Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 1/14 Kg 54/81
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Kg 7/83
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine dem Gesetz widersprechende Verwaltungsübung führt auch dann zu keiner Selbstbindung der Verwaltung, wenn sie über mehrere Jahre hinweg fortgeführt wird. Auch der auf einer Weisung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung beruhende Runderlaß Nr. 213/79 der Bundesanstalt für Arbeit vom 25.10.1979 kann demzufolge nach Ablauf der Übergangsregelung des 8. Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 14.11.1978 zu keinem Kindergeldanspruch für in der DDR lebende Kinder führen, und zwar auch dann nicht, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen dieses Runderlasses erfüllt sind.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Oktober 1982 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt für die Zeit ab Oktober 1980 Kindergeld für seinen in der DDR lebenden Sohn P.
Der Kläger war in erster Ehe verheiratet mit Frau D. H ... Aus dieser Ehe entstammt der 1959 geborene Sohn P. P. H. lebt, ebenso wie seine Mutter, in der DDR. Für P. bezog der Kläger bis Juli 1977 Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz. Im Januar 1980 wurde P. H. zum Studium an der Ingenieurschule für Schwermaschinenbau in R./DDR zugelassen.
Am 23. Februar 1981 beantragte der Kläger die Zahlung von Kindergeld für P. Nachdem die Beklagte vom Kläger die Vorlage eines Nachweises über die Ausbildung von P. sowie über die Höhe des in der DDR gezahlten Kindergeldes angefordert hatte, der Kläger sich hierzu jedoch nicht in der Lage sah, wurde der Antrag durch Bescheid vom 12. Mai 1981 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe seiner Mitwirkungspflicht nicht genügt. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 1981 zurückgewiesen.
Am 3. August 1981 hat der Kläger dagegen Klage erhoben und insbesondere vorgetragen, er habe sich in der DDR immer wieder um die Beschaffung der angeforderten Nachweise bemüht. Dies sei jedoch vergeblich gewesen.
Durch Urteil vom 21. Oktober 1982 hat das Sozialgericht Frankfurt die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat ausgeführt, nach der Übergangsregelung des 8. Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes sei spätestens mit Ablauf des 31 – Dezember 1979 ein Kindergeldanspruch für Kinder, die in der DDR leben und damit keinen Wohnsitz im Bundesgebiet haben, weggefallen. Die getroffene Neuregelung, die nicht gegen das Grundgesetz verstoße, finde auch auf den Kläger Anwendung. Dabei könne dahinstehen, ob und inwieweit die Beklagte in ihrer Verwaltungspraxis insoweit großzügiger verfahre und Ausnahmen von diesem Grundsatz zulasse. Eine gerichtliche Verurteilung der Beklagten zur Leistungsgewährung komme jedoch aufgrund der dargelegten Rechtslage nicht in Betracht.
Gegen das dem Kläger am 18. Dezember 1982 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. Januar 1983 eingegangene Berufung. Der Kläger ist der Meinung, ihm stehe für P. nach dessen Entlassung aus den Diensten der Nationalen Volksarmee der DDR erneut ein Anspruch auf Kindergeld zu. Sein Sohn habe im November 1980 das Studium aufgenommen. Seither habe er P. Paketsendungen im Gegenwert von jährlich mindestens 3.000,– DM zukommen lassen und demzufolge die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte Kindergeld für in der DDR lebende Kinder gewähre, erfüllt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Oktober 1982 und den Bescheid vom 12. Mai 1981 sowie den Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 1981 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für seinen Sohn P. für die Zeit ab Oktober 1980 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts im Ergebnis für zutreffend. Zwar bestehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch für solche Kinder kein Anspruch auf Kindergeld mehr, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Beklagte verfahre in ihrer Verwaltungspraxis nach einer Weisung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung indes großzügiger. Sie gewähre auch für Kinder, die einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 oder in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes genannten Gebieten (mit Ausnahme von Jugoslawien und China) haben, Kindergeld unter den Voraussetzungen, wie sie in der bis zum 31. Dezember 1978 geltenden Regelung des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 b und c sowie Satz 3 Bundeskindergeldgesetz ausdrücklich umschrieben waren. Auch der Sohn des Klägers wäre nach dieser Regelung berücksichtigt worden, wenn der Kläger für den Unterhalt von P. regelmäßig den Betrag des Kindergeldes aufgewendet hätte, der bei Leistung von Kindergeld auf P. entfalle und weiterhin ein ausreichender Nachweis bezüglich des Studiums von P. vorgelegen hätte. Der Kläger aber habe weder die geleisteten Unterhaltszahlungen nachgewiesen, noch einen entsprechenden Studiennachweis für seinen Sohn vorgelegt. Ohne diese Nachweise könne jedoch nicht festgestellt werden, ob die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld gegeben seien.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte der Beklagten (Arbeitsamt F. – Kg-Nr. ), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) sowie an sich statthaft (§ 27 Bundeskindergeldgesetz – BKGG –).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht für seinen Sohn P. für die Zeit ab Oktober 1980 kein Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zu.
Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BKGG in der Fassung des 8. Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 14. November 1978 (BGBl. I S. 1757) werden Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, bei der Zahlung von Kindergeld nicht berücksichtigt. Ein Anspruch auf Kindergeld für Kinder, die in der DDR leben, ist nach Ablauf der Übergangsregelung des Art. 1 Nr. 1 a bzw. Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 des 8. Änderungsgesetzes mit dem 31. Dezember 1978 bzw. jedenfalls mit dem 31. Dezember 1979 weggefallen. Kinder, die keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes haben, werden seither nur noch berücksichtigt, wenn der Berechtigte unter den Voraussetzungen des § 1 Nr. 2 BKGG im Ausland tätig ist und die Kinder in seinem Haushalt aufgenommen sind. Unzweifelhaft ist dies beim Kläger nicht der Fall. Dem Kläger steht deshalb für die Zeit ab Oktober 1980 ein Anspruch auf Kindergeld für seinen Sohn P. nicht mehr zu.
Daß der Wegfall des Kindergeldanspruchs auch für solche Kinder, die in der DDR leben, mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat das Bundessozialgericht bereits in der vom Sozialgericht zitierten Entscheidung vom 22. Januar 1981 (10/8 b RKg 7/79 = SozR 5870 § 2 BKGG Nr. 21) festgestellt, einer Entscheidung, der sich auch der Senat in vollem Umfang anschließt. Danach verstoßt der auf dem Territorialitätsgrundsatz beruhende Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen für Kinder, die im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, insbesondere nicht gegen den in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz normierten Schutz der Familie. Dies gilt auch hinsichtlich derjenigen Kinder, die sich nicht freiwillig außerhalb des Geltungsbereichs des Bundeskindergeldgesetzes aufhalten, da der maßgebende Gesichtspunkt für die getroffene Kindergeldregelung nicht die Entlastung des Unterhaltspflichtigen selbst, sondern die Begünstigung derjenigen Familie ist, in der das Kind dauernd lebt (BSG a.a.O.).
Auch soweit sich die Beklagte durch die Weisung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 13. September 1979 (Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit vom 25. Oktober 1979 – Runderlaß Nr. 213/79 –) gebunden fühlt und trotz der eingetretenen Gesetzesänderung für Kinder, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches des Bundeskindergeldgesetzes aber innerhalb des Gebietes des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 haben, Kindergeld grundsätzlich auch dann zahlt, wenn die übrigen Voraussetzungen der bis zum 31.12.1978 geltenden Fassung des § 2 Abs. 5 BKGG. – also insbesondere die fortdauernde Ausbildung der über 18jährigen Kinder die Notwendigkeit der Unterhaltsleistung zumindest in Höhe des beanspruchten Kindergeldes (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 2 BKGG a.F.) – vorliegen, kann dies zu keinem durchsetzbaren Anspruch des Klägers auf Kindergeld für seinen Sohn P. führen.
Zwar spricht angesichts der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen einiges dafür, daß sein Sohn tatsächlich in der DDR sein Studium, zu dem er im Januar 1980 zugelassen worden ist, ab Oktober 1980 aufgenommen hat. Auch hält es der Senat für in hohem Maße wahrscheinlich, daß der Kläger seither für seinen Sohn Unterhaltsleistungen in Form von Paketsendungen erbracht hat, die der Höhe nach den Betrag des beanspruchten Kindergeldes erreichen, so daß es insgesamt durchaus als möglich erscheint, daß der Kläger die Voraussetzungen, wie sie dem Runderlaß Nr. 213/79 zugrunde liegen, erfüllt. Dennoch kann hierauf eine Verurteilung der Beklagten nicht gestützt werden. Denn der Runderlaß 213/79 und die in dessen Gefolge eingetretene Verwaltungsübung der Beklagten, entsprechend dem Inhalt dieses Runderlasses auch weiterhin Kindergeld für in der DDR lebende Kinder zu leisten, hat zu keiner Selbstbindung der Beklagten geführt, aufgrund derer dem Kläger ein Rechtsanspruch auf Kindergeld zustehen würde.
Zwar kann die ständige Anwendung von Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitssatz des Art. 3 GG eine Selbstbindung der Verwaltung zur Folge haben. Dies gilt jedoch nur im Ermessensbereich, also dort, wo die Verwaltungsvorschriften insbesondere dem Zweck dienen, die Gleichbehandlung gleichliegender Fälle zu gewährleisten. Über den Gleichbehandlungsgrundsatz kann aber nicht Unrecht zu Recht werden. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, die das objektive Recht unrichtig auslegen, können daher allenfalls Grundlage einer rechtswidrigen Verwaltungsübung sein. Die Verwaltung ist aber weder allgemein noch im Einzelfall berechtigt, geschweige denn verpflichtet, eine rechtswidrige Verwaltungsübung einzuhalten. Der Gleichheitssatz gebietet im Einklang mit dem Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) nur die Gleichbehandlung im Recht (BSG vom 13.12.1972 – 7 RAr 43/69 = SozR Nr. 2 zu § 14. DV AVAVG). Aus einer Verwaltungsübung, die dem Gesetz widerspricht, kann demzufolge kein Anspruch auf Gleichbehandlung hergeleitet werden (BSG vom 25.10.1978 – 1 RAr 1/78 = SozR 2200 § 1237 RVO Nr. 10; BSG vom 7.8.1974 – 7 RAr 30/73 = BSGE 38, S. 63 ff.).
Um eine solche Fallgestaltung handelt es sich auch hier. Die Interpretation der Neufassung des § 2 Abs. 5 BKGG durch den Bundesminister für Arbeit und ihm folgend die Beklagte ist ganz offenkundig fehlerhaft. Die Neuregelung des Bundeskindergeldgesetzes enthält keine Ausnahme, die einen Kindergeldanspruch – etwa im Wege des Ermessens – für Kinder, die in der DDR leben, begründen würde (BSG SozR 5870 § 2 BKGG Nr. 21). Daß die Beklagte ihre Verwaltungsübung trotz dieser schon mehr als 2 Jahre zurückliegenden Entscheidung des Bundessozialgerichts auch heute noch fortsetzt, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Auch die außergewöhnlich lange Dauer einer in Kenntnis der Rechtsprechung unter Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen fortgeführten Verwaltungsübung kann deren Richtigkeit nicht begründen und damit nicht zu einer auch von den Gerichten zu beachtenden Selbstbindung der Verwaltung führen.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Absatz 2 Nr. 1 SGG).
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt für die Zeit ab Oktober 1980 Kindergeld für seinen in der DDR lebenden Sohn P.
Der Kläger war in erster Ehe verheiratet mit Frau D. H ... Aus dieser Ehe entstammt der 1959 geborene Sohn P. P. H. lebt, ebenso wie seine Mutter, in der DDR. Für P. bezog der Kläger bis Juli 1977 Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz. Im Januar 1980 wurde P. H. zum Studium an der Ingenieurschule für Schwermaschinenbau in R./DDR zugelassen.
Am 23. Februar 1981 beantragte der Kläger die Zahlung von Kindergeld für P. Nachdem die Beklagte vom Kläger die Vorlage eines Nachweises über die Ausbildung von P. sowie über die Höhe des in der DDR gezahlten Kindergeldes angefordert hatte, der Kläger sich hierzu jedoch nicht in der Lage sah, wurde der Antrag durch Bescheid vom 12. Mai 1981 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe seiner Mitwirkungspflicht nicht genügt. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 1981 zurückgewiesen.
Am 3. August 1981 hat der Kläger dagegen Klage erhoben und insbesondere vorgetragen, er habe sich in der DDR immer wieder um die Beschaffung der angeforderten Nachweise bemüht. Dies sei jedoch vergeblich gewesen.
Durch Urteil vom 21. Oktober 1982 hat das Sozialgericht Frankfurt die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat ausgeführt, nach der Übergangsregelung des 8. Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes sei spätestens mit Ablauf des 31 – Dezember 1979 ein Kindergeldanspruch für Kinder, die in der DDR leben und damit keinen Wohnsitz im Bundesgebiet haben, weggefallen. Die getroffene Neuregelung, die nicht gegen das Grundgesetz verstoße, finde auch auf den Kläger Anwendung. Dabei könne dahinstehen, ob und inwieweit die Beklagte in ihrer Verwaltungspraxis insoweit großzügiger verfahre und Ausnahmen von diesem Grundsatz zulasse. Eine gerichtliche Verurteilung der Beklagten zur Leistungsgewährung komme jedoch aufgrund der dargelegten Rechtslage nicht in Betracht.
Gegen das dem Kläger am 18. Dezember 1982 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. Januar 1983 eingegangene Berufung. Der Kläger ist der Meinung, ihm stehe für P. nach dessen Entlassung aus den Diensten der Nationalen Volksarmee der DDR erneut ein Anspruch auf Kindergeld zu. Sein Sohn habe im November 1980 das Studium aufgenommen. Seither habe er P. Paketsendungen im Gegenwert von jährlich mindestens 3.000,– DM zukommen lassen und demzufolge die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte Kindergeld für in der DDR lebende Kinder gewähre, erfüllt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Oktober 1982 und den Bescheid vom 12. Mai 1981 sowie den Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 1981 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für seinen Sohn P. für die Zeit ab Oktober 1980 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts im Ergebnis für zutreffend. Zwar bestehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch für solche Kinder kein Anspruch auf Kindergeld mehr, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Beklagte verfahre in ihrer Verwaltungspraxis nach einer Weisung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung indes großzügiger. Sie gewähre auch für Kinder, die einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 oder in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes genannten Gebieten (mit Ausnahme von Jugoslawien und China) haben, Kindergeld unter den Voraussetzungen, wie sie in der bis zum 31. Dezember 1978 geltenden Regelung des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 b und c sowie Satz 3 Bundeskindergeldgesetz ausdrücklich umschrieben waren. Auch der Sohn des Klägers wäre nach dieser Regelung berücksichtigt worden, wenn der Kläger für den Unterhalt von P. regelmäßig den Betrag des Kindergeldes aufgewendet hätte, der bei Leistung von Kindergeld auf P. entfalle und weiterhin ein ausreichender Nachweis bezüglich des Studiums von P. vorgelegen hätte. Der Kläger aber habe weder die geleisteten Unterhaltszahlungen nachgewiesen, noch einen entsprechenden Studiennachweis für seinen Sohn vorgelegt. Ohne diese Nachweise könne jedoch nicht festgestellt werden, ob die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld gegeben seien.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte der Beklagten (Arbeitsamt F. – Kg-Nr. ), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) sowie an sich statthaft (§ 27 Bundeskindergeldgesetz – BKGG –).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht für seinen Sohn P. für die Zeit ab Oktober 1980 kein Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zu.
Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BKGG in der Fassung des 8. Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 14. November 1978 (BGBl. I S. 1757) werden Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, bei der Zahlung von Kindergeld nicht berücksichtigt. Ein Anspruch auf Kindergeld für Kinder, die in der DDR leben, ist nach Ablauf der Übergangsregelung des Art. 1 Nr. 1 a bzw. Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 des 8. Änderungsgesetzes mit dem 31. Dezember 1978 bzw. jedenfalls mit dem 31. Dezember 1979 weggefallen. Kinder, die keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes haben, werden seither nur noch berücksichtigt, wenn der Berechtigte unter den Voraussetzungen des § 1 Nr. 2 BKGG im Ausland tätig ist und die Kinder in seinem Haushalt aufgenommen sind. Unzweifelhaft ist dies beim Kläger nicht der Fall. Dem Kläger steht deshalb für die Zeit ab Oktober 1980 ein Anspruch auf Kindergeld für seinen Sohn P. nicht mehr zu.
Daß der Wegfall des Kindergeldanspruchs auch für solche Kinder, die in der DDR leben, mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat das Bundessozialgericht bereits in der vom Sozialgericht zitierten Entscheidung vom 22. Januar 1981 (10/8 b RKg 7/79 = SozR 5870 § 2 BKGG Nr. 21) festgestellt, einer Entscheidung, der sich auch der Senat in vollem Umfang anschließt. Danach verstoßt der auf dem Territorialitätsgrundsatz beruhende Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen für Kinder, die im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, insbesondere nicht gegen den in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz normierten Schutz der Familie. Dies gilt auch hinsichtlich derjenigen Kinder, die sich nicht freiwillig außerhalb des Geltungsbereichs des Bundeskindergeldgesetzes aufhalten, da der maßgebende Gesichtspunkt für die getroffene Kindergeldregelung nicht die Entlastung des Unterhaltspflichtigen selbst, sondern die Begünstigung derjenigen Familie ist, in der das Kind dauernd lebt (BSG a.a.O.).
Auch soweit sich die Beklagte durch die Weisung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 13. September 1979 (Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit vom 25. Oktober 1979 – Runderlaß Nr. 213/79 –) gebunden fühlt und trotz der eingetretenen Gesetzesänderung für Kinder, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches des Bundeskindergeldgesetzes aber innerhalb des Gebietes des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 haben, Kindergeld grundsätzlich auch dann zahlt, wenn die übrigen Voraussetzungen der bis zum 31.12.1978 geltenden Fassung des § 2 Abs. 5 BKGG. – also insbesondere die fortdauernde Ausbildung der über 18jährigen Kinder die Notwendigkeit der Unterhaltsleistung zumindest in Höhe des beanspruchten Kindergeldes (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 2 BKGG a.F.) – vorliegen, kann dies zu keinem durchsetzbaren Anspruch des Klägers auf Kindergeld für seinen Sohn P. führen.
Zwar spricht angesichts der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen einiges dafür, daß sein Sohn tatsächlich in der DDR sein Studium, zu dem er im Januar 1980 zugelassen worden ist, ab Oktober 1980 aufgenommen hat. Auch hält es der Senat für in hohem Maße wahrscheinlich, daß der Kläger seither für seinen Sohn Unterhaltsleistungen in Form von Paketsendungen erbracht hat, die der Höhe nach den Betrag des beanspruchten Kindergeldes erreichen, so daß es insgesamt durchaus als möglich erscheint, daß der Kläger die Voraussetzungen, wie sie dem Runderlaß Nr. 213/79 zugrunde liegen, erfüllt. Dennoch kann hierauf eine Verurteilung der Beklagten nicht gestützt werden. Denn der Runderlaß 213/79 und die in dessen Gefolge eingetretene Verwaltungsübung der Beklagten, entsprechend dem Inhalt dieses Runderlasses auch weiterhin Kindergeld für in der DDR lebende Kinder zu leisten, hat zu keiner Selbstbindung der Beklagten geführt, aufgrund derer dem Kläger ein Rechtsanspruch auf Kindergeld zustehen würde.
Zwar kann die ständige Anwendung von Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitssatz des Art. 3 GG eine Selbstbindung der Verwaltung zur Folge haben. Dies gilt jedoch nur im Ermessensbereich, also dort, wo die Verwaltungsvorschriften insbesondere dem Zweck dienen, die Gleichbehandlung gleichliegender Fälle zu gewährleisten. Über den Gleichbehandlungsgrundsatz kann aber nicht Unrecht zu Recht werden. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, die das objektive Recht unrichtig auslegen, können daher allenfalls Grundlage einer rechtswidrigen Verwaltungsübung sein. Die Verwaltung ist aber weder allgemein noch im Einzelfall berechtigt, geschweige denn verpflichtet, eine rechtswidrige Verwaltungsübung einzuhalten. Der Gleichheitssatz gebietet im Einklang mit dem Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) nur die Gleichbehandlung im Recht (BSG vom 13.12.1972 – 7 RAr 43/69 = SozR Nr. 2 zu § 14. DV AVAVG). Aus einer Verwaltungsübung, die dem Gesetz widerspricht, kann demzufolge kein Anspruch auf Gleichbehandlung hergeleitet werden (BSG vom 25.10.1978 – 1 RAr 1/78 = SozR 2200 § 1237 RVO Nr. 10; BSG vom 7.8.1974 – 7 RAr 30/73 = BSGE 38, S. 63 ff.).
Um eine solche Fallgestaltung handelt es sich auch hier. Die Interpretation der Neufassung des § 2 Abs. 5 BKGG durch den Bundesminister für Arbeit und ihm folgend die Beklagte ist ganz offenkundig fehlerhaft. Die Neuregelung des Bundeskindergeldgesetzes enthält keine Ausnahme, die einen Kindergeldanspruch – etwa im Wege des Ermessens – für Kinder, die in der DDR leben, begründen würde (BSG SozR 5870 § 2 BKGG Nr. 21). Daß die Beklagte ihre Verwaltungsübung trotz dieser schon mehr als 2 Jahre zurückliegenden Entscheidung des Bundessozialgerichts auch heute noch fortsetzt, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Auch die außergewöhnlich lange Dauer einer in Kenntnis der Rechtsprechung unter Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen fortgeführten Verwaltungsübung kann deren Richtigkeit nicht begründen und damit nicht zu einer auch von den Gerichten zu beachtenden Selbstbindung der Verwaltung führen.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Absatz 2 Nr. 1 SGG).
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