffen verstanden, soweit sie nicht von einer anderen spezifischen Einteilung erfasst werden. Die Auffassung der Finanzverwaltung, hieraus folge die Zuordnung von Sondennahrung zu den "Getränken" im zolltariflichen Sinne, überzeugt nicht. Im Zeitpunkt des Urteils des EuGH vom 26.3.1981 (aaO) war der Entwicklungsstand der Sondennahrung erst im Anfangsstadium, und diese Art der Nahrungszufuhr war allenfalls ausnahmsweise üblich (Friedrich, ZfZ 2003, 110, 111), weshalb der EuGH keinen Anlass hatte, diese Form der Nahrung in seine Überlegungen einzubeziehen.
Die weitere Rechtsentwicklung nach dem Urteil des EuGH vom 26.3.1981 zeigt, dass Sondennahrung nicht dem Bereich der "Getränke", sondern der "verschiedenen Lebensmittelzubereitung" iSd Kapitel 21 des Zolltarifs zuzuordnen ist (ebenso Friedrich aaO, 112). In den Erwägungsgründen Abs 1 Nr 2 der Verordnung (EG) Nr 1777/2001 vom 7.9.2001 (ABl EG Nr L 240/4 vom 8.9.2001) heißt es, Zubereitungen für besondere diätetische Zwecke, einschließlich Zubereitungen für besondere Ernährungszwecke und Nahrungsergänzungsmittel würden üblicherweise in Kapitel 21 als Lebensmittelzubereitungen der Position 2106 ("Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder genannt noch inbegriffen") erfasst. In Abs 4 der Erwägungsgründe der Verordnung (EG) Nr 1777/2001 vom 7.9.2001 werden Zubereitungen für besondere diätetische Ernährungszwecke und Zubereitungen für besondere diätetische Zwecke als Erzeugnisse definiert, die speziell hergestellt oder zubereitet wurden, um den bei bestimmten physischen oder physiologischen Umständen bestehenden diätetischen Bedürfnissen iS von Art 1 Abs 2 der Richtlinie 89/398/EWG des Rates vom 3.5.1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Lebensmittel für besondere Ergänzungszwecke zu entsprechen. Art 1 Abs 2 der Richtlinie 89/398/EWG des Rates vom 3.5.1989 (ABl EG Nr L 186/27 v 30.6.1989) betrifft Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind und den besonderen Ernährungsbedürfnissen ua bestimmter Gruppen von Personen dienen, deren Verdauungs- oder Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist, und damit ua auch Sondennahrung (Friedrich aaO).
Gegen die Zurechnung zu den "Getränken" iSd Kapitel 22 des Zolltarifs spricht ferner, wie die Beklagte zu Recht dargelegt hat, die besondere Eigenart der Sondennahrung. Es handelt sich um einen Ersatz für feste Nahrungsmittel. In Zusammensetzung und Nährwert entspricht sie fester Nahrung. Die Nahrung, die ein Gesunder als Getränk zu sich nimmt, muss dem Betroffenen zusätzlich zur Sondennahrung zugeführt werden.
Dieser rechtlichen Beurteilung steht die Verordnung Nr 184/89 vom 25.1.1989 (ABl EG Nr L 21/18 v 27.1.1989) nicht entgegen, wonach eine dort im Einzelnen beschriebene flüssige Zubereitung, die "auch" über eine Darmsonde verabreicht werden konnte, dem KN-Code 2202 9010 und damit der Nr 22 des Zolltarifs zugewiesen wurde. Diese Bestimmung betraf Nahrung, die "auch", dh in Nebenanwendungsgebieten, anders als oral verabreicht wird, nicht aber Nahrung, die im Wesentlichen ausnahmslos nicht oral eingenommen wird, auch wenn eine orale Einnahme theoretisch möglich sein mag (ebenso Friedrich, aaO).
Unabhängig von diesen EU-rechtlichen Erwägungen zwingt eine verfassungskonforme Auslegung der Bestimmungen des UStG zur Einbeziehung der Sondennahrung in den Bereich des ermäßigten Umsatzsteuersatzes (im Ergebnis ebenso Friedrich aaO). Nach Art 3 Abs 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Durch diese Vorschrift werden zwar originäre subjektive Leistungsansprüche nicht begründet (Osterloh in Sachs, GG, Kommentar, 3. Auflage, Art 3 Rn 306). Art 3 Abs 3 Satz 2 GG konkretisiert aber ein spezielles Benachteiligungsverbot, wobei auch eine mittelbare Benachteiligung unzulässig ist (Bundesverfassungsgericht BVerfG 8.10.1997 1 BvR 9/97, BverfGE 96, 288, 312 f; Osterloh, aaO, Rn 311). Die Gruppe der behinderten Menschen, die auf Flüssignahrung angewiesen ist, würde im Verhältnis zu Gesunden in nicht zu rechtfertigender Weise benachteiligt, wenn Flüssignahrung (im Gegensatz zB zu Babynahrung) als "Getränk" im umsatzsteuerrechtlichen Sinne gewertet würde und deshalb der allgemeine Steuersatz zur Anwendung käme. Bei festen Nahrungsmitteln sind regelmäßig, wenn auch nicht völlig konsequent, nur Luxusgüter dem Regelsteuersatz unterworfen (vgl Friedrich aaO, 110). Eine ausreichende sachliche Rechtfertigung für die durch eine Einbeziehung der Sondennahrung in die "Getränke" iS des Kapitels 22 des Zolltarifs begründete Benachteilung behinderter Menschen, die Nahrung nicht oral, sondern nur in flüssiger Form als Sondennahrung aufnehmen können, im Verhältnis zu Gesunden ist nicht ersichtlich. Die Schlechterstellung wegen der Nichtanwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes würde nicht ausnahmslos Krankenkassen treffen, da nicht jeder behinderte Mensch krankenversichert ist. Bei dieser Sachlage kommt aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Besteuerung nach dem nicht ermäßigten Umsatzsteuersatz nicht in Betracht.
Einer Beiladung des Bundesministeriums der Finanzen zum vorliegenden Rechtsstreit ist nicht notwendig (§ 75 Abs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
2. Die Klägerin trägt die Kosten beider Instanzen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, auf die von der Klägerin an Versicherte der Beklagten gelieferte Sondennahrung, abweichend von dem bis zum 30.6.2003 berechneten ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 vH, ab dem 1.7.2003 den Regelsteuersatz von 16 vH an die Klägerin zu zahlen.
Die Klägerin versorgt auf entsprechende ärztliche Verordnung Versicherte der Beklagten mit Sondennahrung und stellt diese der Beklagten in Rechnung. Grundlage ist der zwischen den Beteiligten am 19.06.2000 geschlossene Vertrag.
Darin ist ua geregelt:
...
§ 5
Die Vergütung richtet sich nach den vereinbarten Preisen (Anlage 1), höchstens jedoch nach den Festbeträgen (§ 33 Abs 2 SGB V). Die vereinbarten Preise sind Höchstpreise. Grundlage der Vergütung ist der Apothekeneinkaufspreis zuzüglich einem Aufschlag von 4 % ...
Anlage 1
Höchstpreisvereinbarung
...
Die vorstehenden Preise enthalten sämtliche Nebenkosten, wie zB Beratung, Einweisung und Lieferung in die Wohnung. Die jeweils gültige Mehrwertsteuer kann zusätzlich berechnet werden.
Bis zum 30.6.2003 berechnete die Klägerin den ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Im Laufe des Jahres 2003 vertraten das Bundesministerium der Finanzen und die unteren Finanzbehörden die Auffassung, für flüssige Lebensmittelzubereitungen wozu auch Sondennahrung zähle gelte der ermäßigte Umsatzsteuersatz nicht, außer wenn die Sondennahrung wegen ihrer sensorischen Eigenschaften nicht unmittelbar trinkbar sei; die bisherige Praxis, für Sondennahrung nur den ermäßigten Steuersatz zu berechnen, könne nur im Rahmen einer Nichtbeanstandungsregelung für Medizinhändler bis zum 31.12.2002 geduldet werden; die nach diesem Zeitpunkt erzielten Umsätze aus der Lieferung von Sondennahrung seien mit dem Regelsatz von damals 16 vH zu versteuern.
Unter Berufung hierauf stellte die Klägerin der Beklagten ab dem 1.7.2003 für Sondennahrung den um den höheren Mehrwertsteuersatz erhöhten Preis in Rechnung. Die Beklagte zahlte jeweils nur den um den Differenzbetrag zwischen dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz und dem Regelmehrwertsteuersatz gekürzten Rechnungsbetrag.
Mit der am 5.7.2004 beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen und von diesem an das SG Koblenz verwiesenen Klage hat die Klägerin die von der Beklagten in der Zeit vom 22.7.2003 bis zum 10.12.2003 gekürzten Rechnungsbeträge in Höhe von insgesamt 1.322,70 EUR geltend gemacht. Das Finanzamt A hat mit Bescheid vom 3.2.2005 den Einspruch der Klägerin gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer auf 16 % zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist bindend. Das SG hat eine Auskunft der Oberfinanzdirektion (OFD) Koblenz vom Mai 2005 eingeholt, welche die Rechtsauffassung der Finanzbehörden wiederholt hat.
Durch Urteil vom 7.12.2005 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin sei berechtigt, bei der Lieferung von Sondennahrung den von den Finanzbehörden für zutreffend gehaltenen Regelmehrwertsteuersatz zu berechnen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei es der Klägerin nicht zuzumuten, wegen des Steuersatzes einen Prozess vor dem zuständigen Gericht der Finanzgerichtsbarkeit gegen die Finanzverwaltung zu führen.
Gegen dieses ihr am 21.12.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 20.1.2006 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie trägt vor: Die von der Klägerin gelieferte Sondennahrung sei mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 vH zu besteuern. Da sie, die Beklagte, nach dem mit der Klägerin geschlossenen Vertrag die "gültige" Mehrwertsteuer zu zahlen habe, habe die Klägerin Anspruch auf Vergütung der Mehrwertsteuer nach dem Steuersatz, der nach den steuerrechtlichen Bestimmungen maßgebend sei. Sie, die Beklagte, habe keine Möglichkeit, an die Klägerin ergehende Umsatzsteuerbescheide anzufechten, da sie nicht deren Adressatin sei. Als Endverbraucherin sei sie jedoch wirtschaftlich von der steuerlichen Festlegung betroffen. Das zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit habe in einem Fall wie dem vorliegenden ohne Bindung an die erlassenen Umsatzsteuerbescheide und die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung über den zutreffenden Umsatzsteuersatz zu entscheiden. Es stelle sich auch die Frage, ob die Klägerin nicht ihr gegenüber im Rahmen einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet gewesen sei, gegen die Steuerfestsetzung gerichtlich vorzugehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 7.12.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen weiteren Vergütungsanspruch. Das Urteil des SG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Vergütung für die von ihr an Versicherte der Beklagten gelieferte Sondennahrung ergibt sich aus § 5 Abs 1 des zwischen ihr und der Beklagten geschlossenen Vertrages vom 19.6.2000 gemäß § 127 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) über die Abgabe von Produkten der künstlichen Nahrung in Verbindung mit den als Anlage zu dem Vertrag geschlossenen Höchstpreisvereinbarungen. Es handelt sich dabei um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl § 69 Satz 1 SGB V; Bundessozialgericht BSG 3.8.2006 B 3 KR 6/06 R), für den die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entsprechend gelten (§ 61 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch SGB X ). Die in diesem Vertrag enthaltene Klausel "Die jeweils gültige Mehrwertsteuer kann zusätzlich berechnet werden." konstituiert eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der für eine Leistung vereinbarte Preis auch die Aufwendung für die von dem Leistenden zu entrichtende Mehrwertsteuer abgilt (vgl Bundesgerichtshof BGH 28.2.2002 I ZR 318/99, juris Rn 11); insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von demjenigen, der dem Urteil des Senats vom 2.8.2007 im Verfahren L 5 KR 200/05 zugrunde liegt. Gegen eine solche vom "Bruttopreisprinzip" abweichende vertragliche Vereinbarung bestehen keine rechtlichen Bedenken (BGH aaO).
Der Begriff "jeweils gültige Mehrwertsteuer" iS der Anlage zu den Höchstpreisvereinbarungen kann nicht so ausgelegt werden, einschränkungslos sei die vom Finanzamt festgesetzte Mehrwertsteuer maßgebend. Gegen eine solche Auslegung spricht bereits der Wortlaut der Vereinbarung. Das Wort "gültig" deutet darauf hin, dass nicht ohne weiteres die Meinung der Finanzverwaltung entscheidend ist. Entscheidend ist aber, dass die Vorschrift nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht so interpretiert werden kann, dass die Beklagte als Endverbraucherin den normalen Umsatzsteuersatz zu zahlen hätte, auch wenn die Klägerin mögliche gerichtliche Schritte gegen die Umsatzsteuerfestsetzung unterlässt. Die Beklagte kann selbst keine Klage zum Finanzgericht gegen einen an die Klägerin ergangenen Umsatzsteuerbescheid erheben. Diese Möglichkeit hat lediglich die Klägerin als im Verhältnis zum Finanzamt unmittelbare Schuldnerin der Umsatzsteuer (vgl Bundesfinanzhof BFH 27.7.1983 II R 21/83; von Groll in Gräber FGO, 6. Auflage § 40 Rz 57; zu Abtretungsfällen vgl aaO Rn 119). Bei dieser Sachlage könnte die steuerrechtliche Festsetzung der Umsatzsteuerhöhe nur dann unabhängig von der zutreffenden Beurteilung nach materiellem Steuerrecht einen zivilrechtlichen Anspruch auf eine entsprechende Vergütung zu Lasten der Beklagten auslösen, wenn die Klägerin alle Möglichkeiten einer finanzgerichtlichen Klärung ausgeschöpft hätte. Beschreitet die Klägerin den Klageweg gegen die Finanzverwaltung nicht, obwohl sie wie vorliegend weiß, dass es sich um eine bisher nicht geklärte, grundsätzliche steuerrechtliche Frage handelt und die Beklagte mit ausführlicher und nachvollziehbarer Begründung die im Verhältnis zur Finanzverwaltung gegenteilige Auffassung vertritt, entspricht es dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass sie letztlich das Risiko trägt, wenn sich im vorliegenden Verfahren herausstellt, dass bei richtiger Auslegung der steuerrechtlichen Vorschriften der ermäßigte Steuersatz Anwendung findet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf höhere Mehrwertsteuer als nach einem Steuersatz von 7 %, weil dies bei zutreffender Auslegung der steuerrechtlichen Vorschriften die "gültige Mehrwertsteuer" ist. Nach der maßgebenden umsatzsteuerrechtlichen Rechtslage gilt für Sondennahrung der ermäßigte Steuersatz, dh der Steuersatz von 7 %; der gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Nach § 12 Abs 2 Nr 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) ermäßigt sich die Steuer auf sieben Prozent für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb der in der Anlage 2 zum UStG bezeichneten Gegenstände. Die Abgrenzung, ob die dort für die einzelnen Regelungsgegenstände aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind, richtet sich gemäß der Anlage 2 nach dem Zolltarif. Der ermäßigte Steuersatz kommt nach der Anlage 2 zur Anwendung, wenn es sich um eine "verschiedene Lebensmittelzubereitung" nach Kapitel 21 des Zolltarifs handelt (lfd Nr 33 der Anlage 2). Insoweit bedarf es einer Abgrenzung gegenüber dem Kapitel 22 des Zolltarifs ("Getränke, alkoholhaltige Flüssigkeiten und Essig"). Entgegen der Meinung der Finanzverwaltung ist die Sondennahrung auch dann nicht dem Bereich der "Getränke" iSd Kapitels 22 des Zolltarifs, sondern dem Kapitel 21 des Zolltarifs zuzuordnen, wenn nicht die Ausnahme eingreift, dass die Sondennahrung wegen ihrer sensorischen Eigenschaften einschränkungslos nicht unmittelbar trinkbar ist. Ob letzteres der Fall ist, muss daher nicht festgestellt werden.
Unter "Getränken" im zolltariflichen Sinne hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung vom 26.3.1981 (C 114/80, EuGHE 1981, 895; "Bierhefe") alle zum menschlichen Genuss geeigneten und bestimmten Flüssigkeiten, unabhängig von der Art und Weise, wie sie eingenommen werden, vom Zweck der Einnahme (zB Löschung des Durstes; Förderung der Gesundheit) und von den verwendeten Ausgangsstoffen verstanden, soweit sie nicht von einer anderen spezifischen Einteilung erfasst werden. Die Auffassung der Finanzverwaltung, hieraus folge die Zuordnung von Sondennahrung zu den "Getränken" im zolltariflichen Sinne, überzeugt nicht. Im Zeitpunkt des Urteils des EuGH vom 26.3.1981 (aaO) war der Entwicklungsstand der Sondennahrung erst im Anfangsstadium, und diese Art der Nahrungszufuhr war allenfalls ausnahmsweise üblich (Friedrich, ZfZ 2003, 110, 111), weshalb der EuGH keinen Anlass hatte, diese Form der Nahrung in seine Überlegungen einzubeziehen.
Die weitere Rechtsentwicklung nach dem Urteil des EuGH vom 26.3.1981 zeigt, dass Sondennahrung nicht dem Bereich der "Getränke", sondern der "verschiedenen Lebensmittelzubereitung" iSd Kapitel 21 des Zolltarifs zuzuordnen ist (ebenso Friedrich aaO, 112). In den Erwägungsgründen Abs 1 Nr 2 der Verordnung (EG) Nr 1777/2001 vom 7.9.2001 (ABl EG Nr L 240/4 vom 8.9.2001) heißt es, Zubereitungen für besondere diätetische Zwecke, einschließlich Zubereitungen für besondere Ernährungszwecke und Nahrungsergänzungsmittel würden üblicherweise in Kapitel 21 als Lebensmittelzubereitungen der Position 2106 ("Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder genannt noch inbegriffen") erfasst. In Abs 4 der Erwägungsgründe der Verordnung (EG) Nr 1777/2001 vom 7.9.2001 werden Zubereitungen für besondere diätetische Ernährungszwecke und Zubereitungen für besondere diätetische Zwecke als Erzeugnisse definiert, die speziell hergestellt oder zubereitet wurden, um den bei bestimmten physischen oder physiologischen Umständen bestehenden diätetischen Bedürfnissen iS von Art 1 Abs 2 der Richtlinie 89/398/EWG des Rates vom 3.5.1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Lebensmittel für besondere Ergänzungszwecke zu entsprechen. Art 1 Abs 2 der Richtlinie 89/398/EWG des Rates vom 3.5.1989 (ABl EG Nr L 186/27 v 30.6.1989) betrifft Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind und den besonderen Ernährungsbedürfnissen ua bestimmter Gruppen von Personen dienen, deren Verdauungs- oder Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist, und damit ua auch Sondennahrung (Friedrich aaO).
Gegen die Zurechnung zu den "Getränken" iSd Kapitel 22 des Zolltarifs spricht ferner, wie die Beklagte zu Recht dargelegt hat, die besondere Eigenart der Sondennahrung. Es handelt sich um einen Ersatz für feste Nahrungsmittel. In Zusammensetzung und Nährwert entspricht sie fester Nahrung. Die Nahrung, die ein Gesunder als Getränk zu sich nimmt, muss dem Betroffenen zusätzlich zur Sondennahrung zugeführt werden.
Dieser rechtlichen Beurteilung steht die Verordnung Nr 184/89 vom 25.1.1989 (ABl EG Nr L 21/18 v 27.1.1989) nicht entgegen, wonach eine dort im Einzelnen beschriebene flüssige Zubereitung, die "auch" über eine Darmsonde verabreicht werden konnte, dem KN-Code 2202 9010 und damit der Nr 22 des Zolltarifs zugewiesen wurde. Diese Bestimmung betraf Nahrung, die "auch", dh in Nebenanwendungsgebieten, anders als oral verabreicht wird, nicht aber Nahrung, die im Wesentlichen ausnahmslos nicht oral eingenommen wird, auch wenn eine orale Einnahme theoretisch möglich sein mag (ebenso Friedrich, aaO).
Unabhängig von diesen EU-rechtlichen Erwägungen zwingt eine verfassungskonforme Auslegung der Bestimmungen des UStG zur Einbeziehung der Sondennahrung in den Bereich des ermäßigten Umsatzsteuersatzes (im Ergebnis ebenso Friedrich aaO). Nach Art 3 Abs 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Durch diese Vorschrift werden zwar originäre subjektive Leistungsansprüche nicht begründet (Osterloh in Sachs, GG, Kommentar, 3. Auflage, Art 3 Rn 306). Art 3 Abs 3 Satz 2 GG konkretisiert aber ein spezielles Benachteiligungsverbot, wobei auch eine mittelbare Benachteiligung unzulässig ist (Bundesverfassungsgericht BVerfG 8.10.1997 1 BvR 9/97, BverfGE 96, 288, 312 f; Osterloh, aaO, Rn 311). Die Gruppe der behinderten Menschen, die auf Flüssignahrung angewiesen ist, würde im Verhältnis zu Gesunden in nicht zu rechtfertigender Weise benachteiligt, wenn Flüssignahrung (im Gegensatz zB zu Babynahrung) als "Getränk" im umsatzsteuerrechtlichen Sinne gewertet würde und deshalb der allgemeine Steuersatz zur Anwendung käme. Bei festen Nahrungsmitteln sind regelmäßig, wenn auch nicht völlig konsequent, nur Luxusgüter dem Regelsteuersatz unterworfen (vgl Friedrich aaO, 110). Eine ausreichende sachliche Rechtfertigung für die durch eine Einbeziehung der Sondennahrung in die "Getränke" iS des Kapitels 22 des Zolltarifs begründete Benachteilung behinderter Menschen, die Nahrung nicht oral, sondern nur in flüssiger Form als Sondennahrung aufnehmen können, im Verhältnis zu Gesunden ist nicht ersichtlich. Die Schlechterstellung wegen der Nichtanwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes würde nicht ausnahmslos Krankenkassen treffen, da nicht jeder behinderte Mensch krankenversichert ist. Bei dieser Sachlage kommt aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Besteuerung nach dem nicht ermäßigten Umsatzsteuersatz nicht in Betracht.
Einer Beiladung des Bundesministeriums der Finanzen zum vorliegenden Rechtsstreit ist nicht notwendig (§ 75 Abs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
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