L 13 AL 5320/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 2235/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 5320/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2006 wird zurückgewiesen. Die Klage auf Erstattung der geleisteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wird als unzulässig abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld, hilfsweise die Erstattung seiner geleisteten Beiträge an die Arbeitslosenversicherung.

Der am 3. Mai 1952 geborene Kläger war zuletzt vom 1. Januar 1981 bis zum 31. Dezember 1997 bei der Firma M. als Technischer Betriebsleiter beschäftigt. Danach war er vom 1. Januar 1998 bis zum 28. Dezember 2004 als freiberuflicher Galerist selbständig tätig. Am 21. Januar 2005 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).

Mit Bescheid vom 24. März 2005 wurde sein Antrag abgelehnt, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 21. Januar 2005 habe er nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Hiergegen legte der Kläger am 5. April 2005 Widerspruch ein und machte geltend, es sei nicht berücksichtigt worden, dass er über eine Dauer von 31 Jahren kraft Gesetzes verpflichtet gewesen sei, Beiträge an die Bundesagentur für Arbeit zu entrichten. Er habe damit zum Zeitpunkt der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit bereits Rechtsansprüche erworben. Eine freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung sei nicht möglich gewesen. Da es für ihn nicht möglich gewesen sei, zu Beginn seiner selbständigen Tätigkeit die Beiträge zurückzuerhalten, sei er in seinem Grundrecht auf Eigentum verletzt. Für den Fall der Versagung von Alg beantrage er die Rückerstattung der von ihm geleisteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai zurückgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, § 118 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) bestimme, dass Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit nur habe, wer u. a. die Anwartschaftszeit erfülle. Die Anwartschaftszeit erfülle, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate (als Wehr- oder Zivildienstleistender oder als Saisonarbeitnehmer mindestens sechs Monate) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Die Rahmenfrist betrage drei Jahre und beginne mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 124 SGB III in Verbindung mit § 434j Abs. 3 SGB III). In die Rahmenfrist würden Zeiten einer mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden selbständigen Tätigkeit nicht eingerechnet. Die Rahmenfrist ende in diesem Fall spätestens fünf Jahre nach ihrem Beginn (§ 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 SGB III). Der Kläger habe nach seinen eigenen Angaben in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 29. Dezember 2004 eine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Die Rahmenfrist umfasse daher die Zeit vom 21. Januar 2000 bis 20. Januar 2005. Innerhalb dieser Zeit habe der Kläger in keinem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne des § 24 SGB III gestanden bzw. sei er nicht versicherungspflichtig im Sinne des § 26 SGB III gewesen. Er habe zwar Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vor der Rahmenfrist entrichtet. Es komme aber nicht darauf an, ob Beiträge zu irgendeinem Zeitpunkt entrichtet worden seien. Die gesetzlichen Bestimmungen verlangten, dass ein Versicherungspflichtverhältnis mit entsprechender Dauer innerhalb der Rahmenfrist vorgelegen habe. Nur in diesem Fall könne ein Anspruch auf Versicherungsleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch begründet werden. Der Kläger habe daher die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil er nicht mindestens zwölf Monate (=360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis innerhalb der Rahmenfrist gestanden habe. Er habe deshalb keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Widerspruchsstelle sehe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die vom Gesetzgeber in den §§ 123 und 124 SGB III getroffene Regelung, einen Leistungsanspruch an bestimmte versicherungsrechtliche Voraussetzungen zu knüpfen, mit dem Grundgesetz unvereinbar wäre. Eine Rückerstattung von Beiträgen für Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses, die nicht zu einem Leistungsanspruch führten, sähen die gesetzlichen Bestimmungen nicht vor. Der Widerspruch habe daher keinen Erfolg.

Der Kläger hat am 13. Juni 2005 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt. Die Beklagte ist der Klage aus den Gründen der Widerspruchsentscheidung entgegengetreten. Mit Urteil vom 27. April 2006 hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen dieses am 25. September als Übergabe-Einschreiben abgesandte Urteil hat der Kläger am 23. Oktober 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung erneut sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2006 und den Bescheid vom 24. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 21. Januar 2005 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren; hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die von ihm in den letzten 31 Jahren gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zurückzuerstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hat wiederum auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen.

Im Übrigen wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des Sozialgerichts Karlsruhe und die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin entscheiden.

Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.

Nach § 118 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, die arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. An Letzterem fehlt es im vorliegenden Fall. Nach § 123 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 Abs. 1 SGB III, in der gemäß § 434j Abs. 3 SGB III hier maßgeblichen, bis zum 31. Januar 2003 geltenden Fassung drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Nach Absatz 3 Nr. 3 der Vorschrift werden in die Rahmenfrist Zeiten einer mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden selbständigen Tätigkeit nicht eingerechnet. Die Rahmenfrist endet spätestens nach fünf Jahren seit ihrem Beginn.

Da sich der Kläger am 21. Januar 2005 arbeitslos gemeldet hat und arbeitslos ist, beginnt die Rahmenfrist am 20. Januar 2005. Sie endet spätestens am 20. Januar 2000. In dieser Zeit stand der Kläger in keinem Versicherungspflichtverhältnis, sondern war selbständig tätig. Die Möglichkeit als Selbständiger, ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag zu begründen ist erst mit Inkrafttreten des § 28a SGB III zum 2. Februar 2006 geschaffen worden.

Ein Eingriff in eine durch Artikel 14 Grundgesetz (GG) geschützte Positionen liegt schon deshalb nicht vor, weil der Kläger seine Beitragszahlungen nach altem Recht des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) erbracht hat, das ihm zu keinem Zeitpunkt eine günstigere Rechtsposition vermittelt hat. Hinsichtlich des von dem Kläger begehrten Alg hat das AFG in § 104 Abs. 2 und 3 AFG bestimmt, dass die Rahmenfrist an dem 1. Tag beginnt, der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorausgeht und an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind. Sie betrug auch damals drei Jahre. Einen Anspruch auf Alg hätte der Kläger mithin bei seiner hier zu beurteilenden Fallkonstellation auch während der Geltung des AFG nicht erhalten.

Der hilfsweise gestellte Antrag ist unzulässig. Diesen Antrag hat der Kläger ausweislich der Niederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht gestellt. Die damit im Berufungsverfahren vorgenommene Klageerweiterung ist unzulässig. Es kann dabei offen bleiben, ob eine Klageerweiterung (§ 99 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) im Berufungsverfahren unzulässig ist, weil es an der Zuständigkeit des Senats als erstinstanzliches Gericht (§ 29 SGG) fehlt (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-1500 § 29 Nr. 1) oder eine Klageerweiterung auch während des Berufungsverfahrens grundsätzlich möglich ist. Denn letzteres setzt jedenfalls voraus, dass die Sachurteilsvoraussetzungen für die Erweiterung erfüllt sind. Dies ist hier nicht der Fall, weil über den hilfsweise im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Anspruch auf Beitragserstattung nach § 26 Abs. 2 SGB IV durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist. Für den Hilfsantrag ist damit die richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, für die die Durchführung eines Vorverfahrens Sachurteilsvoraussetzung ist. Ein solches Vorverfahren hat bisher noch nicht stattgefunden. Es liegt weder eine Ausgangs- noch eine Widerspruchsentscheidung vor. Soweit im Widerspruchsbescheid, der in seinem Tenor lediglich den Widerspruch zurückweist, ausgeführt wird, dass es keine gesetzliche Grundlage für die Erstattung von Beiträgen, die nicht zu einem Leistungsanspruch führen, gibt, liegt hierin keine konkrete Entscheidung über den Erstattungsanspruch des Klägers. Es handelt sich lediglich um einen rechtlichen Hinweis, den der Kläger allenfalls so verstehen konnte, das ein Rückerstattungsbegehren, dass allein darauf gestützt ist, dass ein Anspruch auf Alg nicht besteht, keinen Erfolg haben könnte. Zudem ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 30. Juni 2005 im sozialgerichtlichen Verfahren, dass die Beklage mit den Ausführungen im Widerspruchsbescheid auch keine verbindliche Entscheidung treffen wollte, da sie darin ausdrücklich erklärt, dass über das Erstattungsbegehren des Klägers noch keine förmliche Entscheidung getroffen worden sei.

Die auf Erstattung von Beiträgen gerichtete Klageerweiterung, der die Beklagte nicht zugestimmt hat, ist auch nicht im Sinne einer Untätigkeitsklage zulässig. Insoweit käme lediglich ein Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung in Betracht. Dieser wäre jedoch schon deswegen nicht sachdienlich, weil er einen anderen Streitstoff betrifft als die im Berufungsverfahren zu beurteilende Frage des Anspruchs auf Alg und weil sich mit einer Verpflichtung zur Bescheidung offensichtlich kein weiterer Prozess vermeiden lässt. Hinzuweisen ist darauf, dass nach § 351 Abs. 1 SGB III i. V. m. § 26 Abs. 2 SGB IV ein Erstattungsanspruch ausschließlich für zu Unrecht entrichtete Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gegeben ist. Beiträge, die aufgrund bestehender Versicherungspflicht entrichtet wurden, sind nicht zu Unrecht entrichtet und haben dem Kläger, solange die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorlagen, Ansprüche vermittelt, die im Falle einer früheren Arbeitslosigkeit zur Leistungsgewährung geführt hätten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved