Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 12 Kg 30/85
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Kg 761/87
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Durch die Aufnahme eines nach deutschem Recht Versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses wird der Status als „Angehöriger” i.S.d. NATO-Truppenstatutes für eine deutsche Staatsangehörige im Rahmen des Systems der sozialen Sicherheit unbeachtlich. Diese Unbeachtlichkeit endet erst dann, wenn der „Angehörige” dem NATO-Truppenmitglied an einen Ort außerhalb des Bundesgebietes folgt und seinen inländischen Wohnsitz aufgibt. Dem „Angehörigen” steht deshalb nicht nur für die Dauer der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ein Anspruch für seine im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes lebenden Kinder zu, sondern auch für einen Zwischenzeitraum, in dem ein solches versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht besteht.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. April 1987 sowie der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 1985 und der Widerspruchsbescheid vom 19. August 1985 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Klägerin zum Bezug von Kindergeld für die Zeit von Februar 1985 bis einschließlich Juni 1985.
Die Klägerin ist 1952 geboren. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Die Klägerin ist seit 1972 mit dem US-amerikanischen Staatsbürger R. St. verheiratet. Aus dieser Ehe sind die Kinder R. (geb. 23. August 1972) und Ch. (geb. 28. Januar 1975) hervorgegangen. Der Ehemann der Klägerin ist Mitglied der US-Army. Er war zwischen 1983 und 1986 in der Bundesrepublik Deutschland stationiert.
Im Dezember 1982 zog die Klägerin mit ihrer Familie nach DD ... Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie in den USA gelebt.
Nach ihrem Umzug nach DD. stand die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland erstmals ab dem 22. August 1983 in einem Versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Dieses Beschäftigungsverhältnis mit Firma W. GmbK endete am 31. August 1984. Anschließend meldete sich die Klägerin arbeitslos. Sie bezog bis zur Anspruchserschöpfung am 9. Januar 1985 Arbeitslosengeld. Einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe stellte die Klägerin nicht. Die Aufgabe ihrer Tätigkeit teilte die Klägerin der Kindergeldkasse der Beklagten mit Schreiben vom 6. Februar 1985 mit. Im Juli 1985 nahm die Klägerin erneut ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auf. Am 4. Juni 1986 übersiedelte sie mit ihrer Familie wieder in die USA. Während des streitbefangenen Zeitraums erhielten weder die Klägerin noch deren Ehemann anderweitige kindergeldähnliche Leistungen.
In der Zeit von August 1983 bis einschließlich Januar 1985 bezog die Klägerin für ihre Kinder R. und Ch. von der Beklagten Kindergeld. Die Bewilligung dieses Kindergeldes war letztmals durch Bescheid vom 16. April 1984 erfolgt. Mit Ablauf des Monats Dezember 1984 wurde die Kindergeldzahlung eingestellt. Die Nachzahlung Januar 1985 erfolgte im Juni desselben Jahres. Zuvor war der Klägerin durch Schreiben der Beklagten vom 17. Dezember 1984 mitgeteilt worden, über die Weiterzahlung des Kindergeldes ab Januar 1985 könne erst dann entschieden werden, wenn eine Bescheinigung des Arbeitgebers über die Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses vorgelegt werde.
Ab Juli 1985 bis zu ihrem Wegzug in die USA erhielt die Klägerin erneut Kindergeld bewilligt.
Durch Bescheid vom 16. Juni 1985 entschied die Geklagte, im Hinblick auf § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch X werde die Bewilligung des Kindergeldes ab Februar 1985 aufgehoben. Da die Klägerin mit dem Mitglied einer ausländischen Truppe der NATO-Streitkräfte verheiratet sei, seien die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit nicht anzuwenden, so daß Kindergeld nicht mehr beansprucht werden könne. Da weder eine der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit unterliegende Beschäftigung als Arbeitnehmer ausgeübt werde, noch Leistungen bei Arbeitslosigkeit oder sonstige Sozialleistungen bezogen würden, komme auch die insoweit geltende Ausnahmeregelung zum NATO-Truppenstatut bzw. zum Zusatzabkommen nicht in Betracht. Mit Ablauf des Monats Januar 1985 seien damit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld weggefallen.
Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 19. August 1985 zurückgewiesen.
Die am 7. September 1985 erhobene Klage hat das Sozialgericht durch Urteil vom 24. April 1987 – unter gleichzeitiger Zulassung der Berufung – abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, ab Februar 1985 sei nach § 48 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 Sozialgesetzbuch X eine Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse eingetreten. Ab diesem Zeitpunkt seien die Bestimmungen über die soziale Sicherheit nach Art. 13 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut auf die Klägerin nicht mehr anzuwenden, da die Klägerin mit einem Mitglied der im Bundesgebiet stationierten NATO-Streitkräfte verheiratet sei und damit als "Angehörige” im Sinne von Art. 1 Abs. 1 c des NATO-Truppenstatuts gelte. Dem stünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Die Tatsache, daß die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, sei insoweit rechtlich unerheblich, da das Bundeskindergeldgesetz nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpfe, sondern an das Territorialstaatsprinzip. Deshalb habe auch nicht die Heirat der Klägerin zur Versagung der Kindergeldansprüche geführt, sondern ihr Auslandsaufenthalt bis Dezember 1982. Dieser habe sie zur "Angehörigen” nach Maßgabe des NATO-Truppenstatuts gemacht und damit die Anwendbarkeit von Art. 13 des Zusatzabkommens herbeigeführt. Da das Kindergeld aus Steuermitteln finanziert werde, schließe das Zusatzabkommen nur dann einen Anspruch auf Kindergeld nicht aus, wenn der Angehörige eines Mitglieds der NATO-Streitkräfte selbst eine der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit unterliegende Beschäftigung ausübe oder aber auf Grund einer solchen Beschäftigung im Bundesgebiet Sozialleistungen erhalte. Dies sei jedoch bei der Klägerin ab Februar 1985 nicht mehr der Fall gewesen. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X über eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligungen seien gegeben. Denn die Klägerin habe weder die Beendigung der am 22. August 1983 aufgenommenen Tätigkeit noch die Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruches rechtzeitig mitgeteilt, obgleich sie hierzu nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet gewesen sei. Da sie auf Grund des Merkblattes der Beklagten gewußt habe, daß ihr ein Anspruch auf Kindergeld dann nicht mehr zustehe, wenn sie keine berufliche Tätigkeit mehr ausübe und auch keine Sozialleistungen mehr erhalte, habe sie ihre Mitteilungspflicht zumindest grobfahrlässig verletzt. Auch auf Grund des am 31. Oktober 1983 ergangenen Bescheides der Beklagten, der bereits einmal – zur später wieder zurückgenommenen – Ablehnung des Leistungsanspruches geführt habe, seien der Klägerin die Voraussetzungen für den Bezug vor. Kindergeld bekannt gewesen.
Gegen das der Klägerin am 3. Juni 1987 zugestellte Urteil richtet sich die am 3. Juli 1987 eingegangene Berufung. Die Klägerin ist der Meinung, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die sich das Sozialgericht bei seiner Entscheidung gestützt habe, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht aufrechtzuerhalten. Insbesondere werde eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und des Rechtsstaatsprinzips gerügt. Beide Grundsätze seien dadurch verletzt, daß eine Deutsche allein wegen ihrer ehelichen Bindung an einen Ausländer gegenüber anderen Deutschen benachteiligt werde.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. April 1987 und den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 1985 sowie den Widerspruchsbescheid vom 19. August 1985 aufzuheben,
hilfsweise,
den Rechtsstreit auszusetzen und zur Prüfung der verfassungsrechtlichen Fragen dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen,
wiederum hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Kindergeldakte der Beklagten (Kg-Nr. ) und die weiterhin beigezogene Akte des Sozialgerichts Darmstadt S-12/Kg-30/85 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und kraft Zulassung statthafte Berufung (§§ 150 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) ist in der Sache begründet. Der Klägerin steht für den streitbefangenen Zeitraum ein Anspruch auf Kindergeld für ihre Kinder P. und Ch. zu. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt sowie die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten waren demzufolge aufzuheben.
Der Kindergeldanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 1 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 BKGG, jeweils in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung. Danach ist ein Kindergeldanspruch – bei Vorliegen der übrigen, hier nicht umstrittenen Voraussetzungen – unter anderem dann gegeben, wenn sowohl der Kindergeldberechtigte als auch die Kinder ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes haben (§ 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 5 BKGGaF). Dies war nach der insoweit maßgeblichen Bestimmung des § 30 Abs. 1 Sozialgesetzbuch I (SBG I) sowohl bei der Klägerin als auch bei deren Kindern im streitbefangenen Zeitraum der Fall.
Auch über- oder zwischenstaatliches Recht (§ 30 Abs. 2 SGB I) steht der Anwendung dieser Bestimmungen nicht entgegen. Insbesondere hindern die Regelungen des NATO-Truppenstatuts vom 19. Juni 1961 (BGBl. 1961 II, S. 1190) und des Zusatzabkommens zum Truppenstatut vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II, S. 1183) in der Fassung vom 21. Oktober 1971 (BGBl. 1973 II, S. 1022) die Anwendbarkeit des Bundeskindergeldgesetzes bzw. des § 30 SGB I nicht.
Zwar hatte – insoweit ist der Auffassung der Beklagten zuzustimmen – die Klägerin, durch ihren gemeinsamen langjährigen Aufenthalt mit ihrem bei der US-Army tätigen Ehemann in den USA, den Status als "Angehörige” des Mitglieds einer Truppe i.S.v. Art. I Abs. I Abs. 1c NATO-Truppenstatut erworben. Als die Klägerin 1982 mit ihrem Ehemann in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrte, führte dies demzufolge – jedenfalls zunächst – dazu, daß sie – wie das Bundessozialgericht mehrfach entschieden hat (vgl. insbes. BSG Urteil vom 20. März 1981 – 10/8b RKg 7/80 = SozR 6180 Art. 13 Nr. 2) – nach Art. 13 I des Zusatzabkommens vom Anspruch auf Kindergeld ausgeschlossen war.
Eine Änderung dieses Status trat jedoch im Augenblick ein – und insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von den bisher vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen – als die Klägerin mit dem 22. August 1983 in der Bundesrepublik Deutschland bei Firma W. GmbH ein Beschäftigungsverhältnis aufnahm. Mit der Aufnahme dieses Beschäftigungsverhältnisses wurde die Angehörigeneigenschaft für den hier infrage stehenden Anspruch auf Sozialleistungen unbeachtlich. Denn dieses Beschäftigungsverhältnis bestand außerhalb des Rahmens der dem NATO-Truppenstatut zuzurechnenden Betätigungen (vgl. dazu BSG Urteil vom 8. Oktober 1981 – 7 RAr 30/80 = SozR 6180 Art. 13 Nr. 3), so daß insoweit auch die inländischen Bestimmungen über soziale Sicherheit wieder zur Anwendung kamen. In der tatsächlich erfolgten Kindergeldgewährung durch die Beklagte ab August 1983 hat dies auch hinsichtlich der Anwendbarkeit des Bundeskindergeldgesetzes seinen sichtbaren Niederschlag gefunden.
Die dadurch erworbene Rechtsstellung, die zur Unbeachtlichkeit des Status als "Angehörige” i.S.d. NATO-Truppenstatuts geführt hat, ging der Klägerin nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei Firma W. GmbH jedenfalls für die Dauer des vorliegend umstrittenen Zeitraums – nach dem Ende dieses Zeitraums wurde der Klägerin im Hinblick auf die erneute Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses ohnehin wieder Kindergeld gewährt – nicht wieder verloren. Zwar kennt das Bundeskindergeldgesetz im eigentlichen Sinne keine Anwartschaftsbegründung für den Bezug von Kindergeld. Auch die frühere anwartschaftsähnliche Regelung zum Beispiel des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1978 geltenden Fassung ist zwischenzeitlich weggefallen. Dem Senat erscheint es indes nicht gerechtfertigt, den Bezug des Kindergeldes lediglich für den Zeitraum zuzugestehen, für den – wie das hier geschehen ist – andere Sozialleistungen wie zum Beispiel das Arbeitslosengeld, tatsächlich gewährt worden sind. Eine solche Anbindung an Anwartschaftsregelungen aus anderen Gesetzen und die darauf beruhende zeitliche Begrenzung des Leistungsanspruchs auf Kindergeld, kann jedoch weder aus dem NATO-Truppenstatut noch aus dem Zusatzabkommen abgeleitet werden. Insbesondere steht auch Art. 13 Abs. 1 Satz 2 des Zusatzabkommens, der die Aufrechterhaltung von Rechtsansprüchen aus früheren Aufenthalten ermöglicht, dieser Annahme nicht entgegen. Der Verlust der – in Bezug auf den Kindergeldanspruch – eingetretenen Rechtsstellung läßt sich nach Auffassung des Senats vielmehr sachgerecht nur an den Zeitpunkt anbinden, an dem der Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes dadurch endet, daß der "Angehörige” dem NATO-Truppenmitglied an einen Ort außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes folgt. Erst in diesem Zeitpunkt liegt die Lösung aus dem System der sozialen Sicherheit vor, die ihrerseits eine Beendigung des Kindergeldanspruchs rechtfertigt. Dieser Zeitpunkt liegt jedoch im Falle der Klägerin mehr als ein Jahr nach Ablauf des vorliegend umstrittenen Zeitraums so daß der Klägerin für die Zeit von Februar 1985 bis einschließlich Juni 1985 ein Kindergeldanspruch zugestanden werden muß.
Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 16. Juni 1985 und vom 19. August 1985 waren demzufolge aufzuheben. Die erfolgreiche Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG stellt ihrerseits die vor Erlaß dieser Bescheide bestehende Rechtslage wieder her, die durch die zuletzt durch Bescheid vom 16. April 1984 unbefristet erfolgte Kindergeldbewilligung gekennzeichnet war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat gemäß § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
II. Die Beklagte hat der Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Klägerin zum Bezug von Kindergeld für die Zeit von Februar 1985 bis einschließlich Juni 1985.
Die Klägerin ist 1952 geboren. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Die Klägerin ist seit 1972 mit dem US-amerikanischen Staatsbürger R. St. verheiratet. Aus dieser Ehe sind die Kinder R. (geb. 23. August 1972) und Ch. (geb. 28. Januar 1975) hervorgegangen. Der Ehemann der Klägerin ist Mitglied der US-Army. Er war zwischen 1983 und 1986 in der Bundesrepublik Deutschland stationiert.
Im Dezember 1982 zog die Klägerin mit ihrer Familie nach DD ... Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie in den USA gelebt.
Nach ihrem Umzug nach DD. stand die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland erstmals ab dem 22. August 1983 in einem Versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Dieses Beschäftigungsverhältnis mit Firma W. GmbK endete am 31. August 1984. Anschließend meldete sich die Klägerin arbeitslos. Sie bezog bis zur Anspruchserschöpfung am 9. Januar 1985 Arbeitslosengeld. Einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe stellte die Klägerin nicht. Die Aufgabe ihrer Tätigkeit teilte die Klägerin der Kindergeldkasse der Beklagten mit Schreiben vom 6. Februar 1985 mit. Im Juli 1985 nahm die Klägerin erneut ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auf. Am 4. Juni 1986 übersiedelte sie mit ihrer Familie wieder in die USA. Während des streitbefangenen Zeitraums erhielten weder die Klägerin noch deren Ehemann anderweitige kindergeldähnliche Leistungen.
In der Zeit von August 1983 bis einschließlich Januar 1985 bezog die Klägerin für ihre Kinder R. und Ch. von der Beklagten Kindergeld. Die Bewilligung dieses Kindergeldes war letztmals durch Bescheid vom 16. April 1984 erfolgt. Mit Ablauf des Monats Dezember 1984 wurde die Kindergeldzahlung eingestellt. Die Nachzahlung Januar 1985 erfolgte im Juni desselben Jahres. Zuvor war der Klägerin durch Schreiben der Beklagten vom 17. Dezember 1984 mitgeteilt worden, über die Weiterzahlung des Kindergeldes ab Januar 1985 könne erst dann entschieden werden, wenn eine Bescheinigung des Arbeitgebers über die Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses vorgelegt werde.
Ab Juli 1985 bis zu ihrem Wegzug in die USA erhielt die Klägerin erneut Kindergeld bewilligt.
Durch Bescheid vom 16. Juni 1985 entschied die Geklagte, im Hinblick auf § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch X werde die Bewilligung des Kindergeldes ab Februar 1985 aufgehoben. Da die Klägerin mit dem Mitglied einer ausländischen Truppe der NATO-Streitkräfte verheiratet sei, seien die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit nicht anzuwenden, so daß Kindergeld nicht mehr beansprucht werden könne. Da weder eine der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit unterliegende Beschäftigung als Arbeitnehmer ausgeübt werde, noch Leistungen bei Arbeitslosigkeit oder sonstige Sozialleistungen bezogen würden, komme auch die insoweit geltende Ausnahmeregelung zum NATO-Truppenstatut bzw. zum Zusatzabkommen nicht in Betracht. Mit Ablauf des Monats Januar 1985 seien damit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld weggefallen.
Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 19. August 1985 zurückgewiesen.
Die am 7. September 1985 erhobene Klage hat das Sozialgericht durch Urteil vom 24. April 1987 – unter gleichzeitiger Zulassung der Berufung – abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, ab Februar 1985 sei nach § 48 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 Sozialgesetzbuch X eine Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse eingetreten. Ab diesem Zeitpunkt seien die Bestimmungen über die soziale Sicherheit nach Art. 13 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut auf die Klägerin nicht mehr anzuwenden, da die Klägerin mit einem Mitglied der im Bundesgebiet stationierten NATO-Streitkräfte verheiratet sei und damit als "Angehörige” im Sinne von Art. 1 Abs. 1 c des NATO-Truppenstatuts gelte. Dem stünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Die Tatsache, daß die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, sei insoweit rechtlich unerheblich, da das Bundeskindergeldgesetz nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpfe, sondern an das Territorialstaatsprinzip. Deshalb habe auch nicht die Heirat der Klägerin zur Versagung der Kindergeldansprüche geführt, sondern ihr Auslandsaufenthalt bis Dezember 1982. Dieser habe sie zur "Angehörigen” nach Maßgabe des NATO-Truppenstatuts gemacht und damit die Anwendbarkeit von Art. 13 des Zusatzabkommens herbeigeführt. Da das Kindergeld aus Steuermitteln finanziert werde, schließe das Zusatzabkommen nur dann einen Anspruch auf Kindergeld nicht aus, wenn der Angehörige eines Mitglieds der NATO-Streitkräfte selbst eine der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit unterliegende Beschäftigung ausübe oder aber auf Grund einer solchen Beschäftigung im Bundesgebiet Sozialleistungen erhalte. Dies sei jedoch bei der Klägerin ab Februar 1985 nicht mehr der Fall gewesen. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X über eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligungen seien gegeben. Denn die Klägerin habe weder die Beendigung der am 22. August 1983 aufgenommenen Tätigkeit noch die Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruches rechtzeitig mitgeteilt, obgleich sie hierzu nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet gewesen sei. Da sie auf Grund des Merkblattes der Beklagten gewußt habe, daß ihr ein Anspruch auf Kindergeld dann nicht mehr zustehe, wenn sie keine berufliche Tätigkeit mehr ausübe und auch keine Sozialleistungen mehr erhalte, habe sie ihre Mitteilungspflicht zumindest grobfahrlässig verletzt. Auch auf Grund des am 31. Oktober 1983 ergangenen Bescheides der Beklagten, der bereits einmal – zur später wieder zurückgenommenen – Ablehnung des Leistungsanspruches geführt habe, seien der Klägerin die Voraussetzungen für den Bezug vor. Kindergeld bekannt gewesen.
Gegen das der Klägerin am 3. Juni 1987 zugestellte Urteil richtet sich die am 3. Juli 1987 eingegangene Berufung. Die Klägerin ist der Meinung, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die sich das Sozialgericht bei seiner Entscheidung gestützt habe, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht aufrechtzuerhalten. Insbesondere werde eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und des Rechtsstaatsprinzips gerügt. Beide Grundsätze seien dadurch verletzt, daß eine Deutsche allein wegen ihrer ehelichen Bindung an einen Ausländer gegenüber anderen Deutschen benachteiligt werde.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. April 1987 und den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 1985 sowie den Widerspruchsbescheid vom 19. August 1985 aufzuheben,
hilfsweise,
den Rechtsstreit auszusetzen und zur Prüfung der verfassungsrechtlichen Fragen dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen,
wiederum hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird im übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Kindergeldakte der Beklagten (Kg-Nr. ) und die weiterhin beigezogene Akte des Sozialgerichts Darmstadt S-12/Kg-30/85 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und kraft Zulassung statthafte Berufung (§§ 150 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) ist in der Sache begründet. Der Klägerin steht für den streitbefangenen Zeitraum ein Anspruch auf Kindergeld für ihre Kinder P. und Ch. zu. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt sowie die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten waren demzufolge aufzuheben.
Der Kindergeldanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 1 Nr. 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 BKGG, jeweils in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung. Danach ist ein Kindergeldanspruch – bei Vorliegen der übrigen, hier nicht umstrittenen Voraussetzungen – unter anderem dann gegeben, wenn sowohl der Kindergeldberechtigte als auch die Kinder ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes haben (§ 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 5 BKGGaF). Dies war nach der insoweit maßgeblichen Bestimmung des § 30 Abs. 1 Sozialgesetzbuch I (SBG I) sowohl bei der Klägerin als auch bei deren Kindern im streitbefangenen Zeitraum der Fall.
Auch über- oder zwischenstaatliches Recht (§ 30 Abs. 2 SGB I) steht der Anwendung dieser Bestimmungen nicht entgegen. Insbesondere hindern die Regelungen des NATO-Truppenstatuts vom 19. Juni 1961 (BGBl. 1961 II, S. 1190) und des Zusatzabkommens zum Truppenstatut vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II, S. 1183) in der Fassung vom 21. Oktober 1971 (BGBl. 1973 II, S. 1022) die Anwendbarkeit des Bundeskindergeldgesetzes bzw. des § 30 SGB I nicht.
Zwar hatte – insoweit ist der Auffassung der Beklagten zuzustimmen – die Klägerin, durch ihren gemeinsamen langjährigen Aufenthalt mit ihrem bei der US-Army tätigen Ehemann in den USA, den Status als "Angehörige” des Mitglieds einer Truppe i.S.v. Art. I Abs. I Abs. 1c NATO-Truppenstatut erworben. Als die Klägerin 1982 mit ihrem Ehemann in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrte, führte dies demzufolge – jedenfalls zunächst – dazu, daß sie – wie das Bundessozialgericht mehrfach entschieden hat (vgl. insbes. BSG Urteil vom 20. März 1981 – 10/8b RKg 7/80 = SozR 6180 Art. 13 Nr. 2) – nach Art. 13 I des Zusatzabkommens vom Anspruch auf Kindergeld ausgeschlossen war.
Eine Änderung dieses Status trat jedoch im Augenblick ein – und insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von den bisher vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen – als die Klägerin mit dem 22. August 1983 in der Bundesrepublik Deutschland bei Firma W. GmbH ein Beschäftigungsverhältnis aufnahm. Mit der Aufnahme dieses Beschäftigungsverhältnisses wurde die Angehörigeneigenschaft für den hier infrage stehenden Anspruch auf Sozialleistungen unbeachtlich. Denn dieses Beschäftigungsverhältnis bestand außerhalb des Rahmens der dem NATO-Truppenstatut zuzurechnenden Betätigungen (vgl. dazu BSG Urteil vom 8. Oktober 1981 – 7 RAr 30/80 = SozR 6180 Art. 13 Nr. 3), so daß insoweit auch die inländischen Bestimmungen über soziale Sicherheit wieder zur Anwendung kamen. In der tatsächlich erfolgten Kindergeldgewährung durch die Beklagte ab August 1983 hat dies auch hinsichtlich der Anwendbarkeit des Bundeskindergeldgesetzes seinen sichtbaren Niederschlag gefunden.
Die dadurch erworbene Rechtsstellung, die zur Unbeachtlichkeit des Status als "Angehörige” i.S.d. NATO-Truppenstatuts geführt hat, ging der Klägerin nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei Firma W. GmbH jedenfalls für die Dauer des vorliegend umstrittenen Zeitraums – nach dem Ende dieses Zeitraums wurde der Klägerin im Hinblick auf die erneute Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses ohnehin wieder Kindergeld gewährt – nicht wieder verloren. Zwar kennt das Bundeskindergeldgesetz im eigentlichen Sinne keine Anwartschaftsbegründung für den Bezug von Kindergeld. Auch die frühere anwartschaftsähnliche Regelung zum Beispiel des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1978 geltenden Fassung ist zwischenzeitlich weggefallen. Dem Senat erscheint es indes nicht gerechtfertigt, den Bezug des Kindergeldes lediglich für den Zeitraum zuzugestehen, für den – wie das hier geschehen ist – andere Sozialleistungen wie zum Beispiel das Arbeitslosengeld, tatsächlich gewährt worden sind. Eine solche Anbindung an Anwartschaftsregelungen aus anderen Gesetzen und die darauf beruhende zeitliche Begrenzung des Leistungsanspruchs auf Kindergeld, kann jedoch weder aus dem NATO-Truppenstatut noch aus dem Zusatzabkommen abgeleitet werden. Insbesondere steht auch Art. 13 Abs. 1 Satz 2 des Zusatzabkommens, der die Aufrechterhaltung von Rechtsansprüchen aus früheren Aufenthalten ermöglicht, dieser Annahme nicht entgegen. Der Verlust der – in Bezug auf den Kindergeldanspruch – eingetretenen Rechtsstellung läßt sich nach Auffassung des Senats vielmehr sachgerecht nur an den Zeitpunkt anbinden, an dem der Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes dadurch endet, daß der "Angehörige” dem NATO-Truppenmitglied an einen Ort außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes folgt. Erst in diesem Zeitpunkt liegt die Lösung aus dem System der sozialen Sicherheit vor, die ihrerseits eine Beendigung des Kindergeldanspruchs rechtfertigt. Dieser Zeitpunkt liegt jedoch im Falle der Klägerin mehr als ein Jahr nach Ablauf des vorliegend umstrittenen Zeitraums so daß der Klägerin für die Zeit von Februar 1985 bis einschließlich Juni 1985 ein Kindergeldanspruch zugestanden werden muß.
Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 16. Juni 1985 und vom 19. August 1985 waren demzufolge aufzuheben. Die erfolgreiche Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG stellt ihrerseits die vor Erlaß dieser Bescheide bestehende Rechtslage wieder her, die durch die zuletzt durch Bescheid vom 16. April 1984 unbefristet erfolgte Kindergeldbewilligung gekennzeichnet war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat gemäß § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
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