Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SO 79/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 79/07 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.06.2007 hinsichtlich der Ziffer 2. und 3. des Tenors geändert. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die Kosten zusätzlicher 8,6 Betreuungsstunden als Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft für die Antragstellerin für die Monate Juni 2007 bis September 2007, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, durch die B I zu übernehmen, wobei bei der insgesamt gewährten Eingliederungshilfe monatlich eigenes Einkommen der Antragstellerin i.H.v. 130,61 EUR in Anrechnung zu bringen ist. Der Antragsgegner trägt zwei Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
Der Senat bezieht sich hinsichtlich des grundsätzlichen Anspruchs der Antragstellerin auf die begehrte Eingliederungshilfe zunächst nach § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses.
Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass es sich bei den begehrten Leistungen nicht um solche der Eingliederungshilfe handeln soll. Wenn der Antragsgegner hiergegen anführt, Betreuungsleistungen durch familienunterstützende Dienste seien keine Pflichtleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), so mag dies in anderen Fällen ggf. zutreffen. Im Falle der Antragstellerin jedoch handelt es sich, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, um eine Eingliederungshilfe zur Teilnahme behinderter Menschen an der Gemeinschaft (vgl. auch Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 54 Rn. 67). Zwar erscheint es durchaus denkbar, dass entsprechende Leistungen in anderen Fällen als Entlastungsleistungen für Familienmitglieder eines behinderten Menschen bewilligt werden, welche ansonsten die entsprechenden Hilfestellungen leisten. Im Falle der Antragstellerin ist jedoch keine Familie ersichtlich, die mit Zielrichtung auf eine Entlastung von Hilfspersonen entlastet werden müsste. Denn der Ehemann der Antragstellerin ist aufgrund einer eigenen Behinderung bei summarischer Prüfung ersichtlich nicht in der Lage, die notwendigen Hilfestellungen zu leisten. Der Auffassung des Antragsgegners, der offenbar die Vorstellung zugrunde liegt, es handele sich um freiwillige Leistungen, über die er im Ermessenswege entscheiden könne, ist daher nicht zu folgen.
Auch an der Notwendigkeit des Umfangs der vom Sozialgericht zuerkannten Leistungen zweifelt der Senat bei summarischer Prüfung nicht. Der Antragsgegner führt mit Schriftsatz vom 30.07.2007 selbst aus, dass seine Anfrage bei der B in I ergeben habe, die Eheleute L verfügten über Sozialkontakte ausnahmslos zu Menschen mit Behinderung. Entlastungen zu Gunsten der Eingliederungshilfe aufgrund bestehender Sozialkontakte sind deshalb nicht ersichtlich. Die Arbeiterwohlfahrt geht nach wie vor von einem jährlichen Stundenbedarf für Einzelbetreuung von 240 Stunden aus. Wenn der Antragsgegner hiergegen anführt, die Arbeiterwohlfahrt dürfte sich insoweit an der früheren Bewilligung von 240 Stunden pro Jahr orientiert und den Bedarf nicht einer eingehenden Bedarfsermittlung unterzogen haben, so ändert dies nichts daran, dass bei summarischer Prüfung ein Bedarf von wöchentlich vier Betreuungsstunden für die Antragstellerin jedenfalls nicht überzogen erscheint. Auch insoweit schließt sich der Senat deshalb dem Sozialgericht an. Hinsichtlich des Vorhandenseins eines Fahrzeugs stimmen die Beteiligten darin überein, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann dieses Fahrzeug selbst gar nicht fahren können; insofern kann das Fahrzeug von vornherein nur dann benutzt werden, wenn etwa eine Betreuungsperson das Fahrzeug steuert. Aus dem Vorhandensein des Kraftfahrzeugs ist deshalb eine Einschränkung des Betreuungsbedarfs von vornherein nicht ersichtlich.
Allerdings verweist der Antragsgegner bei summarischer Prüfung zu Recht darauf, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann einzusetzendes Einkommen i.H.v. 261,23 EUR zur Verfügung steht. Für den Antragsteller und seine Ehefrau berechnet sich jedoch bei summarischer Prüfung das nach § 85 ff. SGB XII anzurechnende Einkommen wie folgt:
Pension Antragstellerin: 1.262,80 EUR EU-Rente Ehemann: 899,56 EUR Zwischensumme Einkommen: 2.162,36 EUR
./. Beträge nach § 82 Abs. 2 SGB XII: - Haftpflichtversicherung Antragstellerin: 6,02 EUR - Krankenversicherung Antragstellerin: 197,82 EUR - sonstige Versicherungen Antragstellerin: 7,12 EUR - Pflegeversicherung Antragstellerin: 11,76 EUR - Haftpflichtversicherung Ehemann: 5,86 EUR - Hausratversicherung Ehemann: 8,44 EUR
bereinigtes Einkommen: 1.925,34 EUR./. Einkommensgrenze (§ 85 Abs. 1 SGB XII): 1.514,81 EUR
Einkommensüberhang: 410,53 EUR./. 25% pausch. Abzug (§ 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX): 102,63 EUR
Zwischensumme Einkommen: 307,90 EUR./. Eigenanteil Pflegegeld Ehemann (§ 89 Abs. 1 SGB XII): 46,67 EUR Einzusetzendes Einkommen Eheleute: 261,23 EUR
Eine genauere Prüfung kann dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Vom einstweilen berücksichtigungsfähigen Einkommen der Eheleute entfällt die Hälfte (130,61 EUR) auf die Antragstellerin, da auch bei ihrem Ehemann Eingliederungsleistungen unter Anrechnung des ehelichen Einkommens zu erbringen sind.
Neben diesem Eigenbetrag aus dem Einkommen ist bei summarischer Prüfung das Blindengeld der Antragstellerin nicht für die begehrten Eingliederungsleistungen einzusetzen. Es muss vielmehr als zweckgerichtete Leistung für Erblindungsfolgen zur Verfügung bleiben. Die vorliegend im Streit stehende Eingliederungshilfe betrifft jedoch nicht solche Erblindungsfolgen, sondern steht im Zusammenhang mit sonstigen Beeinträchtigungen der Antragstellerin, die teilweise auf einen Rollstuhl angewiesen ist und im Familiengefüge wegen der Querschnittlähmung ihres Ehemannes kaum Möglichkeiten hat, Hilfestellungen etwa bei der Fortbewegung in der Öffentlichkeit zu erlangen. Etwa verbleibende Zweifel, ob die begehrten Eingliederungsleistungen nicht doch zu den Erblindungsfolgen zu rechnen sind, können im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Es kann dahinstehen, ob die Ansicht des Sozialgerichts zutrifft, es könne in Fällen wie dem vorliegenden zur Vermeidung unnötiger weiterer Rechtsstreitigkeiten auch ein längerer Leistungszeitraum zugesprochen werden. Denn das Sozialgericht hat Leistungen jedenfalls nur bis September 2007 zugesprochen, dem Monat, in dem die Entscheidung des Senats ohnehin erst ergehen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Wegen des einzusetzenden Einkommens der Antragstellerin erscheint eine Kostenbelastung des Antragsgegners mit nur zwei Dritteln als angemessen. Dabei berücksichtigt der Senat, das die B für eine Betreuungsstunde etwa 23,00 EUR berechnet, was bei 17,4 im Verwaltungsverfahren monatlich beantragten Betreuungsstunden Kosten von knapp 398,00 EUR ausmacht. Hiervon hat die Antragstellerin einstweilen etwa ein Drittel aus eigenem Einkommen aufzubringen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
Der Senat bezieht sich hinsichtlich des grundsätzlichen Anspruchs der Antragstellerin auf die begehrte Eingliederungshilfe zunächst nach § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses.
Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass es sich bei den begehrten Leistungen nicht um solche der Eingliederungshilfe handeln soll. Wenn der Antragsgegner hiergegen anführt, Betreuungsleistungen durch familienunterstützende Dienste seien keine Pflichtleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), so mag dies in anderen Fällen ggf. zutreffen. Im Falle der Antragstellerin jedoch handelt es sich, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, um eine Eingliederungshilfe zur Teilnahme behinderter Menschen an der Gemeinschaft (vgl. auch Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 54 Rn. 67). Zwar erscheint es durchaus denkbar, dass entsprechende Leistungen in anderen Fällen als Entlastungsleistungen für Familienmitglieder eines behinderten Menschen bewilligt werden, welche ansonsten die entsprechenden Hilfestellungen leisten. Im Falle der Antragstellerin ist jedoch keine Familie ersichtlich, die mit Zielrichtung auf eine Entlastung von Hilfspersonen entlastet werden müsste. Denn der Ehemann der Antragstellerin ist aufgrund einer eigenen Behinderung bei summarischer Prüfung ersichtlich nicht in der Lage, die notwendigen Hilfestellungen zu leisten. Der Auffassung des Antragsgegners, der offenbar die Vorstellung zugrunde liegt, es handele sich um freiwillige Leistungen, über die er im Ermessenswege entscheiden könne, ist daher nicht zu folgen.
Auch an der Notwendigkeit des Umfangs der vom Sozialgericht zuerkannten Leistungen zweifelt der Senat bei summarischer Prüfung nicht. Der Antragsgegner führt mit Schriftsatz vom 30.07.2007 selbst aus, dass seine Anfrage bei der B in I ergeben habe, die Eheleute L verfügten über Sozialkontakte ausnahmslos zu Menschen mit Behinderung. Entlastungen zu Gunsten der Eingliederungshilfe aufgrund bestehender Sozialkontakte sind deshalb nicht ersichtlich. Die Arbeiterwohlfahrt geht nach wie vor von einem jährlichen Stundenbedarf für Einzelbetreuung von 240 Stunden aus. Wenn der Antragsgegner hiergegen anführt, die Arbeiterwohlfahrt dürfte sich insoweit an der früheren Bewilligung von 240 Stunden pro Jahr orientiert und den Bedarf nicht einer eingehenden Bedarfsermittlung unterzogen haben, so ändert dies nichts daran, dass bei summarischer Prüfung ein Bedarf von wöchentlich vier Betreuungsstunden für die Antragstellerin jedenfalls nicht überzogen erscheint. Auch insoweit schließt sich der Senat deshalb dem Sozialgericht an. Hinsichtlich des Vorhandenseins eines Fahrzeugs stimmen die Beteiligten darin überein, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann dieses Fahrzeug selbst gar nicht fahren können; insofern kann das Fahrzeug von vornherein nur dann benutzt werden, wenn etwa eine Betreuungsperson das Fahrzeug steuert. Aus dem Vorhandensein des Kraftfahrzeugs ist deshalb eine Einschränkung des Betreuungsbedarfs von vornherein nicht ersichtlich.
Allerdings verweist der Antragsgegner bei summarischer Prüfung zu Recht darauf, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann einzusetzendes Einkommen i.H.v. 261,23 EUR zur Verfügung steht. Für den Antragsteller und seine Ehefrau berechnet sich jedoch bei summarischer Prüfung das nach § 85 ff. SGB XII anzurechnende Einkommen wie folgt:
Pension Antragstellerin: 1.262,80 EUR EU-Rente Ehemann: 899,56 EUR Zwischensumme Einkommen: 2.162,36 EUR
./. Beträge nach § 82 Abs. 2 SGB XII: - Haftpflichtversicherung Antragstellerin: 6,02 EUR - Krankenversicherung Antragstellerin: 197,82 EUR - sonstige Versicherungen Antragstellerin: 7,12 EUR - Pflegeversicherung Antragstellerin: 11,76 EUR - Haftpflichtversicherung Ehemann: 5,86 EUR - Hausratversicherung Ehemann: 8,44 EUR
bereinigtes Einkommen: 1.925,34 EUR./. Einkommensgrenze (§ 85 Abs. 1 SGB XII): 1.514,81 EUR
Einkommensüberhang: 410,53 EUR./. 25% pausch. Abzug (§ 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX): 102,63 EUR
Zwischensumme Einkommen: 307,90 EUR./. Eigenanteil Pflegegeld Ehemann (§ 89 Abs. 1 SGB XII): 46,67 EUR Einzusetzendes Einkommen Eheleute: 261,23 EUR
Eine genauere Prüfung kann dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Vom einstweilen berücksichtigungsfähigen Einkommen der Eheleute entfällt die Hälfte (130,61 EUR) auf die Antragstellerin, da auch bei ihrem Ehemann Eingliederungsleistungen unter Anrechnung des ehelichen Einkommens zu erbringen sind.
Neben diesem Eigenbetrag aus dem Einkommen ist bei summarischer Prüfung das Blindengeld der Antragstellerin nicht für die begehrten Eingliederungsleistungen einzusetzen. Es muss vielmehr als zweckgerichtete Leistung für Erblindungsfolgen zur Verfügung bleiben. Die vorliegend im Streit stehende Eingliederungshilfe betrifft jedoch nicht solche Erblindungsfolgen, sondern steht im Zusammenhang mit sonstigen Beeinträchtigungen der Antragstellerin, die teilweise auf einen Rollstuhl angewiesen ist und im Familiengefüge wegen der Querschnittlähmung ihres Ehemannes kaum Möglichkeiten hat, Hilfestellungen etwa bei der Fortbewegung in der Öffentlichkeit zu erlangen. Etwa verbleibende Zweifel, ob die begehrten Eingliederungsleistungen nicht doch zu den Erblindungsfolgen zu rechnen sind, können im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Es kann dahinstehen, ob die Ansicht des Sozialgerichts zutrifft, es könne in Fällen wie dem vorliegenden zur Vermeidung unnötiger weiterer Rechtsstreitigkeiten auch ein längerer Leistungszeitraum zugesprochen werden. Denn das Sozialgericht hat Leistungen jedenfalls nur bis September 2007 zugesprochen, dem Monat, in dem die Entscheidung des Senats ohnehin erst ergehen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Wegen des einzusetzenden Einkommens der Antragstellerin erscheint eine Kostenbelastung des Antragsgegners mit nur zwei Dritteln als angemessen. Dabei berücksichtigt der Senat, das die B für eine Betreuungsstunde etwa 23,00 EUR berechnet, was bei 17,4 im Verwaltungsverfahren monatlich beantragten Betreuungsstunden Kosten von knapp 398,00 EUR ausmacht. Hiervon hat die Antragstellerin einstweilen etwa ein Drittel aus eigenem Einkommen aufzubringen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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