Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 14 Ar 1514/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 649/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Mai 1995 aufgehoben, soweit die Zeit bis zum 30. April 1993 betroffen ist und die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger ein Siebtel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Feststellung des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Zahlung einer Abfindung und Rückforderung eines Betrages in Höhe von DM 1.324,80.
Der 1954 geborene Kläger arbeitete von Januar 1981 bis Oktober 1991 als Versandarbeiter bei Firma P. und im Anschluß als Maschinenführer bei der G. E.-Technik GmbH. Firma P. war in Konkurs gegangen und der Betrieb von E.-Technik übernommen worden. Am 5. April 1993 wurde der Kläger von seinem Arbeitgeber von der Arbeit freigestellt. Bis zu diesem Tage erhielt der Kläger ausweislich des in Fotokopie vorgelegten Ersatz-Versicherungsnachweises Arbeitslohn. Der Kläger meldete sich am 6. April 1993 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Schreiben vom 28. April 1993 kündigte der Konkursverwalter das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 30. Juni 1993. Mit Bescheid vom 9. Juni 1993 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 6. April 1993 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich DM 55,20 auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgeltes in Höhe von DM 670,00, mit Bescheid vom 23. Juni 1993 Unterhaltsgeld für die Zeit vom 17. Mai 1993 bis 16. November 1993 während der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme Metall. Vom 8. November 1993 bis 31. Januar 1994 war der Kläger in Arbeit und bezog ab 1. Februar 1994 wieder Arbeitslosengeld. Am 30. September 1993 schloß der Kläger mit dem Konkursverwalter eine "Abfindungsvereinbarung” über die Zahlung einer Abfindung i.H. DM 4.100,00 für den Verlust des Arbeitsplatzes. Die vertragsschließenden Parteien waren sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis mit dem 31. Dezember 1993 sein Ende finden solle und sämtliche sonstigen Ansprüche im Rahmen des Konkursverfahrens geltend gemacht würden.
Mit Bescheid vom 21. März 1994 stellte die Beklagte fest, daß wegen der gezahlten Abfindung der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 3. Mai 1993 ruhe und sich daraus ein überzahlter Betrag in Höhe von DM 1.324,80 ergebe, der nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten sei. (Berechnung: Entgelt pro Kalendertag DM 97,47; 70 % der Abfindung = DM 2.870,00 = 29 Kalendertage des Ruhens)
Hiergegen hat der Kläger am 6. April 1994 Widerspruch erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, er habe bereits am 6. April 1993 einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt, weil am 2. April 1993 das Konkursverfahren über seinen Arbeitgeber eröffnet worden sei. Zum gleichen Zeitpunkt sei er freigestellt worden, obwohl die Kündigung erst zum 28. April 1993 ausgesprochen worden sei. Vom Konkursverwalter sei mitgeteilt worden, daß die Abfindung nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 1994 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, zwar sei das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Dezember 1993 aufrecht erhalten worden, aus dem Beschäftigungsverhältnis sei der Kläger jedoch vorzeitig, d.h. ohne Einhaltung einer Frist, die der Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist entspreche, ausgeschieden. Wegen der gezahlten Abfindung von DM 4.100,00 sei zu Recht nach § 117 Abs. 3 a i.V. mit § 117 Abs. 2 und 3 AFG das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld vom 6. April bis 3. Mai 1993 festgestellt worden. In Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sei die Bewilligungsentscheidung für die Zeit vom 6. April bis 3. Mai 1993 aufzuheben gewesen und das zu Unrecht gewährte Arbeitslosengeld nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Hiergegen hat der Kläger am 29. September 1994 Klage erhoben.
Mit Urteil vom 17. Mai 1995 hat das Sozialgericht Gießen die angefochtenen Bescheide aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. In der Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 117 Abs. 3 a AFG lägen nicht vor. Denn die Abfindung sei nicht wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt worden. Dabei könne dahinstehen, ob bereits die Freistellung des Klägers am 5. April 1993 als Ende des Beschäftigungsverhältnisses anzusehen sei, denn es könne auch die Auffassung vertreten werden, der Konkursverwalter habe erst durch das Kündigungsschreiben vom 28. April 1993 auf seinen Verfügungswillen endgültig verzichtet. Doch selbst, wenn vom 5. April 1993 als Beendigungszeitpunkt ausgegangen werde, liege kein Fall des § 117 Abs. 3 a AFG vor. Es fehle an einem spezifischen, die Regelvermutung begründenden Kausalzusammenhang zwischen der vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und der Abfindung. Zum Zeitpunkt der Freistellung habe der Kläger weder eine Abfindung erhalten noch habe sie ihm zugestanden. Die Abfindung sei erst am 30. September 1993 vereinbart worden. Bei einer Höhe von DM 4.100,00 könne nicht davon ausgegangen werden, daß Lohnanteile enthalten seien. Immerhin sei der Kläger seit 1981 bei der E.-Technik GmbH beschäftigt gewesen Bei einer mehr als zehnjährigen Beschäftigung bewege sich eine Abfindung in Höhe von DM 4.100,00 durchaus im Rahmen des Üblichen. Entsprechend der Regelung in der Vereinbarung müßten sämtliche sonstigen Ansprüche des Arbeitnehmers ausschließlich im Rahmen des Konkursverfahrens geltend gemacht werden. Es könne dahinstehen, ob die durch das Gesetz zur Umsetzung des föderalen Konsolidierungsprogrammes (FKPG) mit Wirkung vom 26. Juni 1993 in § 117 AFG eingefügte Vorschrift des Absatzes 3 a hier überhaupt habe angewendet werden dürfen und damit ein Fall der unzulässigen Rückwirkung vorliege.
Gegen das ihr am 26. Mai 1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Juni 1995 Berufung eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, die am 27. Juni 1993 in Kraft getretene Regelung des Absatzes 3 a von § 117 AFG habe der vorhergehenden Praxis der Beklagten entsprochen. Da die Abfindungsvereinbarung erst am 30. September 1993 getroffen worden sei, finde die Vorschrift Anwendung. Sollte der erkennende Senat diese Rechtsauffassung nicht teilen, seien Absatz 2 und 3 von § 117 AFG für die vorzeitige Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses analog anzuwenden. Der Verlust des Arbeitsplatzes sei doch gerade wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses eingetreten und damit liege Kausalität zu der gezahlten Abfindung vor. Bei einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vor Ablauf der Kündigungsfrist, insbesondere bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 8. Dezember 1987 – 7 RAr 48/86) stets unwiderlegbar zu vermuten, daß die Abfindung auch Entgeltteile enthalte. Mit § 117 habe der Gesetzgeber vermeiden wollen, daß der Arbeitslose Leistungen des Arbeitsamtes für eine Zeit erhalte, für die er einen Entgeltanspruch habe bzw. ihm sein Entgeltanspruch abgegolten werde. Nur Leistungen, die aufgrund ihres Charakters dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auf jeden Fall zustünden, würden im Rahmen des § 117 AFG nicht berücksichtigt. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, jedem Arbeitnehmer stehe bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses eine Abfindung zu. Auch der Zeitpunkt der Vereinbarung stehe einer Berücksichtigung im Rahmen des § 117 AFG nicht entgegen. Das Bundessozialgericht habe mit Urteil vom 13. März 1990 (11 RAr 69/89 – DBlR Nr. 3646 a § 117 AFG) entschieden, daß § 117 auch dann Anwendung finde, wenn der Anspruch auf eine Leistung des Arbeitgebers erst längere Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vereinbart werde.
Die Beklagte hat unter Berücksichtigung einer längeren Betriebszugehörigkeit eine Ruhenszeit von 25 Tagen angenommen und in Form eines Teilanerkenntnisses das Ruhen des Anspruchs verkürzt auf die Zeit vom 6. bis 30. April 1993.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Mai 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, die Abfindung habe er nicht wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist erhalten, Ursache seien dringende betriebliche Erfordernisse gewesen. Der Fall, über den das Bundessozialgericht in dem von der Beklagten zitierten Urteil entschieden habe, sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist auch zulässig.
Das vom Kläger angenommene Teilanerkenntnis hat den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt, als das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. bis 3. Mai 1993 im Streit stand, § 101 Abs. 2 SGG.
Der Senat hatte deshalb nur noch über die Rechtmäßigkeit des von der Beklagten für die Zeit vom 6. bis 30. April 1993 festgestellten Ruhens zu entscheiden. Insoweit ist die Berufung begründet und das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Mai 1995 rechtsfehlerhaft; es war deshalb bezüglich der noch streitbefangenen Zeit aufzuheben sowie die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21. März 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 1994 hat zu Recht das Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld für die noch streitbefangene Zeit festgestellt.
Nach § 117 Abs. 3 a, mit Absätzen 2 und 3 AFG, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist geendet hätte oder geendet hat. Er ruht jedoch nicht über den Tag hinaus, bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgeltes einen Betrag in Höhe von 60 % der Abfindung als Arbeitsentgelt verdient hätte.
Dabei geht der erkennende Senat von einer Betriebszugehörigkeit von über zehn Jahren (aber weniger als 15 Jahren) aus, so daß der Grund-Anrechnungssatz von 70 % um 10-Prozent-Punkte auf 60 % zu vermindern war. Die Betriebszugehörigkeit des Klägers bei Firma P. (1981 bis 1991) und anschließend bei der G. E.-Technik GmbH bis zum streitbefangenen Zeitraum sind wegen eines Betriebsüberganges nach § 613 a BGB zusammenzurechnen. 60 % der Abfindungssumme von DM 4.100,00 ergeben DM 2.460,00; bei einem kalendertäglichen Entgelt von DM 97,47 errechnet sich ein Ruhenszeitraum von 25 Kalendertagen, der bei Beginn am 6. April 1993 bis zum 30. April 1993 reicht. Dies ist jedenfalls innerhalb der Kündigungsfrist, so daß es nicht darauf ankommt, ob die ursprüngliche Kündigung zum 30. Juni 1993 rechtmäßig war bzw. welche Bedeutung die vertragliche Vereinbarung vom 30. September 1993 hinsichtlich des Endes des Arbeitsverhältnisses mit dem 31. Dezember 1993 hatte.
Nach Auffassung des erkennenden Senats findet § 117 Abs. 3 a AFG (eingefügt durch Artikel 11 Nr. 11 FKPG vom 23. Juni 1993, BGBl. I S. 944, verkündet am 26. Juni 1993, in Kraft getreten am Tag nach der Verkündung, Artikel 43 Abs. 1 FKPG) Anwendung. Zum einen deshalb, da die Vereinbarung über die Abfindung erst am 30. September 1993, also nach dem Inkrafttreten des § 117 Abs. 3 a AFG, geschlossen wurde, zum anderen, da der neu eingefügte Absatz 3 a klarstellende Wirkung hatte, da er die bisher geübte Verwaltungspraxis der Beklagten bestätigte (vgl. Hennig-Kühl-Heuer, AFG, Loseblattkommentar, Stand März 1997, § 117 Rdnr. 26 a), schließlich weil die Interessenlage bei vorzeitiger Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht anders ist als bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses, soweit es um die Bedeutung, einer Abfindung als (teilweise) Abgeltung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt geht (vgl. BT-Drucksache 12/4401 S. 91). Letzteres hätte nach altem Recht die analoge Anwendung von § 117 Abs. 2 und 3 AFG in Fällen der vorliegenden Art gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall wird der Umgehungstatbestand besonders deutlich, da der Konkursverwalter für die Zeit ab 6. April 1993 keinen Lohn mehr gezahlt hat, aber am 30. September 1993 ohne erkennbaren Grund vertraglich einen Anspruch des Klägers auf eine Abfindung in Höhe von DM 4.100,00 begründet und auch auszahlt, statt rückständigen Lohn (teilweise) zu bezahlen, der wegen Übergang des Lohnanspruchs nach § 115 SGB X auf die Beklagte allerdings an diese zu zahlen gewesen wäre. Der erkennende Senat sieht auch eine Kausalität zwischen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und Zahlung der Abfindung schon deshalb, da die Zahlung noch vor dem nachträglich vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1993 erfolgte (zur Kausalität allgemein vgl. Urteile des BSG vom 13.03.1990 – 11 RAr 69/89 und vom 21.09.1995 – 11 RAr 41/95). Die Kausalität zwischen vorzeitiger Beendigung (des Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnisses) wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß es noch weitere Gründe für die Zahlung gibt.
Die Rückforderung beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Durch das Teilanerkenntnis verringert sich der Rückforderungsbetrag auf DM 1.214,40 (22 Leistungstage á DM 55,20).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger ein Siebtel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Feststellung des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Zahlung einer Abfindung und Rückforderung eines Betrages in Höhe von DM 1.324,80.
Der 1954 geborene Kläger arbeitete von Januar 1981 bis Oktober 1991 als Versandarbeiter bei Firma P. und im Anschluß als Maschinenführer bei der G. E.-Technik GmbH. Firma P. war in Konkurs gegangen und der Betrieb von E.-Technik übernommen worden. Am 5. April 1993 wurde der Kläger von seinem Arbeitgeber von der Arbeit freigestellt. Bis zu diesem Tage erhielt der Kläger ausweislich des in Fotokopie vorgelegten Ersatz-Versicherungsnachweises Arbeitslohn. Der Kläger meldete sich am 6. April 1993 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Schreiben vom 28. April 1993 kündigte der Konkursverwalter das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 30. Juni 1993. Mit Bescheid vom 9. Juni 1993 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 6. April 1993 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich DM 55,20 auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgeltes in Höhe von DM 670,00, mit Bescheid vom 23. Juni 1993 Unterhaltsgeld für die Zeit vom 17. Mai 1993 bis 16. November 1993 während der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme Metall. Vom 8. November 1993 bis 31. Januar 1994 war der Kläger in Arbeit und bezog ab 1. Februar 1994 wieder Arbeitslosengeld. Am 30. September 1993 schloß der Kläger mit dem Konkursverwalter eine "Abfindungsvereinbarung” über die Zahlung einer Abfindung i.H. DM 4.100,00 für den Verlust des Arbeitsplatzes. Die vertragsschließenden Parteien waren sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis mit dem 31. Dezember 1993 sein Ende finden solle und sämtliche sonstigen Ansprüche im Rahmen des Konkursverfahrens geltend gemacht würden.
Mit Bescheid vom 21. März 1994 stellte die Beklagte fest, daß wegen der gezahlten Abfindung der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 3. Mai 1993 ruhe und sich daraus ein überzahlter Betrag in Höhe von DM 1.324,80 ergebe, der nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten sei. (Berechnung: Entgelt pro Kalendertag DM 97,47; 70 % der Abfindung = DM 2.870,00 = 29 Kalendertage des Ruhens)
Hiergegen hat der Kläger am 6. April 1994 Widerspruch erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, er habe bereits am 6. April 1993 einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt, weil am 2. April 1993 das Konkursverfahren über seinen Arbeitgeber eröffnet worden sei. Zum gleichen Zeitpunkt sei er freigestellt worden, obwohl die Kündigung erst zum 28. April 1993 ausgesprochen worden sei. Vom Konkursverwalter sei mitgeteilt worden, daß die Abfindung nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 1994 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, zwar sei das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Dezember 1993 aufrecht erhalten worden, aus dem Beschäftigungsverhältnis sei der Kläger jedoch vorzeitig, d.h. ohne Einhaltung einer Frist, die der Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist entspreche, ausgeschieden. Wegen der gezahlten Abfindung von DM 4.100,00 sei zu Recht nach § 117 Abs. 3 a i.V. mit § 117 Abs. 2 und 3 AFG das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld vom 6. April bis 3. Mai 1993 festgestellt worden. In Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sei die Bewilligungsentscheidung für die Zeit vom 6. April bis 3. Mai 1993 aufzuheben gewesen und das zu Unrecht gewährte Arbeitslosengeld nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Hiergegen hat der Kläger am 29. September 1994 Klage erhoben.
Mit Urteil vom 17. Mai 1995 hat das Sozialgericht Gießen die angefochtenen Bescheide aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. In der Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 117 Abs. 3 a AFG lägen nicht vor. Denn die Abfindung sei nicht wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt worden. Dabei könne dahinstehen, ob bereits die Freistellung des Klägers am 5. April 1993 als Ende des Beschäftigungsverhältnisses anzusehen sei, denn es könne auch die Auffassung vertreten werden, der Konkursverwalter habe erst durch das Kündigungsschreiben vom 28. April 1993 auf seinen Verfügungswillen endgültig verzichtet. Doch selbst, wenn vom 5. April 1993 als Beendigungszeitpunkt ausgegangen werde, liege kein Fall des § 117 Abs. 3 a AFG vor. Es fehle an einem spezifischen, die Regelvermutung begründenden Kausalzusammenhang zwischen der vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und der Abfindung. Zum Zeitpunkt der Freistellung habe der Kläger weder eine Abfindung erhalten noch habe sie ihm zugestanden. Die Abfindung sei erst am 30. September 1993 vereinbart worden. Bei einer Höhe von DM 4.100,00 könne nicht davon ausgegangen werden, daß Lohnanteile enthalten seien. Immerhin sei der Kläger seit 1981 bei der E.-Technik GmbH beschäftigt gewesen Bei einer mehr als zehnjährigen Beschäftigung bewege sich eine Abfindung in Höhe von DM 4.100,00 durchaus im Rahmen des Üblichen. Entsprechend der Regelung in der Vereinbarung müßten sämtliche sonstigen Ansprüche des Arbeitnehmers ausschließlich im Rahmen des Konkursverfahrens geltend gemacht werden. Es könne dahinstehen, ob die durch das Gesetz zur Umsetzung des föderalen Konsolidierungsprogrammes (FKPG) mit Wirkung vom 26. Juni 1993 in § 117 AFG eingefügte Vorschrift des Absatzes 3 a hier überhaupt habe angewendet werden dürfen und damit ein Fall der unzulässigen Rückwirkung vorliege.
Gegen das ihr am 26. Mai 1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Juni 1995 Berufung eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, die am 27. Juni 1993 in Kraft getretene Regelung des Absatzes 3 a von § 117 AFG habe der vorhergehenden Praxis der Beklagten entsprochen. Da die Abfindungsvereinbarung erst am 30. September 1993 getroffen worden sei, finde die Vorschrift Anwendung. Sollte der erkennende Senat diese Rechtsauffassung nicht teilen, seien Absatz 2 und 3 von § 117 AFG für die vorzeitige Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses analog anzuwenden. Der Verlust des Arbeitsplatzes sei doch gerade wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses eingetreten und damit liege Kausalität zu der gezahlten Abfindung vor. Bei einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vor Ablauf der Kündigungsfrist, insbesondere bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 8. Dezember 1987 – 7 RAr 48/86) stets unwiderlegbar zu vermuten, daß die Abfindung auch Entgeltteile enthalte. Mit § 117 habe der Gesetzgeber vermeiden wollen, daß der Arbeitslose Leistungen des Arbeitsamtes für eine Zeit erhalte, für die er einen Entgeltanspruch habe bzw. ihm sein Entgeltanspruch abgegolten werde. Nur Leistungen, die aufgrund ihres Charakters dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auf jeden Fall zustünden, würden im Rahmen des § 117 AFG nicht berücksichtigt. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, jedem Arbeitnehmer stehe bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses eine Abfindung zu. Auch der Zeitpunkt der Vereinbarung stehe einer Berücksichtigung im Rahmen des § 117 AFG nicht entgegen. Das Bundessozialgericht habe mit Urteil vom 13. März 1990 (11 RAr 69/89 – DBlR Nr. 3646 a § 117 AFG) entschieden, daß § 117 auch dann Anwendung finde, wenn der Anspruch auf eine Leistung des Arbeitgebers erst längere Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vereinbart werde.
Die Beklagte hat unter Berücksichtigung einer längeren Betriebszugehörigkeit eine Ruhenszeit von 25 Tagen angenommen und in Form eines Teilanerkenntnisses das Ruhen des Anspruchs verkürzt auf die Zeit vom 6. bis 30. April 1993.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Mai 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, die Abfindung habe er nicht wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist erhalten, Ursache seien dringende betriebliche Erfordernisse gewesen. Der Fall, über den das Bundessozialgericht in dem von der Beklagten zitierten Urteil entschieden habe, sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist auch zulässig.
Das vom Kläger angenommene Teilanerkenntnis hat den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt, als das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. bis 3. Mai 1993 im Streit stand, § 101 Abs. 2 SGG.
Der Senat hatte deshalb nur noch über die Rechtmäßigkeit des von der Beklagten für die Zeit vom 6. bis 30. April 1993 festgestellten Ruhens zu entscheiden. Insoweit ist die Berufung begründet und das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Mai 1995 rechtsfehlerhaft; es war deshalb bezüglich der noch streitbefangenen Zeit aufzuheben sowie die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21. März 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 1994 hat zu Recht das Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld für die noch streitbefangene Zeit festgestellt.
Nach § 117 Abs. 3 a, mit Absätzen 2 und 3 AFG, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist geendet hätte oder geendet hat. Er ruht jedoch nicht über den Tag hinaus, bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgeltes einen Betrag in Höhe von 60 % der Abfindung als Arbeitsentgelt verdient hätte.
Dabei geht der erkennende Senat von einer Betriebszugehörigkeit von über zehn Jahren (aber weniger als 15 Jahren) aus, so daß der Grund-Anrechnungssatz von 70 % um 10-Prozent-Punkte auf 60 % zu vermindern war. Die Betriebszugehörigkeit des Klägers bei Firma P. (1981 bis 1991) und anschließend bei der G. E.-Technik GmbH bis zum streitbefangenen Zeitraum sind wegen eines Betriebsüberganges nach § 613 a BGB zusammenzurechnen. 60 % der Abfindungssumme von DM 4.100,00 ergeben DM 2.460,00; bei einem kalendertäglichen Entgelt von DM 97,47 errechnet sich ein Ruhenszeitraum von 25 Kalendertagen, der bei Beginn am 6. April 1993 bis zum 30. April 1993 reicht. Dies ist jedenfalls innerhalb der Kündigungsfrist, so daß es nicht darauf ankommt, ob die ursprüngliche Kündigung zum 30. Juni 1993 rechtmäßig war bzw. welche Bedeutung die vertragliche Vereinbarung vom 30. September 1993 hinsichtlich des Endes des Arbeitsverhältnisses mit dem 31. Dezember 1993 hatte.
Nach Auffassung des erkennenden Senats findet § 117 Abs. 3 a AFG (eingefügt durch Artikel 11 Nr. 11 FKPG vom 23. Juni 1993, BGBl. I S. 944, verkündet am 26. Juni 1993, in Kraft getreten am Tag nach der Verkündung, Artikel 43 Abs. 1 FKPG) Anwendung. Zum einen deshalb, da die Vereinbarung über die Abfindung erst am 30. September 1993, also nach dem Inkrafttreten des § 117 Abs. 3 a AFG, geschlossen wurde, zum anderen, da der neu eingefügte Absatz 3 a klarstellende Wirkung hatte, da er die bisher geübte Verwaltungspraxis der Beklagten bestätigte (vgl. Hennig-Kühl-Heuer, AFG, Loseblattkommentar, Stand März 1997, § 117 Rdnr. 26 a), schließlich weil die Interessenlage bei vorzeitiger Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht anders ist als bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses, soweit es um die Bedeutung, einer Abfindung als (teilweise) Abgeltung der Ansprüche auf Arbeitsentgelt geht (vgl. BT-Drucksache 12/4401 S. 91). Letzteres hätte nach altem Recht die analoge Anwendung von § 117 Abs. 2 und 3 AFG in Fällen der vorliegenden Art gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall wird der Umgehungstatbestand besonders deutlich, da der Konkursverwalter für die Zeit ab 6. April 1993 keinen Lohn mehr gezahlt hat, aber am 30. September 1993 ohne erkennbaren Grund vertraglich einen Anspruch des Klägers auf eine Abfindung in Höhe von DM 4.100,00 begründet und auch auszahlt, statt rückständigen Lohn (teilweise) zu bezahlen, der wegen Übergang des Lohnanspruchs nach § 115 SGB X auf die Beklagte allerdings an diese zu zahlen gewesen wäre. Der erkennende Senat sieht auch eine Kausalität zwischen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und Zahlung der Abfindung schon deshalb, da die Zahlung noch vor dem nachträglich vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1993 erfolgte (zur Kausalität allgemein vgl. Urteile des BSG vom 13.03.1990 – 11 RAr 69/89 und vom 21.09.1995 – 11 RAr 41/95). Die Kausalität zwischen vorzeitiger Beendigung (des Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnisses) wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß es noch weitere Gründe für die Zahlung gibt.
Die Rückforderung beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Durch das Teilanerkenntnis verringert sich der Rückforderungsbetrag auf DM 1.214,40 (22 Leistungstage á DM 55,20).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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