L 6 Kg 36/88

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 12 Kg 8/85
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Kg 36/88
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Verbleiben an einem Studienort ist der Natur der Sache nach vorübergehender Art, es sei denn, daß sich gleichzeitig Umstände ergeben, die entgegen diesem Erfahrungssatz darauf schließen lassen, daß mit dem Beginn einer solchen weiteren Ausbildung zugleich eine dauerhafte Lösung von den bisherigen örtlichen Lebensverhältnissen verbunden ist. Wird deshalb ein Studium an einer ausländischen Hochschule aufgenommen, so steht dies auch bei einem Kind, das nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt, der Beibehaltung seines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts grundsätzlich nicht entgegen, wenn dieses Kind nicht im Land seiner ausländischen Staatsangehörigkeit ein solches Studium betreibt.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. November 1987 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 1985 wird hinsichtlich der Aufhebung des Kindergeldes für den Sohn D. des Klägers in vollem Umfang und hinsichtlich des Sohnes Da. für die Zeit ab 1. August 1984 bis einschließlich Juli 1988 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger für seine Söhne D. und Da. über den Monat Juli 1984 hinaus Kindergeld zusteht. Für D. steht dabei die unbefristete Kindergeldgewährung im Streit, für Da. die Zeit bis Juli 1988.

Der Kläger ist 1934 geboren. Er ist niederländischer Staatsangehöriger. Der Kläger hat acht Kinder, von denen vier Kinder von ihm und seiner gleichfalls niederländischen Ehefrau adoptiert worden sind. Zwischen 1967 und Juni 1980 arbeitete der Kläger als theologischer Berater der Niederländisch-Reformierten Kirche in Israel. Seit seinem anschließenden Umzug in die Bundesrepublik Deutschland ist der Kläger als Generalsekretär des Internationalen Rates der Ch. und J. e.V. – M-B-Haus – in XX. tätig.

In der Familie des Klägers wird überwiegend niederländisch, daneben auch englisch und deutsch gesprochen.

D. S. ist am 11. Juli 1964 in den Niederlanden geboren. Er ist der leibliche Sohn des Klägers.

Da. S. ist am 3. Juni 1966 geboren. Er ist der Adoptivsohn des Klägers. Da. verfügt wie sein Bruder D. über die niederländische Staatsangehörigkeit. Nach Auffassung des Klägers ist Da. darüber hinaus auch noch äthiopischer Staatsangehöriger.

D. S. besuchte zunächst in J. die Anglican-School und seit 1980 die "Frankfurt International School” in O ... Bei der "Frankfurt International School” handelt es sich um eine staatlich anerkannte Privatschule mit Englisch als Unterrichtssprache, an der ein Abschluß absolviert werden kann, der dem US-amerikanischen High School Diplom entspricht. Diesen Schulabschluß erreichte Da. im Jahre 1983. Danach war er Student an der "Schiller International University” in H ... Die Schiller International University in H. ist ein College nach amerikanischem Vorbild. Der einjährige College-Besuch berechtigte D. dazu, an einer israelischen Universität zu studieren. Bis zum Abschluß dieses Studienjahres bezog der Kläger für seinen Sohn D. von der Beklagten Kindergeld. Ab Oktober 1984 studierte D. an der Hebräischen Universität J ... Zunächst war er dort in den Fächern Internationale Beziehungen und Politische Wissenschaften eingeschrieben. Nach dem ersten Studienjahr wechselte D. S. das Studienfach Politische Wissenschaften und studierte stattdessen Jüdische Geschichte. Im Dezember 1988 schloß er sein Studium in J. mit dem Bachelor of Arts in diesen Studienfächern ab. Im Februar 1989 nahm D. ein Studium am "H. U. College” in C./O. (USA) auf. D. S. beabsichtigt, dieses Studium mit dem M.A.-Grad abzuschließen. In J. wohnte D. S. zunächst in einem Studentenwohnheim. Ab Oktober 1987 wurde von ihm ein Privatzimmer angemietet. Während der Zeit seines Studiums in J. kehrte D. jeweils zweimal im Jahr für die Dauer der Semesterferien in die Wohnung seiner Eltern zurück. In den Jahren seit 1984 waren dies jährlich durchschnittlich etwa vier Monate. D. S. spricht sowohl niederländisch als auch englisch, deutsch sowie hebräisch. Er wurde im Erörterungstermin vom 10. November 1988 im einzelnen zu seinen weiteren beruflichen und persönlichen Absichten als Zeuge gehört.

Der Adoptivsohn Da. des Klägers kam im Alter von 12 Jahren in die Familie des Klägers, als dieser in Israel wohnte. Er stammt aus einer christlichen äthiopischen Familie. Vor seiner Aufnahme durch den Kläger lebte er in J. in einem Waisenheim. Die leibliche Mutter von Da. lebt in Israel. Zu seiner leiblichen Mutter hat Da. nur noch gelegentlich Kontakt. Der letzte persönliche Besuch fand nach der Erinnerung von Da. im Jahre 1984 oder 1985 statt. Rechtlich wurde Daniel 1981 vom Kläger adoptiert. Als Da. mit seinen Eltern 1980 in die Bundesrepublik Deutschland kam, besuchte er gleichfalls die "F. International School” in O ... Er hat dort ebenfalls das amerikanische High School-Diplom abgelegt und das Internationale Baccalaureat-Diplom bestanden.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses der "F. International School” sprach Da praktisch noch kein Deutsch, sondern ausschließlich niederländisch und englisch. Heute spricht Daniel – ebenso wie seine Brüder J. und D. ein nahezu fehlerfreies deutsch. Der Schulabschluß an der F. International School von Da. erfolgte im Juli 1984. Seit September 1984 war Da. als Stipendiat Student an der R. University in C./I. (USA), an der er im Mai 1988 den Bachelor of Science in Business Administration ablegte. Während des Studiums in den USA wohnte Da. S. in einem Studentenwohnheim. Während der vorlesungsfreien Zeit zwischen Ende Mai und Ende August kehrte er in den Jahren zwischen 1984 und 1988 jeweils zu seinen Eltern nach H. zurück. Seit August 1988 studiert Da. S. an dem staatlich anerkannten "International College of Business Administration” in Z./N ... Seit diesem Zeitpunkt erhält der Kläger für seinen Sohn Da. wieder Kindergeld.

Für D. und Da. hatte der Kläger bis einschließlich Juli 1984 Kindergeld bezogen. Durch Bescheid vom 10. Oktober 1984 wurde die Leistungsbewilligung unter Bezugnahme auf § 48 Sozialgesetzbuch X ab August 1984 für beide Kinder aufgehoben. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1985 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, D. und Da. hätten mit Ablauf des Monats Juli 1984 ihre Schulausbildung beendet und im Anschluß daran ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben. Beide Kinder hätten sich ins Ausland begeben und wohnten dort unter Umständen, die erkennen ließen, daß sie dort nicht nur vorübergehend verweilten. D. besitze die niederländische Staatsangehörigkeit und habe eine englischsprachige internationale Schule besucht. Er verfüge über keinen dem deutschen Abitur entsprechenden Schulabschluß, so daß es ihm gar nicht möglich gewesen wäre, in der Bundesrepublik Deutschland zu studieren. Zu diesem Land bestünden deshalb keine festen Bindungen. Es sei demzufolge auch davon auszugehen, daß der spätere Beruf im Ausland ausgeübt werden solle. Das gleiche gelte auch für das Kind Da., nur mit dem Unterschied, daß dieses zwar einen dem deutschen Abitur entsprechenden Schulabschluß habe, in der Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht studieren könne, weil Da. kein deutsch spreche.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger am 25. Februar 1985 Klage erhoben, die das Sozialgericht durch Urteil vom 13. November 1987 abgewiesen hat. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, mit Aufnahme seines Studiums in J. habe für D. kein Anspruch auf Kindergeld mehr bestanden. Ab diesem Zeitpunkt sei der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt im Bundesgebiet aufgegeben worden. Gleiches gelte für Da. hinsichtlich seiner Studienaufnahme in den USA. Für die Beurteilung, ob die Kinder des Klägers den Wohnsitz bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet durch die Studienaufnahme aufgegeben hätten, sei von Bedeutung, ob die bisherige, mit dem Kläger und seiner Ehefrau bestehende Lebensgemeinschaft von den Kindern aufgegeben worden oder lediglich eine zeitlich absehbare Unterbrechung eingetreten sei. Eine bloße Unterbrechung der Wohn- und Lebensgemeinschaft während der Ausbildung in Ausland werde dann in der Regel zu bejahen sein, wenn mit einer Rückkehr und einem anschließenden Verbleib des Kindes im Bundesgebiet nach Abschluß der Ausbildung zu rechnen sei. Ein solcher Sachverhalt sei jedoch weder hinsichtlich des Kindes D. noch hinsichtlich des Kindes Da. gegeben. Die Gesamtumstände sprächen vielmehr dafür, daß Da. nach Abschluß seiner Ausbildung seine berufliche Zukunft im Ausland sehe. Gleiches gelte für D. Auch wenn D. möglicherweise ins Auge gefaßt habe, ggf. auch in Deutschland berufstätig zu werden, sei in seinem Falle jedoch zu berücksichtigen, daß er aufgrund des relativ kurzen Aufenthaltes in der Bundesrepublik mit den hiesigen Lebensgewohnheiten noch nicht fest verwurzelt gewesen und es deshalb unwahrscheinlich sei, daß er gerade hier seinen Berufsweg beginnen werde. Der Ausschluß der Kindergeldgewährung für D. und Da. verstoße auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 der EWG-Verordnung 1408/71. Denn die tatsächlichen Verhältnisse, in denen sich die Söhne des Klägers befänden, unterschieden sich insoweit wesentlich von den Fällen, in denen sich Kinder deutscher Eltern nur vorübergehend im Ausland zur Schul- oder Berufsausbildung aufhielten. In diesen Fällen sei in der Regel ein absehbarer Rückkehrzeitpunkt ins Auge gefaßt. Die in § 2 Abs. 5 BKGG getroffene Regelung sei aus diesem Grunde auch nicht verfassungswidrig. Soweit die Beklagte die getroffene Entscheidung auf § 48 SGB X gestützt habe, sei dies rechtlich ohne Belang. Denn letztlich handele es sich bei der Entscheidung der Beklagten um die Ablehnung der begehrten Weiterbewilligung des Kindergeldes ab August 1984. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 SGB X komme es deshalb nicht an.

Gegen das am 5. Januar 1988 zur Post ausgelieferte Urteil richtet sich die bereits nach der Urteilsverkündung am 15. Dezember 1987 eingelegte Berufung. Der Kläger ist der Auffassung, seine Söhne D. und Da. verfügten im streitbefangenen Zeitraum nach, wie vor über ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in H ... Während der vorlesungsfreien Zeit hielten sie sich weiterhin zu Hause in H. auf. Auch vom Finanzamt Bensheim würden deshalb entsprechende Kinderfreibeträge sowie die Ausbildungsfreibeträge bei der Einkommens Steuerbemessung berücksichtigt. Selbst wenn seine Kinder – was durchaus nicht sicher sei – nach dem Besuch der ausländischen Lehranstalten nicht in Deutschland, sondern z.B. in den Niederlanden ihren Beruf aufnähmen, stehe ihm eine Kindergeldbewilligung für die vorliegend umstrittenen Zeiträume bereits aufgrund der einschlägigen EG-Bestimmungen zu.

Der zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene und nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. November 1987 den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 1985 hinsichtlich der Aufhebung des Kindergeldes für seinen Sohn D in vollem Umfang und hinsichtlich des Sohnes Da. für die Zeit ab 1. August 1984 bis einschließlich Juli 1988 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend. Sie ist im übrigen der Meinung, Art. 3 der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 finde im vorliegenden Fall schon deshalb keine Anwendung, weil sowohl D. als auch Da. während der streitbefangenen Zeiträume nicht in einem Mitgliedsstaat der EG wohnten.

Der Sohn D des Klägers wurde im Erörterungstermin vom 10. November 1988 und der Sohn Da. im Erörterungstermin vom 15. Dezember 1988 als Zeuge angehört. Auf die darüber gefertigten Sitzungsniederschriften wird ebenso Bezug genommen wie auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Kindergeldakte der Beklagten (XXXXX).

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach §§ 27 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG), 144 ff SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist auch begründet. Dem Kläger steht für seine Söhne D. und Da. über den Monat Juli 1984 hinaus Kindergeld zu. Für D. gilt dies ohne Befristung; für Da. besteht dieser Anspruch bis zur erneuten Aufnahme der Kindergeldzahlung im August 1988. Die gegenteiligen Bescheide der Beklagten, denen die Annahme einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen bzw. rechtlichen Verhältnisse (§ 48 Abs. 1 SGB X) zugrunde lag, waren demzufolge aufzuheben.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 BKGG werden Kinder, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, bei der Kindergeldgewährung nur berücksichtigt, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden.

Daß dies für D. und Da. im streitbefangenen Zeitraum der Fall war, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Auch der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Nicht maßgeblich ist dabei, inwieweit die hebräische Universität J. und das "H. U. College” in C. sowie die R. University in C. inländischen weiterbildenden Schulen bzw. Hochschulen gleichstehen (BSG, Urteil vom 25. November 1986 – lla RA 66/85 = SozR 2200 § 1259 Nr. 96 m.w.N.).

Der dadurch begründete Kindergeldanspruch wird auch nicht durch § 2 Abs. 5 Satz 1 BKGG ausgeschlossen.

§ 2 Abs. 5 Satz 1 BKGG sieht vor, daß Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, bei der Kindergeldbewilligung nicht berücksichtigt werden, wenn die Berechtigten bzw. ihre Kinder nicht zum Kreis derer gehören, die – was vorliegend nicht zutrifft – in Satz 2 und Satz 3 dieser Bestimmung genannt sind.

Die Beklagte und ihr folgend das Sozialgericht haben das Vorliegen eines Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthaltes von D. und Da. S. im Geltungsbereich des BKGG verneint. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.

Seinen Wohnsitz hat nach § 30 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch I (SGB I) jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I).

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts haben D. und Da. S. ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt, der unzweifelhaft bis einschließlich Juli 1984 im Geltungsbereich des BKGG lag, danach nicht anderweitig begründet, sondern diesen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG beibehalten.

Die Begriffsbestimmungen des § 30 Abs. 3 SGB I stimmen mit den im Steuerrecht geltenden Begriffen "Wohnsitz” und "gewöhnlicher Aufenthalt” im Sinne der §§ 8 und 9 Abgabenordnung (AO) überein (Ständige Rechtsprechung, vgl. BSG SozR 5870 § 1 Nr. 4, 6). Im Gegensatz zu den §§ 7 und 8 BGB ist, was bereits aus dem Wortlaut der maßgeblichen Bestimmungen hervorgeht, nicht der Wille eines Menschen, an einem Ort einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen, entscheidend. Ausschlaggebend sind vielmehr die tatsächlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten.

Aufgrund der tatsächlichen und, wirtschaftlichen Gegebenheiten kann vorliegend indes nicht davon ausgegangen werden, daß der Studienort von D. in J. und später in Cincinnatti sowie der Studienort von Da. in Chicago deren neuer Lebensmittelpunkt – unter gleichzeitiger Aufgabe des bisherigen Lebensmittelpunktes in der Bundesrepublik Deutschland – geworden ist.

Das Verbleiben an einem Studienort ist der Natur der Sache nach vorübergehender Art, es sei denn, daß sich gleichzeitig Umstände ergeben, die entgegen diesem Erfahrungssatz darauf schließen lassen, daß mit dem Beginn einer solchen weiteren Ausbildung zugleich eine dauerhafte Lösung von bisherigen örtlichen Lebensverhältnissen verbunden ist.

Eine solche Änderung hat das Bundessozialgericht bei minderjährigen Kindern von Gastarbeitern angenommen, die zur Schul- oder Berufsausbildung auf nicht absehbare Zeit in ihre Heimatländer zurückkehren (BSG, Urteile vom 17. Dezember 1981 – 10 RKg 12/81 = SozR 5870 § 2 Nr. 25; 10 RKg 6/81 = DBlR Nr. 2662 a, § 2 BKGG; Urteil vom 22. Mai 1984 – 10 RKg 3/83 = SozR 5870, § 2 Nr. 33 m.w.N.). Das Bundes Sozialgericht hat bei einer solchermaßen erfolgten Ausgliederung aus der im Geltungsbereich des BKGG lebenden Familie geschlossen, daß dadurch zugleich der inländische Wohnsitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt aufgegeben worden ist.

Um eine solche Fallgestaltung handelt es sich vorliegend indes nicht. Weder D. noch Da. sind zum Studium in ihr "Heimatland” – im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wäre dies wohl das Land, deren Staatsangehörigkeit D. und Da. besitzen – zurückgekehrt, sondern sind in ein "Drittland”, nämlich Israel bzw. die USA, gegangen. Nach den glaubhaften Bekundungen von D. anläßlich seiner Einvernahme am 10. November 1988 geschah dies mit dem erklärten und zugleich darauf beschränkten Ziel, einen entsprechenden Studienabschluß zu erwerben und nicht mit dem Ziel, sich dort nach Abschluß des Studiums dauerhaft – oder jedenfalls auf nicht absehbare Zeit – niederzulassen. Das gleiche ergibt sich aus der Aussage von Da. S. im Termin vom 15. Dezember 1988. D. sieht für sich die besten beruflichen Möglichkeiten nach Abschluß des Studiums in Deutschland. Auch Da will nach seinen Bekundungen in West-Europa bleiben und sieht seine berufliche Perspektiven nicht in den USA; auch Israel oder etwa Äthiopien kommen nach seinen glaubhaften Bekundungen für ihn nicht in Betracht, zumal auch der Kontakt mit seiner leiblichen Mutter nur noch sehr sporadisch ist und sich auch aus diesen Umständen keine gegenteilige Annahme rechtfertigen läßt. Eine dauerhafte Niederlassung in denjenigen Ländern, in denen D. und Da. studieren, hätte ohnehin zur Voraussetzung gehabt – und insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung gleichfalls von den vom Bundes Sozialgericht hinsichtlich der Kinder von Gastarbeitern entschiedenen Fällen (BSG a.a.O.) – daß auch aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen hierfür vorhanden wären. Dafür gibt es jedoch vorliegend keine Anhaltspunkte. Bei den Kindern von Gastarbeitern ist ein solches Aufenthaltsrecht indes stets durch die bestehende Staatsangehörigkeit des betreffenden Heimatlandes gewährleistet. Auch dies kennzeichnet den Aufenthalt von D. und Da. in Israel bzw. den USA als vorübergehend (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 22. März 1988 – 8/5a RKn 11/87). Daß sich sowohl D. als auch Da. anläßlich ihrer Einvernahme ausdrücklich dazu bekannt haben, Lebensmittelpunkt sei für sie weiterhin der Ort der Wohnung ihrer Eltern, spricht gleichfalls für die Beibehaltung des bisherigen Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthaltes, zumal der Senat keinen Zweifel daran hat, daß die Aufrechterhaltung der Wohnsitznahme bzw. des gewöhnlichen Aufenthaltes im Hause ihrer Eltern für die Dauer des Auslandstudiums auch in tatsächlicher Hinsicht gewährleistet war. Dafür spricht nicht zuletzt der Umstand, daß D. und Da. während der vorlesungsfreien Zeit im Sommer und zu Weihnachten jeweils zu ihrer Familie – bei der ein Zimmer zur Verfügung stand – zurückgekehrt sind. Bei D. war dies seit August 1984 bis zum Ende des Studiums an der hebräischen Universität J. ein Zeitraum von etwa 16 Monaten. Da. war bis Juli 1988 etwa 12 Monate bei seinen Adoptiveltern. Diese fortdauernde persönliche Bindung an das Elternhaus läßt gleichfalls auf die Beibehaltung des Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthaltes im Geltungsbereich des BKGG schließen. Auch die Art der Unterbringung von D. und Da. an ihren Studienorten in Studentenwohnheimen bzw. privat angemieteten Einzelzimmern spricht für eine solche Beibehaltung.

Für die Dauer der ausländischen Studienaufenthalte von D. und Da. in Israel bzw. den USA war nach alledem für die Söhne des Klägers ein Kindergeldanspruch gegeben.

Für die Monate August bis September 1984 sowie für den Januar 1988 ergibt sich dieser Anspruch für D. aus der die Übergangszeit regelnden Bestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 4 BKGG. Für Da. ergibt sich dies in gleicher Weise für den Monat August 1984 und die Monate Juni und Juli 1988, nachdem Da seit August 1988 sein Studium in den Niederlanden fortsetzt und der Kläger seither für ihn erneut Kindergeld bezieht.

Auf die Berufung des Klägers waren nach alledem das sozialgerichtliche Urteil sowie die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten entsprechend aufzuheben. Einer weitergehenden Verurteilung zur Leistung, wie sie vom Kläger nach den gestellten Anträgen noch in erster Instanz begehrt worden war, bedurfte es dabei nicht. Sein Ziel konnte der Kläger vielmehr – wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. Urteile vom 16. Dezember 1987 – L-6/Kg-761/87 und L-6/Kg-892/85 m.w.N.) – bereits mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG erreichen, da durch den Wegfall der aufhebenden Entscheidung die vor Erlaß dieser Bescheide bestehende Rechtslage, die ihrerseits durch die zuvor unbefristete Kindergeldbewilligung gekennzeichnet gewesen ist, wiederhergestellt wird.

Der Senat konnte darüber auch in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da dieser am 10. März 1989 rechtzeitig zum Termin vom 29. März 1989 geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, daß auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und eine Entscheidung getroffen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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