L 9 R 3848/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 RJ 2132/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3848/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. November 2002 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger anstelle der gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat.

Der 1953 geborene Kläger absolvierte eine Ausbildung als Maler und Lackierer sowie vom 12.01.1978 bis 29.01.1979 eine Ausbildung zum Malermeister. Seit dem 10.05.1979 war er in die Handwerksrolle der Handwerkskammer S. eingetragen und übte in der Folgezeit die erlernte Tätigkeit als Inhaber eines Malerbetriebs aus. Seit dem 19.08.1996 war er arbeitsunfähig.

Vom 07. bis 28.01.1997 befand er sich in der F.klinik B. B. zur Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme. Im Entlassungsbericht vom 30.01.1997 stellten die behandelnden Ärzte die Diagnosen einer Lumbalgie bei Zustand nach NPP-OP L 4/5 links 9/96 sowie eines tendomyotischen HWS-Syndroms. Der Kläger könne noch leichte bis maximal mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus von Sitzen, Stehen und Gehen, ohne Heben und Bewegen schwerer Lasten und ohne häufiges Bücken ausüben. Die bisher ausgeübte Tätigkeit als Malermeister entspreche nicht diesem Leistungsbild.

Auf den Rentenantrag vom 18.03.1997 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 31.07.1997 Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.12.1996.

Am 20.10.1997 beantragte der Kläger, der am 25.11.1997 seinen Malerbetrieb in der Handwerksrolle der Handwerkskammer Region S. löschen ließ, die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte ließ ihn durch die Internistin G. gutachterlich untersuchen. Im Gutachten vom 20.01.1998 führte diese aus, gegenüber der Vorbegutachtung durch sie im April 1997 (Gutachten vom 17.04.1997) sei keine wesentliche Änderung eingetreten. An HWS und LWS seien degenerative Veränderungen nachgewiesen, welche das Beschwerdebild in ausreichendem Maße erklärten; an der LWS sei der Kläger bereits operiert wegen eines Bandscheibenvorfalles mit insgesamt gutem Erfolg. Verschlechtert habe sich allenfalls der Befund an der linken Schulter mit Eintritt eines Impingement-Syndroms. Der Kläger könne leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten. Wegen einer nicht unerheblichen psychischen Überlagerung werde die Durchführung eines medizinischen stationären Heilverfahrens in einer Behandlungsstätte mit orthopädischen und psychosomatischen Behandlungsmöglichkeiten angeraten.

Mit Bescheid vom 28.01.1998 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den hiergegen am 09.02.1998 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte nach Auswertung von Arztbriefen der behandelnden Ärzte Dr. H., K. und Dr. B. (Arztbrief vom 17.06.1996) sowie des Entlassungsberichts des Zentrums für Ambulante Rehabilitation vom 17.09.1998, in welchem eine vollschichtige leichte Tätigkeit für zumutbar gehalten wurde, mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.1998 zurück.

Die hiergegen zum Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage (S 17 RJ 6105/98) nahm der Kläger mit Schreiben vom 24.01.2000 zurück, nachdem Dr. M. in dem gemäß § 109 SGG auf Antrag des Klägers erstatteten Gutachten vom 15.11.1999 zu dem Ergebnis gelangt war, dass der Kläger leichte körperliche Arbeiten noch vollschichtig verrichten könne.

Am 14.06.2000 stellte der Kläger erneut Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte ließ ihn daraufhin durch den Orthopäden Dr. H. gutachterlich untersuchen, der im Gutachten vom 18.09.2000 folgende Diagnosen stellte: - Multietagere Bandscheibenschäden und Aufbraucherscheinungen im Bereich der HWS und LWS, gleichzeitig bestehende Haltungsfehler des Achsenorgans (skoliotische Fehlhaltung), Funktionsminderung und verminderte Belastbarkeit der Wirbelsäule, kein Anhalt für einen motorischen Nervenschaden im Bereich der Extremitäten. - Periarthropathie humerus scapularis links, bzw. Hinweise auf eine Degeneration der Rotatorenmanschette, keine bedeutsame Funktionsminderung des linken Schultergelenks. - Chronische Bronchitis. - Depressive Verstimmung. - Krampfaderleiden im Bereich der Beine. Eine wesentliche Änderung gegenüber der Begutachtung im Jahr 1999 sei nicht eingetreten. Der Kläger könne noch leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig verrichten.

Mit Bescheid vom 26.09.2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Nachdem der Kläger hiergegen am 16.10.2000 Widerspruch eingelegt hatte, ließ ihn die Beklagte in der ärztlichen Untersuchungsanstalt S. auf internistischem und neurologischem Fachgebiet gutachterlich untersuchen

Im Gutachten vom 19.02.2001 stellten Dres. S., G. und S. die Diagnosen eines Postnukleotomiesyndroms, einer Vertigo unklarer Genese, einer Periarthropathia humero scapularis sowie einer depressiven Verstimmung. Der Kläger sei noch in der Lage, unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen leichte Tätigkeiten vollschichtig auszuüben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2001, am 19.04.2001 zur Post gegeben, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 30.04.2001 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart. Das SG hörte die behandelnden Ärzte K. und S. als sachverständige Zeugen und holte bei dem Orthopäden Dr. S. ein fachorthopädisches Sachverständigengutachten vom Amts wegen und bei Dr. Z. ein Gutachten auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein. Der Orthopäde Dr. K. und die Allgemeinärztin S. vertraten in ihren sachverständigen Zeugenaussagen vom 11.09.2001 bzw. 17.10.2001 jeweils die Auffassung, der Kläger könne, insbesondere wegen seiner Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet, leichte Tätigkeiten maximal unter zwei Stunden täglich verrichten. Beigefügt war u.a. ein Arztbrief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 16.11.2000, in welchem dieser am ehesten vertebragen bzw. vertebrobasilär bedingte Schwindelerscheinungen feststellte. Ein Kontroll-MRT der HWS (11/99) habe in mehreren Höhen nur minimale spinale Einengungen, keinen relevanten Bandscheibenvorfall und keine myelopathische Halsmarkveränderung ergeben.

Im fachorthopädischen Gutachten vom 23.01.2002 stellte Dr. S. die Diagnosen einer Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen sowie Zustand nach Bandscheiben-OP L4/L5 mit rechtsseitiger Wurzelreizsymptomatik, degenerativer Veränderungen der HWS mit mäßiger Funktionsbehinderung ohne anhaltende cervikale Wurzelreizsymptomatik, Belastungsinsuffizienz beider Kniegelenke mäßigen Grades bei Knorpelschädigung der Rückfläche der Kniescheiben (Chondropathie patellae) und degenerativer Veränderungen des Muskelsehnenmantels (Rotatorenmanschette) des linken Schultergelenkes mit einer leichten Funktionsbehinderung. Schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Bewegen von Lasten über 5 bis 10 kg könne der Kläger nicht mehr verrichten. Gleiches gelte für Arbeiten in langanhaltend einseitiger und gebückter Körperhaltung, Überkopfarbeiten, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, kniende Tätigkeiten sowie Tätigkeiten mit häufigem Treppensteigen. Bei Beachtung dieser Einschränkungen könne der Kläger Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig ausüben. Der Kläger sei auch noch in der Lage, täglich vier Mal eine Wegstrecke von mehr als 500 m innerhalb von jeweils 20 Minuten zurückzulegen und zwei Mal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen.

In einer Stellungnahme vom 25.03.2002 vertrat der Orthopäde K. die Auffassung, der Kläger könne nur noch unter zwei Stunden tätig sein. Auch könne er eine Wegstrecke von mehr als 500 m in jeweils 15 bis 20 Minuten maximal 3 mal täglich zurücklegen.

Im auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholten orthopädischen Gutachten vom 19.08.2002 teilte Dr. Z. mit, gegenüber dem Vorgutachten ergebe sich keine Änderung. Es bestehe inhaltlich Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S ...

Mit Gerichtsbescheid vom 05.11.2002, dem Kläger am 20.11.2002 zugestellt, wies das SG die Klage ab. Auf die Gründe des Gerichtsbescheids wird Bezug genommen.

Hiergegen hat der Kläger am 20.12.2002 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt (L 9 RJ 4974/02). In der Berufungsbegründung vom 8.01.2004 hat der Kläger vorgetragen, nach der Beurteilung seines behandelnden Orthopäden K. sei er nicht mehr in der Lage, mehr als zwei Stunden zu arbeiten. Beigefügt war eine Diagnoseauflistung des Orthopäden K. vom 12.12.2003 sowie Berichte des Bezirkskrankenhauses G. vom 11.06.2003, 16.07.2003 und 04.09.2003 über Facettenblockaden in den Segmenten L3-S1. Weiter beigefügt war der Bericht des Radiologen Dr. W. vom 04.04.2003 über ein MRT der HWS am 04.04.2003 mit der Beurteilung diskreter Zeichen einer Myelopathie mit Erweiterungen des Zentralkanals, degenerativer HWS-Veränderungen in Form von Retrospondylosen und Unkarthrosen mit Stenose des Neuroforamens C5/6 rechts ohne akuten weichen NPP.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. November 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm anstelle der Rente wegen Berufsunfähigkeit Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Das Bezirkskrankenhaus G. hat auf Anfrage des Senats die Arztbriefe vom 16.05.2003 und 21.10.2003 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, beim Kläger seien Facettenblockaden in Höhe L3-S1 beidseits sowie eine Kryokoagulation (Kältebehandlung) L3-S1 beidseits durchgeführt worden. Der Kläger habe postoperativ über einen deutlichen Rückgang der Beschwerdesymptomatik berichtet.

In der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 27.01.2004 hat die Fachärztin für Chirurgie Dr. H. ausgeführt, wesentliche neue medizinische Gesichtspunkte seien nicht vorgetragen.

Nachdem der Kläger eine Diagnosenauflistung des Orthopäden K. vom 03.02.2004 vorgelegt hatte, erklärte sich die Beklagte im Erörterungstermin vom 10.02.2004 bereit, dem Kläger ein stationäres Heilverfahren mit orthopädischer und psychosomatischer Ausrichtung zu gewähren. Weiter wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Nach Durchführung des stationären Heilverfahrens in der Z.klinik S ... B. vom 07.07.2004 bis 28.07.2004 wurde das Verfahren vom Kläger am 19.08.2004 wieder angerufen (L 9 RJ 3848/04). Im Entlassungsbericht der Z.klinik S ... B. vom 16.08.2004 sind folgende Diagnosen genannt: 1. Lumboischialgie, Restparese nach Nukleotomie 9/96 (Postnukleotomie-Syndrom), 2. Leichte depressive Episode. 3. Cervicobrachialgie. 4. Impingement-Syndrom der linken Schulter. 5. Oberes Cervicalsyndrom mit Kopfschmerzen und Schwindel. Der Kläger könne seine Tätigkeit als Malermeister nur unter drei Stunden täglich ausüben. Zu vermeiden seien Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen von Lasten, Tätigkeiten in einseitiger asymmetrischer Haltung und Belastung der Wirbelsäule sowie Tätigkeiten mit häufigem Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und unter Witterungsexposition. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne der Kläger noch leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig verrichten.

Im Arztbrief vom 23.04.2004 hat Oberarzt Dr. M., Bezirkskrankenhaus G., ausgeführt, es sei eine erneute lumbale Gelenkfacettenblockade durchgeführt worden, die in der Vergangenheit mehrfach erfolgreich gewesen sei. Die Therapie in Form einer Kryotherapie habe gegenüber der Infiltration keine Besserung erbracht. Zusätzlich sei Celestan als Depot-Corticoid infiltriert worden. Unter dem 12.07.2004 berichtete er, dass trotz persistierender Lumboischialgien rechts neuralchirurgisch kein Interventionsbedarf bestehe.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG wurde der Orthopäde K. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 11.10.2005 hat der Orthopäde K. folgende Diagnosen gestellt: - Hohlrundrücken - Z.n. BS-OP L4/5 links vom September 1996 - Sekundäres Postnukleotomiesyndrom - Z.n. arthroskopischer Innenmeniskusteilresektion und arthroskopischer Außenmeniskusteilresektion mit Knorpelshaving linkes Gelenk vom 01.10.02 - Gon- und Retropatellararthrose beidseits - Facettenblockaden und Z.n. Kryokoagulation der Facetten L3 bis S1 beidseits vom 18.09.2003 in Günzburg - Chronisches Schmerzsyndrom - Chronisch rezidivierendes Cervicobrachialgiesyndrom und Cervico-Cephalgie-Syndrom bei Fehlhaltung der HWS - rezidivierende Spannungsnacken- und Kopfschmerzen - rezidivierende vertebragene Schwindelanfälle - Chronische Periarthritis humero scapularis beidseits mit Impingementsyndrom - Chronisches sensibles kombiniertes L5-S1-Schmerz-Syndrom rechts mehr als links - Chronisch rezidivierendes pseudoradikuläres - Syndrom Lumbalbereich und Facettensyndrom bei Spondylarthrose L3 bis S1 - Medialbetonte Gonarthrose mit Retropatellararthrose links - Erneuter Innenmeniskusschaden links - Dekompensierter Senk-Spreizfuß - Metatarsalgie beidseits - Fersensporn rechts mehr als links.

Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über fünf kg, Arbeiten in Zwangshaltungen, Kälte und Nässe, ständigem Sitzen, Gehen und Stehen sowie häufigem Bücken. Zu vermeiden seien auch kniende Tätigkeiten, langes Gehen und Bergauf- und Bergabsteigen. Gleiches gelte für Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit. Zu vermeiden seien auch Arbeiten in Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen seien dem Kläger nur Arbeiten unter drei Stunden täglich möglich. Er müsse, insbesondere wegen der Wirbelsäule, immer wieder Ruhepausen einlegen. Der Kläger könne auch nicht viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m zu Fuß schmerzfrei zurücklegen und benötige für eine Wegstrecke von 500 m mindestens 20 Minuten. Der Zustand des Klägers bestehe seit dem Datum der Antragstellung. Gegenüber den Befunden in den Gutachten von Dr. S. und Dr. Z. aus dem Jahr 2002 hätten sich sämtliche Befunde im Bereich der HWS und LWS verschlechtert, ebenso die Beweglichkeit in den Schultergelenken und die Beweglichkeit und Belastbarkeit der Kniegelenke.

Nachdem Dr. H. dieser Beurteilung in der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 23.01.2006 entgegengetreten war, hat der Senat Dr. B.-S. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 26.03.2006 hat Dr. B.-S. folgende Diagnosen gestellt: - Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule bei Zustand nach Bandscheiben-OP L5/S1 mit geringer Funktionseinschränkung, gelegentlichen ausstrahlenden Beschwerden ins rechte Bein ohne momentane Nervenwurzelreizsymptomatik - Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule mit geringer Funktionseinschränkung bei degenerativen Veränderungen im Bereich der unteren Halswirbelsäule ohne Nervenwurzelreizsymptom - Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenkes ohne Funktionseinschränkung und ohne Reizzustand bei radiologisch beginnender Retropatellararthrose - Schmerzen im Bereich der linken Schulter bei freier Beweglichkeit bei beginnender AC-Gelenksarthrose - Schmerzen im Bereich des rechten Daumens ohne Bewegungseinschränkung bei radiologisch beginnender Daumensattelgelenksarthrose - Schmerzen im Bereich der linken Hüfte mit geringer Rotationseinschränkung bei radiologisch unauffälligem Befund.

Zu vermeiden seien mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über fünf kg oder mit häufigem Bücken. Zu vermeiden seien auch wirbelsäulenverdrehte Körperhaltungen, überwiegende Überkopfarbeiten oder eine reine Bildschirmtätigkeit. Auch Tätigkeiten mit häufigem Treppensteigen sowie auf Leitern und Gerüsten seien dem Kläger nicht mehr zumutbar. Aufgrund einer beginnenden Daumensattelgelenksarthrose rechts seien dem Kläger auch feinmotorische Tätigkeiten mit der rechten Hand nicht mehr zumutbar. Gleiches gelte für Akkordarbeiten. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen sei der Kläger noch in der Lage, Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht. Im Vergleich zur Voruntersuchung durch Dr. Z. am 05.06.2002 liege jetzt eine bessere Beweglichkeit der Wirbelsäule vor, auch seien die massiven Verspannungen der Muskulatur jetzt nicht mehr gegeben. Darüber hinaus liege keine Sensibilitätsminderung im Bereich der Dermatome C8 in der Halswirbelsäule mehr vor, wogegen Probleme von Seiten des Kniegelenkes und des rechten Daumens hinzugekommen seien. Mit den Gutachten von Dr. Z. und Dr. S. stimme sie überein. Die zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen im Zustand des Klägers wirkten sich auf die Gesamtbeurteilung nicht aus

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit anstelle der gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit hat.

Durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827) wurde das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit neu geordnet. Wesentlicher Inhalt der Neuregelung ist die Abschaffung der Rente wegen Berufsunfähigkeit für nach dem 01.01.1961 geborene Versicherte und die Einführung einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente mit einer vollen Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden und halber Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von drei bis unter sechs Stunden.

Nach § 300 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - sind jedoch aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird.

Da der Kläger am 14.06.2000 Rentenantrag gestellt hat, sind die bis zum 31.12.2000 geltenden Vorschriften noch anzuwenden, wenn bis zum 31.12.2000 ein Anspruch bestanden hat. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sind danach die §§ 43, 44, 240, 241 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (im Folgenden §§ 43, 44, 240, 241 a.F.).

Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt des Versicherungsfalles die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F.).

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (bzw. ab 01. April 1999 monatlich 630,- Deutsche Mark) übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbständige Tätigkeit ausübt oder eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz und Satz 2 SGB VI a.F.).

Der Kläger ist an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsunfähig. Denn sein gesundheitliches Leistungsvermögen hindert ihn nicht daran, regelmäßig und vollschichtig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und damit mehr als nur geringfügige Einkünfte zu erzielen. Letzteres steht aufgrund des Gesamtergebnisses der medizinischen Ermittlungen fest.

Das Leistungsvermögen des Klägers wird beeinträchtigt durch Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule bei Zustand nach Bandscheiben-OP L5/S1 9/96 mit geringer Funktionseinschränkung sowie gelegentlich ausstrahlende Beschwerden ins rechte Bein ohne Nervenwurzelreizsymptomatik, Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule mit geringer Funktionseinschränkung bei degenerativen Veränderungen im Bereich der unteren Halswirbelsäule ohne Nervenwurzelreizsymptome, Schmerzen im Bereich der linken Schulter bei freier Beweglichkeit bei beginnender AC-Gelenksarthrose sowie Schmerzen im Bereich der linken Hüfte mit geringer Rotationseinschränkung bei radiologisch unauffälligem Befund. Eine zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. Z. am 05.06.2002 vorliegende Sensibilitätsminderung im Bereich der Dermatome C8 in der Halswirbelsäule bestand bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. B.-S. am 01.03.2006 nicht mehr. Ebenso hatte sich in diesem Zeitraum die Beweglichkeit der Wirbelsäule gebessert und es waren die massiven Verspannungen der Muskulatur zurückgegangen. Neu hinzugetreten sind jedoch Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenkes ohne Funktionseinschränkung und ohne Reizzustand bei radiologisch beginnender Retropatellararthrose sowie Schmerzen im Bereich des rechten Daumens ohne Bewegungseinschränkung bei radiologisch beginnender Daumensattelgelenksarthrose. Darüber hinaus leidet der Kläger an einer depressiven Verstimmung, die jedoch nicht ärztlich behandelt wird.

Vermeiden muss der Kläger in Anbetracht dieser Gesundheitsstörungen Tätigkeiten mit Heben und Bewegen von Lasten über fünf kg, rein sitzende Tätigkeiten und wirbelsäulenverdrehte Körperhaltungen. Auch häufiges Bücken, überwiegende Überkopfarbeiten, reine Bildschirmtätigkeiten, rein gehende oder stehende Tätigkeiten, Tätigkeiten mit häufigem Treppensteigen und auf Leitern und Gerüsten sind dem Kläger nicht mehr zumutbar. Gleiches gilt für Akkordarbeiten und feinmotorische Tätigkeiten mit der rechten Hand. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen ist der Kläger noch in der Lage, leichte Tätigkeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen mindestens acht Stunden täglich bzw. ab dem 01.03.2001 mindestens sechs Stunden arbeitstäglich auszuüben. Der Senat folgt den Beurteilungen im Gutachten von Dr. H. vom 18. 09.2000, welches im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, in den im erstinstanzlichen Verfahren von Amts wegen bzw. auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten von Dr. S. vom 23.01.2002 und Dr. Z. vom 19.08.2002 sowie in dem von Dr. B.-S. am 26.03.2006 erstatteten Gutachten. Diese stehen auch in Übereinstimmung mit der Beurteilung im Reha- Entlassungsbericht der Z.klinik S ... B. vom 16.08.2004.

Der abweichenden Beurteilung des behandelnden Orthopäden K. in den Auskünften vom 11.09.2001, 25.03.2002, 12.12.2003, 03.02.2004 und dem Gutachten vom 11.10.2005 folgt der Senat nicht. Der Orthopäde K. hat zum einen keine Diagnosen genannt, die nicht im Gutachten von Dr. B.-S. auch berücksichtigt worden sind. Nicht zutreffend ist auch dessen Beurteilung, gegenüber den Vorgutachten von Dr. S. und Dr. Z. sei eine Verschlechterung sämtlicher Befunde im Bereich der HWS und LWS sowie der Beweglichkeit in beiden Schultergelenken eingetreten. Während bei der Untersuchung durch Dr. Z. das Schober’sche Zeichen noch mit 10/10 pathologisch war und das Ott’sche Zeichen 30/31 betrug, lagen diese Werte bei der Untersuchung durch den Orthopäden K. bei 29,5/32 (Ott’sches Zeichen) und 9,5/12 (Schober’sches Zeichen). Noch bessere Werte ergaben sich bei der Untersuchung durch Dr. B.-S., bei welcher das Schober’sche Zeichen 10/14 cm und das Ott’sche Zeichen 30/34 cm betrugen. Letztere hat überzeugend dargelegt, dass sich durch die bessere Beweglichkeit der Wirbelsäule, den Rückgang der massiven Verspannung der Muskulatur und den Wegfall der Sensibilitätsminderung im Bereich der Dermatome C 8 die neu aufgetretenen Probleme von Seiten des Kniegelenks und des rechten Daumen auf die Gesamtbeurteilung nicht auswirkten und daher eine Verschlechterung des Gesamtzustandes im Vergleich zu den Gutachten von Dr. S. und Dr. Z. nicht festgestellt werden kann. Zu beachten ist insoweit auch, dass die Beeinträchtigung durch die Daumensattelgelenksarthrose des rechten Daumens auch deshalb nicht schwerwiegend ist, weil der Kläger ausweislich des Reha-Entlassungsberichts Linkshänder ist und auch links schreibt.

Auch besteht aus psychotherapeutischer Sicht Arbeitsfähigkeit, wie dem Entlassungsbericht der Ziegelfeldklinik entnommen werden kann.

Der Kläger ist somit nicht erwerbsunfähig, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein nur noch untervollschichtiges Leistungsvermögen begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsunfähigkeit bei vollschichtig leistungsfähigen Versicherten - anders als bei Teilzeitkräften - weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für vollschichtig leistungsfähige Angelernte des unteren Bereichs sowie Ungelernte geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch die im Zweiten Gesetz zur Änderung des SGB VI vom 02. Mai 1996 (BGBl. I S. 659) vorgenommene Ergänzung des § 44 Abs. 2 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsunfähig ist, wer eine vollschichtige Tätigkeit ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Dem Kläger ist somit keine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für ihn zuständige Agentur für Arbeit einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Vollzeitarbeitskräfte nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14). Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar. Beim Kläger liegen lediglich eine radiologisch beginnende Retropatellararthrose sowie eine geringe Rotationseinschränkung der Hüfte vor, welche sich auf das Gehvermögen negativ auswirken können. Der Orthopäde K. hat lediglich angegeben, der Kläger könne die Strecke von 500 m zu Fuß nicht schmerzfrei zurücklegen. Er hat dies u.a. mit Schmerzen in beiden Kniegelenken und Hüftgelenken begründet. Demgegenüber hat der Kläger während des Rehabilitationsverfahrens in der Ziegelfeldklinik im August 2004 angegeben, er könne noch maximal 700 m schmerzfrei gehen. Dies kann jedoch dahinstehen, da der Kläger noch ein Fahrzeug besitzt und dieses auch führen kann, um einen Arbeitsplatz aufzusuchen. So ist er auch zu der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. B.-S. selbst mit dem Auto gefahren. Ebenso kann er mit dem Auto die Krankengymnastik und die Fangobehandlung aufsuchen. Auch benötigt der Kläger keine betriebsunüblichen Pausen. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte. Darüber hinaus liegt keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den vorhandenen Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeiten bereits hinreichend Rechnung getragen wird. So sind körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung nicht mit Heben und Tragen von Lasten über fünf kg, in überwiegend einseitiger Körperhaltung bzw. mit ständigem Sitzen, Stehen oder Gehen, mit häufigem Klettern oder Steigen verbunden. Der Ausschluss von Tätigkeiten mit vermehrten Überkopfarbeiten, mit Akkordarbeiten und besonderen Anforderungen an die Feinmotorik der rechten Hand führt zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, zumal die körperlich leichten Tätigkeiten häufig in wechselnder Körperhaltung in normal temperierten Räumen verrichtet werden und nicht regelhaft mit besonderem Zeitdruck wie z.B. Akkord- und Schichtarbeit verbunden sind. Schließlich ist eine schwere spezifische Leistungsbehinderung nicht erkennbar.

Insgesamt hat der Kläger somit - über die bereits gewährte Rente wegen Berufsunfähigkeit hinaus - keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, auch nicht unter Berücksichtigung der ab dem 01.01.2001 geltenden geänderten Vorschriften, wonach für eine solche Rente ebenfalls eine zeitliche Leistungseinschränkung Voraussetzung ist (vgl. § 43 und § 240 SGB VI in der ab dem 01.01.2001 geänderten Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl. I, S. 1827).

Die Berufung konnte demnach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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