Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 Ar 814/87
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 473/89
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Arbeitnehmerin, die – nach Beratung durch das Arbeitsamt – ihr Arbeitsverhältnis am 10.04. zum 30.06. fristgemäß kündigt, weil der Heiratstermin zum 04.06. feststeht, hat auch dann im Sinne von § 119 Abs. 1 Satz 1 AFG einen wichtigen Grund, wenn der Zuzug zum künftigen Ehegatten zwar beabsichtigt ist, ein Umzugstermin mangels Wohnung jedoch noch nicht feststeht, sie sich aber alsbald intensiv um Arbeit und eine Wohnung bemüht, jedoch ohne Verschulden der Umzug erst im September und die Arbeitsaufnahme erst am 01.10. erfolgen kann.
2. Die Beklagte muß sich nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben jedenfalls dann an einer mündlichen Auskunft eines ihrer Bediensteten wie nach § 34 SGB 10 festhalten lassen, wenn ausdrücklich um eine schriftliche Bestätigung gebeten wird und diese wahrheitswidrig mit der Begründung verweigert wird, daß eine solche nicht möglich sei.
2. Die Beklagte muß sich nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben jedenfalls dann an einer mündlichen Auskunft eines ihrer Bediensteten wie nach § 34 SGB 10 festhalten lassen, wenn ausdrücklich um eine schriftliche Bestätigung gebeten wird und diese wahrheitswidrig mit der Begründung verweigert wird, daß eine solche nicht möglich sei.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. Februar 1989 wird zurückgewiesen. Zur Klarstellung wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1. Juli bis 22. September 1987 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 1. Juli 1987 bis 22. September 1987, sowie um Arbeitslosengeld für denselben Zeitraum.
Die 1958 geborene Klägerin arbeitete vom 1. August 1975 bis zum 30. Juni 1987 als Küchengehilfin gegen ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt DM 2.157,72. Ausweislich der Bescheinigung des Diakonischen Werkes Kurhessen-Waldeck vom 11. Juni 1987 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis am 10. April 1987 zum 30. Juni 1987. Am 4. Juni 1987 heiratete die Klägerin ihren in XX. arbeitenden und lebenden Ehemann. Am 29. Juni 1987 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, das ihr mit Bescheid vom 9. Juli 1987 für die Zeit ab 23. September 1987 gewährt wurde.
Mit Bescheid vom 7. Juli 1987 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 1. Juli bis 22. September 1987 fest und führte in der Begründung aus, die Klägerin habe zwar angegeben, daß sie gekündigt habe, um zu ihrem Ehemann zu ziehen, ein Umzugstermin stehe jedoch nicht fest. Hiergegen hat die Klägerin am 10. Juli 1987 Widerspruch erhoben und vorgetragen, sie habe sich mit ihrem Ehemann zusammen in XX. eine Wohnung nehmen wollen. Der Umzug sei jedoch noch nicht erfolgt, da sie in XX. noch keine neue Arbeit gefunden habe. Ohne ihre Arbeitsaufnahme könne die Miete und sonstigen Lebenshaltungskosten nicht aus dem Einkommen ihres Mannes allein aufgebracht werden. Außerdem habe sie sich vorher beim Arbeitsamt Korbach (Herrn S.) erkundigt, der zugesichert habe, daß im Falle ihrer Kündigung keine Sperrzeit eintreten werde. Ausweislich eines Vermerkes vom 15. Juli 1987 konnte sich Herr S. an ein Gespräch mit der Klägerin nicht mehr erinnern.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1987 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, grundsätzlich stelle eine Heirat und der damit verbundene Zuzug zum Ehemann einen wichtigen Grund zur Lösung des Arbeitsverhältnisses dar. Die Klägerin habe zwar geheiratet, wohne jedoch nach wie vor in V. Ein Umzugstermin stehe noch nicht fest und werde davon abhängig gemacht, daß die Klägerin einen Arbeitsplatz in XX. finde. Es sei ihr zumutbar gewesen, ihr Arbeitsverhältnis so lange fortzusetzen, bis es ihr gelungen sei, in XX. einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Eine besondere Härte liege nicht vor, so daß von der Möglichkeit zur Verkürzung der Sperrzeit kein Gebrauch habe gemacht werden können.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. Juli 1987 Klage erhoben mit dem Ziel der Aufhebung des angefochtenen Sperrzeitbescheids und der Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Arbeitslosengeld ab 1. Juli 1987. Sie hat vorgetragen, zusammen mit ihrem Mann habe sie sich beim Arbeitsamt XX. beraten lassen, das sie aber an das Arbeitsamt Korbach verwiesen habe. Dort habe sie den Sachverhalt geschildert und nachgefragt, wie sie sich verhalten müsse, damit sie keine Sperrzeit bekomme. Erst danach habe sie das Arbeitsverhältnis gekündigt und die Arbeitssuche für XX. begonnen. Der Ehemann bewohne in XX. eine Ein-Zimmer-Wohnung, in der sie nicht unterkommen könne. Im Juli 1987 habe es sich abgezeichnet, daß im gleichen Hause eine größere Wohnung frei werden würde, die sie dann auch angemietet hätten. Seit 1. Oktober 1987 sei sie bei der Standortverwaltung in XX. vollzeitbeschäftigt.
Die Beklagte hat vorgetragen, daß der Angestellte S. nur auf den ihm vorgetragenen Sachverhalt eine Auskunft habe erteilen können. Wenn er die von der Klägerin behauptete eindeutige Auskunft erteilt habe, deute dies auf eine nicht vollständige Schilderung des Sachverhalts hin.
Das Sozialgericht hat den Ehemann der Klägerin und den Angestellten Stiehl der Beklagten als Zeugen gehört.
Mit Urteil vom 16. Februar 1989 (S-11/Ar-814/87) hat das Sozialgericht Kassel die angefochtenen Bescheide aufgehoben, jedoch die Beklagte nicht zur Gewährung von Arbeitslosengeld für den streitbefangenen Zeitraum verurteilt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Februar 1989 hatte die Klägerin nur noch die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt. In der Begründung hat das Sozialgericht im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen wichtigen Grund für die Lösung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1987 gehabt. Dabei sei zu berücksichtigen, daß die Frist für eine ordentliche Kündigung zwei Monate zum Quartalsende betragen habe, der Heiratstermin zum 4. Juni 1987 festgestanden habe und die Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung noch 2 1/2 Monate Zeit für Arbeits- und Wohnungssuche in XX. gehabt habe. Die frühzeitig eingeleitete Arbeitssuche habe auch schon im Juli 1987 zu der Vorstellung bei der Standortverwaltung der Bundeswehr in XX. geführt und zu dieser Zeit habe sich auch die Möglichkeit des Anmietens einer größeren Wohnung abgezeichnet. Daß sich der Umzug erst im September und die Arbeitsaufnahme wegen der langwierigen Sicherheitsüberprüfung erst zum 1. Oktober 1987 hätten realisieren lassen, sei nicht von vornherein abzusehen gewesen, so daß es der Klägerin nicht zumutbar gewesen sei, bis Ende September – der nächsten regulären Kündigungsmöglichkeit – zu warten. Auch aus dem Gesichtspunkt der unvollständigen Beratung nach §§ 14, 15 SGB 1 sei die Verhängung einer Sperrzeit nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben nicht gerechtfertigt. Die Klägerin habe sich vom Arbeitsamt Korbach durch Herrn S. beraten lassen. Dieser habe nach eigenem Bekunden nicht gefragt, ob der Umzugstermin feststehe, sondern nur, ob der Heiratstermin feststehe. Da der Umzugstermin nach Auffassung der Beklagten jedoch auch wesentlich sei, habe Herr S. nur unvollständig beraten und zusätzlich auch noch die Erteilung einer schriftlichen Auskunft verweigert.
Gegen das am 30. März 1989 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. April 1989 eingelegte Berufung. Die Beklagte trägt vor, es sei unstreitig, daß die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis selbst gelöst habe und zumindest grobfahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe, denn bei der Lösung des Arbeitsverhältnisses habe sie keine konkreten Anhaltspunkte für einen sicheren Anschlußarbeitsplatz gehabt. Die Klägerin hätte auch mindestens den Versuch unternehmen müssen, durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber eine spätere Lösung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu erreichen (BSG vom 29. November 1988 – 11/7 RAr 91/87). So habe der damalige Arbeitgeber auf Anfrage der Beklagten mündlich mitgeteilt, daß die Klägerin dort zunächst hätte weiterarbeiten und zu gegebener Zeit aufgrund einvernehmlicher Lösung des Arbeitsverhältnisses ausscheiden können. Es werde angeregt, den früheren Arbeitgeber zu hören. Die Klägerin sei somit nicht an die zweimonatige Kündigungsfrist zum Quartalsende gebunden gewesen, wie das erstinstanzliche Gericht meine. Der Klägerin sei es zuzumuten gewesen, das frühere Beschäftigungsverhältnis bis zum Zeitpunkt der beabsichtigten Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft fortzusetzen. Der Klägerin könne auch nicht unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben ein Leistungsanspruch zuerkannt werden, der nach den gesetzlichen Vorschriften ruhe. Zum Begriff der Treue gehöre auch die vollständige Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes. Der Zeuge S. habe ausdrücklich betont, daß er eine Auskunft dergestalt, daß eine Sperrzeit nicht eintreten werde, mit Sicherheit nicht gegeben hätte, wenn die Klägerin ihm erklärt habe, daß der Umzug von der erfolgreichen Suche nach einem Arbeitsplatz abhänge. Aus § 34 Abs. 2 SGB 10 ergebe sich, daß eine Zusicherung unwirksam und damit nichtig sei, wenn sie nicht schriftlich erlassen worden sei. Eine nachträgliche rückwirkende Heilungsmöglichkeit sei in diesen Fällen nicht gegeben. Die Vermittlungsunterlagen der Klägerin könnten nicht übersandt werden, da diese vom Arbeitsamt Korbach an das Arbeitsamt XX. versandt und dort offensichtlich zwischenzeitlich vernichtet worden seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. Februar 1989 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Juli bis 22. September 1987 zu gewähren.
Die Klägerin trägt vor, sie habe gerade nicht grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Angesichts ihrer eingeschränkten Einkommensverhältnisse und der ihres damaligen Verlobten habe sie eine Sperrzeit unbedingt vermeiden wollen. Sie habe genau das getan, was ihr zumutbar und richtig gewesen sei. Sie habe zuerst das Arbeitsamt XX. und nach Verweisung das Arbeitsamt Korbach aufgesucht und sei dort schlicht falsch beraten worden. Sie sei so gewissenhaft gewesen, daß sie von dem Mitarbeiter des Arbeitsamtes Korbach eine schriftliche Bestätigung seiner mündlich erteilten Auskunft verlangt habe. Dies sei ihr verweigert worden. Es werde bestritten, daß ihr damaliger Arbeitgeber bestätigt habe, sie hätte das Arbeitsverhältnis auch auf andere Weise als durch Kündigung beenden können. Die Würdigung des Beweisergebnisses erster Instanz durch die Beklagte sei unzutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die eigentlich nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG unzulässige Berufung ist kraft Zulassung im Tenor des angefochtenen Urteils zulässig, § 150 Nr. 1 SGG.
Soweit in erster Instanz lediglich über die reine Anfechtungsklage entschieden wurde, entsprach dies nicht dem tatsächlichen Klageziel der Klägerin. Entsprechend § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht über die von der Klägerin erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin bereits mit der Klageschrift klargestellt, daß sie neben der Aufhebung des Sperrzeitbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Arbeitslosengeld ab 1. Juli 1987 begehrt. Sie hat also die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben, die auch nur in dieser Form entsprechend § 54 Abs. 4 SGG zulässig war, da die Beklagte einen Leistungsbescheid nur für die Zeit ab 23. September 1987 erlassen hatte und die erfolgreiche Anfechtung des Sperrzeitbescheides nicht zur Verpflichtung der Beklagten geführt hätte, das begehrte Arbeitslosengeld auch für die Zeit ab 1. Juli 1987 zu zahlen. Daß im Termin am 16. Februar 1989 vor dem Sozialgericht nur noch die reine Anfechtungsklage formuliert wurde, vermag nach Auffassung des erkennenden Senats nichts an dem ursprünglichen Klageziel zu ändern. Es ist nicht erkennbar, daß die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel geändert hätte und den Erhalt von Arbeitslosengeld für die streitige Zeit vom 1. Juli bis 22. September 1987 nicht mehr begehrte (vgl. Urteil des BSG vom 29. November 1988 – 11/7 RAr 91/87).
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. Februar 1989 hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 7. Juli 1987 und vom 20. Juli 1987 zutreffend aufgehoben. Entsprechend dem in zweiter Instanz ausdrücklich klarstellenden Antrag hinsichtlich der begehrten Verurteilung zur Leistung war die Beklagte zur Zahlung von Arbeitslosengeld für den streitigen Zeitraum zu verurteilen.
Bei der Klägerin ist keine Sperrzeit nach §§ 119 Abs. 1 Nr. 1, 119 a Nr. 1 AFG eingetreten. Die Klägerin hat das Arbeitsverhältnis mit dem Diakonischen Werk durch ihre Kündigung vom 10. April 1987 zum 30. Juni 1987 gelöst, und mangels eines Anschlußarbeitsplatzes auch mindestens grobfahrlässig die Arbeitslosigkeit dadurch herbeigeführt. Die Klägerin wußte zum Zeitpunkt der Kündigung, daß sie keinen Arbeitsplatz in XX. in Aussicht hatte. Bei der Anstellung ganz einfacher und auch für die Klägerin naheliegender Überlegungen hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, daß ab 1. Juli 1987 Arbeitslosigkeit eintreten könne, auch bei Berücksichtigung der von ihr eingeleiteten Bemühungen um einen Anschlußarbeitsplatz. Damit hat sie zumindest grobfahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Sie hatte jedoch für ihr Verhalten einen wichtigen Grund. Die Klägerin beabsichtigte, die eheliche Lebensgemeinschaft erst nach der Eheschließung (4. Juni 1987) herzustellen. Es kann deshalb nicht darauf abgestellt werden, ob die Kündigung auch dann durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt gewesen wäre, wenn die Klägerin die Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung hätte herstellen wollen. Die Verweise der Beklagten auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit dem Verlangen, der Arbeitnehmer müsse zunächst bei seinem Arbeitgeber den ernsthaftem Versuch unternehmen, das Arbeitsverhältnis einverständlich zu einem günstigeren Zeitpunkt aufzuheben, als dies durch eine fristgemäße Kündigung möglich wäre (vgl. BSG vom 29. November 1988 s.o.), betreffen daher nicht den vorliegenden Fall. Die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung zum 30. Juni 1987 ist deshalb gerechtfertigt, da sie dem Zweck der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft fast vier Wochen nach der Eheschließung diente. Der wichtige Grund entfällt nicht etwa deshalb, weil der alsbald geplanten Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft Hindernisse entgegenstanden, die erst mit zeitlicher Verzögerung ausgeräumt werden konnten. So hatte der Ehemann der Klägerin in XX., wo er seinen Arbeitsplatz hatte, lediglich ein Zimmer zur Verfügung, das nach den überzeugenden Angaben der Klägerin nicht geeignet war, als gemeinsame Wohnung des Ehepaares zu dienen. Der Anmietung einer größeren Wohnung standen finanzielle Bedenken entgegen. Es kann nicht als vorwerfbar angesehen werden, daß die Eheleute erst die berufliche Eingliederung der Klägerin in XX. sicherstellen wollten, um auf einer gesicherten finanziellen Basis die Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorzunehmen. Umgekehrt konnte von der Klägerin zumutbarerweise nicht verlangt werden, daß sie die Arbeits- und Wohnungssuche in XX. vorrangig betrieb und an eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst dann hätte herangehen sollen, wenn Arbeits- und Wohnungssuche erfolgreich waren. Es konnte von der Klägerin billigerweise nicht verlangt werden, daß sie zusätzlich zu der Zeit zwischen Eheschließung und Ende des Arbeitsverhältnisses nach fristgemäßer Kündigung eine weitere ungewisse Zeitspanne in Kauf nahm, für deren Dauer sie auf die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft hätte verzichten müssen, nur um jegliches Risiko von der Beklagten hinsichtlich der Zahlung von Arbeitslosengeld zu nehmen (vgl. BSG vom 29. November 1988 s.o.). Hier muß nach Auffassung des erkennenden Senats dem verständlichen und grundrechtlich durch Art. 6 GG geschützten Wunsch der Klägerin nach Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Vorrang eingeräumt werden vor der finanziellen Belastung der Gemeinschaft der Beitragszahler. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Klägerin bis zum 1. Juli 1987 2 1/2 Monate zur Arbeits- und Wohnungssuche zur Verfügung standen, sie sich noch vor der Kündigung bei den Arbeitsämtern XX. und Korbach hat beraten lassen und sich dort auch arbeitssuchend gemeldet hat, sich bereits im Juli 1987 eine Lösung des Arbeitsplatzproblems und des Wohnungsproblems abzeichnete, die Ausführung dann jedoch ohne Verschulden der Klägerin erhebliche Zeit in Anspruch nahm, der Umzug erst im September und die Arbeitsaufnahme wegen der zeitraubenden Sicherheitsüberprüfung der Klägerin erst zum 1. Oktober 1987 erfolgen konnten.
Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. Juli 1987 – eine entsprechende Verurteilung der Beklagten hat in Ergänzung bzw. zur Klarstellung des erstinstanzlichen Urteils zu erfolgen (BSG vom 29. November 1988 s.o.) – folgt aus der Aufhebung des Sperrzeitbescheides. Die übrigen Voraussetzungen zur Arbeitslosengeld-Gewährung nach § 100 AFG lagen auch für die streitige Zeit vom 1. Juli bis 22. September 1987 vor und werden von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.
Doch selbst dann, wenn kein wichtiger Grund vorgelegen hätte, wären die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Arbeitslosengeld für die streitige Zeit zu verurteilen. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht eine falsche – weil unvollständige – Beratung der Klägerin durch die Beklagte festgestellt. Die Anhörung der Klägerin sowie die Vernehmung der Zeugen W. B. und S. hat ergeben, daß die Klägerin sich ratsuchend an die Beklagte gewandt hat, um zu erfahren, wie sie sich verhalten müsse, um nicht in die Gefahr einer Sperrzeit zu kommen. Der Zeuge S. hat nur das Datum der Heirat erfragt und daraus die Auskunft erteilt, daß keine Sperrzeit eintrete, wenn die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis so kündige, daß dieses nach dem Heiratstermin ende. Nach dem Umzugstermin hat er nicht gefragt, da er vom Normalfall ausging, daß der Umzugstermin unmittelbar bevorstehe. Die nach §§ 14, 15 SGB 1 erteilte falsche Auskunft würde im vorliegenden Fall weder zur Bejahung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches führen, noch wegen fehlender Schriftform nach § 34 SGB 10 die Beklagte binden. Es ist hier jedoch der Sonderfall gegeben, daß die Klägerin ausdrücklich um eine schriftliche Bestätigung der erteilten Auskunft gebeten hat, wie die Klägerin und die Zeugen W. B. und S. übereinstimmend bestätigt haben. Nach Auffassung des erkennenden Senats muß sich die Beklagte nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben jedenfalls dann an einer mündlichen Auskunft eines ihrer Bediensteten wie nach § 34 SGB 10 festhalten lassen, wenn ausdrücklich um eine schriftliche Bestätigung gebeten wird und diese wahrheitswidrig mit der Begründung verweigert wird, daß eine solche nicht möglich sei. Ein Treueverstoß der Klägerin kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darin gesehen werden, daß die Klägerin nur einen unvollständigen Sachverhalt geschildert hat. Es ist nicht festzustellen, daß die Klägerin den Umzugstermin verschwiegen hat, obwohl sie dessen Bedeutung erkannt hätte. Es hätte der Beklagten vielmehr im Rahmen der begehrten Beratung oblegen, die mit ihrem Verlobten extra zu 2 Arbeitsämtern angereiste Klägerin, die sich ernsthaft und intensiv um die Vermeidung einer Sperrzeit bemühte, auf die Bedeutung des Umzugstermins hinzuweisen und nach dem vorgesehenen Datum zu fragen. Es kann der Beklagten nicht gestattet werden, evtl. Sanktionen für falsche Auskünfte (bzw. Zusicherungen) dadurch zu vermeiden, daß sie sich weigert, Auskünfte in Schriftform zu erteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 1. Juli 1987 bis 22. September 1987, sowie um Arbeitslosengeld für denselben Zeitraum.
Die 1958 geborene Klägerin arbeitete vom 1. August 1975 bis zum 30. Juni 1987 als Küchengehilfin gegen ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt DM 2.157,72. Ausweislich der Bescheinigung des Diakonischen Werkes Kurhessen-Waldeck vom 11. Juni 1987 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis am 10. April 1987 zum 30. Juni 1987. Am 4. Juni 1987 heiratete die Klägerin ihren in XX. arbeitenden und lebenden Ehemann. Am 29. Juni 1987 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, das ihr mit Bescheid vom 9. Juli 1987 für die Zeit ab 23. September 1987 gewährt wurde.
Mit Bescheid vom 7. Juli 1987 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 1. Juli bis 22. September 1987 fest und führte in der Begründung aus, die Klägerin habe zwar angegeben, daß sie gekündigt habe, um zu ihrem Ehemann zu ziehen, ein Umzugstermin stehe jedoch nicht fest. Hiergegen hat die Klägerin am 10. Juli 1987 Widerspruch erhoben und vorgetragen, sie habe sich mit ihrem Ehemann zusammen in XX. eine Wohnung nehmen wollen. Der Umzug sei jedoch noch nicht erfolgt, da sie in XX. noch keine neue Arbeit gefunden habe. Ohne ihre Arbeitsaufnahme könne die Miete und sonstigen Lebenshaltungskosten nicht aus dem Einkommen ihres Mannes allein aufgebracht werden. Außerdem habe sie sich vorher beim Arbeitsamt Korbach (Herrn S.) erkundigt, der zugesichert habe, daß im Falle ihrer Kündigung keine Sperrzeit eintreten werde. Ausweislich eines Vermerkes vom 15. Juli 1987 konnte sich Herr S. an ein Gespräch mit der Klägerin nicht mehr erinnern.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1987 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, grundsätzlich stelle eine Heirat und der damit verbundene Zuzug zum Ehemann einen wichtigen Grund zur Lösung des Arbeitsverhältnisses dar. Die Klägerin habe zwar geheiratet, wohne jedoch nach wie vor in V. Ein Umzugstermin stehe noch nicht fest und werde davon abhängig gemacht, daß die Klägerin einen Arbeitsplatz in XX. finde. Es sei ihr zumutbar gewesen, ihr Arbeitsverhältnis so lange fortzusetzen, bis es ihr gelungen sei, in XX. einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Eine besondere Härte liege nicht vor, so daß von der Möglichkeit zur Verkürzung der Sperrzeit kein Gebrauch habe gemacht werden können.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. Juli 1987 Klage erhoben mit dem Ziel der Aufhebung des angefochtenen Sperrzeitbescheids und der Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Arbeitslosengeld ab 1. Juli 1987. Sie hat vorgetragen, zusammen mit ihrem Mann habe sie sich beim Arbeitsamt XX. beraten lassen, das sie aber an das Arbeitsamt Korbach verwiesen habe. Dort habe sie den Sachverhalt geschildert und nachgefragt, wie sie sich verhalten müsse, damit sie keine Sperrzeit bekomme. Erst danach habe sie das Arbeitsverhältnis gekündigt und die Arbeitssuche für XX. begonnen. Der Ehemann bewohne in XX. eine Ein-Zimmer-Wohnung, in der sie nicht unterkommen könne. Im Juli 1987 habe es sich abgezeichnet, daß im gleichen Hause eine größere Wohnung frei werden würde, die sie dann auch angemietet hätten. Seit 1. Oktober 1987 sei sie bei der Standortverwaltung in XX. vollzeitbeschäftigt.
Die Beklagte hat vorgetragen, daß der Angestellte S. nur auf den ihm vorgetragenen Sachverhalt eine Auskunft habe erteilen können. Wenn er die von der Klägerin behauptete eindeutige Auskunft erteilt habe, deute dies auf eine nicht vollständige Schilderung des Sachverhalts hin.
Das Sozialgericht hat den Ehemann der Klägerin und den Angestellten Stiehl der Beklagten als Zeugen gehört.
Mit Urteil vom 16. Februar 1989 (S-11/Ar-814/87) hat das Sozialgericht Kassel die angefochtenen Bescheide aufgehoben, jedoch die Beklagte nicht zur Gewährung von Arbeitslosengeld für den streitbefangenen Zeitraum verurteilt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Februar 1989 hatte die Klägerin nur noch die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt. In der Begründung hat das Sozialgericht im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen wichtigen Grund für die Lösung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1987 gehabt. Dabei sei zu berücksichtigen, daß die Frist für eine ordentliche Kündigung zwei Monate zum Quartalsende betragen habe, der Heiratstermin zum 4. Juni 1987 festgestanden habe und die Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung noch 2 1/2 Monate Zeit für Arbeits- und Wohnungssuche in XX. gehabt habe. Die frühzeitig eingeleitete Arbeitssuche habe auch schon im Juli 1987 zu der Vorstellung bei der Standortverwaltung der Bundeswehr in XX. geführt und zu dieser Zeit habe sich auch die Möglichkeit des Anmietens einer größeren Wohnung abgezeichnet. Daß sich der Umzug erst im September und die Arbeitsaufnahme wegen der langwierigen Sicherheitsüberprüfung erst zum 1. Oktober 1987 hätten realisieren lassen, sei nicht von vornherein abzusehen gewesen, so daß es der Klägerin nicht zumutbar gewesen sei, bis Ende September – der nächsten regulären Kündigungsmöglichkeit – zu warten. Auch aus dem Gesichtspunkt der unvollständigen Beratung nach §§ 14, 15 SGB 1 sei die Verhängung einer Sperrzeit nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben nicht gerechtfertigt. Die Klägerin habe sich vom Arbeitsamt Korbach durch Herrn S. beraten lassen. Dieser habe nach eigenem Bekunden nicht gefragt, ob der Umzugstermin feststehe, sondern nur, ob der Heiratstermin feststehe. Da der Umzugstermin nach Auffassung der Beklagten jedoch auch wesentlich sei, habe Herr S. nur unvollständig beraten und zusätzlich auch noch die Erteilung einer schriftlichen Auskunft verweigert.
Gegen das am 30. März 1989 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. April 1989 eingelegte Berufung. Die Beklagte trägt vor, es sei unstreitig, daß die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis selbst gelöst habe und zumindest grobfahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe, denn bei der Lösung des Arbeitsverhältnisses habe sie keine konkreten Anhaltspunkte für einen sicheren Anschlußarbeitsplatz gehabt. Die Klägerin hätte auch mindestens den Versuch unternehmen müssen, durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber eine spätere Lösung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu erreichen (BSG vom 29. November 1988 – 11/7 RAr 91/87). So habe der damalige Arbeitgeber auf Anfrage der Beklagten mündlich mitgeteilt, daß die Klägerin dort zunächst hätte weiterarbeiten und zu gegebener Zeit aufgrund einvernehmlicher Lösung des Arbeitsverhältnisses ausscheiden können. Es werde angeregt, den früheren Arbeitgeber zu hören. Die Klägerin sei somit nicht an die zweimonatige Kündigungsfrist zum Quartalsende gebunden gewesen, wie das erstinstanzliche Gericht meine. Der Klägerin sei es zuzumuten gewesen, das frühere Beschäftigungsverhältnis bis zum Zeitpunkt der beabsichtigten Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft fortzusetzen. Der Klägerin könne auch nicht unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben ein Leistungsanspruch zuerkannt werden, der nach den gesetzlichen Vorschriften ruhe. Zum Begriff der Treue gehöre auch die vollständige Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes. Der Zeuge S. habe ausdrücklich betont, daß er eine Auskunft dergestalt, daß eine Sperrzeit nicht eintreten werde, mit Sicherheit nicht gegeben hätte, wenn die Klägerin ihm erklärt habe, daß der Umzug von der erfolgreichen Suche nach einem Arbeitsplatz abhänge. Aus § 34 Abs. 2 SGB 10 ergebe sich, daß eine Zusicherung unwirksam und damit nichtig sei, wenn sie nicht schriftlich erlassen worden sei. Eine nachträgliche rückwirkende Heilungsmöglichkeit sei in diesen Fällen nicht gegeben. Die Vermittlungsunterlagen der Klägerin könnten nicht übersandt werden, da diese vom Arbeitsamt Korbach an das Arbeitsamt XX. versandt und dort offensichtlich zwischenzeitlich vernichtet worden seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. Februar 1989 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Juli bis 22. September 1987 zu gewähren.
Die Klägerin trägt vor, sie habe gerade nicht grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Angesichts ihrer eingeschränkten Einkommensverhältnisse und der ihres damaligen Verlobten habe sie eine Sperrzeit unbedingt vermeiden wollen. Sie habe genau das getan, was ihr zumutbar und richtig gewesen sei. Sie habe zuerst das Arbeitsamt XX. und nach Verweisung das Arbeitsamt Korbach aufgesucht und sei dort schlicht falsch beraten worden. Sie sei so gewissenhaft gewesen, daß sie von dem Mitarbeiter des Arbeitsamtes Korbach eine schriftliche Bestätigung seiner mündlich erteilten Auskunft verlangt habe. Dies sei ihr verweigert worden. Es werde bestritten, daß ihr damaliger Arbeitgeber bestätigt habe, sie hätte das Arbeitsverhältnis auch auf andere Weise als durch Kündigung beenden können. Die Würdigung des Beweisergebnisses erster Instanz durch die Beklagte sei unzutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die eigentlich nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG unzulässige Berufung ist kraft Zulassung im Tenor des angefochtenen Urteils zulässig, § 150 Nr. 1 SGG.
Soweit in erster Instanz lediglich über die reine Anfechtungsklage entschieden wurde, entsprach dies nicht dem tatsächlichen Klageziel der Klägerin. Entsprechend § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht über die von der Klägerin erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin bereits mit der Klageschrift klargestellt, daß sie neben der Aufhebung des Sperrzeitbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Arbeitslosengeld ab 1. Juli 1987 begehrt. Sie hat also die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben, die auch nur in dieser Form entsprechend § 54 Abs. 4 SGG zulässig war, da die Beklagte einen Leistungsbescheid nur für die Zeit ab 23. September 1987 erlassen hatte und die erfolgreiche Anfechtung des Sperrzeitbescheides nicht zur Verpflichtung der Beklagten geführt hätte, das begehrte Arbeitslosengeld auch für die Zeit ab 1. Juli 1987 zu zahlen. Daß im Termin am 16. Februar 1989 vor dem Sozialgericht nur noch die reine Anfechtungsklage formuliert wurde, vermag nach Auffassung des erkennenden Senats nichts an dem ursprünglichen Klageziel zu ändern. Es ist nicht erkennbar, daß die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel geändert hätte und den Erhalt von Arbeitslosengeld für die streitige Zeit vom 1. Juli bis 22. September 1987 nicht mehr begehrte (vgl. Urteil des BSG vom 29. November 1988 – 11/7 RAr 91/87).
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. Februar 1989 hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 7. Juli 1987 und vom 20. Juli 1987 zutreffend aufgehoben. Entsprechend dem in zweiter Instanz ausdrücklich klarstellenden Antrag hinsichtlich der begehrten Verurteilung zur Leistung war die Beklagte zur Zahlung von Arbeitslosengeld für den streitigen Zeitraum zu verurteilen.
Bei der Klägerin ist keine Sperrzeit nach §§ 119 Abs. 1 Nr. 1, 119 a Nr. 1 AFG eingetreten. Die Klägerin hat das Arbeitsverhältnis mit dem Diakonischen Werk durch ihre Kündigung vom 10. April 1987 zum 30. Juni 1987 gelöst, und mangels eines Anschlußarbeitsplatzes auch mindestens grobfahrlässig die Arbeitslosigkeit dadurch herbeigeführt. Die Klägerin wußte zum Zeitpunkt der Kündigung, daß sie keinen Arbeitsplatz in XX. in Aussicht hatte. Bei der Anstellung ganz einfacher und auch für die Klägerin naheliegender Überlegungen hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, daß ab 1. Juli 1987 Arbeitslosigkeit eintreten könne, auch bei Berücksichtigung der von ihr eingeleiteten Bemühungen um einen Anschlußarbeitsplatz. Damit hat sie zumindest grobfahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Sie hatte jedoch für ihr Verhalten einen wichtigen Grund. Die Klägerin beabsichtigte, die eheliche Lebensgemeinschaft erst nach der Eheschließung (4. Juni 1987) herzustellen. Es kann deshalb nicht darauf abgestellt werden, ob die Kündigung auch dann durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt gewesen wäre, wenn die Klägerin die Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung hätte herstellen wollen. Die Verweise der Beklagten auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit dem Verlangen, der Arbeitnehmer müsse zunächst bei seinem Arbeitgeber den ernsthaftem Versuch unternehmen, das Arbeitsverhältnis einverständlich zu einem günstigeren Zeitpunkt aufzuheben, als dies durch eine fristgemäße Kündigung möglich wäre (vgl. BSG vom 29. November 1988 s.o.), betreffen daher nicht den vorliegenden Fall. Die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung zum 30. Juni 1987 ist deshalb gerechtfertigt, da sie dem Zweck der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft fast vier Wochen nach der Eheschließung diente. Der wichtige Grund entfällt nicht etwa deshalb, weil der alsbald geplanten Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft Hindernisse entgegenstanden, die erst mit zeitlicher Verzögerung ausgeräumt werden konnten. So hatte der Ehemann der Klägerin in XX., wo er seinen Arbeitsplatz hatte, lediglich ein Zimmer zur Verfügung, das nach den überzeugenden Angaben der Klägerin nicht geeignet war, als gemeinsame Wohnung des Ehepaares zu dienen. Der Anmietung einer größeren Wohnung standen finanzielle Bedenken entgegen. Es kann nicht als vorwerfbar angesehen werden, daß die Eheleute erst die berufliche Eingliederung der Klägerin in XX. sicherstellen wollten, um auf einer gesicherten finanziellen Basis die Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorzunehmen. Umgekehrt konnte von der Klägerin zumutbarerweise nicht verlangt werden, daß sie die Arbeits- und Wohnungssuche in XX. vorrangig betrieb und an eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst dann hätte herangehen sollen, wenn Arbeits- und Wohnungssuche erfolgreich waren. Es konnte von der Klägerin billigerweise nicht verlangt werden, daß sie zusätzlich zu der Zeit zwischen Eheschließung und Ende des Arbeitsverhältnisses nach fristgemäßer Kündigung eine weitere ungewisse Zeitspanne in Kauf nahm, für deren Dauer sie auf die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft hätte verzichten müssen, nur um jegliches Risiko von der Beklagten hinsichtlich der Zahlung von Arbeitslosengeld zu nehmen (vgl. BSG vom 29. November 1988 s.o.). Hier muß nach Auffassung des erkennenden Senats dem verständlichen und grundrechtlich durch Art. 6 GG geschützten Wunsch der Klägerin nach Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft der Vorrang eingeräumt werden vor der finanziellen Belastung der Gemeinschaft der Beitragszahler. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Klägerin bis zum 1. Juli 1987 2 1/2 Monate zur Arbeits- und Wohnungssuche zur Verfügung standen, sie sich noch vor der Kündigung bei den Arbeitsämtern XX. und Korbach hat beraten lassen und sich dort auch arbeitssuchend gemeldet hat, sich bereits im Juli 1987 eine Lösung des Arbeitsplatzproblems und des Wohnungsproblems abzeichnete, die Ausführung dann jedoch ohne Verschulden der Klägerin erhebliche Zeit in Anspruch nahm, der Umzug erst im September und die Arbeitsaufnahme wegen der zeitraubenden Sicherheitsüberprüfung der Klägerin erst zum 1. Oktober 1987 erfolgen konnten.
Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. Juli 1987 – eine entsprechende Verurteilung der Beklagten hat in Ergänzung bzw. zur Klarstellung des erstinstanzlichen Urteils zu erfolgen (BSG vom 29. November 1988 s.o.) – folgt aus der Aufhebung des Sperrzeitbescheides. Die übrigen Voraussetzungen zur Arbeitslosengeld-Gewährung nach § 100 AFG lagen auch für die streitige Zeit vom 1. Juli bis 22. September 1987 vor und werden von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.
Doch selbst dann, wenn kein wichtiger Grund vorgelegen hätte, wären die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Arbeitslosengeld für die streitige Zeit zu verurteilen. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht eine falsche – weil unvollständige – Beratung der Klägerin durch die Beklagte festgestellt. Die Anhörung der Klägerin sowie die Vernehmung der Zeugen W. B. und S. hat ergeben, daß die Klägerin sich ratsuchend an die Beklagte gewandt hat, um zu erfahren, wie sie sich verhalten müsse, um nicht in die Gefahr einer Sperrzeit zu kommen. Der Zeuge S. hat nur das Datum der Heirat erfragt und daraus die Auskunft erteilt, daß keine Sperrzeit eintrete, wenn die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis so kündige, daß dieses nach dem Heiratstermin ende. Nach dem Umzugstermin hat er nicht gefragt, da er vom Normalfall ausging, daß der Umzugstermin unmittelbar bevorstehe. Die nach §§ 14, 15 SGB 1 erteilte falsche Auskunft würde im vorliegenden Fall weder zur Bejahung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches führen, noch wegen fehlender Schriftform nach § 34 SGB 10 die Beklagte binden. Es ist hier jedoch der Sonderfall gegeben, daß die Klägerin ausdrücklich um eine schriftliche Bestätigung der erteilten Auskunft gebeten hat, wie die Klägerin und die Zeugen W. B. und S. übereinstimmend bestätigt haben. Nach Auffassung des erkennenden Senats muß sich die Beklagte nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben jedenfalls dann an einer mündlichen Auskunft eines ihrer Bediensteten wie nach § 34 SGB 10 festhalten lassen, wenn ausdrücklich um eine schriftliche Bestätigung gebeten wird und diese wahrheitswidrig mit der Begründung verweigert wird, daß eine solche nicht möglich sei. Ein Treueverstoß der Klägerin kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darin gesehen werden, daß die Klägerin nur einen unvollständigen Sachverhalt geschildert hat. Es ist nicht festzustellen, daß die Klägerin den Umzugstermin verschwiegen hat, obwohl sie dessen Bedeutung erkannt hätte. Es hätte der Beklagten vielmehr im Rahmen der begehrten Beratung oblegen, die mit ihrem Verlobten extra zu 2 Arbeitsämtern angereiste Klägerin, die sich ernsthaft und intensiv um die Vermeidung einer Sperrzeit bemühte, auf die Bedeutung des Umzugstermins hinzuweisen und nach dem vorgesehenen Datum zu fragen. Es kann der Beklagten nicht gestattet werden, evtl. Sanktionen für falsche Auskünfte (bzw. Zusicherungen) dadurch zu vermeiden, daß sie sich weigert, Auskünfte in Schriftform zu erteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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