L 1 SB 5811/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 1404/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 SB 5811/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der bei der Klägerin festgestellte Grad der Behinderung (GdB) von 60 auf 80 zu erhöhen und das Merkzeichen G festzustellen ist.

Auf Antrag vom November 2000 der 1956 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt H. aufgrund der Funktionseinschränkungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Knorpelschädigung an beiden Kniegelenken, Depression, Ohrgeräusche einen GdB von 30 fest (Bescheid vom 27.02.2001), der nach Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2001 bestätigt wurde. Mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2003 (Az.: 6 SB 1902/01) verurteilte das Sozialgericht Heilbronn das beklagte Land, über das im Klageverfahren abgegebene Anerkenntnis eines GdB von 50 hinaus den GdB ab 21.11.2000 mit 60 festzustellen. Dem lagen als Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde eine Depression (Teil-GdB von 30), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB von 20), Knorpelschädigung an beiden Kniegelenken (Teil-GdB von 20), Atembehinderung (Teil-GdB von 20) sowie Ohrgeräusche und Gleichgewichtsstörungen (jeweils ein Teil-GdB von 10). Der Gerichtsbescheid wurde rechtskräftig und der Beklagte führte die Entscheidung aus (Ausführungsbescheid vom 15.07.3003).

Am 02.04.2004 stellte die Klägerin einen Antrag auf Neufeststellung des GdB, u. a. wegen Fibromyalgie und Harninkontinenz, und auf Feststellung des Nachteilsausgleichs "G". Nach Auswertung der vorgelegten Unterlagen lehnte das Versorgungsamt H. eine höhere Bewertung des GdB und die Feststellung des Merkzeichens G ab (Bescheid vom 19.8.2004).

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde damit begründet, das Fibromyalgie-Syndrom sei mit einem GdB von 40, die Kniegelenkserkrankung mit einem Teil-GdB von 30, die zwei Wirbelsäulenabschnitte betreffenden Beschwerden mit einem Teil-GdB von 30, eine hno-ärztlich diagnostizierte Hirnstammtaumeligkeit zusammen mit dem Ohrgeräusch mit einem Teil-GdB von 30 und die Belastungsinkontinenz mit einem Teil-GdB von 20 anzuerkennen. Nach Auswertung beigezogener ärztlicher Äußerungen in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.03.2005, wonach es bei der bisherigen Bewertung bleibe, wies das beklagte Land mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2005 den Widerspruch zurück.

Die Klägerin hat am 06.05.2005 beim Sozialgericht Heilbronn hiergegen Klage erhoben.

Das Sozialgericht hat die Gerichtsakte mit den darin enthaltenen Arztunterlagen aus dem Vorverfahren S 6 SB 1902/01 und Arztunterlagen aus dem von der Klägerin beim Sozialgericht geführten weiteren Klageverfahren wegen Rente (S 3 R 499/05) beigezogen (u. a. die schriftliche Zeugenaussagen von Dr. T. vom 28.06.2005, Dr. S., Urologe, vom 01.08.2005, das Schmerzgutachten des Rheumatologen Dr. M. vom 28.12.2005, das rheumatologische Gutachten von Dr. H. vom 29.03.2006). Es hat außerdem schriftlich die behandelnden Ärzte Dr. T. (Aussage vom 10.10. 2005 - Fibromyalgiesyndrom mit chronischen Schmerzen; Klägerin ist auf Schmerzmittel angewiesen), Professor Dr. von H. (Aussage vom 14.10.2005 - Belastungsinkontinenz nach Operation im Juli 2005 geheilt; Drangblasensymptomatik ist medikamentös behandelbar), Dr. S. (Aussage vom 03.11.2005 - erhebliche Diskrepanz zwischen eigenen Miktionsangaben und Miktionsprotokoll; unklare Medikamentenunverträglichkeit), Dr. B. (Aussage vom 05.12.2005 - muskuläre Schwäche bei Fibromyalgie sei mit GdB von 50, Wirbelsäulenbeschwerden mit GdB von 30 und Gonarthrose mit GdB 40 zu bewerten) und Dr. M. (Aussage vom 31.08.2006 - eigentlich liege nur Fibromyalgie vor, nur formal sei leichte Verschleißerscheinungen beider Kniegelenke anzunehmen; Therapieresistenz bei noch möglichen therapeutischen Optionen liege nicht vor; für Beeinträchtigung des gesamten Bewegungsapparats werde ein GdB von 40 vorgeschlagen, ein Gesamt-GdB von 60 sei deutlich zu hoch; zwei Kilometer im allgemeinen Ortsverkehr seien in einer Stunde noch zurücklegbar) als sachverständige Zeugen gehört.

Das beklagte Land hat die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 16.09.2005, vom 03.02.2006 und vom 05.05.2006 vorgelegt. Danach sei der bisherige Teil-GdB von 20 für die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen ganz auf die Fibromyalgie zu beziehen. Die psychische Auswirkungen der Fibromyalgie durch die damit verbundenen Schmerzen seien insbesondere mit der Depression zu bewerten, was den Teil-GdB 40 rechtfertige. Für Knorpelschädigungen der Kniegelenken ohne Bewegungseinschränkung komme nur ein Teil-GdB von 20 in Betracht. Eine ausgeprägte Funktionseinschränkung des Bewegungsapparats werde über das fibromyalgietypische Beschwerdebild hinaus nicht beschrieben. Eine höhergradige medikamentöse Schmerzbehandlung oder Schmerztherapie werde nicht durchgeführt, weshalb eine Erhöhung des Teil-GdB von 40 ausscheide. Danach lägen auch die Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht vor, zumal rein objektiv ein GdB von wenigstens 50 allein von Seiten der Wirbelsäule und der unteren Gliedmaßen nicht fassbar sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.10.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es sich auf Dr. M. gestützt, wonach noch erhebliche therapeutischen Optionen im medikamentösen und nicht medikamentösen Bereich zur Behandlung der Fibromyalgie bestünden. Ein GdB von 50 sei aber ohne den von Dr. M. empfohlenen Abschlag, der nach den Bewertungsgrundsätzen nicht möglich sei, hierfür anzusetzen. Der Teil-GdB von 30 für die Depression, wie sie im Vorverfahren von dem damals beauftragten Sachverständigen Dr. H. diagnostiziert worden ist, begegne keinen Bedenken, nachdem die Klägerin unter Hinweis auf das Vorgutachten sich mit einer erneuten Begutachtung auf diesem Fachgebiet nicht bereiterklärt habe. Für mittelgradige Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt sähen die Bewertungsgrundsätze einen Teil-GdB von 20 vor. Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehe eine schmerzbedingte Inklinationseinschränkung bei Prolaps in L 2/3 sowie Protrusion bei L 3/4 und 4/5. Ebenso sei die Bewertung der Kniegelenksbeschwerden mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend. Es lägen keine wesentlichen Abweichungen von der normalen Beweglichkeit vor. Auch die Bewertung der Atembehinderung bei Veränderungen beider Nasengänge mit chronischer Nebenhöhlenentzündung mit einem Teil-GdB von 20 sei korrekt und werde von der Klägerin nicht ausdrücklich beanstandet. Das Ohrgeräusch sei ohne wesentliche psychische Begleiterscheinungen mit einem Teil-GdB von 10 zutreffend eingestuft. Hinsichtlich der Harn¬inkontinenz komme allenfalls ein Teil-GdB von 10 nach den von Dr. S. und Professor Dr. von H. mitgeteilten Befunden in Betracht. Dies ergebe ein Gesamt-GdB von 60. Hinsichtlich der Funktionseinschränkung der Wirbelsäule und der Schmerzen der peripheren Gelenke und der Depression und der Fibromyalgie seien erhebliche Überschneidungen gegeben. Zusätzlich sei noch die Atemwegsbehinderung mit dem Teil-GdB von 20 zu berücksichtigen. Eine Herabsetzung des Gesamt-GdB, wie von Dr. M. ausgeführt, könne wegen des Verbots der reformatio in peius dahingestellt bleiben. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen G lägen ebenfalls nicht vor. Das Fibromyalgiesyndrom mit dem Teil-GdB von 50 beziehe sich auf den gesamten Körper und nicht lediglich auf den Bereich der unteren Gliedmaßen und der Lendenwirbelsäule. In der Gesamtbetrachtung bestünden auch keine Auswirkungen der Behinderungen auf die Gehfähigkeit im erforderlichen Ausmaß. Die von Dr. H. angenommene Unfähigkeit der Klägerin, Wegstrecken von 500 Meter in der Ebene in einer Zeit von unter 20 Minuten zurückzulegen, sei nicht überzeugend. Dem stehe entgegen, dass Dr. M. ausgeführt habe, die Klägerin fühle sich zwar massiv beeinträchtigt, jedoch seien wesentliche therapeutische Optionen noch nicht umgesetzt. Das Gericht sei deshalb nicht davon überzeugt, dass eine Strecke von zwei Kilometern innerhalb einer halben Stunde von ihr nicht zurückgelegt werden könne.

Gegen den der Klägerin am 19.10.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 20.11.2006 Berufung eingelegt und ausgeführt, das Sozialgericht sei zwar zutreffend von einem Teil-GdB von 50 für die Fibromyalgie ausgegangen. Jedoch seien die drei weiteren Teil-GdB mit einmal 30 und zweimal 20 für die Depression, die Wirbelsäulen- und Kniegelenkserkrankung nicht vollständig durch das Fibromyalgiesyndrom kompensiert. Dies hätte weitere Ermittlungen bedingt. Die Klägerin hat u. a. auf das vorgelegte neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. R. vom 23.01.2007 (Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung, in der das Symptom der depressiven Stimmungslage integriert werden könne) verwiesen, das im Rahmen eines weiteren vor dem Sozialgericht geführten Rechtsstreits (S 1 R 499/05) eingeholt worden war. Hinsichtlich des Merkzeichens G könne dem Sozialgericht nicht gefolgt werden, wenn es bezogen auf den Bereich der unteren Gliedmaßen und der Lendenwirbelsäule allenfalls von einem Teil-GdB von 40 seitens der Fibromyalgie ausgehe. Die einzelnen Behinderungen seitens der Kniegelenke und der Wirbelsäule mit jeweils einem GdB von 20 sprächen dafür, dass die Voraussetzung eines GdB von 50 für den maßgeblichen Bereich der Lendenwirbelsäule und der unteren Extremitäten angenommen werden könne. Die Überzeugung des Sozialgerichts, dass noch eine Strecke von zwei Kilometern innerhalb einer halben Stunde zurückgelegt werden könne, sei unerfindlich. Dr. M. habe angenommen, dass eine Wegstrecke von zwei Kilometern in einer Stunde zurückgelegt werden könne, was der Feststellung des Sozialgerichts widerspreche. Auch im Hinblick auf das von Dr. T. vorgelegte Attest vom 08.10.2006 ergebe sich, dass sie nur noch eine Wegstrecke von weniger als 500 Meter zu Fuß zurücklegen könne.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 18.10.2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 19.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Gesamt-GdB von 80 und das Vorliegen des Nachteilsausgleichs G seit 02.04.2007 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. F. vom 28.06.2007. In dem Gutachten von Dr. R. werde eine somatoforme Schmerzstörung beschrieben, weshalb die Schmerzsymptomatik mit der seelischen Störung zusammen zufassen und mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten sei. Es sei davon auszugehen, dass die somatoforme Schmerzstörung sich mit den übrigen Gesundheitsstörungen mit einem Teil-GdB von 20 (Wirbelsäulen-, Kniegelenks- und Atemwegserkrankungen) überschneide. Hinsichtlich des Ohrgeräusches bestehe ein Teil-GdB von 10. Die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens lägen nicht vor.

Der Senat hat die Verwaltungsakte des Beklagten und die angefallenen Akten des Sozialgerichts einschließlich des Vorverfahrens S 6 SB 1902/01 beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätzen wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können, ist auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 60 und auf Feststellung des Merkzeichens G.

Das Sozialgericht hat die Rechtsgrundlagen und Rechtsgrundsätze für die Feststellung einer Änderung im Gesundheitszustand eines behinderten Menschen vollständig und zutreffend wiedergegeben und ohne Rechtsfehler angewendet. Der Senat verweist auf Grund eigener Überprüfung auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 3 SGG).

Zum Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren, der Gesamt-GdB sei wegen nicht gänzlicher Überschneidung der Erkrankungen zu erhöhen, weist der Senat darauf hin, dass die Fibromyalgie bzw. die somatoforme Schmerzstörung, wie sie sich aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten Gutachten von Dr. R. vom 23.01.2007 ergibt, durch die Schmerzempfindungen der Klägerin geprägt ist und ärztlicherseits das Ausmaß der Schmerzerkrankung danach beschrieben wird. Soweit dagegen die durch technische Befunde (Röntgenbilder oder Kernspintomographieaufnahmen etc.) in ihrem Ausprägungsgrad objektivierbaren Erkrankungen seitens der Wirbelsäule und der Kniegelenke nach den Anhaltspunkten einzustufen sind, sind die Bewegungseinschränkung und die hierdurch verursachten Schmerzen mitberücksichtigt. Die auch von der Klägerin nicht bestrittenen und für den Senat überzeugend angenommenen Teil-GdB-Werte für die Wirbelsäulenveränderungen und arthrotischen Veränderungen der Kniegelenke nach der Einschätzung durch das Sozialgericht, aber auch nach der ebenso vertretbaren Einschätzung, die sich aus der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. vom 28.06.2007 ergibt, beziehen sich auf weit geringere Bewegungseinschränkungen und Schmerzempfindungen als in der GdB-Bewertung von 50 bzw. 40 für die Fibromyalgie bzw. die somatoforme Schmerzstörung zum Ausdruck kommt. Demzufolge ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn eine volle Kompensation der Teil-GdB-Werte für diese somatischen Gesundheitsstörungen angenommen wird. Die gleiche Bewertung gilt auch für die Berücksichtigung der seelischen Störung. Abgesehen davon, dass im Gutachten von Dr. R. eine Depression als Diagnose nicht aufgeführt ist, wird darin überzeugend dargelegt, dass die in den Vordergrund gerückten Schmerzen das Symptom der depressiven Stimmungslage gänzlich in das Krankheitsbild der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung integriert haben und nicht mehr von einem eigenständigen Krankheitsbild im Sinne einer neurotischen Depression, einer Dysthymie, ausgegangen werden kann. Bereits Dr. H. und Dr. Schulte haben im vorangegangen Verfahren zur Feststellung des GdB eine depressive Stimmungslage, resultierend aus dem Schmerzerlebnis, diagnostiziert ohne schwerwiegende kognitive oder mnestische Störungen. Auch insoweit handelte es sich um die aus dem Schmerzerleben folgenden psychischen Beeinträchtigungen, die von dem GdB-Ansatz für die Fibromyalgie, jetzt somatoforme Schmerzstörung, voll erfasst werden.

Diesbezüglich hat auch der Senat keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen gesehen.

Das Berufungsvorbringen, aus dem Gutachten von Dr. M. und dem vorgelegten Attest von Dr. T. ergebe sich die für die Feststellung des Merkzeichens G erforderliche Beschränkung der Gehfähigkeit, hat den Senat nicht zu einer anderen, von der des Sozialgerichts abweichenden Entscheidung gelangen lassen. Die Einschätzung der der Klägerin noch möglichen Wegstrecke im Gutachten von Dr. M., von Dr. H. und in den unterschiedlichen Äußerungen von Dr. B. wie auch von Dr. T. in dem zuletzt vorgelegten Attest beruhen maßgeblich auf den eigenen Angaben der Klägerin. Dr. M. und Dr. H. aber haben bei ihrer Untersuchung der Klägerin endgradige oder nur gering bis mittelgradige Bewegungseinschränkungen seitens der Lendenwirbelsäule oder der unteren Extremitäten feststellen können. Eine darüber hinaus gehende, die Gehfähigkeit limitierende - schmerzbedingte - Funktionsbeeinträchtigung ist nicht objektiviert worden. Die von Dr. H. durchgeführten Belastungsprüfungen der Hände bzw. der Arme und beim Treppensteigen mit dem Befund einer muskulären Schwäche entziehen sich einer weiteren Objektivierung, worauf Dr. H., aber auch Dr. M., bei dem Krankheitsbild der von ihnen diagnostizierten Fibromyalgie gerade hinweisen.

Zwar haben diese Ärzte eine Aggravation und Simulation ausgeschlossen, andererseits haben andere Ärzte während der Behandlung der Klägerin durchaus Hinweise darauf erhalten, dass die Wahrnehmung ihrer gesundheitlichen Belastung nicht immer mit den tatsächlichen Gegebenheiten deckungsgleich ist. So haben die Urologen Dr. S. und Prof. Dr. von H. auf die Diskrepanz zwischen den Angaben der Klägerin zur Miktionshäufigkeit tagsüber und nachts und dem Ergebnis nach dem durchgeführten Messprotokoll hingewiesen, wonach tatsächlich nur die Hälfte der angegebenen Anzahl der Miktionen aufgetreten ist. Gleiches gilt für die behauptete Medikamentenunverträglichkeit, wobei die Klägerin im Schrifttum nicht bekannte Nebenwirkungen angegeben hatte. Ebenso ergeben sich Ungereimtheiten bei den Angaben der Klägerin zu den von ihr noch zurücklegbaren Wegstrecken. Bei der Untersuchung durch Dr. M. im Dezember 2005 schätzte die Klägerin die ihr noch zu Fuß mögliche zurücklegbare Wegstrecke mit unter 100 Meter ein. Damit übereinstimmend sind ihre Angaben bei der Untersuchung durch Dr. H. im März 2006, ihre Gehstrecke, auch in der Ebene, sei begrenzt durch plötzlich einschießende Schmerzen in beiden Kniegelenken. Sie könne dann nicht weitergehen. Oft träte dies bereits vor Absolvieren einer Gehstrecke von 100 Metern ein, deutlich mehr als 100 Meter könne sie am Stück nicht gehen. Früher sei sie stundenlang gelaufen. Sie sei am liebsten Zuhause, ziehe sich immer mehr zurück. Die Einkäufe erledige ihr Ehemann. Damit sind aber ihre Angaben bei der Untersuchung von Dr. R. im Oktober 2006 nicht vereinbar, ihr Zustand habe sich weiter verschlechtert, sie könne seit Juli 2006 nicht mehr spazieren gehen. Sie könne aber gelegentlich noch ihren Mann beim Einkaufen begleiten und noch etwa 200 Meter am Stück zurücklegen. Bereits im Gutachten von Dr. M. werden Unterschiede in den Angaben zur Wegstrecke und der offensichtlich zum Untersuchungsort zurückgelegten Gehstrecke von der Bushaltestelle zum Untersuchungszimmer mit etwa 250 bis 300 Metern deutlich. Weder im Gutachten von Dr. H. noch im Gutachten von Dr. M. sind zudem Anzeichen für die behauptete Inaktivität beschrieben. Dr. M. hat bei seiner Untersuchung eine normal kräftig ausgeprägte Muskulatur und keinerlei Anhaltspunkte für eine isolierte oder generalisierte Atrophie großer oder kleiner Muskelgruppen finden können. Auch Dr. H. hat eine seitengleich ausgebildete Oberschenkelmuskulatur wie auch sonst keine Umfangsdifferenzen der Muskulatur erhoben, was gegen eine körperliche Schonung im behaupteten Umfang spricht.

Für den Senat ist daher die Bewertung von Dr. W. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.05.2006 nachvollziehbar, dass nach den Befunden von Dr. M. und Dr. H. keine wesentlichen Abweichungen von den normalen Bewegungsausmaßen und auch sonst keine weiteren klinischen Auffälligkeiten vorliegen, die über das fibromyalgietypische Beschwerdebild hinausgehen und Rückschlüsse auf eine erhebliche Bewegungseinschränkung und damit auch der Gehfähigkeit zulassen. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit, die es nicht mehr erlaubt, Wegstrecken im ortsüblichen Verkehrs in angemessener Zeit zurückzulegen, ist nach der überzeugenden versorgungsärztlichen Einschätzung daher diesen Befunden nicht zu entnehmen. Für dieses Ergebnis spricht zur Überzeugung des Senats auch die Leistungsbeurteilung von Dr. R., der in dem Gutachten über die Erwerbsfähigkeit der Klägerin davon ausgeht, das sie noch leichte körperliche Arbeiten - neben weiteren Einschränkungen - im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten kann. Die Begrenzung auf unter sechs Stunden ergibt sich aus der von ihm angenommenen vorzeitigen Ermüdbarkeit und Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit. Aber innerhalb der begrenzten täglichen Leistungsfähigkeit ist auch nach seiner Einschätzung die Klägerin noch in der Lage, ständig zu sitzen oder sogar überwiegend im Gehen bzw. Stehen tätig zu sein.

Bei dieser Ausgangslage hat der Senat ebenfalls keinen Anlass gesehen, die Gehfähigkeit weiter medizinisch aufzuklären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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