L 6 Ar 1196/84

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 12/5a Ar 217/82
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 1196/84
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Bundesanstalt für Arbeit ist nicht verpflichtet, speziell im Bereich Operette/Musical einen Vermittlungsauftrag zu erteilen, wenn bisher nur Vollagenturen (Bereich Musiktheater) beauftragt wurden, die diesen Bereich mit abdecken.
2. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Bundesanstalt keinen Auftrag zur Künstlervermittlung erteilt, wenn der Bedarf durch eigene und beauftragte Vermittler gedeckt ist.
3. Durch Einrichtung des Beirates Künstlervermittlung, der u.a. von den nach § 23 Abs. 1 AFG anzuhörenden Verbänden besetzt wird, stellt die Bundesanstalt in ausreichendem Maße sicher, daß zusätzlicher Bedarf alsbald erkannt wird.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. Juli 1984 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in dem Rechtsstreit um den vom Kläger begehrten Auftrag zur privaten Arbeitsvermittlung im Bereich Operette/Musical mit Anschlußauftrag Oper.

Der 1921 geborene Kläger schloß im Wintersemester 1951 erfolgreich das Studium an der Hochschule für M. in B. ab. Er war sodann bis 1958 an verschiedenen Theatern künstlerisch tätig, von 1958 bis 1961 arbeitete er als Bühnenvermittler in der Agentur S., B. Ab 1. August 1961 arbeitete er bei der Beklagten, Künstlerdienst B. vom 1. April 1962 bis 31. Dezember 1981 war er in der zentralen Bühnenvermittlung der Beklagter in F. im Bereich Operette und Musical tätig. Sein Nachfolger bei der Beklagten nahm am 23. August 1982 seinen Dienst auf.

Am 27. Oktober 1981 beantragte der Kläger eine Beauftragung nach § 23 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) als Vermittler für das Fachgebiet Musical/Operette mit Anschlußauftrag für Oper. Zur näheren Begründung führte er aus, nach seinem Ausscheiden bei der Z. gebe es keinen speziellen Vermittler für Bühne, Funk und Fernsehen für die Sparte Operette/Musical. Die zugelassenen Musiktheatervermittler nähmen dieses Gebiet nebenher wahr, ohne über besondere Sachkenntnisse zu verfügen. Ein neuer Vermittler bei der Z. brauche lange Zeit um einige Erfahrungen zu sammeln. Aber auch nach dessen Einarbeitung fehle auf diesem Gebiet ein beauftragter Vermittler als Alternative zur speziellen Betreuung von Musicalprotagonister.

Mit Bescheid vom 4. Mai 1982 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, für den vom Kläger begehrten Vermittlungsbereich sei quantitativ und qualitativ angemessen vorgesorgt durch die vier Agenturen der zentralen B., F. und F. der Beklagten in F. M. H. und B. zusammen mit sechs bereits privat beauftragten Bühnenvermittlern (Bereich Musiktheater). Die Beauftragung weiterer privater Vermittler sei deshalb derzeit nicht zweckmäßig. Es lägen ferner weitere Anträge vor ebenfalls qualifizierter Personen vor, die bereits früher gestellt werden seien. Hiergegen hat der Kläger am 4. Juni 1982 Klage erhoben und vorgetragen, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es keinen privaten Bühnenvermittler für den Bereich Operette und Musical, während es private Vermittler für Oper, Schauspiel, Film, Fernsehen und Rundfunk gebe. Die vor der Beklagten genannten sechs bereits beauftragten Bühnenvermittler (Bereich Musiktheater) seien alle nur auf den Bereich Oper spezialisiert und nur gelegentlich im Bereich Operette tätig. Private Vermittler seien aber neben der Vermittlung durch die Beklagte im Künstlerbereich erforderlich. Nur der private Vermittler besuche Aufführungen außerhalb der engeren Umgebung und kenne dadurch die Fähigkeiten der Künstler besser als der staatliche Vermittler. Das Musical führe an den Theatern der Bundesrepublik Deutschland auch deswegen eine vergleichsweise bescheidene Existenz, weil es an einer sachgerechten privaten Vermittlung der Künstler fehle. Es werde auch bestritten, daß der Beklagten weitere Anträge vor Personen vorlägen, die vergleichbar qualifiziert seien, wie er selbst.

Die Beklagte hat vorgetragen, im August 1982 habe der Nachfolger des Klägers seine Arbeit bei der Z. aufgenommen. Dieser verfüge über eine mehr als 30jährige praktische Erfahrung als Sänger, Schauspieler und Regisseur für Operetten und Musicals. Neben diesem Spezialisten seien aber auch die Opervermittler der Z. in der Lage, den Operetten- und Musicalbereich fachgerecht mitzubetreuen. Auch die beauftragten Bühnenvermittler (Bereich Musiktheater) seien zum Teil in erheblichem Umfang im Bereich Operette/Musical tätig. Der Operetten- und Musicalmarkt sei nicht so umfangreich, daß neben den vorhandenen Einrichtungen ein weiterer Agent – existenzgesichert – tätig sein könne. Der Operettenbereich werde an der meister Führen zu einem nicht unerheblichen Teil von den Operkräften mit übernommen. Das Musical führe an den Theatern der Bundesrepublik Deutschland immer noch eine vergleichsweise bescheidene Existenz. Entgegen der Darstellung des Klägers könne der Vermittler des Z. alle Bühnen in der Bundesrepublik Deutschland und im deutschsprachigen Ausland anhören. Eine Anhörung der Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 23 Abs. 1 Satz 1 AFG) sei nur bei einer beabsichtigten Beauftragung, nicht aber bei einer Ablehnung erforderlich. Es sei auch nicht erforderlich, daß die Beklagte in allen Bereichen private Vermittler beauftragen müsse. Sie könne auch einen Vermittlungsbereich ganz an sich ziehen, wie dies z.B. im Bereich Ballett der Fall sei. Dem Beirat Künstlervermittlung bei der Beklagten gehörten die folgenden Verbände an:

Genossenschaft Deutscher B. (G.) in der Gewerkschaft K. des D. Vereinigung angestellter B. e.V. in der Deutschen A. Deutscher B. e.V. Bundesverband D. T.

Im zuständigen Fachausschuß des Beirats Künstlervermittlung sei zuletzt am 11. Oktober 1979 einvernehmlich festgestellt worden, daß bezüglich Gesangssolisten zu Musiktheatern die vorhandenen Vermittlungseinrichtungen ausreichten. Die Verbände hätten dies im Frühjahr 1983 nochmals schriftlich bestätigt, sowie in einer Sitzung am 30. November 1983. Die Beklagte hat die Geschäftsordnung des Beirats Künstlervermittlung, eine Kopie des Urteils des Sozialgerichts München vom 10. März 1980 (S-5/Al-650/79) sowie Kopien der Schreiben der Vereinigung Deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. vom 22. Februar 1983, des GDBA vom 28. Februar 1983 und des Deutschen Bühnenvereins vom 8. März 1983 vorgelegt.

Mit Urteil vom 18. Juli 1984 hat das Sozialgericht Gießen (S-12/5a/Ar-217/82) die Klage abgewiesen und dies damit begründet, daß es sich bei § 23 Abs. 1 Satz 1 AFG um eine reine Ermessensvorschrift handele (vgl. Urteil des BSG vom 20. April 1977 – 7/12/7/RAr 69/75). Die Beklagte habe ermessensfehlerfrei entschieden. Der frühere Dienstposten des Klägers innerhalb der Z. sei erneut mit einem Fachvermittler für den Bereich Operette/Musical besetzt worden. Die Ansicht der Beklagten, daß in diesem Bereich durch die vorhandenen Vermittlungseinrichtungen quantitativ und qualitativ angemessen vorgesorgt sei, lasse sich nicht als willkürlich bezeichnen. Aus dem Vermittlungsmonopol der Beklagten ergebe sich zudem, daß die Beklagte keineswegs in allen Vermittlungsbereichen private Vermittler einschalten müsse.

Gegen das ihm am 27. Juli 1984 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. August 1984 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, ihm sei bekannt geworden, daß die Beklagte einer Konzertvermittlerin, nämlich Frau B., H. eine Vermittlungslizenz auch für das Musiktheater erteilt habe. Daraus ergebe sich, daß zumindest das Argument falsch gewesen sei, daß ein Bedarf für die private Künstlervermittlung im Bereich Musiktheater nicht bestehe. Auch die Erteilung einer Lizenz für die Bühnenvermittlung für Musiktheater und Konzert In- und Ausland für Herrn G. O., H., bestätige die Unrichtigkeit der bisherigen Behauptung der Beklagten, es bestehe kein Bedarf. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihm den Vorzug vor allen anderen Mitbewerbern einzuräumen, da er Schwerkriegsbeschädigter sei. Die vor der Beklagten vorgelegten Akten seien unvollständig und teilweise abgedeckt abgelichtet.

Der Kläger trägt ferner vor, die Vorgehensweise der Beklagten sei aber auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu bemängeln. Der Begriff der Zweckmäßigkeit im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 AFG könne unter Heranziehung objektiver Kriterien nur so zu verstehen sein, daß es entscheidend auf die Interessen der zu vermittelnden Künstler und deren Arbeitgeber im Sinne einer optimaler Zusammenführung ankomme. Konkurrenzschutz für bereits lizenzierte Vermittler könne kein rechtfertigender Grund für eine Versagung sein. Der Zweckmäßigkeitsbegriff werde durch § 2 Abs. 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeitsvermittlung im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit vom 18. Mai 1978 (AViA-Anordnung) unangemessen eingeschränkt, wenn dort auf die nicht ausreichende Vorsorge abgestellt werde. Gebe es für den speziellen Bereich Operette und Musical keine private Vermittlung, sei die Beauftragung eines privaten Vermittlers auf jeden Fall zweckmäßig. Die beteiligten Verkehrskreise wünschten einen privaten Vermittler. Da nach § 9 AViA-Anordnung Lizenzen ohnehin nur für die Dauer eines Jahres erteilt würden, könne die Beklagte ohne Risiko erproben, ob die Zulassung einer auf Operette und Musical spezialisierten Agentur zweckmäßig sei. Nach § 2 Abs. 1 AViA-Anordnung sei die Frage der Zweckmäßigkeit mit einer Bedürfnisprüfung gekoppelt. Das Bundesverfassungsgericht habe jedoch wiederholt entschieden, daß eine Bedürfnisprüfung bei Zulassung zu Berufen verfassungswidrig sei, wenn nicht die Abwehr nachweisbarer und höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut die Bedürfnisprüfung ausnahmsweise rechtfertige.

Der Kläger trägt abschließend vor, er sei nicht weniger geeignet für die Erteilung einer Vollizenz als die nunmehr von der Beklagten beauftragte Frau B ... Der Sitz einer Agentur spiele für die sachgerechte Vermittlung der Künstler keine Rolle. Ein qualifizierter Bühnenvermittler sei ohnehin meistens auf Reisen und betreue seine Künstler an den Theatern, an denen sie tätig seien.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. Juli 1984 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 1982 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag vom 27. Oktober 1981 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, seit 1981 seien stets sechs Personen mit der Arbeitsvermittlung im Bereich Musiktheater beauftragt gewesen. Seit 18. September 1984 seien es mit Frau B. sieben. Mehrere Mitglieder des Beirats Künstlervermittlung, die mit den nach § 23 Abs. 1 AFG anzuhörenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden identisch seien, hätten sich anläßlich der Sitzung am 30. November 1983 für die Neuzulassung eines Bühnenagenten (Musiktheater) in Norddeutschland ausgesprochen, dem sei durch Beauftragung von Frau B. Rechnung getragen worden. Diese habe nicht nur sämtliche Sparten des Musiktheaters erfaßt und ihren Sitz in Norddeutschland gehabt, sondern sie habe zugleich die beste fachliche Eignung für den Betrieb einer "Vollagentur” im Musiktheaterbereich aufgewiesen und außerdem als erste ihren Antrag gestellt, nämlich am 16. Mai 1978. Von einem Verband sei auf die Bedeutung Hamburgs als Kulturmetropole hingewiesen worden. Dem hätten sich in der Folgezeit die übrigen Verbände angeschlossen. Hierfür sei nur Herr O. in Betracht gekommen, da er in H. ansässig sei und der Antrag bereits unter dem 21. März 1979 gestellt habe. Der Kläger sei wegen seines Sitzes in K. und der späteren Antragstellung nicht in Betracht gekommen. Auch habe sich der Kläger auf den Bereich Operette/Musical beschränken wollen. Unter diesen Umständen habe auch die Kriegsbeschädigung des Klägers nicht der Ausschlag zu seinen Gunsten geben können.

Die Beklagte fährt fort, der verfassungsrechtlichen Argumentation des Klägers könne auch im Künstlerbereich nicht gefolgt werden, da sie die eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung außer acht lasse. Das Bundesverfassungsgericht habe in der Entscheidung (BVerfGE Bd. 21, Seite 245 ff) ausgeführt, daß die Gefahren, deren Abwehr das Alleinvermittlungsrecht der Beklagten diene, nicht durch mildere Eingriffe in die Berufsfreiheit wirksam bekämpft werden könnten, daß der Eingriff in die Berufsfreiheit ausnahmsweise auf der Stufe der Berufswahl erfolge, das die von subjektiver Zulassungsvoraussetzungen, sondern auch und erstrangig von der objektiven Voraussetzung der Zweckmäßigkeit abhängig gemacht werde, und daß es verfassungsrechtlich einwandfrei sei, daß ein Auftrag nur bei Vorliegen eines Bedürfnisses erteilt werde. Dementsprechend habe auch das BSG mit Urteil vom 20. April 1977 (7/12/7/RAr 69/75 DBlR 2175 a AFG, § 23 AFG) entschieden, daß keine Ermessensfehler vorlägen, wenn die Bundesanstalt ihre Entscheidung darauf stütze, daß durch ihre eigenen Einrichtungen und genügend private Vermittler für die Arbeitsvermittlung ausreichend gesorgt sei (so auch Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 5. April 1985 – L-10/Ar-89/81). Die Zweckmäßigkeit der Auftragserteilung müsse vorher feststehen. Die vom Kläger vorgeschlagene Erprobung der Zweckmäßigkeit sei unzulässig. Die beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände hätten ausdrücklich eine private Bühnenagentur mit Sitz in Norddeutschland gefordert, deshalb sei eine Ausnahme von dem ansonsten verfolgten Grundsatz, wonach der Standort einer Bühnenagentur von sekundärer Bedeutung sei, als gerechtfertigt angesehen worden.

Die Beklagte hat Teilakten bezüglich Frau B. und Herrn O. vorgelegt und dazu vorgetragen, sie sei nicht davon ausgegangen, daß die gesamten Akten unter Verletzung des Sozialgeheimnisses (Offenbarung personenbezogener Daten) vorgelegt werden sollten. Bei den abgedeckten Textteilen handele es sich entweder um personenbezogene Daten oder betreffe andere Sachverhalte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorgelegten Teilakten, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 141 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig, § 143 SGG. Insbesondere handelt es sich bei der begehrten Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung nicht um eine einmalige Leistung, § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Der Kläger begehrt vielmehr eine Erlaubnis, die ihn berechtigt, über längere Zeit hinweg tätig zu sein, vergleichbar etwa einer Arbeitserlaubnis, bei der auch nicht vor einer einmaligen Leistung ausgegangen wird (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 2. Auflage, § 144 Rdnr. 7 und Urteil des BSG vom 22. September 1976 – 7 RAr 107/75 in BSGE 42 Seite 212).

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. Juli 1984 ist rechtsfehlerfrei und war deshalb nicht aufzuheben.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 1982 ist zu Recht ergangen. Die Beklagte hat ermessensfehlerfrei den Antrag des Klägers wegen Beauftragung nach § 23 AFG als Vermittler für das Fachgebiet Musical/Operette abgelehnt. Da es sich bei § 23 Abs. 1 AFG um eine Ermessensvorschrift handelt, darf das Gericht nur prüfen, ob die Beklagte die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zwecke der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG (vgl. Urteil des BSG vom 7. August 1974 – 7 RAr 28/71 und vom 20. April 1977 (7/12/7 RAr 69/75).

Es kann weder festgestellt werden, daß die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen überhaupt keinen Gebrauch gemacht hat, etwa weil sie irrtümlich von einer gebundenen Entscheidung ausging, noch daß sie die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens überschritten hat. Entsprechend § 23 Abs. 3 AFG hat die Beklagte eine Anordnung über das nähere Verfahren erlassen (Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeitsvermittlung im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit, AViA-Anordnung vom 18. Mai 1978, ANBA 1978 Seite 839). Nach § 2 Abs. 1 der Anordnung können Aufträge zur Arbeitsvermittlung erteilt werden, wenn für die Arbeitsvermittlung bestimmter Berufe und Personengruppen nicht angemessen vorgesorgt ist. An einer angemessenen Vorsorge fehlt es, wenn die vorhandener Vermittlungseinrichtungen nicht ausreichen oder besonderen zu berücksichtigenden Bedürfnissen bestimmter Arbeitnehmer oder Arbeitgeber nicht entsprechen. Diese im Rahmen des Satzungsrechts von der Beklagten gesetzte Vorschrift und die von der Beklagten getroffene Auslegung halten sich im Rahmen der Verfassung. So hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 4. April 1967 (1 BvR 126/65BVerfGE 21 Seite 245 ff) festgestellt, daß das Vermittlungsmonopol der Beklagten mit der Verfassung in Einklang steht, da das Monopol den Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter bezwecke, denen der Vorrang vor der Freiheit des Einzelnen, der Beruf des selbständiges Arbeitsvermittlers Anstrebenden eingeräumt werden müsse. Die dem Gemeinschaftsgut drohenden Gefahren seien schwer und das Monopol zur Gefahrenabwehr unentbehrlich. Dies gelte nicht nur für den Regelfall bei der Vermittlung der üblichen und durchschnittlichen Arbeitnehmer, sondern auch für die Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft. Der erkennende Senat hat keine Bedenken, die vom Bundesverfassungsgericht getroffene Feststellung auch auf den Bereich der Künstlervermittlung anzuwenden. Zumal nachdem die Beklagte seit Erlaß des zitierten Urteils des Bundesverfassungsgerichts erhebliche Bemühungen unternommen hat, um die Künstler durch eigene Stellen zu vermitteln. Soweit der Kläger auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 (BVerfGE 7, Seite 377 f sogenanntes Apothekenurteil) und vom 8. Juni 1960 (BVerfGE 11, Seite 168 f, betreffend Mietwagen und Droschken) hinweist, werden dort andere berufliche Bereiche erfaßt und nicht derjenige des Arbeitsvermittlers. Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung, des Klägers, daß dann, wenn die Beklagte in allen Bereichen der Arbeitsvermittlung – einschließlich dem der Künstlervermittlung – angemessene Vorsorge getroffen hat, überhaupt kein Raum für eine private Vermittlung besteht. Die Beklagte braucht deshalb nicht in jeder Sparte – wie etwa dem vom Kläger angestrebten Bereich Operette/Musical – mindestens einen Vermittlungsauftrag zu erteilen. Der vom Kläger zitierte Gleichbehandlungsgrundsatz kann nicht zu der Verpflichtung der Beklagten führen, im Bereich Operette/Musical einen Vermittlungsauftrag zu erteilen, weil hier noch niemand beauftragt wurde, während im allgemeinen Bereich des Musiktheaters mittlerweile acht Personen einen Auftrag erhielten.

Die Beklagte hat von dem ihr eingeräumten Ermessen keinen fehlerhaften Gebrauch gemacht, wenn sie sich dem Votum der im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 AFG anzuhörenden Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer angeschlossen hat. Dabei braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob die Beklagte auch bei abgelehnter Anträgen die beteiligten Verbände anzuhören hat, oder nur dann, wie die Beklagte meint, wenn eine Beauftragung vorgesehen ist (so auch Gagel, Loseblatt-Kommentar zum AFG, § 23 Rd-Nr. 18, Stand August 1978). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte jedenfalls während des anhängigen Rechtsstreits den Beirat Künstlervermittlung wiederholt zur Frage der ausreichenden Vorsorge im Bereich Musiktheater gehört. Da im Beirat die beteiligten Verbände im Sinne § 23 Abs. 1 Satz 1 AFG durch ernannte Beauftragte Vertreter werden, § 2 der Geschäftsordnung des Beirates, ist damit dem Erfordernis der Anhörung Genüge getan. Darüber hinaus hat die Beklagte schriftliche Stellungnahmen der Vereinigung D. O. e.V. vom 22. Februar 1983, der Genossenschaft D. B. vom 28. Februar 1983 und des D. B. vom 8. März 1983 vorgelegt. Danach wurde die bisherige Arbeitsvermittlung im Bereich Musiktheater als ausreichend angesehen. Lediglich die Genossenschaft D. B. (G.) sah für B. eine intensivere Betreuung auf dem Gebiet der Arbeitsvermittlung der Gesangssolisten als erforderlich an. In der Beiratssitzung vom 30. April 1984 wurde Übereinstimmung erhielt, daß die vorhandenen Vermittlungseinrichtungen für die Arbeitsvermittlung von Gesangssolisten zu Musiktheatern grundsätzlich ausreichten. Lediglich eine vorsichtige Öffnung durch Beauftragung eines Vermittlers mit Sitz in Norddeutschland könne sinnvoll sein. Im Rahmen des Antrags der Frau B., H. sprachen sich im Rahmen der Anhörung sowohl die DAG-BFF (27. Juli 1984) als auch der D. B. (31. Juli 1984) für die Beauftragung der Frau B. aus. Die DAG-BFF wies allerdings daraufhin, daß in H. wegen der besonderen Bedeutung als Opern- und Medienstadt auch wegen besonderer Pflege des Deutschen Musiktheater-Nachwuchses eine weitere Musiktheater-Agentur erforderlich sei. Im Rahmen des Antrages des Herrn O. wurde dessen Beauftragung von den beteiligten Verbänden unter besonderen Hinweis auf den Standort H. befürwortet, und zwar vor der DAG-BFF mit Schreiben vom 5. September 1985, vom Verband der Deutschen Konzerndirektionen mit Schreiben vom 12. September 1985, von der GDBA mit Schreiben vom 10. Oktober 1985, vom D. B., nordwestdeutscher L. mit Schreiben vom 18. November 1985.

Es war nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte zwar Frau B. und Herrn O. mit der Arbeitsvermittlung im Bereich Musiktheater beauftragt, den Antrag des Klägers jedoch abgelehnt hat. Nach Ansicht der beteiligten Verbände gilt zwar grundsätzlich, daß der Sitz einer Agentur nicht ausschlaggebend ist, da sie national und international tätig ist. Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes wäre überhaupt keine Beauftragung in Frage gekommen, also auch nicht die des Klägers. Wenn demgegenüber dem Sitz einer Agentur im norddeutschen Raum wegen Ortsnähe, Einsatzmöglichkeit bei kurzfristigen Engagements etwa bei Ausfällen und besonderer Förderung des Nachwuchses (in H. Bedeutung beigemessen wurde und sich daraus die Beauftragung von Frau B. und Herrn O. ergab, erscheint die damit verbundene Nichtberücksichtigung des Klägers ebenfalls nicht ermessensmißbräuchlich. Im übrigen hatten sowohl Frau B. (am 22. Mai 1978) als auch Herr O. (am 21. März 1979) ihre Anträge vor dem Kläger gestellt. Die Eigenschaft des Klägers als Schwerkriegsbeschädigter war nicht geeignet, bezüglich des Standortes und der Priorität der Anträge für Ausgleich zu sorgen. Soweit der Kläger auf einer im Jahr 1958 gestellten Antrag in B. hinweist, kann dieser (ungeachtet seiner damaligen Bearbeitung) heute keine Auswirkung mehr haben, nachdem der Kläger ca. 20 Jahre bei dem Beklagten in der Künstlervermittlung tätig war und den Antrag nicht mehr weiterverfolgt hatte.

Soweit der Kläger darauf abhebt, daß die spezielle Sparte Operette/Musical von den vorhandenen Vermittlungseinrichtungen nicht ausreichend betreut werde, wird diese Auffassung weder von der Beklagten noch von den beteiligten Verbänden geteilt. Weitere Ermittlungen der Beklagten oder des Gerichts über die Behauptung des Klägers, weder die Beklagte noch die beauftragten Agenturen seien in der Lage, im Bereich Operette/Musical ausreichend zu vermitteln, waren und sind nach Auffassung des erkennenden Senats nicht erforderlich. Die im Gesetz vorgesehene Anhörung der beteiligten Verbände und der von der Beklagten eingerichtete Beirat Künstlervermittlung (unter erweiterter Beteiligung) stellen ausreichend sicher, daß fehlende Vorsorge im Bereich der Künstlervermittlung alsbald diskutiert und festgestellt wird und zur zusätzlichen Beauftragung oder Abhilfe im Bereich der Beklagten führt. Außerdem ist die Beklagte nach § 6 AFG verpflichtet, Umfang und Art der Beschäftigung sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes, der Berufe und der beruflichen Bildungsmöglichkeiten im allgemeinen und in den einzelnen Wirtschaftszweigen und Wirtschaftsgebieten, auch nach der sozialer Struktur, zu beobachten, zu untersuchen und für die Buchführung der Aufgaben der Bundesanstalt auszuwerten. Den Erkenntnissen der Beklagten über eventuell zusätzlichen Vermittlungsbedarf kommt daher besondere Bedeutung zu (vgl. Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 1. April 1985 – L-10/Ar-89/81). Die Mithilfe des Beirats garantiert eine Objektivierung der Bedarfsermittlung. Die vom Kläger vorgeschlagene Befragung einzelner Intendanten oder Sänger und Schauspieler erscheint demgegenüber keine weitere Aufklärungsmöglichkeit zu bieten, und würde mehr oder weniger zufällige Einzelmeinungen wiedergeben, stellt also kein geeignetes Beweismittel dar.

Soweit der Kläger beanstandet, daß die Beklagte nicht die vollständigen Akten der Frau B. und des Herrn O. vorgelegt habe, sieht der erkennende Senat darin keinen Mangel. In dem Konflikt zwischen dem Anspruch der Mitbewerber B. und O. auf Datenschutz und dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG, ist eine Lösung in der Weise zu finden, das die Daten und Inhalte von der Beklagten nur so weit bekanntgegeben und Inhalt der Entscheidung des Gerichts werden, als sie für die Zwecke des Verfahrens notwendig sind. Der erkennende Senat geht davon aus, daß die zur Entscheidung erforderlichen Unterlagen vorgelegen haben und die nicht abgedeckten Teile zur Beurteilung ausreichen. So ergeben sich zweifelsfrei die Daten der Antragstellung von Frau B. und von Herrn O., die zeitlich vor dem Antrag des Klägers liegen. Ferner lassen sich sowohl die Stellungnahmen der beteiligten Verbände, als auch das Protokoll des Beirates Künstlervermittlung vom 30. April 1984 verwerten. Soweit im letzteren nur der Tagesordnungspunkt 3 fotokopiert ist, kommt es auch nur auf diesen an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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