L 6 Ar 1431/89

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 11 Ar 233/87
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 1431/89
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Stellt die 60-jährige Versicherte nach Eintritt der Bindungswirkung eines gewährenden Altersgeldbescheides einen Antrag auf Arbeitslosengeld, so endet die Ruhenswirkung nach § 118 AFG, wenn die Versicherte aufgrund eines Verzichtes kein Altersruhegeld mehr bezieht und die übrigen Voraussetzungen des § 100 AFG, insbesondere Verfügbarkeit, vorliegen.
Bei nicht bindendem Ruhensbescheid bedarf es keines neuen Antrages auf Arbeitslosengeld nach § 151 Abs. 2 AFG. Der Verzicht auf das Altersruhegeld ist nach § 46 Abs. 1 SGB I wirksam und stellt keine Umgehung des § 118 AFG dar (Abgrenzung zu BSG 19.01.1989 – 4/11a/RA 74/87).
Ob im Falle des § 105 c AFG ein entsprechender Verzicht unwirksam wäre, war nicht zu entscheiden.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. August 1989 aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten vom 28. Januar 1987 und vom 17. Februar 1987 werden geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab 1. April 1987 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu zahlen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in dem Rechtsstreit um die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. April 1987 an.

Die 1926 geborene Klägerin arbeitete zuletzt vom 1. Januar 1979 bis 31. Dezember 1986 als Empfangsdame bei der Firma A. & C., R., gegen ein Monatsbruttoentgelt in Höhe von DM 3.754,–. Laut Arbeitsbescheinigung vom 6. Januar 1987 endete das Arbeitsverhältnis vertraglich mit dem 31. Dezember 1986.

Am 29. September 1986 beantragte die Klägerin bei der Beigeladenen die Gewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes (§ 25 Abs. 3 AVG), das mit Bescheid vom 4. November 1986 für die Zeit ab 1. Januar 1987 bewilligt wurde in Höhe von monatlich ca. DM 920, –.

Am 23. Dezember 1986 meldete sich die Klägerin bei der Beklagen arbeitslos zum 1. Januar 1987 und beantragte Arbeitslosengeld. Den ausgefüllten Antrag nebst Anlagen (Altersruhegeld-Bescheid und Arbeitsbescheinigung) gab sie am 13. Januar 1987 persönlich ab. Mit Bescheid vom 28. Januar 1987 wies die Beklagte den Antrag ab und begründete dies u.a. damit, der Leistungsanspruch ruhe nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), da die Klägerin Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe.

Hiergegen hat die Klägerin am 4. Februar 1987 Widerspruch erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, leider habe sie die Information, einen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen zu können, erst an ihrem Geburtstag erhalten. Darauf habe sie sofort Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt; damals habe sie noch kein Altersruhegeld bezogen. Bei Einreichung aller Formulare am 13. Januar 1987 habe sie die Auskunft erhalten, es sei alles in Ordnung, die Beklagte werde sich automatisch mit der Beigeladenen in Verbindung setzen. Sie sei gesund und gerne zu arbeiten bereit. Sie könne es sich nicht leisten, auf etwa DM 1.000,– Differenz im Monat zu verzichten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1987 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die zuerkannte Rentenversicherungsleistung habe zwangsläufig ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gem. § 118 AFG bewirkt. Auch ein Anspruch auf Zahlung eines Arbeitslosengeld-Spitzbetrages (soweit die Rentenhöhe überschritten werde) nach § 118 Abs. 1 Satz 3 AFG sei nicht gegeben, da es sich bei vorgezogenem Altersruhegeld um eine grundsätzlich erwerbsfeindliche Rentenleistung handele. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben, da selbst bei einem früheren Hinweis auf den Ruhenstatbestand des § 118 AFG der Leistungsanspruch auf Arbeitslosengeld geruht hätte. Ein Verzicht auf das vorgezogene Altersruhegeld, welches ab 1. Januar 1987 bereits gezahlt werde, wäre nach § 46 Abs. 2 SGB I unwirksam, soweit dadurch z.B. das Arbeitsamt belastet oder Rechtsvorschriften umgangen würden.

Hiergegen hat die Klägerin am 18. März 1987 Klage mit dem Ziel erhoben, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide ab 1. April 1987 Arbeitslosengeld zu erhalten, hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 118 Abs. 1 Satz 3 AFG mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Mit Schreiben vom 17. März 1987 verzichtete die Klägerin gegenüber der Beigeladenen auf die Zahlung des Altersruhegeldes; die Beigeladene bestätigte mit Schreiben vom 6. Juni 1987 die Wirksamkeit dieses Verzichtes ab 1. April 1987 und forderte die Überzahlung für die Monate April und Mai 1987 zurück. In der Folgezeit bezog die Klägerin Leistungen weder von der Beigeladenen noch von der Beklagten. Mit am 31. Mai 1988 bei der Beigeladenen zugegangenem Schreiben vom 30. Mai 1988 hat die Klägerin den früheren Verzicht auf das Altersruhegeld widerrufen.

Die Beigeladene hat den Widerruf für die Zeit ab 1. Juni 1988 als wirksam angesehen und zahlt seither wieder vorgezogenes Altersruhegeld an die Klägerin. In einem zur Zeit bei dem Sozialgericht Wiesbaden unter dem Aktenzeichen S-1/An-1111/88 anhängigen Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Verpflichtung der Beigeladenen, einen Bescheid über die Zahlung von Altersruhegeld seit 1. April 1987 zu erteilen.

Die Klägerin hat im vorliegenden Rechtsstreit im erstinstanzlichen Verfahren im wesentlichen vorgetragen, sie stehe dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, deshalb sei ihr ab 1. April 1987 Arbeitslosengeld zu gewähren. § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG schließe den Verzicht auf die Rente nicht aus. Ein solcher Verzicht sei auch nicht nach § 46 Abs. 2 SGB I unwirksam. Unmittelbare Ursache für die Leistungsverpflichtung des Arbeitsamtes sei nicht der Verzicht, sondern ihre Arbeitslosigkeit. § 46 Abs. 2 SGB I solle nur Unterhaltsverpflichtete und Sozialhilfeträger schützen.

Die Beklagte hat sich im wesentlichen darauf bezogen, daß ein Verzicht nach § 46 Abs. 2 SGB I unwirksam sei, da hierdurch ein anderer Leistungsträger (das Arbeitsamt) belastet werde. Es könne auch nicht festgestellt werden, daß die Beigeladene den ursprünglichen Bewilligungsbescheid aufgehoben habe. Es könne auch nicht der Schluß gezogen werden, daß eine Rente gegenüber der Leistung aus der Arbeitslosenversicherung nachrangig sei.

Mit Urteil vom 17. August 1989 hat das Sozialgericht Wiesbaden die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, auch nach Wirksamwerden des Verzichts auf die Rentenleistung habe die Klägerin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Sie erfülle zwar die Voraussetzungen des § 100 AFG, der Anspruch ruhe jedoch nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG wegen des mit Bescheid der Beigeladenen vom 4. November 1986 bewilligten Altersruhegeldes, bei dem es sich um eine sogenannte "erwerbsfeindliche” Rentenleistungen handele, weshalb gem. § 118 Abs. 1 Satz 3 AFG auch nicht die Zahlung eines Spitzbetrages durch die Beklagte in Betracht komme. Eine Aussetzung des Verfahrens scheide aus, da die Kammer § 118 Abs. 1 Satz 3 AFG nicht für verfassungswidrig halte. Es bestünden sachliche und nachvollziehbare Gründe für die Bezieher von vorgezogenen Altersruhegeldern, die Möglichkeiten für Erwerbstätigkeiten zu beschränken. Den Versicherten stehe ein Wahlrecht zu, ob sie sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen wollten oder endgültig aus dem Erwerbsleben ausscheiden und die vorgezogene Rentenleistung in Anspruch nehmen wollten. Die Klägerin habe durch den Rentenantrag von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Bis zur Bestandskraft des Rentenbescheides hätte sie auch noch den Antrag zurücknehmen können. Der Verzicht auf die Rentenleistung ab 1. April 1987 sei nach § 46 Abs. 2 SGB I jedenfalls gegenüber der Beklagten unwirksam, da er den Versuch der Umgehung des § 118 Abs. 1 Satz 3 AFG darstelle. Die Klägerin könne einen Anspruch auf Arbeitslosengeld auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sog. Herstellungsanspruchs geltend machen, da der die Rente bewilligende Bescheid zum Zeitpunkt der ersten Vorsprache der Klägerin bereits bestandskräftig gewesen sei und deshalb kein ursächlicher Zusammenhang zwischen eventuell unzulänglicher Beratung und dem Wegfall der höheren Arbeitslosengeld-Leistung bestehen könne. Die Beiladung sei nicht nach § 75 Abs. 2 SGG notwendig gewesen, weshalb nicht zu prüfen sei, ob die Beigeladene zur Rentenzahlung ab 1. April 1987 zu verurteilen sei; die Klägerin habe einen entsprechenden Antrag auch nicht gestellt.

Gegen das ihr am 1. Dezember 1989 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. Dezember 1989 Berufung eingelegt. Die Klägerin trägt vor, die Beklagte sei vorrangiger Leistungsträger, wie sich aus dem Rentenbescheid der Beigeladenen vom 4. November 1986 ergebe. Deshalb werde durch den Verzicht auch nicht die gesetzliche Rangfolge umgangen, da grundsätzlich eine 60-jährige arbeitswillige Frau Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts in BSGE 21, Seite 279 ff. (281) wäre ein Verzicht auf Sozialleistungen dann unstatthaft, wenn der Leistungsberechtigte eine Versorgungslücke schaffe, die die vom Gesetzgeber vorgesehene Rangfolge der für eine Versorgung heranzuziehenden Ansprüche umstoße. Dies sei hier nicht der Fall. Wenn es ihr nach der Gesetzeslage freistehe, die Leistung des einen oder des anderen Leistungsträgers in Anspruch zu nehmen, müsse auch ein Verzicht auf die Leistung des einen Leistungsträgers und die Inanspruchnahme eines anderen möglich sein, wenn die jeweiligen Voraussetzungen vorlägen.

Die im Termin am 6. März 1991 nicht anwesende und nicht vertretene Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. August 1989 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 1987 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab 1. April 1987 zu zahlen,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 118 Abs. 1 Satz 3 AFG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt u.a. vor, die Klägerin wolle durch den Verzicht auf das Altersruhegeld eine Leistungspflicht der Beklagten erreichen, obwohl in Fällen der vorliegenden Art die Ruhensvorschrift des § 118 AFG regelmäßig dazu führe, daß kein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld entstehe. Damit sei offenkundig, daß der Sinn und Zweck des § 46 Abs. 2 SGB I umgangen werden solle, so daß der Verzicht unwirksam sei. Es werde darauf hingewiesen, daß eine Verurteilung des Rententrägers im Verfahren vor dem Sozialgericht Wiesbaden (S-1/An-1111/88) zur rückwirkenden Gewährung von Altersruhegeld das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gem. § 118 AFG zur Folge habe.

Die Beigeladene hält das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden für zutreffend. Sie war im Termin am 6. März 1991 nicht vertreten.

Der Senat hat die Akten S-1/An-1111/88 des Sozialgerichts Wiesbaden beigezogen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist auch zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach §§ 144 ff SGG liegen nicht vor.

Der Senat konnte auch in Abwesenheit von Beteiligten verhandeln und entscheiden, da alle Beteiligten rechtzeitig und ordnungsgemäß zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 6. März 1991 geladen und dabei darauf hingewiesen worden waren, daß auch im Falle der Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne.

Die Berufung ist auch in vollem Umfang begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist rechtsfehlerhaft und war deshalb aufzuheben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 1987 ist rechtswidrig, soweit damit das begehrte Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. April 1987 verweigert wird. Die angefochtenen Bescheide waren deshalb zu ändern. Die Zeit vor dem 1. April 1987 war nicht Gegenstand des Rechtsstreites.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. April 1987 nach § 100 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Die Klägerin war arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte die Anwartschaftszeit nach § 104 AFG erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt. Insbesondere muß die auch schriftlich abgegebene Erklärung der Klägerin, daß sie sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stelle, als ernsthaft angesehen werden. So ist auch die Beklagte vom Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 100 AFG ausgegangen, da sie das Ruhen des (dem Grunde nach bestehenden) Anspruchs festgestellt, nicht jedoch den Antrag wegen fehlender Voraussetzungen abgelehnt hat.

Der Stellung eines neuen Antrages nach § 151 Abs. 2 AFG bedurfte es nicht, da der Antrag vom 23. Dezember 1986 noch nicht verbraucht war. Die Beklagte hatte den Antrag noch nicht bindend abgelehnt. Während des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens beschränkte die Klägerin den geltend gemachten Anspruch lediglich auf die Zeit ab 1. April 1987. Es liegt also nicht der Fall vor, daß eine Bewilligung bindend aufgehoben wurde (vgl. Hennig-Kühl-Heuer, AFG, Loseblattkommentar, Stand Dezember 1990 – § 118 RdNr. 2 m.w.N.).

Für die Zeit ab 1. April 1987 ruhte der bestehende Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld nicht. Durch den wirksamen Verzicht der Klägerin auf das von der Beigeladenen zuerkannte Altersruhegeld war der vorher bestehende Ruhenstatbestand entfallen, es fehlt an der Voraussetzung, daß die den Ruhenstatbestand auslösende Leistung auch tatsächlich gewährt wird, es also zu der anderweitigen Versorgung kommt. Die Beigeladene hat den Verzicht der Klägerin auf das Altersruhegeld mit Wirkung ab 1. April 1987 akzeptiert und die sich daraus ergebende Überzahlung für die Monate April und Mai 1987 mit Erfolg von der Klägerin zurückgefordert. Zu einer Doppelversorgung der Klägerin, die durch § 118 AFG verhindert werden soll, konnte es somit für die Zeit ab 1. April 1987 durch die Gewährung des begehrten Arbeitslosengeldes nicht mehr kommen. Soweit die Klägerin in dem vor dem Sozialgericht Wiesbaden anhängigen Rechtsstreit – S-1/An-1111/88 – nunmehr noch nachträglich Altersruhegeld begehrt, sieht der erkennende Senat darin kein widersprüchliches Verhalten, sondern vielmehr den konsequenten vorsorglichen Versuch der Klägerin zu verhindern, daß sie schließlich für die Zeit ab 1. April 1987 ganz ohne Leistungen, sei es von der Beklagten oder von der Beigeladenen, bleibt. Solange die Beigeladene für den streitbefangenen Zeitraum der Klägerin kein Altersruhegeld zuerkannt hat, ist die Voraussetzung des § 118 AFG nicht erfüllt.

Der Verzicht der Klägerin auf das von der Beigeladenen zuerkannte Altersruhegeld mit Wirkung ab 1. April 1987 ist auch nicht unwirksam. Nach § 46 Abs. 1 SGB I besteht der Grundsatz, daß auf Ansprüche auf Sozialleistungen durch schriftliche Erklärung verzichtet werden kann. Die schriftliche Erklärung der Klägerin im Schreiben vom 17. März 1987 ist der Beigeladenen am 20. März 1987 zugegangen. Dabei bedurfte es keiner Entscheidung des Senats, ob die sinngemäße Verzichtserklärung dem Wunsch der Klägerin entsprechend (sie sprach von Rücknahme des Antrags auf Gewährung von Altersruhegeld) bereits von Anfang an (ab 1. Januar 1987) oder dem Schreiben der Beigeladenen vom 6. Juni 1987 entsprechend erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam wurde, da streitgegenständlich erst die Zeit ab 1. April 1987 ist. Eine Unwirksamkeit des Verzichtes im Sinne einer Ausnahme nach § 46 Abs. 2 SGB I ist für die Zeit ab 1. April 1987 nicht feststellbar. Nach § 46 Abs. 2 SGB I ist der Verzicht unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden. Dabei bedeutet die Folge, daß ein anderer Leistungsträger bei wirksamem Verzicht nunmehr leisten muß, nicht bereits eine (unzulässige) Belastung dieses anderen Leistungsträgers im Sinne des § 46 Abs. 2 SGB I. Vielmehr liegt eine unzulässige Belastung erst vor, wenn diese Belastung des anderen Leistungsträgers der Gesetzessystematik widerspricht, die in verschiedenen Fällen die Reihenfolge von Leistenden feststellt, so etwa die Sozialhilfe an letzter Rangstelle. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß nicht allein der Verzicht auf das Altersruhegeld (automatisch) zur Leistungsverpflichtung der Beklagten geführt hat, sondern darüber hinaus die Bereitschaft der Klägerin, sich doch noch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, § 103 AFG. Ebenso, wie die Klägerin durch die faktische Aufnahme einer Arbeit den Wegfall des Altersruhegeldes bei Überschreiten der Verdienstgrenzen hätte bewirken können, konnte sie auch auf diese Leistung verzichten. Erst ihr Entschluß, sich dem Arbeitsmarkt entsprechend § 103 AFG doch zur Verfügung zu stellen, bewirkte dann zusammen mit dem Wegfall des Altersruhegeldes, daß die Beklagte zur Zahlung von Arbeitslosengeld verpflichtet wurde. Nach der gesetzlichen Systematik stand es der Klägerin nach Verlust der Arbeit frei, entweder Altersruhegeld zu beziehen oder sich beim Arbeitsamt arbeitslos zu melden, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen und die Zahlung von Arbeitslosengeld zu beantragen. Zwischen diesen beiden Leistungsmöglichkeiten gibt es keine Vorrangigkeit oder eine gesetzliche Reihenfolge. Damit widerspricht der spätere Verzicht der Klägerin auf Altersruhegeld mit der Folge, daß nunmehr die Beklagte die Leistung – Arbeitslosengeld – erbringen muß, nicht einer gesetzlichen Rangfolge mit der Wirkung einer unzulässigen Belastung der Beklagten. Bei Änderung ihrer Meinung (doch kein Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt), auch wegen Feststellung der unterschiedlichen Leistungshöhe, mußte es der Klägerin möglich sein, von der einen Leistungsart zur anderen Leistungsart zu gelangen, wenn sie die übrigen Voraussetzungen des Arbeitslosengeldes erfüllte, was oben näher ausgeführt wurde. Soweit das BSG im Urteil vom 19. Januar 1989 (4/11a RA 74/87) entschieden hat, daß ein Verzicht jedenfalls vor Bestandskraft des Altersruhegeldbescheides möglich ist, berührt dies nicht den vorliegenden Fall, da hier der Altersruhegeldbescheid der Beigeladenen bereits bestandskräftig war, als die Klägerin am 23. Dezember 1986 den Antrag auf Arbeitslosengeld bei der Beklagten stellte. Anders als in dem zitierten Urteil des BSG geht es im vorliegenden Fall auch nicht um die gleiche Leistungsart eines Leistungsträgers (dort Altersruhegeld oder Erwerbsunfähigkeitsrente = Geldansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, bei denen dem Kläger kein Wahlrecht zugebilligt wurde, nachdem der Altersruhegeldbescheid bestandskräftig geworden war), sondern um zwei verschiedene Leistungsarten von zwei verschiedenen Leistungsträgern.

Eine Wirksamkeit des Verzichts im vorliegenden Fall ist deshalb nicht ausgeschlossen.

Das Vorgehen der Klägerin bedeutet auch keine Umgehung des § 118 Abs. 1 Nr. 4, AFG, wie die Beklagte vorträgt. Diese Vorschrift greift nur ein, wenn sowohl Altersruhegeld als auch Arbeitslosengeld beantragt, die Voraussetzungen für beide Ansprüche vorliegen und Altersruhegeld dann zuerkannt ist. Wenn das Altersruhegeld in Wegfall kommt (aus welchen Gründen auch immer), entfällt auch die Ruhenswirkung. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich ein (vorgezogener) Altersruhegeldempfänger aus vielerlei Gründen entschließt, statt des Weiterbezuges von vorgezogenem Altersruhegeld sich dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung zu stellen und bis zur Erlangung eines Arbeitsplatzes Leistungen der Beklagten zu beanspruchen.

Der Senat hatte nicht zu prüfen, ob im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 105 c Abs. 1 AFG a.F. die fehlende Verfügbarkeit dazu führen könnte, daß ein Verzicht auf bereits bewilligtes Altersruhegeld deshalb unwirksam sein konnte, weil nach § 105 c Abs. 2 AFG ein Ruhen des Arbeitslosengeld-Anspruchs auch durch die Aufforderung, einen Rentenantrag, zu stellen, nach Ablauf einer ausdrücklich gesetzten Monatsfrist herbeigeführt wird, da im Falle der Klägerin Verfügbarkeit ausdrücklich festgestellt wurde. Aus § 105 c AFG kann auch nicht der Rechtsgedanken abgeleitet werden, daß Arbeitslosengeld immer dann eine nachrangige Leistung sein soll, wenn auch die Voraussetzungen für Altersruhegeld erfüllt sind. Zwischen Arbeitslosengeld und Altersruhegeld steht dem Versicherten ein Wahlrecht zu, wie oben ausgeführt wurde, jedenfalls solange alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

Auf die im erstinstanzlichen Urteil diskutierten Fragen, ob und ggf. mit welcher Folge die Klägerin von der Beklagten bei Antragstellung oder Formularabgabe falsch beraten worden ist und sich hieraus ggf. ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ableiten läßt, konnte es bei der vom erkennenden Senat getroffenen Entscheidung nicht mehr ankommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved